Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 21.12.2006, Az.: 8 U 104/06
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 21.12.2006
- Aktenzeichen
- 8 U 104/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 42158
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2006:1221.8U104.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Bückeburg - 24.03.2006 - AZ: 2 O 74/02
- nachfolgend
- BGH - 23.01.2008 - AZ: IV ZR 10/07
- OLG Celle - 12.12.2008 - AZ: 8 U 104/06
- BGH - 09.02.2011 - AZ: IV ZR 11/09
In dem Rechtsstreit
...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ... für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 24. März 2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg wird ebenso wie die in II. Instanz erweiterte Klage zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des II. Rechtszuges zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gebührenstreitwert für den zweiten Rechtszug wird wie folgt festgesetzt:
Gründe
I.
Der Kläger, geb. am ... 1959, von Beruf Kraftfahrer, nimmt die Beklagte auf Rentenzahlung aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, hilfsweise auf Schadensersatz wegen Falschberatung in Anspruch.
Nach einer Berufsausbildung zum Kraftfahrzeugmechaniker war der Kläger zunächst von April 1978 bis Mai 1979 als Gabelstaplerfahrer beschäftigt. Von Mai 1979 bis August 1980 leistete er seinen Wehrdienst ab. In der Zeit von August 1980 bis April 1992 war er als Kraftfahrer angestellt, u.a. von Juli 1982 bis März 1992 im Nahverkehr bei der R.- ... Eisenbahn. Im Mai 1992 machte er sich selbständig und gründete ein Fuhrunternehmen. Er erwarb dazu einen 40t-Lastzug, mit dem er überwiegend im nationalen und europäischen Fernverkehr (u.a. Frankreich, Holland, Belgien) selbstfahrend tätig war und Glas sowie Holz transportierte. Er war dabei täglich 12 bis 15 Stunden unterwegs, zehn Stunden davon sitzend.
Im Zuge seiner Existenzgründung beantragte der Kläger am 15. April 1992 bei der Beklagten den Abschluss einer Kapital-Lebensversicherung unter Einschluss einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nach Tarif BUZn (Bl. 212 f. Bd. II, 651 ff. Bd. III d.A.). Er wurde dabei von dem für die Beklagte als Organisationsleiter im Bereich S. tätigen Streithelfer beraten. Die Beklagte nahm den Antrag gemäß Versicherungsschein vom 13. August 1992 (Bl. 184 ff. Bd. I d.A.) mit der einschränkenden Vereinbarung an, dass Beschwerden der Wirbelsäule und des Rückens eine Leistung aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht bedingen und bei der Festsetzung des Grades der Berufsunfähigkeit aus anderen gesundheitlichen Gründen unberücksichtigt bleiben. Laut Versicherungsschein gelten die Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nach dem Tarif BUZn (Bl. 15 ff. Bd. I d.A.). Gemäß Nachtrag zum Versicherungsschein vom 9. Juni 1999 (Bl. 6 f. Bd. I d.A.) beträgt die monatliche Berufsunfähigkeitsrente 5 940,00 DM (3 037,07 €).
