Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 25.02.2014, Az.: L 4 KR 358/10
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 25.02.2014
- Aktenzeichen
- L 4 KR 358/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 17338
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2014:0225.L4KR358.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hildesheim - AZ: S 20 KR 84/03
Fundstelle
- DStR 2014, 2402
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 26.702,28 Euro.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung von Nachforderungen von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nach einer Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Die Klägerin betreibt ein Speditionsunternehmen. Am 6. März 2002 führte die Rechtsvorgängerin der Beklagten, in Folge aus Vereinfachungsgründen: Beklagte im Hause der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV durch. Betroffen war der Prüfzeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2000. Hierbei wurde festgestellt, dass die Klägerin für diverse Kraftfahrer und Disponenten Buß- und Verwarngelder übernommen hatte, die wegen Überladung der Fahrzeuge, Fahrzeugmängeln, Lenkzeitüberschreitungen oder der Anordnung von Lenkzeitüberschreitungen o.ä. Vergehen im Straßenverkehr verhängt worden waren. Die übernommenen Bußgelder wurden im Rahmen einer Prüfung durch das Finanzamt Göttingen nicht als Betriebsausgaben anerkannt und als Privatentnahme von dem Kommanditisten versteuert. Sozialversicherungsbeiträge wurden für die übernommenen Bußgeldzahlungen bisher nicht entrichtet. Auf Anfrage der Beklagten meldete die Klägerin die Summen der entrichteten Bußgelder. Diese beliefen sich im Jahre 1998 auf 65.988,00 DM, im Jahre 1999 auf 39.121,65 DM und im Jahre 2000 auf 11.872,75 DM. Nach durchgeführter Anhörung nahm die Beklagte mit Bescheid vom 8. November 2002 eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 34.661,66 Euro vor. In der Nachforderung waren Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV in Höhe von 857,65 Euro enthalten. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass ein Teil der Forderung aus beitragsmäßig bisher nicht berücksichtigtem lohnsteuerpflichtigem Einkommen zweier Mitarbeiter resultiere. Die übrige Forderung habe ihren Ursprung in der Übernahme von Buß- und Verwarngeldern für die Mitarbeiter der Klägerin. Bei der Übernahme von gegenüber dem Arbeitnehmer verhängten Buß- und Verwarngeldern durch den Arbeitgeber handele es sich stets um beitragspflichtigen Arbeitslohn. Hieran könne auch die fehlende Anerkennung der Zahlungen als steuermindernde Betriebsausgaben nichts ändern. Für jeden Arbeitnehmer behalte die Übernahme der Buß- und Verwarngelder ihren Charakter als geldwerter Vorteil. Die Festsetzung sei auch in Form eines Summenbescheides vorzunehmen. Denn die Klägerin habe für die Jahre 1998 bis 2000 lediglich die Gesamtsumme der gezahlten Buß- und Verwarngelder für die angestellten Kraftfahrer mitgeteilt. Die angeforderte Einzelzuordnung der Zahlungen zu den einzelnen Mitarbeitern sei nicht vorgelegt worden. Daher seien gemäß § 28f Abs. 2 SGB IV die zu zahlenden Beiträge anhand der Zahl der insgesamt bei den Einzugsstellen gemeldeten Beschäftigten quotiert worden. Die Höhe der Gesamtbeiträge sei nach den einschlägigen Beitragssätzen ermittelt worden. Die Säumniszuschläge hätten ihre Grundlage in § 24 SGB IV. Die Klägerin erhob unter dem 15. November 2002 Widerspruch und vertrat die Ansicht, dass es sich bei den Buß- und Verwarngeldern nicht um sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt handele. Das Finanzamt hätte die Erstattung von Bußgeldern und Strafen nicht als Betriebsausgabe anerkannt und diese demnach als Privatentnahme dem Kommanditisten zugeordnet. Dieser sei jedoch nicht Arbeitgeber und hätte mit den Arbeitsverhältnissen nichts zu tun. Darüber hinaus wandte sich die Klägerin gegen die Festsetzung als Summenbescheid. Die Namen der einzelnen Mitarbeiter sowie die jeweilige Summe der gezahlten Buß- und Verwarngelder sollten noch mitgeteilt werden. Demgegenüber beziehe sich der Widerspruch nicht auf die erhobenen Sozialversicherungsbeiträge für bisher beitragsmäßig nicht berücksichtigtes lohnsteuerpflichtiges Einkommen zweier Mitarbeiter. Der darauf entfallende Forderungsanteil von 7.359,38 Euro werde ausdrücklich anerkannt. Ein Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 19. Dezember 2002 abgelehnt. Daraufhin beantragte die Klägerin am 23. Januar 2003 vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides nahm die Klägerin den Antrag zurück. