Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 20.02.2014, Az.: L 8 AY 98/13 B ER

Anspruch auf Asylbewerberleistungen; Zuständiger Leistungsträger bei Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung; Leistungsumfang zur kompletten Bedarfsdeckung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
20.02.2014
Aktenzeichen
L 8 AY 98/13 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 14844
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2014:0220.L8AY98.13B.ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 21.11.2013 - AZ: S 15 AY 134/13 ER

Fundstellen

  • ZfF 2015, 209-213
  • ZfSH/SGB 2014, 360-365
  • info also 2015, 283

Redaktioneller Leitsatz

1. Im Rahmen des § 11 Abs. 2 AsylbLG ist allein die Wirksamkeit der ausländerrechtlichen Beschränkung, im Einzelfall zum räumlichen Aufenthalt, ausschlaggebend.

2. Es kommt nach den Grundsätzen der gesetzlichen Tatbestandswirkung dafür nur auf die Bekanntgabe der Verfügung an, nicht auf die Unanfechtbarkeit mit gesetzlichen Rechtsbehelfen (Widerspruch, Klage, Beschwerde).

3. Ein Zuwiderhandeln gegen eine ausländerrechtliche räumliche Beschränkung führt nach dem Gesetz zur Leistungspflicht der Behörde des tatsächlichen Aufenthaltsorts.

4. Die Leistungspflicht der so zu bestimmenden Behörde des tatsächlichen Aufenthalts erfasst jedenfalls sämtliche Leistungen der faktischen Bedarfsdeckung.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 21. November 2013 aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 29. November 2013 bis zur Beendigung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens über die Anordnung vom 29. November 2013 (VG Bremen: 4 V 2162) Leistungen nach § 11 Abs. 2 AsylbLG in Höhe von ungekürzten Leistungen gemäß § 3 AsylbLG zu gewähren.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.

Gründe

I.

Der eigenen Angaben zufolge 1986 geborene Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger und reiste im Mai 2013, im Besitz eines italienischen Aufenthaltstitels, aus Italien nach Deutschland ein. Derzeit lebt er bei einer Cousine im Stadtteil C., Bremen. Bereits zuvor hatte er sich ab Ende 2011 unter Nennung eines Aliasnamens und eines anderen Geburtsdatums im Bundesgebiet aufgehalten und war am 19. März 2012 nach Italien abgeschoben worden.

Am 15. Juli 2013 beantragte er bei der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG bzw. § 36 AufenthG und berief sich zum weiteren Verbleib in Deutschland auf Reiseunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen. Nach den Befundberichten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. D. des Neurologisch-psychiatrischen Versorgungszentrums Bremen vom 30. Mai 2013 und 28. Januar 2014 (Diagnose: Depressive Episode ICD-10: F32.8, Posttraumatisches Stresssyndrom ICD-10: F43.1) sei bei einer Rückführung nach Italien mit einer Eigengefährdung zu rechnen. Zudem sei eine therapeutische Behandlung in der Nähe der Halt gebenden Familie - eine Schwester und ein Schwager des Antragstellers wohnen in Delmenhorst, eine weitere Schwester in Bremerhaven und in Bremen eine Cousine - dringend erforderlich. Eine Umverteilung innerhalb Deutschlands würde zu einer deutlichen Befundverschlechterung führen.

Mit am 19. Juli 2013 bei der Antragsgegnerin eingegangenem Schreiben vom 15. Juli 2013 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Sozialleistungen.

Der Antragsteller hat am 30. Oktober 2013 beim Sozialgericht Bremen (SG) einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt mit dem Ziel, von der Antragsgegnerin existenzsichernde Leistungen nach dem AsylbLG zu erhalten.

Mit Bescheid vom 6. November 2013 hat die Antragsgegnerin den Antrag vom 19. Juli 2013 mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller zähle als Inhaber einer italienischen Aufenthaltserlaubnis nicht zum Kreis der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 AsylbLG und könne auch gemäß § 23 SGB XII keine Sozialhilfe beanspruchen, weil er zum Zweck einer Behandlung oder Linderung einer Krankheit nach Deutschland eingereist sei.

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 21. November 2013 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass der Antragsteller nicht leistungsberechtigt nach dem AsylbLG sei. Zudem überzeuge sein Vorbringen zu seiner Reiseunfähigkeit nicht, sodass eine angemessene medizinische Behandlung des Antragstellers auch in Italien erfolge könne. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller am 22. November 2013 Beschwerde eingelegt.

Mit Verteilungsbescheid vom 29. November 2013 hat die Ausländerbehörde der Antragsgegnerin das länderübergreifende Umverteilungsverfahren nach § 15a AufenthG (Zuweisung unerlaubt eingereister Ausländer) durchgeführt und den Antragsteller der Aufnahmeeinrichtung des Landes Schleswig-Holstein in Neumünster zugewiesen. Zugleich hat sie dem Antragsteller einen Fahrgutschein der Deutschen Bahn ausgehändigt, damit dieser der Anordnung aus dem Verteilungsbescheid, sich unverzüglich in diese Einrichtung zu begeben, nachkommen kann. Gegen den Verteilungsbescheid hat der Antragsteller sowohl Klage als auch einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Verwaltungsgericht (VG) Bremen erhoben (- 4 V 2162; 4 K 2161/13 -). Soweit ersichtlich ist in diesen Verfahren noch keine Entscheidung ergangen.