Die Jahresabschlüsse des Transportunternehmens des Klägers zum 31. Dezember 1999 und zum 31. Dezember 2000 (Aktenumschlag Bd. IV d.A.) wiesen Gewinne in Höhe von 37 034,16 DM (18 935,27 €) für 1999 und von 26 284,85 DM (13 439,23 €) für 2000 aus. Mit Schreiben vom 12. März 2001 (Bl. 21 Bd. I d.A.) teilte der Kläger der Beklagten mit, dass sein Fuhrgeschäft in eine wirtschaftlich schlechte Lage geraten sei, und bat, die Lebensversicherung ab dem 1. April 2001 bis auf weiteres ruhen zu lassen. Mit Nachtrag zum Versicherungsschein vom 3. Mai 2001 (Bl. 49 Bd. I d.A.) stellte die Beklagte daraufhin die Versicherung zum 1. Mai 2001 beitragsfrei und bezifferte die beitragsfreie Berufsunfähigkeitsrente mit 1 797,20 DM (918,89 €). Darauf reagierte der Kläger mit Schreiben vom 17. Mai 2001 (Bl. 22 Bd. I d.A.), in dem er seinen Antrag auf Beitragsfreistellung unter Hinweis auf seine inzwischen eingetretene Berufsunfähigkeit wieder zurücknahm und zugleich Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung beantragte. Am 22. März 2003 stellte die Beklagte ein Ersatzdokument für den Versicherungsschein (Bl. 101 Bd. I d.A.) aus, wonach die Barrente bei Berufsunfähigkeit 3 037,30 € beträgt. Mit Schreiben vom 24. November 2004 (Bl. 635 Bd. III d.A.) forderte die Beklagte den Kläger auf, bis Ende Dezember rückständige Beiträge für die Zeit vom 1. August 2001 bis zum 31. Oktober 2004 in Höhe von insgesamt 17 327,16 € zu zahlen. Für den Fall des fruchtlosen Verstreichens dieser Frist erklärte die Beklagte die Kündigung des Versicherungsvertrages. Eine Zahlung des Klägers blieb aus.
Am 12. April 2001 erlitt der Kläger eine tiefe Oberschenkelvenenthrombose am linken Bein, weshalb er in der Zeit vom 23. April bis zum 10. Mai 2001 stationär im Krankenhaus R. und anschließend bis zum 5. September 2002 mit dem blutgerinnungshemmenden Medikament Marcumar behandelt wurde. Bis heute trägt er einen Oberschenkelkompressionsstrumpf am linken Bein. In seinem ärztlichen Bericht für die Beklagte vom 5. Juni 2001 (Bl. 85 ff. Bd. I d.A.) bescheinigte der den Kläger behandelnde Internist Dr. E.M., R., dass unverändert ein massives Ödem des linken Beines bestehe und deshalb eine Tätigkeit, die längeres Sitzen erfordere, z.B. als selbständiger Fuhrunternehmer, auf absehbare Zeit nicht mehr möglich sein werde. Der Dienststellenleiter des ärztlichen Dienstes der L.H., S.K., diagnostizierte in einem ärztlichen Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung vom 24. Juli 2001 (Bl. 152 ff. Bd. I d.A.) eine geringe postthrombotische und phlebitische Stauung des linken Unterschenkels und stellte fest, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers nur teilweise gemindert sei. Zukünftig könne er "leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Akkord, im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen zeitweise, ohne häufiges Steigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, ohne extrem schwankende Temperaturen, ohne Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr verrichten". Dr. M. attestierte dem Kläger am 12. November 2001 (Bl. 8 Bd. I d.A.) ein postthrombotisches Syndrom, infolge dessen er seinen Beruf als selbstfahrender Fuhrunternehmer nicht mehr