Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.10.2008, Az.: 16 U 49/08
Grundsätze der Abrechnung eines Bauvertrages nach Wegfall einer Teilleistung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 07.10.2008
- Aktenzeichen
- 16 U 49/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 36984
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2008:1007.16U49.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 02.04.2008 - AZ: 23 O 3/07
Rechtsgrundlagen
- § 649 BGB
- § 2 Nr. 4 VOB/B
- § 8 Nr. 1 VOB/B
Fundstellen
- BauR 2009, 256-257 (Volltext mit amtl. LS)
- BauR 2008, 1938 (red. Leitsatz)
- IBR 2008, 746 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- MDR 2010, 255
- OLGR Celle 2009, 204-205
Amtlicher Leitsatz
Beruht der Wegfall einer Teilleistung letztlich auf einer Entscheidung des Auftraggebers oder folgt diese aus Notwendigkeit der Statik, die der Auftraggeber beauftragt hatte, ist nach den Grundsätzen einer freien Teilkündigung abzurechnen.
In dem Rechtsstreit
K. S. GmbH, ...,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
...,
gegen
Ing. F. H. GmbH B., ...,
Klägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
...,
Beteiligter:
Dipl.-Ing. J. R., ...,
Streithelfer auf Seiten der Beklagten und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
...,
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 2. April 2008 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Streithelfer trägt seine außergerichtlichen Auslagen selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin war mit Generalunternehmervertrag vom 29. Juli 2004 mit der schlüsselfertigen Errichtung einer Wohnanlage mit 49 Wohneinheiten für betreutes Wohnen zu einem Pauschalpreis beauftragt. Die VOB/B war vereinbart.
Die Klägerin hat restlichen Werklohn eingeklagt. Vor dem Landgericht haben die Parteien sodann einen Zwischenvergleich abgeschlossen (Prot. v. 2. April 2008, Bd. II, Bl. 31 ff.). Ausgenommen davon waren die Nachträge 51 und 53 sowie eine von der Beklagten beanspruchte streitige Vergütungsminderung betreffend die nicht erbrachte Leistung "Dachlamellen" (netto 39.003,36 €). Insoweit hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung weiterer 45.243,90 € nebst Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Die Leistung "Dachlamellen" habe die Klägerin nicht erbracht, weil die Statik für die Aufnahme der Stahlträger und Lamellen nicht ausreichend sei. Diese Planung habe jedoch nicht der Klägerin oblegen. Der Vergütungsanspruch der Klägerin ändere sich daher im Grundsatz nicht mit Ausnahme der ersparten Kosten, die sich die Klägerin mit 10.652,17 € anrechnen lasse. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, der sich deren Streithelfer angeschlossen hat.
Die Beklagte meint, der Wegfall einer einzelnen Leistung müsse hier zu einer Anpassung der Vergütung führen. Dies gelte jedenfalls, wenn bei einem Pauschalpreisvertrag die Leistungen einzeln beschrieben sind. Nach dem Generalunternehmervertrag (Ziffer 3.3, Seite 6 oben) sei es Sache der Klägerin gewesen, die Berechnungen und Details vorzunehmen; das gelte entgegen der Auffassung des Landgerichts auch für die Lamellenkonstruktion. Diese statische Detailplanung habe die Klägerin nicht erstellt. Ihr stehe deshalb insoweit auch kein Werklohn zu. Zumindest hätte nur eine Verurteilung Zug um Zug erfolgen dürfen.
Der Streithelfer tritt dieser Begründung bei und vertieft die Argumentation der Beklagten (Bl. 92 Bd. II). Die Klägerin habe selbst die Tragwerksplanung ab Leistungsphase 5 angeboten (Bl. 96 Bd. II). Sie selbst hätte mithin statische Probleme im Zusammenspiel der Porenbetondeckenplatten und der Befestigung der Dachlamellen zu lösen gehabt. Dementsprechend habe die Klägerin die Ausführungsplanung auch ihrer eigenen Statikerin übergeben und schließlich die P. Ingenieurbüro GmbH beauftragt. Der Klägerin sei deshalb auch die Notwendigkeit einer Nachberechnung der Statik durchaus bekannt gewesen, die sie aber selbst nicht geliefert habe. Schließlich hätte die Klägerin auch rechtzeitig auf die aufgetretenen Probleme hinweisen müssen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte zur Zahlung weiterer 45.243,90 € nebst Zinsen verurteilt ist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Streitig ist allein, ob der Klägerin für die letztlich nicht ausgeführten Dachlamellen ein um 10.652,17 € geminderter Vergütungsanspruch in Höhe von noch 45.243,90 € zusteht.