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin ihre Zuständigkeit nach dem AsylbLG bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verteilungsbescheids vom 29. November 2013 anerkannt und dem Antragsteller mit Bescheid vom 5. Februar 2014 für die Zeit vom 16. Juli bis 28. November 2013 Leistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG (110,00 EUR) und § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG (173,00 EUR) i.H.v. insgesamt 283,00 EUR je Monat bewilligt (Leistungen entsprechend der Übergangsregelung des BVerfG vom 18. Juli 2012 nach der Regelbedarfsstufe 3 für haushaltsangehörige Erwachsene ohne Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung).

Der Antragsteller ist der Auffassung, dass die Antragsgegnerin bis zu der abschließenden Klärung der Frage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ob der Antragsteller der Zuweisung im länderübergreifenden Verfahren nachkommen muss oder nicht, zunächst existenzsichernde Leistungen gewähren müsse. Wegen des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 15. Juli 2013 und der Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 AufenthG sei er entweder nach dem SGB XII leistungsberechtigt oder aber nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 AsylbLG. Die Leistungspflicht der Antragsgegnerin ergebe sich bis zur abschließenden Klärung der örtlichen Zuständigkeit der Leistungsbehörde aus § 10a Abs. 2 Satz 3 AsylbLG. Zudem sei es dem Antragsteller wegen seines schlechten gesundheitlichen Zustands, der laufenden psychotherapeutischen Behandlung und der erforderlichen Nähe zu seinen Familienangehörigen nicht zuzumuten, die Aufnahmeeinrichtung in Neumünster aufzusuchen. Er verweist insoweit auf die Befundberichte des Neurologisch-psychiatrischen Versorgungszentrums Bremen und die zur Gerichtsakte gereichte Behandlungsbescheinigung des Beratungs- und Behandlungszentrums für Flüchtlinge und Folteropfer - Refugio - Bremen vom 30. Januar 2014.

Die Antragsgegnerin hält sich für die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG ab dem 29. November 2013 nicht mehr für zuständig und macht geltend, dass sich die örtliche Zuständigkeit für die Leistungen nach dem AsylbLG mit Bekanntgabe des Verteilungsbescheids vom 29. November 2013 nicht mehr nach dem tatsächlichen Aufenthaltsort des Antragstellers richte (§ 10a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG), sondern hierfür die Verteilungsentscheidung nach § 15a AufenthG maßgeblich sei (§ 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG). Zuständig für die Leistungen nach dem AsylbLG sei daher die Behörde in Neumünster.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Ausländerakten und der leistungsrechtlichen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde ist im Wesentlichen begründet und führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses. Dem Antragsteller sind ab dem 29. November 2013 bis zum rechtskräftigen Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens (4 V 2162) über die Wirksamkeit der Anordnung der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin vom 29. November 2013 vorläufig von der Antragsgegnerin Leistungen in Höhe ungekürzter Leistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren. Im Übrigen - für den Zeitraum bis zum 28. November 2013 - hat die Beschwerde mangels Rechtsschutzinteresses keinen Erfolg (mehr), nachdem die Antragsgegnerin ihrer gegenüber dem Antragsteller bestehenden Leistungspflicht nach § 3 AsylbLG während des Beschwerdeverfahrens durch Bescheid vom 5. Februar 2014 nachgekommen ist.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Ein Anordnungsanspruch ist dann gegeben, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht, wenn also eine Vorausbeurteilung der Hauptsacheklage nach summarischer Prüfung ergibt, dass das Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927) dürfen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für Anfechtungs- und (wie hier) Vornahmesachen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) stellt jedoch besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. In einem solchen Fall müssen die Gerichte nach der vorgenannten Entscheidung des BVerfG, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller des Eilverfahrens nicht überspannen; Fragen des Grundrechtsschutzes sind einzubeziehen. Ist dem Gericht hingegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundrechtlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (BVerfG, ebenda, vgl. auch die Senatsentscheidungen vom 2. April 2008 - L 8 SO 11/08 ER - und vom 13. Mai 2008 - L 8 SO 36/08 ER - sowie jüngst vom 22. Oktober 2013 - L 8 SO 241/13 B ER -).

Nach diesen Maßgaben entscheidet der Senat auf Grund einer Folgenabwägung, weil nach dem derzeitigen Sachverhalt offen ist, ob das Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlich ist.

1. Der Antragsteller ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG leistungsberechtigt nach dem AsylbLG, weil er vollziehbar zur Ausreise verpflichtet ist. Danach gehören Ausländer zum Kreis der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG, wenn sie sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist.