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei der Übernahme von Buß- und Verwarngeldern für die jeweiligen Arbeitnehmer handele es sich um einen geldwerten Vorteil und damit um sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt. Ferner sei die Aufzeichnungspflicht von der Klägerin nicht ordnungsgemäß erfüllt worden, wodurch keine Zuordnung der einzelnen Zahlungen zu den jeweiligen Mitarbeitern möglich sei. Infolgedessen seien die Voraussetzungen für eine Beitragsfestsetzung im Wege des Summenbescheides erfüllt. Die Klägerin habe im Widerspruchsverfahren auch nicht die Namen der einzelnen Mitarbeiter sowie die jeweilige Summe der gezahlten Buß- und Verwarngelder mitgeteilt. Der Bescheid könne allerdings insoweit widerrufen werden, als nachträglich die Höhe des Arbeitsentgeltes nachgewiesen werde. Hiergegen hat die Klägerin am 22. April 2003 Klage vor dem SG Hildesheim erhoben. Die gezahlten Buß- und Verwarngelder seien nach ihrer Ansicht kein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt, weil bei den betreffenden Mitarbeitern kein geldwerter Vorteil eintrete. Den Arbeitnehmern fließe keine Zahlung zu. Entsprechend habe auch das zuständige Finanzamt bei den jeweiligen Mitarbeitern keine Lohnsteuerpflicht festgestellt. Darüber hinaus würde eine Sozialversicherungspflicht auch dazu führen, dass eine unzulässige Doppelbelastung einträte, weil die Zahlungen steuerlich nicht abgesetzt werden könnten und somit zu versteuern seien. Bei etwa 45 % Sozialversicherungsbeiträgen und einem Steuersatz von 52 % würde dies zu einer Belastung von nahezu 100 % führen. Diese doppelte Belastung träfe die Kommanditistin als einzig beteiligte natürliche Person. Bei ihr seien die Buß- und Verwarngelder in voller Höhe als Betriebsentnahme der Einkommensteuerpflicht unterworfen worden. Die Höhe der Nachzahlungsforderung sei nicht streitbefangen. Auch die im Summenbeitragsbescheid errechneten Beiträge seien nicht streitig. Es solle auch bei der Berechnung im Wege eines Summenbeitragsbescheides verbleiben, weil eine zunächst beabsichtigte genaue Zuordnung zu den einzelnen Mitarbeitern nicht möglich sei. Weiterhin beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 9. Mai 2003 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Nach Zahlung der festgesetzten Beiträge wurde der Antrag zurückgenommen. Mit Urteil vom 5. Dezember 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Bei den gezahlten Buß- und Verwarngeldern handele es sich um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt gemäß §§ 14, 23a SGB IV. Die Zahlungen führten für die jeweiligen Arbeitnehmer zu einer Befreiung von bestehenden Verbindlichkeiten, die ansonsten von ihnen ausgeglichen werden müssten. Hierzu verwies das SG auf die Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) (Urteil vom 4. Oktober 2007, L 1 B 321/06 KR ER). Eine abweichende steuerliche Einordnung sei insoweit nicht bindend. Grundsätzlich könnten auch steuerfreie Leistungen als sozialversicherungspflichtiges Entgelt erfasst werden. Es gelte im Sozialversicherungsrecht auch nicht das strenge Zuflussprinzip, weshalb es nicht erforderlich sei, dass als Arbeitsentgelt anzusehende Zahlungen tatsächlich unmittelbar dem jeweiligen Arbeitnehmer zufließen. Ausreichend sei die Befreiung von Verbindlichkeiten. Gegen das am 22. Dezember 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. Januar 2009 Berufung bei dem LSG Niedersachsen-Bremen eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass es sich bei den übernommenen Buß- und Verwarngeldern nicht um sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt handele. Die Aberkennung der Zahlungen als Betriebsausgabe seitens des Finanzamtes habe bei der Kommanditistin Frau I. zu einer Gewinnerhöhung und damit zur Einkommensteuerpflicht geführt. Durch die Nichtanerkennung als Betriebsausgaben seien diese letztlich nicht mehr von der Klägerin an die Arbeitnehmer geleistet worden, sondern vielmehr von der Kommanditistin an die Arbeitnehmer. Zwischen diesen habe jedoch kein Vertragsverhältnis, insbesondere kein Arbeitsvertrag bestanden. Es fehle demnach bereits an einer unmittelbaren Leistung der Klägerin zugunsten der begünstigten Arbeitnehmer. Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht müssten nach ihrer Ansicht identische Ergebnisse zur Folge haben. Das Sozialversicherungsrecht folge dem Steuerrecht und die Rechtsakte einer Verwaltung müssten von einer anderen Behörde respektiert werden. Darüber hinaus werde der Einwand geltend gemacht, dass die Doppelbelastung unverhältnismäßig und damit unbillig sei. Die Klägerin sieht sich durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1. Dezember 2009, B 12 R 8/08 R, gestützt. Nach ihrer Ansicht habe die Übernahme der Bußgelder im überwiegenden betrieblichen Interesse der Klägerin gelegen. Die Übernahme sei erfolgt, um letztlich konkurrenzfähig zu bleiben und die Aufträge von Großkunden nicht an Mitbewerber zu verlieren. Aufgrund des Risikos, Aufträge des Hauptlieferanten an Mitbewerber zu verlieren, sei den Fahrern auch die Anordnung erteilt worden, ggf. Lenkzeiten zu überschreiten oder sonstige Verkehrsverstöße in Kauf zu nehmen, wenn dadurch die termingerechte Ablieferung der Ware sichergestellt werde. Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 5. Dezember 2008 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 8. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2003 insoweit aufzuheben, als darin die Übernahme von Buß- und Verwarngeldern zur Erhebung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen herangezogen wurde. Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Befreiung von einer Verbindlichkeit stelle einen geldwerten Vorteil dar und dieser unterliege als Einkommen der Sozialversicherungspflicht. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 1. Dezember 2009, B 12 R 8/08 R) könne nur im Ausnahmefalle eine Sozialversicherungspflicht entfallen, sofern ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers vorgelegen habe. In dem vom BSG entschiedenen Sachverhalt habe der Arbeitgeber nicht vorrangig den Zweck verfolgt, die Arbeitnehmer finanziell zu entlasten, sondern vielmehr den Zweck, die Weiterfahrt eines im Ausland festgesetzten Lkw zu ermöglichen. Bei Nichtzahlung des Bußgeldes wäre dieses nicht möglich gewesen. Der Lkw wäre in diesem Falle auf unbestimmte Zeit festgesetzt gewesen und damit ausgefallen. Mit Beschluss vom 7. Dezember 2009 hat das Gericht das Verfahren bis zur Entscheidung des BSG zum Aktenzeichen B 12 R 8/08 R ausgesetzt. Auf Antrag der Beklagten ist das Verfahren sodann fortgesetzt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die der Entscheidung zugrunde gelegen hat.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da die Beteiligten sich mit diesem Verfahren einverstanden erklärt haben. Die nach §§ 143 und 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des SG Hildesheim vom 5. Dezember 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 8. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2003 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Beklagte hat die übernommenen Buß- und Verwarngelder zutreffend der Gesamtsozialversicherungspflicht unterworfen. In der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, § 57 Abs. 1 SGB XI, § 162 Nr. 1 SGB VI, § 342 SGB III). Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Zwar formuliert § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV das Gebot der möglichst weitgehenden Übereinstimmung des Begriffs des Arbeitsentgelts mit dem Begriff des Lohnes im Steuerrecht, beschränkt aber die Verordnungsermächtigung nur auf das zusätzliche Arbeitsentgelt zu Löhnen und Gehältern und die Aufwendungen zur betrieblichen Altersvorsorge. Daneben sind die Wahrung der Belange der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung den Gesichtspunkten der Vereinfachung des Beitragseinzugs sowie der Förderung der betrieblichen Altersversorgung gleichrangig. Insoweit können die lohnsteuerrechtlichen Richtlinien und finanzgerichtlichen Entscheidungen die Interpretation der Bestandteile des Arbeitsentgeltes beeinflussen. Damit wird das steuerrechtliche Zuflussprinzip in den Arbeitsentgeltbegriff der Sozialversicherung keineswegs übernommen (Werner in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 14 SGB IV, Rn. 49). Vor diesem Hintergrund kann sich die Klägerin nicht auf eine gleichsam automatische, wirkungsgleiche Übertragung der Entscheidung des Finanzamtes berufen. Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesfinanzhofes (BFH) jedweder geldwerte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt wird, weil der Zuwendungsempfänger Arbeitnehmer des Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird, und wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das zur Verfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Nicht erforderlich ist, dass der Einnahme eine konkrete Dienstleistung des Arbeitnehmers zugeordnet werden kann. Dagegen sind solche Vorteile nicht als Arbeitslohn anzusehen, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann (vgl. BFH, Urteil vom 07.07.2004, VI R 29/00, BFHE 208, 104 m.w.N.). In Grenzfällen ist eine wertende Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung aller den jeweiligen Einzelfall prägenden Umstände