Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.12.2006, Az.: 13 U 145/06

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
07.12.2006
Aktenzeichen
13 U 145/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 42135
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2006:1207.13U145.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 21.06.2006 - AZ: 6 O 378/04

Fundstellen

  • BauR 2007, 1939 (red. Leitsatz)
  • BauR 2007, 2074-2076 (Volltext mit amtl. LS)
  • IBR 2007, 549 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • MDR 2008, 486
  • OLGReport Gerichtsort 2007, 798-800

In dem Rechtsstreit

...

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knoke, den Richter am Oberlandesgericht Ulmer sowie die Richterin am Oberlandesgericht Fughe für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 21. Juni 2006 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover abgeändert und die Klage abgewiesen.

  2. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

  3. Die Klägerin trägt die in erster und zweiter Instanz entstandenen Kosten.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.

  5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch aus abgetretenem Recht gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B wegen mangelhafter Dachdeckerarbeiten zusteht.

2

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe im Jahr 1997 an einem Doppelhaus, ... in R.... Dachdeckerarbeiten nicht fachgerecht ausgeführt. Der Beklagte habe die Dachziegel nicht geklammert, sondern geschraubt. Er habe zudem nur einzelne Dachziegel verschraubt. Der Beklagte habe die mangelhafte Ausführung bei Abnahme arglistig verschwiegen, sodass Ansprüche auch nicht verjährt seien.

3

Die Klägerin hat beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 32 787,84 EUR zu zahlen nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 26 879,99 EUR seit dem 10. April 2002 sowie auf weitere 5 908,85 EUR seit dem 16. Juli 2004.

4

Der Beklagte hat beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

5

Der Beklagte meint, Schrauben sei ebenso zulässig wie Klammern. Auch habe er eine ausreichende Anzahl von Dachziegeln verschraubt. Die Schäden am Dach seien auf außergewöhnlich heftige Stürme zurückzuführen. Etwaige Forderungen der Klägerin seien verjährt.

6

Mit Urteil vom 21. Juni 2006 hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 25 179,69 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 19 611,52 EUR seit dem 10. April 2002 sowie auf weitere 5 568,17 EUR seit dem 16. Juli 2004 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

7

Gegen dieses Urteil haben die Klägerin und der Beklagte Berufung eingelegt.

8

Die Klägerin ist der Auffassung, ihm stehe noch die Mehrwertsteuer zu.

9

Die Klägerin beantragt,

  1. das Urteil des Landgerichts Hannover abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, weitere 3 478,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 3 137,85 EUR seit dem 10. April 2002 sowie auf weitere 340,68 EUR seit dem 16. Juli 2004 zu zahlen und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

10

Der Beklagte beantragt,

  1. das Urteil des Landgerichts Hannover abzuändern, die Klage abzuweisen und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

11

Der Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, mangelfrei gearbeitet zu haben. Unabhängig davon seien die Klageansprüche verjährt.

12

Auf die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen und Bezugnahmen wird im Übrigen verwiesen.

13

II.

1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat keine Ansprüche gegen den Beklagten aufgrund der Dachdeckerarbeiten an dem Doppelhaus ..., R.... im Jahr 1997. Ansprüche der Klägerin sind verjährt.

14

a) Nach dem Vortrag des Beklagten sind die Arbeiten des Beklagten im Oktober 1997 abgenommen worden. Diesen Abnahmezeitpunkt hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 12. Juli 2005 vorgetragen (Seite 3 - oben- = Bl. 107 d.A.). Die Klägerin ist dem nicht entgegengetreten. Hierauf ist die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden, ohne dass sie einen anderen Abnahmezeitpunkt vorgetragen hat. Der Senat geht deshalb von einer Abnahme im Oktober 2007 aus.

15

b) Ansprüche verjähren gem. § 13 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B in der für den Vertrag maßgeblichen Fassung nach zwei Jahren. Gemäß § 13 Abs. 4 Nr 3 VOB/B beginnt die Frist mit der Abnahme zu laufen. Die Geltung der VOB/B ist ausweislich der nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts vereinbart gewesen.

16

Dies würde auch dann gelten, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der inzwischen insolventen Auftraggeberin, der Fa. Karl Tadge (Bl. 119 d.A.) einbezogen wären. Eine Klausel in einem 1997 geschlossenen Vertrag zwischen General- und Subunternehmer, wonach die Abnahmewirkungen erst mit Abnahme durch den Bauherrn eintreten, verstößt gegen den für Verträge aus dem Jahr 1997 noch geltenden § 9 AGBG. Der Nachunternehmer wird unangemessen i.S.d. § 9 AGBG benachteiligt, wenn ihm die Abnahme seiner Leistung ohne zeitliche Festlegung erst bei vollständiger Herstellung des Gesamtvorhabens oder Abnahme des gesamten Bauwerks durch den Bauherrn in Aussicht gestellt wird. Er kann die Abnahme weder abschätzen noch beeinflussen (BGH Z 107, 75, 79). Die Festlegung einer fünfjährigen Verjährungsfrist nach Abnahme des Gesamtbauwerks durch den Bauherrn ist damit unwirksam.

17

c) § 195 BGB n.F. i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB, wonach Ansprüche, für die nach altem Recht eine 30-jährige Verjährung gilt, erst nach drei Jahren seit dem 1. Januar 2002 verjähren, ist dagegen nicht anwendbar. Der Beklagte hat Mängel bei Abnahme nicht arglistig verschwiegen, sodass die in § 195 BGB a.F. festgelegte Verjährung von 30 Jahren nicht gilt.