Die Ausreisepflicht eines Ausländers regelt § 50 Abs. 1 AufenthG. Danach ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt. Aufenthaltstitel in diesem Sinne sind nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 AufenthG das Visum (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 AufenthG), die Aufenthaltserlaubnis (§ 7 AufenthG), die blaue Karte EU (§ 19a AufenthG), die Niederlassungserlaubnis (§ 9 AufenthG) oder die Erlaubnis zum Daueraufenthalt - EU (§ 9a AufenthG). Die vom Antragsteller vorgelegte italienische Aufenthaltserlaubnis stellt keinen Aufenthaltstitel nach § 4 AufenthG dar, der zum Aufenthalt in der Bundesrepublik berechtigt. Insbesondere ist es kein sog. Schengen-Visum im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG.

Der Antragsteller ist auch vollziehbar ausreisepflichtig, weil er unerlaubt in die Bundesrepublik eingereist ist (vgl. § 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG). Zum Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet hat er den nach § 4 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besessen (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Zudem steht einer erlaubten Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet die im Jahre 2012 stattgefundene Abschiebung entgegen (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG). Auch aus diesem Grund durfte er nicht nach Deutschland einreisen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).

Etwas anders ergibt sich auch nicht aus der erstmaligen Beantragung eines Aufenthaltstitels am 15. Juli 2013. Eine andere rechtliche Bewertung der Leistungsberechtigung des Antragstellers könnte sich allenfalls aus § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ergeben (vgl hierzu Frerichs in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl., § 1 AsylbLG Rn. 107 ff.), nach dem bei einem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels der Aufenthalt eines Ausländers bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt gilt, wenn er sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne eine Aufenthaltstitel zu besitzen. Nach den obigen Ausführungen sind allerdings keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich der Antragsteller aufgrund der italienischen Aufenthaltserlaubnis rechtmäßig in Deutschland aufgehalten hat bzw. aufhält.

2. Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin für die Zeit ab 29. November 2013 einen Anspruch auf Gewährung von unabweisbar gebotenen Leistungen nach § 11 Abs. 2 AsylbLG. Nach dieser Vorschrift darf die für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständige Behörde Leistungsberechtigten in den Teilen der Bundesrepublik Deutschland, in denen sie sich einer asyl- oder ausländerrechtlichen räumlichen Beschränkung zuwider aufhalten, nur die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe leisten.

a) Der Antragsteller hält sich einer ausländerrechtlichen räumlichen Beschränkung zuwider im Zuständigkeitsgebiet der Antragsgegnerin auf, weil er gegen die Anordnung der Antragsgegnerin nach § 15a Abs. 4 Satz 1 AufenthG in dem Verteilungsbescheid vom 29. November 2013 verstößt. Der Verstoß liegt in der Weigerung, sich in die Aufnahmeeinrichtung in Neumünster zu begeben.

Dass der Antragsteller derzeit gegen diese Entscheidung gerichtlich vorgeht, führt entgegen der Auffassung des Antragstellers zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Im Rahmen des § 11 Abs. 2 AsylbLG ist allein die Wirksamkeit der ausländerrechtlichen Beschränkung - hier der Anordnung nach § 15a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG - mit Bekanntgabe der Verfügung maßgeblich, nicht aber deren Unanfechtbarkeit (sog. Tatbestandswirkung, vgl. etwa LSG Nordrhein-Westfalen vom 23. März 2013 - L 20 AY 7/12 B ER - juris, Rn. 40; Groth in juris-PK-SGB XII, 1. Aufl., § 10a AsylbLG Rn. 17). Bereits nach der gesetzlichen Konzeption wird dem öffentlichen Interesse am Vollzug ausländerrechtlicher Entscheidungen grundsätzlich Vorrang vor den persönlichen Interessen des Betroffenen eingeräumt. Dies gilt auch für die hier angegriffene Entscheidung nach § 15a AufenthG. Nach § 15a Abs. 4 Satz 7 und 8 AufenthG findet gegen eine Anordnung nach § 15a Abs. 4 Satz 1 AufenthG kein Widerspruch statt, die Klage hat keine aufschiebende Wirkung. Hinzu kommt bei einer Verteilungsentscheidung bzw. der Anordnung nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, dass die sog. Tatbestandswirkung der Verfügung auch dem Sinn und Zweck der länderübergreifenden Verteilung einer ausgewogenen Verteilung der finanziellen Lasten gerecht wird und zugleich eine zweifelsfreie Bestimmung der für die Leistungen nach dem AsylbLG örtlich zuständigen Behörde nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ermöglicht (dazu II. 2. b)).

