Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.05.2007, Az.: 11 K 555/04
Zahlung eines Arbeitslohns durch Übernahme der Kosten für die Mitgliedschaft eines Arbeitnehmers in einem Wirtschaftsclub durch den Arbeitgeber; Kostentragung durch den Arbeitgeber als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 31.05.2007
- Aktenzeichen
- 11 K 555/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 38121
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2007:0531.11K555.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
- § 40 Abs. 1 EStG
- § 2 Abs. 1 S. 2 LStDV
Fundstellen
- AuA 2008, 363 (Kurzinformation)
- DStR 2008, VI Heft 9 (Kurzinformation)
- DStRE 2008, 564-565 (Volltext mit amtl. LS)
- LGP 2007, 201
- NWB direkt 2007, 9
- WISO-SteuerBrief 2007, 3
- Jurion-Abstract 2007, 228687 (Zusammenfassung)
Verfahrensgegenstand
Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge sowie von der Lohnsteuer abzusetzende Beträge für die Zeit Januar 2001 bis Dezember 2003
Amtlicher Leitsatz
Orientierungssatz:
Die vom Arbeitgeber getragenen Kosten der Mitgliedschaft eines Arbeitnehmers in einem Wirtschaftsclub sind kein Arbeitslohn, wenn die Kostentragung sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweist (Anschluss an die ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteil vom 11. April 2006 VI R 60/02, BStBl II 2006, 691 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Tatbestand
Streitig ist, ob Beiträge, die die Klägerin für die Mitgliedschaft von vier ihrer Arbeitnehmer im X entrichtet hat, Arbeitslohn darstellen.
Die Klägerin betreibt Unternehmensberatung und entwickelt Software insbesondere für öffentlich-rechtliche Banken. Sie war ursprünglich selbst Mitglied des X. Bei dem X handelt es sich nach eigenen Angaben um einen der führenden Wirtschaftsclubs. X beschreibt sich selbst wie folgt:
Der X
"fühlt sich dem Anspruch an Exklusivität und Internationalität verpflichtet. Großzügige Räumlichkeiten in englischer Atmosphäre, mit Bibliothek, offenem Kamin, ... und einer herausragenden Vollgastronomie mit einem erlesenen Weinangebot schafft ein Refugium in bester City-Lage.
Zahlreiche Veranstaltungen bieten Gelegenheit zum informellen Austausch. X ist als Wirtschaftsclub zentraler Meeting-Point. Als Mitglied können Sie Ihre Meetings mit Ihren Geschäftspartnern kostenlos in unseren Räumlichkeiten durchführen. Darüber hinaus können Sie die X in ... nutzen.
Mit unserem außergewöhnlichen Ambiente, der herausragenden Küche und dem vielfältigen Dienstleistungsangebot bietet sich Ihnen ein idealer Ort der Entspannung und Ruhe."
Als "Events" sind ... Weihnachts- und Sylvesterfeier, ein Vortrag über James Bond, monatliche Skatturniere und ein Benimm-Kurs für Berufseinsteiger erwähnt.
Als nach einer Satzungsänderung nur natürliche Personen dort Mitglied sein konnten, entrichtete die Klägerin für die Gesellschafter-Geschäftsführer B, H und N sowie den Vertriebsleiter P deren Mitgliedsbeiträge in Höhe von pro Person ... DM (2001), ... EUR (2002) und ... EUR (2003). Die Beitrags- und sonstigen Rechnungen des X beglich sie im Abbuchungsverfahren, um der Buchhaltung die Spesenabrechnungen zu erleichtern. Die Arbeitnehmer nutzten den X nach diesen Rechnungen für 16 (2001), 23 (2002) und 28 (2003) geschäftliche Veranstaltungen, Geschäftsführer N auch für eine private Veranstaltung, deren Kosten er der Klägerin erstattete.
Der Beklagte (das Finanzamt) sah im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung der Prüferin folgend die Zahlungen als Arbeitslohn an und erließ auf Antrag der Klägerin den Nachforderungsbescheid vom 6. Oktober 2004, in dem es die gemäß § 40 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelten Lohnabzugsbeträge festsetzte. Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.
Die Klägerin meint, die Beitragszahlungen seien nicht durch das Dienstverhältnis veranlasst, sondern im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin erfolgt. Die Klägerin habe als juristische Person in den Streitjahren nicht Mitglied im X werden können, durch die Mitgliedschaft der Arbeitnehmer aber den Ort von Geschäftsessen und anderer geschäftlicher Zusammentreffen wesentlich beeinflussen wollen. Die Mitgliedschaft diene ausschließlich der Pflege bestehender und der Begründung neuer Geschäftsbeziehungen im Interesse der Klägerin und sei nicht mit der Mitgliedschaft im Rotary-Club oder in Sportvereinen vergleichbar. Eine private Nutzung des X oder der Partnerunternehmen durch die Arbeitnehmer habe mit einer Ausnahme nicht stattgefunden. Die Nutzung des X zu privaten Zwecken sei in den Streitjahren ohnehin nur eingeschränkt möglich gewesen, weil der X erst seit dem 2. Quartal 2004 außerhalb der Werktage geöffnet sei.
In der mündlichen Verhandlung führte Geschäftsführer N aus, die Mitgliedschaft der Arbeitnehmer habe der Klägerin Aufwendungen an anderer Stelle erspart. Im X hätten zwei Säle mit Konferenzausstattung, wie z.B. Beamer und Leinwände, zur Verfügung gestanden, die die Klägerin kostenlos für Präsentationen oder Konferenzen habe nutzen und kurzfristig buchen können. Im Gegensatz zur Buchung eines Hotelsaals mit entsprechender Ausstattung, die etwa ... EUR koste, sei so nur die Verzehrrechnung angefallen.