ausführen könne, weil es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu einer wesentlichen Besserung des Befundes bzw. einer Abnahme der Beschwerden kommen dürfte. Sein Hausarzt Dr. med.W.B., O., führte in einem Attest vom 13. November 2001 (Bl. 9 Bd. I d.A.) aus, dass die Wiederaufnahme der Tätigkeit als Berufskraftfahrer medizinisch als nicht vertretbar erscheine. Auch ein größerer Abstand zum akuten Ereignis werde keine Änderung der prognostischen Beurteilung ergeben. Die Beklagte holte ein orthopädisch-traumatologisches Fachgutachten des Facharztes für Orthopädie K.-J.G., D., vom 11. April 2002 (Bl. 114 ff. Bd. I d.A.) und ein gefäßchirurgisches Gutachten des Arztes für Gefäßchirurgie Dr. J.K., D., vom 2. Mai 2002 (Bl. 124 ff. Bd. I, 211 Bd. II d.A.) ein. Während das erstere Gutachten ergab, dass aus orthopädischer Sicht keine Gesundheitsstörungen vorlägen, die zu einer Leistungsbegrenzung führen könnten, stellte Dr. K. fest, dass wegen der postthrombotischen Veränderungen des rechten Beines die vollschichtige Tätigkeit des Klägers entsprechend seiner persönlichen Leistungsbeschreibung nicht mehr möglich sei und in diesem Sinne daher eine Berufsunfähigkeit von 100 % bestehe. Aufgrund seiner Erfahrung und Ausbildung sei der Kläger jedoch in der Lage, vollschichtig Alternativ-Tätigkeiten als Berufskraftfahrer im Nahverkehr (z.B. als Auslieferungsfahrer von Kleinteilen), als Lagerverwalter, Fuhrparkleiter bzw. Disponent in einer Spedition, Lagerist, Gabelstaplerfahrer, Tankstellenmitarbeiter, Leiter einer Autowaschanlage, Taxifahrer oder als Telefonist in einer Taxenzentrale auszuüben. Dr. M. bescheinigte dem Kläger wiederum mit Attest vom 17. Juni 2002 (Bl. 131 Bd. I d.A.), wegen des postthrombotischen Syndroms zurzeit keinen Beruf ausüben zu können, in einem Befundbericht an das Sozialgericht Hannover vom 22.11.2002 (Bl. 265 ff. Bd. II d.A.) fortdauernde Arbeitsunfähigkeit und mit Attest vom 15. Juni 2004 (Bl. 508 Bd. III d.A.), dass dem Kläger aufgrund des sich vergleichsweise eher verschlechternden Befundes längere Fahrten sowie Temperaturschwankungen und Treppengehen nicht und deshalb eine Arbeit als Auslieferungsfahrer im Nahverkehr nur eingeschränkt zumutbar sei. Dr. K. erstattete am 7. September 2004 im Auftrag des Klägers ein weiteres gefäßchirurgisches Gutachten (Bl. 591 f. Bd. III d.A.), in dem er ausführte, dass weiterhin eine Berufsunfähigkeit als Kraftfahrer zu 100 % bestehe. Der klinische Befund habe sich mit Ausbildung eines chronischen Ekzems verschlechtert, so dass belastende Situationen mit längerem Sitzen und Stehen sowie Tragen schwerer Lasten vermieden werden sollten. Dieses Gutachten ergänzte Dr. K. auf Bitten des Klägervertreters unter dem 15. Dezember 2004 (Bl. 631 Bd. III d.A.) dahin, dass auch eine Berufsunfähigkeit für den Beruf des Auslieferungsfahrers bestehe, weil dem Kläger eine Warenauslieferung nicht, auch nicht als Teilzeit-Arbeit, zumutbar sei. Dr. M. attestierte dem Kläger schließlich mit Bescheinigung vom 11. April 2005 (Bl. 665 Bd. III d.A.) ein neues Unterschenkelgeschwür (sog. offenes Bein).
Noch im Laufe des Jahres 2001 verkaufte der Kläger seinen Lkw und gab sein Unternehmen auf. Er bezieht seitdem Sozialhilfe.