Gegen eine Auslegung des § 11 Abs. 2 AsylbLG in dem vom Antragsteller vertretenen Sinn, dass ein Zuwiderhandeln gegen eine Anordnung nach § 15a Abs. 4 Satz 1 AufenthG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Verteilungsbescheid - zumindest leistungsrechtlich - unbeachtlich sei, spricht zudem, dass in einem solchen Fall ein ausländerrechtlich an sich untersagtes Verhalten durch die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG (ohne Einschränkung) unterstützt werden würde. Außerdem kommt es für die Gewährung wirksamen Rechtsschutzes gegen eine Verteilungsentscheidung nach § 15a Abs. 1 AufenthG grundsätzlich nicht darauf an, an welchem Ort sich der Rechtsschutzsuchende aufhält. In denjenigen Fällen, in denen der Ausländer - wie hier - Gründe geltend macht, die der Verteilung an einen bestimmten Ort entgegenstehen (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 5 AufenthG) und er der Anordnung zunächst nicht nachkommt, kann etwaigen Besonderheiten des Einzelfalles durch eine eingeschränkte Leistungsgewährung nach § 11 Abs. 2 AsylbLG Rechnung getragen werden (dazu gleich).

b) Die Antragsgegnerin ist die für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständige Behörde i.S.d. § 11 Abs. 2 AsylbLG. Nach Auffassung des Senats verpflichtet diese Vorschrift jedenfalls im Außenverhältnis die Behörde des tatsächlichen Aufenthalts des Ausländers zur Hilfegewährung nach § 11 Abs. 2 AsylbLG.

aa) In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, welche Behörde Adressatin der Leistungspflicht nach § 11 Abs. 2 AsylbLG ist. Nach der wohl h.M. enthält § 11 Abs. 2 AsylbLG keine Regelung, die - abweichend von § 10a Abs. 1 AsylbLG - eine originäre Zuständigkeit der Behörde des tatsächlichen Aufenthalts des Ausländers begründet; die Norm schränke lediglich den Umfang der von der für den Ort des tatsächlichen Aufenthalts zuständigen Behörde zu gewährenden Leistungen ein (Nds. OVG, Urteil vom 11. August 1998 - 4 M 3575/98 - juris Rn. 16; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. April 2000 - 7 S 313/00 - juris Rn. 4; Hohm in Hohm, AsylbLG, Stand Dezember 2013, § 11 Rn. 39; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage 2012, § 11 AsylbLG Rn. 3). Ist bereits eine andere Behörde aufgrund einer asyl- oder ausländerrechtlichen Verteilungs- oder Zuweisungsentscheidung nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG für die Leistungen nach dem AsylbLG örtlich zuständig, könnte dies zu einer Befreiung von der Leistungspflicht der Behörde des tatsächlichen Aufenthaltsorts des Ausländers führen. Dies entspricht dem Standpunkt der Antragsgegnerin, die wegen des Verteilungsbescheids vom 29. November 2013 von einer örtlichen Zuständigkeit des Leistungsträgers in Neumünster ausgeht. Demgegenüber wird jedenfalls in den Fällen des Zuwiderhandelns gegen eine asyl- oder ausländerrechtliche räumliche Beschränkung (§ 11 Abs. 2 AsylbLG) vertreten, dass für die Erbringung der Leistungen nach § 11 Abs. 2 AsylbLG stets die Behörde des tatsächlichen Aufenthalts des Ausländers nach § 11 Abs. 2 AsylbLG i.V.m. § 10a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG örtlich zuständig ist (VG Gießen, Urteil vom 28. März 2000 - 6 E 1592/98 - juris Rn. 15; SG Berlin, Urteil vom 21. Januar 2009 - S 88 AY 32/08 - juris Rn. 20; VG Magdeburg, Urteil vom 13. Februar 2002 - 6 A 489/01 MD - juris Rn. 20; so wohl Hohm, aaO., § 11 Rn. 38) oder aber eine ggf. nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG bestehende örtliche Zuständigkeit der Behörde des Zuweisungsbereichs bis zur Rückkehr des Ausländers verdrängt wird bzw. "ruht" und die Behörde des tatsächlichen Aufenthalts des Ausländers nach § 10a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG örtlich zuständig ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. März 2012 - L 20 AY 7/12 B ER - juris Rn. 34; Groth in jurisPK-SGB XII, 1. Auflage, § 11 AsylbLG Rn. 30 f.). Danach hätte hier die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen nach § 11 Abs. 2 AsylbLG in eigener Zuständigkeit zu erbringen.

bb) Der Senat muss die Frage der örtlichen Zuständigkeit nach § 10a Abs. 1 AsylbLG im Rahmen des § 11 Abs. 2 AsylbLG nicht abschließend entscheiden. § 11 Abs. 2 AsylbLG enthält in den Fällen des Zuwiderhandelns gegen eine ausländerrechtliche räumliche Beschränkung - ungeachtet der Frage der örtlichen Zuständigkeit nach § 10a AsylbLG - jedenfalls gegenüber dem Ausländer (im Außenverhältnis) eine Leistungspflicht der Behörde seines tatsächlichen Aufenthaltsorts. Für eine solche Auslegung sprechen der Wortlaut der Norm, der Verlauf der Gesetzesänderungen im AsylbLG, systematische Erwägungen und nicht zuletzt der Sinn und Zweck des § 11 Abs. 2 AsylbLG.