Dies hat das Landgericht auch in Ansehung des Vorbringens der Berufung indessen zutreffend bejaht.
Die Parteien haben einen sog. Detail-Pauschalvertrag vereinbart. Die unstreitig nicht ausgeführten Dachlamellen an den Dachüberständen gehörten zum Leistungsbereich der Klägerin. Allerdings hat sie diese Leistungen deshalb nicht ausgeführt und ausführen können, weil die Statik der Deckenplatten für die Aufnahme der Lasten der Stahlträger und Dachlamellen nicht ausreichend war. Die entsprechende Planung einschließlich der Statik oblag - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - nach dem Generalunternehmervertrag der Beklagten als Auftraggeberin. Das folgt aus Ziffer 3.2 des Vertrages. Aus der Bestimmung auf Seite 6 oben des Bauvertrages ergibt sich nichts anderes.
Im Übrigen ist es unstreitig, dass die von der Beklagten zu erbringende und vorgelegte Genehmigungsplanung einschließlich Statik von vorgesehenen Gitterrosten ausging (Anlage SH 4, Bd. II Bl. 99). Gleiches ergibt sich aus dem von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten H. vom 21. April 2006 (Anlage K 11 Seite 14). Anders als in der Genehmigungsplanung vorgesehen und statisch berechnet, sollte die Ausführung des Sonnenschutzes mittels der streitigen Lamellenkonstruktion erfolgen. Dies war aber in der Genehmigungsstatik nicht bedacht (GA H. Seite 14).
Schon daraus erschließt sich, dass es nicht Sache der Klägerin war, hier eine Überarbeitung der Statik vorzunehmen. Es ging auch nicht um eine ihr etwa obliegende Detailplanung, sondern um die grundsätzliche Berechnung der statischen Anforderungen zur Aufnahme der Lamellenkonstruktion. Das lag aber im Verantwortungsbereich der von der Beklagten zu erbringenden Planung.
Daran vermag auch der Hinweis der Beklagten und des Streithelfers auf das eigene Angebot der Klägerin vom 28. Juli 2004 (Bd. II Bl. 96) nichts zu ändern, denn auch danach hatte die Klägerin die Tragwerksplanung erst ab Leistungsphase 5 übernommen, soweit erforderlich. Die Genehmigungsplanung, um die es hier geht, gehört aber bereits zur Leistungsphase 4 gemäß § 64 Abs. 3 HOAI.
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht (LGU 9) daher auch angenommen, dass der Klägerin ihrerseits nicht eine fehlende Überprüfung der Genehmigungsplanung zur Last zu legen ist, zumal lediglich der Statikplaner diesen Lastfall nicht berücksichtigt hatte, was ebenso unstreitig auch dem Prüfstatiker nicht aufgefallen war.
Hat somit die Klägerin den Entfall der Leistung letztlich nicht zu verantworten, steht ihr auch eine Vergütung für diesen nicht erbrachten Teil der Leistung zu abzüglich ersparter Aufwendungen, die sie sich mit 10.652,17 € anrechnen lässt. Der vorliegende Fall ist deshalb nach den Grundsätzen einer freien Teilkündigung zu behandeln, weil der Wegfall der Leistung letztlich auf eine Entscheidung der Beklagten zurückgeht. Eine Überarbeitung der Statik und damit die Voraussetzung für das Anbringen der Lamellen hat die Beklagte nicht veranlasst, obwohl diese Variante in dem eigens von der Beklagten eingeholten Gutachten H. (Anlage K 11) auch vorgeschlagen war. Stattdessen hat die Beklagte mittlerweile Markisen anbringen lassen. Das Verhalten kann nur als Teilkündigung des Vertrages verstanden werden, so dass die Klägerin jedenfalls Anspruch auf geminderte Vergütung hat.
Die Minderung hat sie sich in Höhe von 10.652,17 € anrechnen lassen. Dies sind nach ihrem Vortrag die Montagekosten, obwohl die Klägerin der Auffassung ist, dass sie auch insoweit keinen Aufwand erspart hat. Für eine höhere Ersparnis ist die Beklagte darlegungspflichtig. Entsprechender Vortrag ist dazu in erster Instanz nicht gehalten worden. In erster Instanz war im Übrigen auch nicht bestritten, dass die Lamellen auf dem Betriebshof der Klägerin vorhanden sind, also bereits geordert waren. Auch dies ergibt sich aus dem Gutachten H. (K 11 Seite 9).
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 101, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.