Der Kläger hat behauptet,
wegen der ursprünglichen Oberschenkelvenenthrombose und des sich seitdem verschlimmernden postthrombotischen Syndroms seit dem 12. April 2001 zu 100 % berufsunfähig zu sein, weil er keinen Lkw mehr fahren und die beim Beladen und Entladen erforderliche schwere körperliche Arbeit nicht mehr leisten könne, aber auch keine Betriebs- bzw. Aufgabenumorganisation möglich sei, so dass er seinen Beruf als selbstfahrender selbständiger Fuhrunternehmer nicht mehr, auch nicht mit 50 % der Arbeitszeit ausüben könne (Bl. 2, 58, 60, 81 f. Bd. I d.A.). Der Streithelfer habe ihm bei Vertragsabschluss mündlich zugesagt, dass konkret die Ausübung seines Berufs als selbstfahrender selbständiger Fuhrunternehmer versichert werde (Bl. 136, 167 f., 170 Bd. I d.A.). Hintergrund sei gewesen, dass die Sparkasse S., die den Kauf seines Lkws finanzierte, verlangt habe, sich für das Risiko einer Berufsunfähigkeit zu versichern, damit die Rückzahlung des Kredits auch im Falle seines Arbeitskraftausfalls abgesichert sei. Dies sei zunächst mit dem nebenberuflichen Vertrauensmann der Beklagten für den Bereich O., W.H., einem Bekannten seines Vaters, besprochen worden, der dann den Streithelfer eingeschaltet habe (Bl. 175 Bd. I, 650 Bd. III d.A.). Schriftliche Versicherungsbedingungen hätten bei Vertragsschluss nicht vorgelegen (Bl. 170 Bd. I d.A.). Der Streithelfer habe ihn auch nicht mündlich darüber aufgeklärt, dass die Versicherung ihn gegebenenfalls auf eine andere Berufsausübung verweisen könne (Bl. 662 Bd. III d.A.). Eine solche Verweisung sei ihm nicht zumutbar, weil sich sein Berufsbild auf das des selbstfahrenden selbständigen Fuhrunternehmers konkretisiert habe, ihm auch in den Vergleichsberufen ein leidensgerechter Einsatz nicht möglich sei, diese zudem andere Ausbildungen voraussetzten und für ihn einen sozialen Abstieg bedeuteten, weil sein Nettomonatseinkommen als selbständiger Kraftfahrer in den Jahren 1992 bis 2000 durchschnittlich bei 2 400,00 € gelegen habe (Bl. 61, 98, 110, 167 Bd. I, 346 Bd. II, 507, 509 Bd. III d.A.). Im Übrigen sei er laut Auskunft des Arbeitsamtes R. überhaupt nicht mehr vermittelbar (Bl. 412 Bd. II d.A.).
Der Kläger hat beantragt (Bl. 1, 29, 92 f., 112, 170 Bd. I, 214 f., 249, 250 f., 380 Bd. II, 442 f., 450, 583 Bd. III, 780, 783, 785 f. Bd. IV d.A.),
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Monate April 2001 bis Juni 2002 Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 44 442,46 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Teilbetrag von 1 923,48 € seit dem 12. April 2001 und jeweils aus Teilbeträgen von 3 037,07 € seit dem 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2001, 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai und 1. Juni 2002 zu zahlen;
- 2.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche Schäden zu ersetzen, die aus dem Regulierungsverzug der Beklagten resultieren;
- 3.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, seit November 2002 bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres im November 2024 an ihn Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 3 037,07 € monatlich, jeweils im Voraus zu zahlen;
- 4.
festzustellen, dass die ihm zugegangene Kündigung der Beklagten, datiert vom 24. November 2004, unwirksam ist und das zwischen den Parteien bestehende Versicherungsverhältnis zur Versicherungsschein-Nr. ... für ihn beitragsfrei infolge bedingungsgemäß eingetretener Berufsunfähigkeit fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt (Bl. 36, 56, 138, 170 Bd. I, 249 Bd. II, 497a Bd. III, 781, 783 Bd. IV d.A.),
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit des Klägers in Abrede gestellt (Bl. 38 Bd. I d.A.). Sie hat behauptet, der Kläger sei in der Lage, seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als selbständiger Fuhrunternehmer im Fernverkehr zu weit mehr als 50 % nachzugehen, wenn er alle zwei Stunden eine Pause mache und die Beine hochlege, um sie zu entlasten (Bl. 141 Bd. I d.A.). Darüber hinaus sei er aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten in der Lage, Alternativtätigkeiten als Maschinenführer/-bediener, Fuhrparkleiter, Lkw-Disponent, Leiter einer Tankstelle bzw. einer Autowaschanlage, Leitstanddisponent, Ersatzteillagerleiter, Maschinenschlosser, Kraftfahrer im Nahverkehr (z.B. wieder für die R.-... Eisenbahn) oder als Auslieferungsfahrer im Nahverkehr vollschichtig zu verrichten (Bl. 43, 142 ff. Bd. I, 395, 410 Bd. II, 521 Bd. III d.A.). Dadurch sei die bisherige Lebensstellung des Klägers auch in finanzieller Hinsicht gewahrt. Die Versicherungsbedingungen seien im Rahmen des Vertragsschlusses nicht nur mündlich erläutert, sondern dem Kläger auch ausgehändigt worden (Bl. 204, 406 Bd. II d.A.). Zur Höhe hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass infolge der vom Kläger beantragten Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung die Berufsunfähigkeitsrente nur 918,89 € monatlich betrage (Bl. 45, 151 Bd. I d.A.). Außerdem könne bei einem Eintritt der Berufsunfähigkeit am 12.04.2001 eine Leistungspflicht frühestens ab dem 1. Mai 2001 eintreten (Bl. 151 Bd. I d.A.).