Adressatin der Pflicht zur Hilfegewährung nach § 11 Abs. 2 AsylbLG ist "die für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständige Behörde". Die Wortlautinterpretation legt an sich nahe, dass sich die Zuständigkeit der Behörde i.S.d. § 11 Abs. 2 AsylbLG nach verfahrensrechtlichen Maßgaben bestimmt und § 11 Abs. 2 AsylbLG damit auf § 10a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG rekurriert. Ein solches Verständnis ist aber keineswegs zwingend, wie sich aus einem Blick auf die Rechtsfolge der Norm ergibt. Danach "darf" die Behörde i.S.d. § 11 Abs. 2 AsylbLG nur die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe "leisten". Aus dieser Formulierung wird zwar geschlossen, dass § 11 Abs. 2 AsylbLG lediglich den Umfang der von der für den Ort des tatsächlichen Aufenthalts zuständigen Behörde i.S.d. § 10a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG zu gewährenden Leistungen einschränkt (so Nds. OVG, Urteil vom 11. August 1998 - 4 M 3575/98 - juris Rn. 16; Hohm, aaO., § 11 Rn. 39). Der Wortlaut der Norm lässt es aber auch zu, die Leistungspflicht einer Behörde in einem faktischen Sinn anzunehmen, nach der der unmittelbar am Aufenthaltsort des Ausländers bestehende (unabweisbare) Bedarf zu decken ist. Der Begriff der Zuständigkeit in § 11 Abs. 2 AsylbLG kann - losgelöst von der Frage der örtlichen Zuständigkeit nach § 10a Abs. 1 AsylbLG - so verstanden werden, dass für diese eigenständige Leistungspflicht der faktischen Bedarfsdeckung diejenige Behörde "zuständig" i.S.d. § 11 Abs. 2 AsylbLG ist, in dessen Bereich sich der Ausländer tatsächlich aufhält. Für ein solches Verständnis spricht auch, dass die Vorschrift in gewisser Weise eine "Zuständigkeit" der Behörde des tatsächlichen Aufenthalts des Ausländers voraussetzt, weil sie nach ihrem Wortlaut für eine nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG zuständige Behörde des Zuweisungsbereichs nicht gilt und diese - ortsferne - Behörde danach uneingeschränkt Leistungen zu erbringen hätte (vgl. hierzu kritisch Groth in jurisPK-SGB XII, 1. Auflage, § 11 AsylbLG Rn. 30; vgl. aber LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20. Juni 2008 - L 11 AY 47/08 ER - juris Rn. 18).

Ein solches Normverständnis entspricht auch der Auslegung anhand der Gesetzeshistorie. Die im ersten Gesetzentwurf vom 2. März 1993 (BT-Drs. 12/4451) zunächst als § 10 Abs. 2 AsylbLG-E vorgesehene Regelung des § 11 Abs. 2 AsylbLG war § 120 Abs. 5 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) i.d.F. vom 30. Juni 1993 (BGBl. I 1074) nachgebildet (vgl. BT-Drs. 12/4451, S. 11), die inhaltlich bis heute für die Sozialhilfegewährung an Ausländer Geltung hat (§ 23 Abs. 5 Satz 1 SGB XII) und auf die allgemeine sozialhilferechtliche Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Betroffenen abstellt (vgl. § 97 Abs. 1 BSHG i.d.F. vom 23. Juni 1993, BGBl. I 944; nun § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII; vgl. hierzu auch Hohm, aaO., § 11 Rn. 36 m.w.N.). Da der Bundesgesetzgeber zunächst auf eine bundeseinheitliche Zuständigkeitsregel im AsylbLG verzichtet hatte (vgl. BT-Drs. 13/2746, S. 18), hat er bei Einführung des § 11 Abs. 2 AsylbLG also - ungeachtet landesrechtlicher Bestimmungen - in gewisser Weise vorausgesetzt, dass die Leistungen nach § 11 Abs. 2 AsylbLG von der Behörde des tatsächlichen Aufenthalts des Ausländers gewährt werden (vgl BVerwG, Beschluss vom 2. September 1996 - 5 B 53/96 - juris Rn. 12). Das Spannungsverhältnis zwischen § 11 Abs. 2 AsylbLG und des 1997 eingeführten § 10a AsylbLG konnte nicht Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens sein.

Mit Einführung des § 10a AsylbLG durch das Erste Gesetz zur Änderung des AsylbLG und anderer Gesetze vom 26. Mai 1997 (BGBl. I 1130) blieb § 11 Abs. 2 AsylbLG bis auf eine lediglich redaktionelle Korrektur unverändert (BT-Drs. 13/2746, S. 18). Anhaltspunkte für eine inhaltliche Änderung der Norm, dass sie mit Inkrafttreten des § 10a AsylbLG nicht mehr eine Leistungspflicht der ortsnahen Behörde beinhalten sollte, ergeben sich aus den Gesetzesmaterialen nicht. Im Gegenteil: Hauptmotiv für die Einführung der bundeseinheitlichen Zuständigkeitsregelung nach § 10a AsylbLG war die Klärung der Kostenerstattung zwischen den Leistungsbehörden "in den Fällen, in denen sich der Leistungsberechtigte im Zuständigkeitsbereich einer anderen Behörde aufhält und diese mit Leistungen eintreten muss" (BT-Drs. 13/2746, S. 18). Der Gesetzgeber ist also weiterhin von einer "Eintrittspflicht" der Behörde des tatsächlichen Aufenthaltsorts des Ausländers ausgegangen und wollte durch die Einführung des § 10a AsylbLG vornehmlich die - im Innenverhältnis - zur Erstattung der Kosten verpflichtete, an sich (örtlich) zuständige Behörde bestimmen (vgl. auch Hohm, aaO., § 10a Rn. 3).