vorzunehmen. Ergibt sich im Rahmen einer Gesamtwürdigung, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den Vorteil zu erlangen, deswegen vernachlässigt werden kann, liegt ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse vor, das das Vorliegen von steuerpflichtigem Arbeitslohn ausschließt. Wenn allerdings der Arbeitnehmer ein nicht unerhebliches Interesse an der Vorteilsgewährung hat, liegt diese nicht im ganz überwiegenden Interesse des Arbeitgebers. Zwischen dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers besteht eine Wechselwirkung dergestalt, dass das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse umso geringer zählt, je höher aus der Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist. Nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte sind in aller Regel die Übernahme von Geldstrafen, Geldbußen oder Geldauflagen durch den Arbeitgeber als steuerpflichtiger Arbeitslohn anzusehen (vgl. Reichsfinanzhof, Urteil vom 06.11.1929, RFHE 26, 171; BFH, Urteil vom 07.02.1957, IV 547/56 U, BFHE 64, 425, zu gewerblichen Einkünften; Finanzgericht Köln, Urteil vom 10.11.2004, 14 K 459/02, EFG 2005, 756; BFH, Urteil vom 22.07.2008, VI R 47/06, BFHE 222, 448). Diese Rechtsprechung hat das BSG aufgegriffen und zum Ausgangspunkt der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung gemacht (BSG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - B 12 R 8/08 R -, BSGE 105, 66-70). Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen geht der Senat bei einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände davon aus, dass die Übernahme von Buß- und Verwarngeldern zwar von einem betrieblichen Interesse der Klägerin mitgeprägt war. Diese Interessenlage ist jedoch nicht als derart einseitig zu bewerten, als dass daraus ein ganz überwiegendes betriebliches Eigeninteresse der Klägerin gefolgert werden könnte. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass das vom BSG formulierte Regel-Ausnahmeverhältnis auch vorliegend in seiner Regelvermutung zur Anwendung zu bringen ist. Denn es sind keine vom Regelfall abweichenden Umstände ersichtlich, welche die vorliegende Konstellation als atypischen Einzelfall erscheinen ließe. Dabei unterstellt der Senat das Vorbringen der Klägerin als uneingeschränkt wahr, wonach die Übernahme der Bußgelder erfolgte, um konkurrenzfähig zu bleiben und Aufträge von Großkunden nicht an Mitbewerber zu verlieren. Eine solche (ggf. auch verschärfte) Wettbewerbssituation hat nach dem Vorbringen der Klägerin in der gesamten Speditionsbranche geherrscht und hat folglich sämtliche auf dem Markt agierende Speditionsunternehmen in gleichem Maße betroffen. Die Klägerin unterlag damit dem allgemeinen Branchendruck in ihrem Marktsegment und befand sich keineswegs in einer individuell ungewöhnlichen Lage. Dies gilt insbesondere, da sie ihre angespannte Liquiditätssituation mit den Belastungen der sog. Ökosteuer und dem allgemeinen Konkurrenzdruck begründet hat. Dies betrifft alle Speditionsunternehmen in gleichem Maße und beinhaltet keine außergewöhnlichen Umstände auf Seiten der Klägerin. Soweit sich die Klägerin auf den drohenden Verlust eines Hauptauftraggebers stützt, so kann sie auch hiermit nicht durchdringen. Denn auch ein solcher möglicher Verlust hat sich nach ihrem eigenen Vorbringen allein als ein abstraktes Risiko dargestellt und nicht als ein konkret drohendes Schadenereignis, welches nunmehr abzuwenden wäre. Dies unterscheidet die vorliegende Konstellation maßgeblich von dem durch das BSG zum Aktenzeichen B 12 R 8/08 R entschiedenen Fall. Denn dort war ein Lkw aufgrund einer ausstehenden Bußgeldzahlung im Ausland festgesetzt worden und war damit an der Weiterfahrt gehindert. Dort diente die Bußgeldzahlung - sinnbildlich gesprochen - zur Umwandlung eines Totalausfalls in eine Weiternutzung. Vorliegend waren die Bußgeldzahlungen jedoch Teil des laufenden Geschäftsbetriebes, die ebenso regelmäßig erfolgt sind wie die Zahlung von Arbeitsentgelt. Dies zeigt sich schon allein an den erheblichen Summen der Bußgelder, die belegen, dass entsprechende Übernahmen in den regulären Geschäftsbetrieb eingepreist waren. Billigkeitserwägungen sieht das Gesetz bei der Erhebung der Beiträge nicht vor. Diese können allenfalls im Rahmen des Beitragseinzuges eine Rolle spielen. Diese Frage ist jedoch spätestens mit der Zahlung der Beiträge gegenstandslos geworden. Die Berufung kann danach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Streitwertentscheidung folgt gemäß § 52 Gerichtskostengesetz (GKG) aus der Höhe der streitigen Beitragsnachforderung. Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).