Der Streithelfer hat beantragt (Bl. 532 Bd. III, 781, 783 Bd. IV d.A.),
die Klage abzuweisen.
Der Streithelfer hat eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ebenfalls bestritten. Auch habe er den Kläger nicht falsch beraten.
Der Einzelrichter der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg hat gemäß Beweisbeschlüssen vom 20. September 2002 (Bl. 225 ff. Bd. II d.A.), 22. November 2002 (Bl. 256 Bd. II d.A.), 30. September 2003 (Bl. 414 Bd. II d.A.), 25. Oktober 2004 (Bl. 602 f. Bd. III d.A.), 27. Juli 2005 (Bl. 703 Bd. IV d.A.) und 10. Februar 2006 (Bl. 782 Bd. IV d.A.) Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung des Streitverkündeten, der geschiedenen Ehefrau des Klägers C.W.-H., des Vertrauensmannes W.H. und der Eltern des Klägers M. und H-J.H. sowie durch Einholung von Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. med.G.H., H., und der Diplom-Verwaltungswirtin S.H.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 22. November 2002 (Bl. 246 ff. Bd. II d.A.) und vom 10. Februar 2006 (Bl. 780 ff. Bd. IV d.A.) sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. H. vom 9. Juli 2003 (Bl. 366 ff. Bd. II d.A.) mit Ergänzung vom 4. Oktober 2005 (Bl. 738 ff. Bd. IV d.A.) und Stellungnahme vom 25. Januar 2006 (Bl. 775 ff. Bd. IV d.A.) und das schriftliche Gutachten der Sachverständigen H. vom 27. April 2004 (Bl. 456 ff. Bd. III d.A.) mit Ergänzung vom 13. Mai 2005 (Bl. 669 ff. Bd. IV d.A.) und mündlicher Erläuterung im Termin vom 10. Februar 2006 (Bl. 781 f. Bd. IV d.A.) Bezug genommen.
Mit am 24. März 2006 verkündetem Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen (Bl. 797 - 812 Bd. IV d.A.). Der Kläger habe nicht bewiesen, dass er berufsunfähig im Sinne der geltenden Versicherungsbedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung sei. Nach dem Ergebnis der Sachverständigengutachten und seinem persönlichen Eindruck im Termin vom 10. Februar 2006 sei der Kläger durchaus in der Lage, eine Tätigkeit als Auslieferungsfahrer im Nahverkehr trotz seiner gesundheitlichen Einschränkung zu bewältigen. Dies sei ihm auch in sozialer Hinsicht zumutbar. Möglich sei auch eine Verweisung auf die Tätigkeiten als Lagerverwalter, Fuhrparkleiter bzw. Disponent einer Spedition, Lagerist, Handelsfachpacker, Materialverwalter, Gabelstaplerfahrer, Tankstellenmitarbeiter, Tankstellenleiter, Leiter einer Autowaschanlage, Taxifahrer oder Telefonist in einer Taxenzentrale. Die Beklagte sei nach den Versicherungsbedingungen befugt, den Kläger auf andere Tätigkeiten zu verweisen. Dem Kläger stehe schließlich auch kein Schadensersatzanspruch wegen Falschberatung zu. Er habe insbesondere nicht den Nachweis geführt, das der Streithelfer ihn nicht über die Verweisungsmöglichkeit der Beklagten aufgeklärt habe. Im Übrigen hätte der Kläger einen Versicherungsvertrag ohne die Verweisungsmöglichkeit auf andere Berufe weder bei der Beklagten noch bei anderen Versicherungsgesellschaften abschließen können. Den Kläger treffe schließlich ein erhebliches eigenes Verschulden, wenn er trotz Erörterung der Versicherungsbedingungen den Vertrag mit der Beklagten abgeschlossen habe.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