Vor diesem Hintergrund liegt es einerseits nahe, dass durch § 10a AsylbLG eine abschließende Regelung der örtlichen Zuständigkeit der Leistungsbehörde eingeführt worden ist (so auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. April 2000 - 7 S 313/00 - juris Rn. 4; Hohm, aaO., § 11 Rn. 37). Andererseits hat der Begriff der zuständigen Behörde i.S.d. § 11 Abs. 2 AsylbLG seine Verknüpfung mit der örtlichen Zuständigkeit im sozialhilferechtlichen Sinn verloren und eine eigenständige Bedeutung gewonnen. Diese orientiert sich seither nach der bis 1997 maßgeblichen allgemeinen sozialhilferechtlichen Regelung der örtlichen Zuständigkeit (§ 97 Abs. 1 BSHG a.F.) an dem tatsächlichen Aufenthalt des Betroffenen.

Auch in systematischer Hinsicht ist dieses Begriffsverständnis vorzuziehen. Bereits die Stellung im Gesetz spricht dafür, dass § 11 Abs. 2 AsylbLG gegenüber dem allgemeinen Leistungsrecht nach §§ 3 bis 7 AsylbLG bzw. § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII eine Sonderstellung für eine eigenständige Hilfegewährung der ortsnahen Behörde einnimmt (anders § 120 BSHG und § 23 SGB XII, die abschließend die Sozialhilfe für Ausländerinnen und Ausländer regeln). So besteht in Rechtsprechung und Literatur auch weitgehend Einigkeit über den Umfang der Leistungen, der grundsätzlich auf die Hilfe beschränkt ist, die dem Leistungsberechtigten - mangels eigener Mittel und Möglichkeiten - die Rückkehr an den rechtmäßigen Aufenthaltsort eröffnet. Dazu gehören in der Regel die notwendigen Reisekosten sowie dringend erforderliche Verpflegungskosten für die Hilfegewährung "vor Ort" (vgl. Beschluss des Senats vom 27. Mai 2011 - L 8 AY 31/11 B ER - juris Rn. 10 m.w.N.; Hohm, aaO., § 11 Rn. 46). Sie berücksichtigen damit nicht die laufenden Bedarfe des Betroffenen, die ggf. an dem Ort des rechtmäßigen Aufenthalts des Ausländers anfallen (z.B. Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG). Dies spricht zugleich gegen die Auffassung, dass eine ggf. nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG bestehende örtliche Zuständigkeit der Behörde des Zuweisungsbereichs in den Fällen des § 11 Abs. 2 AsylbLG bis zur Rückkehr des Ausländers verdrängt wird bzw. "ruht" und die Behörde des tatsächlichen Aufenthalts des Ausländers (§ 10a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG) für die Leistungen nach § 11 Abs. 2 AsylbLG örtlich zuständig sein soll. Dies hätte nämlich zur Folge, dass die Behörde des tatsächlichen Aufenthalts des Ausländers (auch) für die Deckung der o.g. Bedarfe außerhalb ihres Bereichs gemäß § 11 Abs. 2 AsylbLG (i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG) zuständig wäre, obwohl diese bei einem verteilten oder zugewiesenen Ausländer an sich von der nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG zuständigen Behörde des Zuweisungsbereichs zu decken sind (z.B. die Aufwendungen für die Aufnahmeeinrichtung).

Der systematische Zusammenhang mit der Parallelvorschrift des § 23 Abs. 5 Satz 1 SGB XII verdeutlicht umso mehr, dass Adressatin des § 11 Abs. 2 AsylbLG - im Außenverhältnis - in erster Linie die Behörde des tatsächlichen Aufenthalts des Ausländers ist. Dies ergibt sich aus der bereits dargestellten Anknüpfung an die örtliche Zuständigkeit der Behörde nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (bzw. § 97 Abs. 1 BSHG a.F.) mit der Besonderheit, dass im AsylbLG wegen der abweichenden Zuständigkeitsregel des § 10a Abs. 1 AsylbLG nicht auf eine Zuständigkeit in einem verfahrensrechtlichen Sinn abgestellt werden kann, sondern nur auf den tatsächlichen Aufenthalt des Ausländers.