Die geringe Zahl der geschäftlichen Veranstaltungen sei darauf zurückzuführen, dass sich nicht jeder Kunde in der englisch-steifen Atmosphäre des X, in dem auch dem Business-Charakter des Clubs entsprechende Bekleidung erwartet werde, wohlfühle und darauf bei der Wahl des Tagungsorts Rücksicht genommen werde. Aus dem Club heraus hätten sich nur wenige Kontakte ergeben.
Die Klägerin beantragt,
den Nachforderungsbescheid vom 6. Oktober 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2004 ersatzlos aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Mitgliedschaft liege zwar im betrieblichen Interesse. Ein geldwerter Vorteil sei jedoch in der Nutzung der Mitgliedschaft für private gesellschaftliche Zwecke wie auch in einer Erhöhung der Reputation zu sehen. Der Sachverhalt sei mit der Zahlung von Beiträgen zum Tennisverein oder Rotary-Club durch den Arbeitgeber vergleichbar. Solche Zahlungen habe die Rechtsprechung als Arbeitslohn beurteilt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Nachforderungsbescheid vom 6. Oktober 2004 und der Einspruchsbescheid vom 26. Oktober 2004 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Mit der Zahlung der Mitgliedsbeiträge hat die Klägerin den Arbeitnehmern keinen Lohn zugewendet.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Es ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG) und unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV). Zu den Einnahmen gehören auch geldwerte Vorteile gemäß § 8 Abs. 2 EStG.
"Für" seine Arbeitsleistung erhält ein Arbeitnehmer die Einnahmen und erzielt so steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn der vom Arbeitgeber zugewendete Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft hat. Dagegen sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. In diesem Fall des "ganz überwiegend" eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die danach erforderliche Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteil vom 11. April 2006 VI R 60/02, BStBl II 2006, 691 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Danach hat die von der Klägerin bezahlte Mitgliedschaft der Arbeitnehmer im X keinen Entlohnungscharakter. Der Senat ist insbesondere aufgrund der ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung der Überzeugung, dass die Klägerin diese Aufwendungen im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse getragen hat.
Der Klägerin war zunächst selbst Mitglied des X gewesen. Mit der persönlichen Mitgliedschaft der Arbeitnehmer wollte sie sich die Nutzungsmöglichkeit des X für betriebliche Zwecke erhalten. Diese Entscheidung ist schon aus Kostengründen nachvollziehbar. Im X konnten Säle für Präsentationen und Konferenzen kostenlos genutzt werden, für die bei gleichwertiger Ausstattung in Hotels eine Miete in Höhe von mehr als einem halben Mitgliedsbeitrag angefallen wäre. Bereits wenige Inanspruchnahmen der Säle ersparen der Klägerin damit Aufwendungen in Höhe der Mitgliedsbeiträge. Die Säle sind ferner kurzfristig verfügbar, was der Klägerin organisatorische Vorteile bietet. Darüber hinaus dürfte das Ambiente des X von einem wichtigen Teil der Kunden der Klägerin aus dem Bankenbereich als angenehm empfunden werden.
Die Auswahl der begünstigten Arbeitnehmer ist nach dem von der Klägerin verfolgten Zweck schlüssig. Mitglieder sind die Geschäftsführer und der Vertriebsleiter, die mit den Geschäftspartnern in Kontakt treten und bei denen der Bedarf, die Infrastruktur des X im betrieblichen Interesse zu nutzen, auftreten kann und, wie aus den Rechnungen des X ersichtlich, auch aufgetreten ist. Dass auch der Vertriebsleiter Mitglied ist, zeigt, dass es nicht um eine Begünstigung der Gesellschafter-Geschäftsführer gegangen ist.
Der von der Klägerin verfolgte betriebliche Zweck steht ganz im Vordergrund. Daran ändert auch nichts, dass die Mitgliedschaft auch für private Zwecke der Arbeitnehmer genutzt werden kann und in einem Fall genutzt worden ist. Feststellungen zu weiteren Nutzungen der Mitgliedschaft aus privaten Gründen gibt es nicht. Dass der X nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin nur werktags geöffnet war, beschränkte ihre Nutzungsmöglichkeit zu privaten Zwecken. Angesichts der besonderen Geeignetheit der Mitgliedschaft für betriebliche Zwecke der Klägerin kann der den Arbeitnehmern verschaffte Vorteil, den das Finanzamt auch in einem Reputationsgewinn und der Möglichkeit zur Verfolgung gesellschaftlicher Interessen sieht, vernachlässigt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Mitgliedschaft lediglich den Zutritt zu den Räumlichkeiten vermittelt, der private Verzehr aber wie in anderen Restaurants auch von dem Arbeitnehmer selbst getragen werden muss. Wer eine herausragende Gastronomie und ein erlesenes Weinangebot in Anspruch nehmen und bezahlen will, findet auch außerhalb des X Restaurants, die ein vergleichbares Niveau bieten.
Allerdings besteht eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers. Je höher aus der Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist, desto geringer zählt das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber - neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers - ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur Lohnzuwendung (BFH in BStBl II 2006, 691 m.w.N.). Im Streitfall hat sich aber bereits ein nicht unerhebliches Interesse der Arbeitnehmer an der Mitgliedschaft nicht feststellen lassen. Die Bereicherung der Arbeitnehmer ist auch nicht so hoch, dass das eigenbetriebliche Interesse an Bedeutung verliert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).