Er macht geltend, dass eine Verweisbarkeit auf eine andere Tätigkeit ausscheide, weil sie mit einer für ihn nicht zumutbaren Einbuße bei den Einkünften und/oder einer sozialen Herabsetzung verbunden sei. So ergebe sich bei einer Tätigkeit als Auslieferungsfahrer eine Einkommenseinbuße von 2 400,00 € auf 1 046,50 €, mithin von mehr als 56 % (Bl. 877 ff. Bd. V d.A.). Die von der Beklagten herangezogenen niedrigeren Einkommenswerte für die Geschäftsjahre 1999 und 2000 seien durch Sondereffekte, insbesondere die Inanspruchnahme hoher Abschreibungen für den in 1999 neu angeschafften Lkw, temporär bedingt gewesen (Bl. 879 ff. Bd. V d.A.). Darüber hinaus sei die Beweiswürdigung des Landgerichts fehlerhaft, weil dem Gutachten der Sachverständigen H. zufolge ausschließlich eine Verweisungsmöglichkeit auf den Beruf des Auslieferungsfahrers in Betracht komme und das Landgericht aus der Inaugenscheinnahme des betroffenen Beins des Klägers und seines Gangbildes ohne erkennbare Sachkunde für ihn nachteilige Schlussfolgerungen gezogen habe. Des Weiteren sei kein Beweis erhoben worden zu seinem Vortrag, wonach auch für den Verweisungsberuf eine Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % bestehe (Bl. 884 f. Bd. V d.A.). Entgegen seines Antrages habe der Sachverständige Dr. H., der im Übrigen als Orthopäde auf dem Gebiet der Gefäßerkrankungen nicht hinreichend sachkundig sei, sein Gutachten nicht mündlich erläutert (Bl. 885 ff. Bd. V d.A.). Auch habe sich das Landgericht zu Unrecht über die Beurteilung der Sachverständigen H. hinweggesetzt, wonach dem Kläger eine Verweisung auf andere Tätigkeiten nicht zumutbar sei, wenn diese mit einer längeren Einarbeitungszeit verbunden seien (Bl. 889 f. Bd. V d.A.). Ferner hätte das Landgericht wegen der unrichtigen Protokollierung der Zeugenaussage des Streithelfers diesen noch einmal vernehmen müssen. Verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht zudem festgestellt, dass der Kläger anlässlich seiner persönlichen Anhörung im Termin vom 22. November 2002 erklärt habe, der Streithelfer habe ihm die Versicherungsbedingungen mündlich erläutert. Im angefochtenen Urteil sei außerdem nicht mitgeteilt, woher das Landgericht seine Kenntnis nehme, dass eine Versicherung ohne abstrakte Verweisungsmöglichkeit zur damaligen Zeit bei keiner anderen Versicherungsgesellschaft hätte abgeschlossen werden können. Mit Schriftsatz vom 9. November 2006 hat der Kläger unter Vorlage eines im sozialgerichtlichen Verfahren L 2 RI 147/04 vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen eingeholten internistisch-angiologischen Fachgutachtens des Chefarztes Prof. Dr. med.R.B., Klinikum R.H., vom 29. Mai 2006 (Bl. 955 ff. Bd. V d.A.) und des Protokolls über das mündlich erstattete berufskundliche Gutachten des Sachverständigen Diplom-Verwaltungswirt H.K. vom 27. September 2006 (Bl. 966 f. Bd. V d.A.) behauptet, dass es notwendig sei, ihm nach jeweils maximal zwei Stunden körperlich aktiver Arbeitszeit eine mindestens 30 minütige Pause, wenn nötig, aber auch eine Pause von einer Stunde Dauer zu ermöglichen, und dass kein Arbeitgeber dazu bereit sei, nach jeweils zwei Stunden Tätigkeit eine zusätzliche 30- bis 60 minütige Pause einzuräumen (Bl. 953 Bd. V d.A.).