Dies bestätigt auch der Sinn und Zweck der Norm. § 11 Abs. 2 AsylbLG soll wie die Parallelvorschrift des § 97 Abs. 1 BSHG a.F. (BT-Drs. 12/4451, S. 11 zu § 10 Abs. 2 AsylbLG-E) bzw. § 23 Abs. 5 Satz 1 SGB XII der gleichmäßigen Lastenverteilung unter den Ländern und Gemeinden bei Bedürftigkeit von in ihrem Zuständigkeitsbereich sich aufhaltenden Ausländern dienen (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 122 zu § 23 Abs. 5 Satz 1 SGB XII). Diese Zielrichtung hat aber spätestens mit Einführung des § 10a AsylbLG in den Fällen der Verteilung oder Zuweisung von Ausländern nach asyl- oder ausländerrechtlichen Vorschriften an Bedeutung verloren, weil der Gesetzgeber durch diese Vorschrift die für die Leistungen nach dem AsylbLG örtlich zuständige Behörde abschließend bestimmt hat und die örtliche Zuständigkeit nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG durch einen Zuzug von verteilten oder zugewiesenen Ausländern - anders als im Sozialhilferecht (vgl. Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 23 Rn. 82) - nicht wechselt. Die (örtliche) Zuständigkeit der Behörde des Zuweisungsbereichs nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG hat Vorrang vor der Zuständigkeit der Behörde des tatsächlichen Aufenthalts nach § 10a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG ("im Übrigen").

Wie ausgeführt war es bei Einführung dieser Norm das erklärte Ziel des Gesetzgebers, die Frage der Kostenerstattung zwischen den Behörden (im Innenverhältnis) zu klären, wenn der Ausländer den Zuständigkeitsbereich einer Behörde verlässt. Dies spricht eher für das Fortbestehen einer örtlichen Zuständigkeit der Behörde des Zuweisungsbereichs nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG und die Annahme einer eigenständigen (faktischen) Leistungspflicht der Behörde des tatsächlichen Aufenthaltsorts des Ausländers in den Fällen des § 11 Abs. 2 AsylbLG, mit der möglichen Folge, dass diese an sich unzuständige Behörde die einhergehenden Kosten gegenüber der nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG zuständigen im Rahmen eines Erstattungsverfahrens geltend machen kann. Da die speziellen Erstattungsansprüche nach § 10b AsylbLG nur auf die örtliche Zuständigkeit nach § 10a Abs. 2 AsylbLG Bezug nehmen, kommt als mögliche Rechtsgrundlage einerseits § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 105 SGB X in Betracht, nach dem der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig sein kann, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat (vgl. zu dieser möglichen Rechtsgrundlage im AsylbLG etwa VG Gießen, Urteil vom 28. März 2000 - 6 E 1592/98 - juris Rn. 15 f.; SG Berlin, Urteil vom 21. Januar 2009 - S 88 AY 32/08 - juris Rn. 15 ff.). Andererseits erscheint auch ein Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers nach § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 104 SGB X (ggf. in analoger Anwendung) nicht ausgeschlossen.

Vom Gesetzgeber unausgesprochen bezweckt § 11 Abs. 2 AsylbLG aber auch die schnelle, unbürokratische Hilfe der Behörde vor Ort (in diese Richtung bereits Beschluss des Senats vom 27. Mai 2011 - L 8 AY 31/11 B ER - juris Rn. 10 m.w.N.; VG Magdeburg, Urteil vom 13. Februar 2002 - 6 A 489/01 MD - juris Rn. 20 f.). Nur die ortsnahe Behörde kann einen akuten Bedarf des Ausländers auch innerhalb kurzer Zeit decken, ohne dass der Betroffene auf eine Antragstellung bei der ggf. nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG zuständigen Behörde verwiesen werden muss. Für eine Pflicht der Behörde des tatsächlichen Aufenthalts des Ausländers zur Erbringung von unabweisbar gebotenen Leistungen nach § 11 Abs. 2 AsylbLG spricht insbesondere, dass eine vorläufige Leistungserbringung nach § 43 Abs. 1 SGB I bei der Anwendung des AsylbLG mangels Verweis auf diese Norm in § 9 Abs. 3 AsylbLG nicht möglich ist.

cc) Nach diesen Maßgaben ist die Antragsgegnerin, in dessen Gemeindegebiet sich der Antragsteller tatsächlich aufhält - ungeachtet einer örtlichen Zuständigkeit nach § 10a AsylbLG - nach § 11 Abs. 2 AsylbLG verpflichtet, diesem - im Außenverhältnis - die nach den Umständen unabweisbar gebotenen Leistungen zu gewähren. Insoweit kann hier dahin stehen, welche Behörde nach § 10a Abs. 1 AsylbLG für die Leistungen nach dem AsylbLG örtlich zuständig ist und ob neben einer asylverfahrensrechtlichen Verteilungs- bzw. Zuweisungsentscheidung auch eine Entscheidung nach dem erst 2005 eingeführten § 15a AufenthG den Tatbestand des § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG erfüllt.

c) Der Umfang der "nach den Umständen unabweisbar gebotenen" Leistungen nach § 11 Abs. 2 AsylbLG beschränkt sich in der Regel auf die notwendigen Reisekosten sowie dringend erforderliche Verpflegungskosten, damit der Ausländer den durch die asyl- bzw. ausländerrechtliche Beschränkung bestimmten Aufenthaltsort erreichen kann. Nur wenn Gründe vorliegen, die einen Verbleib am Ort des tatsächlichen Aufenthalts zwingend erfordern oder eine Rückkehr in das Gebiet der räumlichen Beschränkung unzumutbar erscheinen lassen, kann die unabweisbar gebotene Hilfe auch weitergehende Leistungen umfassen, die bis zu den regulären Leistungen reichen können (Beschluss des Senats vom 27. Mai 2011 - L 8 AY 31/11 B ER - juris Rn. 10 m.w.N.).