Der Kläger beantragt (Bl. 875 f., 998 Bd. V d.A.),
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Monate April 2001 bis Juni 2002 Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 44 442,46 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Teilbetrag von 1 923,48 € seit dem 12. April 2001 und jeweils aus Teilbeträgen von 3 037,07 € seit dem 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2001, 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai und 1. Juni 2002 zu zahlen;
- 2.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche Schäden zu ersetzen, die aus dem Regulierungsverzug der Beklagten resultieren;
- 3.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, seit November 2002 bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres im November 2024 an ihn Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 3 037,07 € monatlich, jeweils im Voraus zu zahlen;
- 4.
festzustellen, dass die ihm zugegangene Kündigung der Beklagten, datiert vom 24. November 2004, unwirksam ist und das zwischen den Parteien bestehende Versicherungsverhältnis zur Versicherungs-schein-Nr. ... für ihn beitragsfrei infolge bedingungsgemäß eingetretener Berufsunfähigkeit fortbesteht;
- 5.
klageerweiternd die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Monate Juli, August, September und Oktober 2002 Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 12 148,28 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils aus Teilbeträgen von 3 037,07 € seit dem 1. Juli, 1. August, 1. September und 1. Oktober 2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt (Bl. 923, 998 Bd. V d.A.),
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie weist darauf hin, dass bei einem Vergleich der Einkünfte eines ehemals Selbständigen und dann angestellt Tätigen die Aufwendungen zur sozialen Absicherung zu berücksichtigen seien, und bestreitet, dass der Gewinnrückgang des Klägers in den Jahren 1999 und 2000 temporär bedingt gewesen sei (Bl. 924 f. Bd. V d.A.). Ferner meint sie, dass der Kläger im Falle einer bestimmungsgemäßen Berufsunfähigkeit Leistungen bis längstens Juli 2019 verlangen könnte (Bl. 930 Bd. V d.A.).
Der Streithelfer beantragt (Bl. 900, 998 Bd. V d.A.),
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§§ 513 Abs. 1, 1. Alt., 546 ZPO) noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO). Die Klage ist (auch bezüglich der Klageerweiterung II. Instanz) unbegründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente weder aus § 1 Abs. 1 S. 2 VVG i.V.m. § 1 Abs. 1 lit b der Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nach dem Tarif BUZn (im Folgenden: BZB) noch aus dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtssatz der sog. Erfüllungshaftung, aber auch kein Schadensersatzanspruch wegen Falschauskunft aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu (Anträge zu 1, 3 und 5). Eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit des Klägers ist zu verneinen, weil der Kläger gem. § 2 Abs. 1 BZB auf eine andere Tätigkeit, nämlich die eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehr, verwiesen werden kann. Mangels Berufsunfähigkeit scheidet auch eine Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen Regulierungsverzuges (Antrag zu 2) und die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung der Beklagten sowie des beitragsfreien Fortbestehens des Versicherungsverhältnisses (Antrag zu 4) aus. Der Kläger hat schließlich nicht bewiesen, dass der Streithelfer ihm bei Antragstellung mündlich zugesagt hat, dass konkret die Ausübung seines Berufs als selbstfahrender selbständiger Fuhrunternehmer versichert werde.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierzu vollumfänglich auf die Gründe des Prozesskostenhilfe für die Anträge zu 2 bis 5 versagenden Beschlusses des Senats vom 14. November 2006 (Bl. 969 - 982 Bd. V d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat sich mit diesen Gründen weder schriftsätzlich auseinandergesetzt noch anlässlich der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin vom 5. Dezember 2006 Gesichtspunkte vorgebracht, die geeignet wären, den Senat zu einer anderen Beurteilung des Rechtsstreits zu veranlassen:
1. Soweit der Kläger weiterhin die Sachkunde des Gutachters Dr. H. als Orthopäde in Zweifel zieht, ist zwischen körperlicher Untersuchung einerseits und gutachterlicher Beurteilung andererseits zu unterscheiden: Die körperlichen Untersuchungen des Klägers haben auf Veranlassung der Beklagten am 16. Januar 2002 in den Praxisräumen des Gefäßchirurgen Dr. K. und am 12. April 2002 im Institut ... in D. stattgefunden. Im Auftrag des Klägers hat Dr. K. ihn am 30. August 2004 erneut untersucht. Alle diese Untersuchungsbefunde lagen den Begutachtungen durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. zugrunde. Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 25. Januar 2006 überzeugend ausgeführt, dass er als Orthopäde neben Internisten, Chirurgen, Dermatologen, Angiologen, Phlebologen und Gefäßchirurgen in der Lage sei, die sozialmedizinischen Folgen der klar definierten Erkrankung eines postthrombotischen Syndroms auf der Grundlage der vorliegenden technischen und körperlichen Befunde zu beurteilen.
2. Die Befürchtung des Klägers, bei der derzeitigen Situation auf dem Arbeitsmarkt mit seinen gesundheitlichen Beschränkungen keine Chance zu haben, Arbeit als Auslieferungsfahrer zu finden, ist verständlich, kann jedoch aus den im Beschluss vom 14. November 2006 dargestellten Erwägungen bei der Frage, ob Berufsunfähigkeit überhaupt vorliegt, keine Berücksichtigung finden. Soweit der Kläger dazu persönlich erklärt hat, es sei ihm nicht möglich, "bis zu 50 kg" zu tragen, geht er im Übrigen von einem der Wirklichkeit nicht entsprechenden Sachverhalt aus. Die Sachverständige H. hat sowohl in ihrem Gutachten vom 27. April 2004 als auch bei dessen mündlicher Erläuterung am 10. Februar 2006 festgestellt, dass die auszuliefernden Gegenstände in der Regel nicht das Gewicht von 10 kg überschritten. Das Gewicht, das ein Auslieferungsfahrer beim Arzneimitteltransport auszuliefern habe, betrage nach ihren Recherchen zwischen 5 und 10 kg.
3. Nachvollziehbar ist auch die Enttäuschung des Klägers darüber, dass nicht konkret die Ausübung seines Berufs als selbstfahrender selbständiger Fuhrunternehmer ohne Verweisungsmöglichkeit auf eine andere Tätigkeit versichert worden bzw. er zumindest so zu stellen ist. Die in erster Instanz durchgeführte Beweisaufnahme hat aber eine dahingehende Falschberatung des Klägers durch den Streithelfer nicht ergeben. Dies wirkt sich zum Nachteil des dafür beweisbelasteten Klägers aus. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf die angebliche Bekundung des Streithelfers bei seiner Zeugenvernehmung am 22. November 2002 "Das habe ich nie gesagt" zur Frage, ob er den Kläger auf die Verweisungsmöglichkeit hingewiesen habe, stützen. Eine solche Aussage ist nicht protokolliert. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 3. März 2003 den betreffenden Protokollberichtigungsantrag des Klägers zurückgewiesen, nachdem der Streithelfer mit schriftlicher Stellungnahme vom 26. Januar 2003 mitgeteilt hatte, dass er wegen eines Knalltraumas Probleme mit dem Gehör und deshalb die betreffende Frage des Einzelrichters akustisch nicht richtig verstanden habe. Eine Unrichtigkeit des Protokolls ist somit nicht ersichtlich.
III.
Nach alledem waren die Berufung und die erweiterte Klage mit der Kostenfolge aus §§ 97 Abs. 1, 91 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.