Ob ein solcher Ausnahmefall hier vorliegt, kann der Senat mit den im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eingeschränkten Ermittlungsmöglichkeiten nicht abschließend klären. Er entscheidet daher im Wege einer Folgenabwägung (s.o.), die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers, der Leistungen zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zum Verbleib an seinem bisherigen Aufenthaltsort begehrt, und das Interesse der Antragsgegnerin am Vollzug der Anordnung nach § 15a Abs. 4 Satz 1 AufenthG berücksichtigt.

Nach dieser Abwägung tritt das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin jedenfalls bis zur Beendigung des einstweiligen Rechtschutzverfahrens über die Anordnung vom 29. November 2013 (VG Bremen 4 V 2162 -) hinter dem Interesse des Antragstellers zurück.

Nach den Befundberichten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. D. vom 30. Mai 2013 und 28. Januar 2014 ist bei dem Antragsteller eine schwere depressive Episode (ICD-10: F32.8) und ein posttraumatisches Stresssyndrom (ICD-10: F43.1) diagnostiziert und im Falle einer Umverteilung des Antragstellers innerhalb Deutschlands mit einer erheblichen Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustands zu rechnen. Ob diese Folgen den Verbleib des Antragstellers im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin ordnungsrechtlich rechtfertigen (vgl. § 15a Abs. 1 Satz 5 AufenthG "sonstige zwingende Gründe"), muss der Senat nicht beantworten. Dies ist Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Bei der Beurteilung der leistungsrechtlichen Frage der Hilfegewährung nach § 11 Abs. 2 AsylbLG im sozialgerichtlichen Eilverfahren gelten indes andere Maßstäbe. Danach sind dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumindest bis zu dem Zeitpunkt, in dem über seine Verteilung nach § 15a AufenthG unanfechtbar entschieden ist, laufende Leistungen nach dem AsylbLG auch an seinem bisherigen Aufenthaltsort weiterhin zu leisten, um eine mögliche oder nur zeitweilig andauernde Verletzung der grundrechtlichen Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG zu verhindern.

Die Höhe dieser laufenden Leistungen orientiert sich an dem Leistungsniveau aus § 3 AsylbLG nach der Übergangsregelung des BVerfG vom 18. Juli 2012 (- 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -), weil sie - ohne Einschränkung - den regulären Lebensunterhalt des Antragstellers sicherstellen sollen. Entsprechend der Leistungsbewilligung für die Zeit bis zum 28. November 2013 sind dem Antragsteller demnach weiterhin Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 3 für haushaltsangehörige Erwachsene ohne Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren. Dieses Vorgehen der Antragsgegnerin begegnet jedenfalls hier keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Einen Bedarf an Unterkunft und Heizung bzw. eine entsprechende Kostenbelastung hat der Antragsteller, der anscheinend unentgeltlich bei seiner Cousine lebt, nicht geltend gemacht. Ebenso verhält es sich mit einem evtl. über die bereits mit Bescheid vom 5. Februar 2014 bewilligten Leistungen hinausgehenden Bedarf. Insoweit geht der Senat davon aus, dass der Antragsteller in einem gewissen Umfang von seiner Cousine (auch) materiell unterstützt wird. Ob eine Leistungsbemessung nach der Regelbedarfsstufe 3 im Allgemeinen und im Leistungssystem nach dem AsylbLG im Besonderen den Maßgaben der Rechtsprechung des BVerfG entspricht (vgl. SG Detmold, Urteil vom 23. Mai 2013 - S 16 SO 27/13 - juris, Revision anhängig - B 8 SO 14/13 R -), bleibt der Klärung in einem ggf. folgenden Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Bei der Abwägung der Interessen der Beteiligten hat der Senat auch das fiskalische Interesse der Antragsgegnerin berücksichtigt, die mit lebensunterhaltssichernden und ggf. mit weiteren Leistungen (z.B. Gesundheitsleistungen nach §§ 4, 6 AsylbLG wegen der Psychotherapie) nach § 11 Abs. 2 AsylbLG einzutreten hat. Dieser Aspekt verliert aber an Bedeutung, soweit die Antragstellerin die einhergehenden Kosten nach den obigen Ausführungen zu § 10a AsylbLG möglicherweise von der nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG örtlich zuständigen Behörde in Neumünster im Rahmen eines Erstattungsverfahrens verlangen kann. Die Frage der Kostenerstattung zwischen den Behörden muss hier aber nicht abschließend beantwortet werden.

3. Einer Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für die Zeit bis zum 28. November 2013 bedurfte es nicht, weil die Antragsgegnerin dem Antragsteller die o.g. Leistungen (in direkter Anwendung des § 3 AsylbLG) mit Bescheid vom 5. Februar 2014 bewilligt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).