18

aa) Arglist liegt dann vor, wenn der Unternehmer den Mangel als solchen wahrgenommen, seine Bedeutung als erheblich für den Bestand oder die Benutzung der Leistung erkannt, ihn aber dem Besteller pflichtwidrig nicht mitgeteilt hat (Soergel/Teichmann 12. Auflage § 638 Rz 44; BGHZ 62, 63 ). Arglist setzt sich aus zwei Elementen zusammen: Wissen und Wollen. Die Kenntnis des Mangels ist daher Voraussetzung der Arglist; bloße Nachlässigkeit reicht nicht aus (Korbion Baurecht 2005 Rz 358).

19

Arglist erfordert demnach das Bewusstsein des Beklagten vom Vorliegen eines Mangels, der darin besteht, dass im Zeitpunkt der Abnahme die Sicherung der Dachziegel nicht ausreichend war. Es muss so sein, dass der Beklagte mit Schäden früher oder später im Laufe einer üblichen Nutzungsdauer zu rechnete oder zumindest davon ausging, dass Risiken von einigem Gewicht entstanden waren (Korbion, Baurecht 2005 Rz 358).

20

bb) Auch wenn der Beklagte wusste, dass er nicht geklammert, sondern geschraubt hat, folgt daraus nicht, dass er wenigstens in Kauf genommen hat, Risiken von erheblichem Gewicht zu begründen.

21

Die Tatsache, dass sich die Richtlinien für das Dachdeckerhandwerk nicht zum Verschrauben, sondern nur zum Verklammern verhalten, besagt nicht, dass der Beklagte bewusst gegen allgemein anerkannten Regeln der Technik verstoßen hat. Die allgemein anerkannten Regeln der Baukunst stellen die Summe der im Bauwesen anerkannten wissenschaftlichen, technischen und handwerklichen Erfahrungen dar, die durchweg bekannt und als richtig und notwendig anerkannt sind (RG St 44,76; vgl. auch Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Auflage, München 2005 Rz 1459). Dabei ist nicht erforderlich, dass die Regeln der Baukunst schriftlich niedergelegt sind (Werner/Pastor, a.a.O. Rz. 1460). Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2006 selbst eingeräumt, dass die Richtlinien des Dachdeckerhandwerks die anerkannten Regeln der Technik nicht abschließend wiedergeben. Ein Verschrauben sei auch nicht generell unzulässig, sondern im Hinblick auf die besonderen meteorlogischen Verhältnisse der Insel S.... nicht fachgerecht. Die Klägerin hat in dem Prozess 3 O 191/02 LG Paderborn im Schriftsatz vom 10. Juli 2002 (Seite 6 = Bl 62 d.A.) zudem selbst vorgetragen, dass das Verschrauben eine zusätzliche und zulässige Befestigungsart für Dachziegel ist und es nur darauf ankomme, dass ein Gewicht von 15 Kilogramm pro Befestigungspunkt erreicht wird.

22

cc) Selbst wenn zu Gunsten der Klägerin unterstellt würde, ein Schrauben sei wegen der besonderen meteorologischen Bedingungen jedenfalls auf der Insel S.... unzulässig, so liegt ein arglistiges Verschweigen erst dann vor, wenn der Werkunternehmer dies weiß. Schon für einen auf der Insel S.... ansässigen Dachdecker kann das nicht ohne weiteres unterstellt werden. Die Klägerin trägt jedenfalls keine ausreichenden Indizien dafür vor, dass der Beklagte mit Geschäftssitz in W.... Kenntnis von den besonderen meteorologischen Besonderheiten der Insel S.... und zusätzlich von sich daraus ergebenden speziellen Anforderungen an die Befestigung der Dachziegel hatte. Ein entsprechender Schluss lässt sich insbesondere nicht mit hinreichender Sicherheit daraus ziehen, dass er noch im Dezember 1999 angegeben hat, die Ziegel seien verklammert worden.

23

Auch unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens gilt nichts anders, weil es hier um die gewählte Ausführungsart und nicht um die Unkenntnis von Umständen geht, die ihre Ursache in einer arbeitsteiliger Organisation haben.

24

dd) Ein arglistiges Verschweigen ist auch nicht darin zu sehen, dass der Beklagte nicht mitgeteilt hat, zu wenig Dachziegel befestigt zu haben.

25

Die Klägerin trägt nicht vor, entweder der Beklagte selbst oder ein von ihm zur Erfüllung seiner Vertragspflicht eingesetzter Gehilfe habe den Mangel positiv gekannt, aber nicht mitgeteilt.

26

Arglist wäre demnach nur dann gegeben, wenn aus der Schwere des Mangels auf ein Kennenmüssen des Beklagten oder eine mangelnde Organisation zu schließen sei. Aus dem Vortrag der Klägerin ergeben sich jedoch keine derart gravierenden Mängel, dass der Rückschluss auf ein arglistiges Verhalten gerechtfertigt sein könnte.

27

Da die Bejahung von Arglist dazu führt, dass die gesetzlich bestimmten besonderen Verjährungsfristen nicht gelten, kann es sich nur um Ausnahmefälle handeln. Würde bei Vorliegen eines Mangels generell auf das Vorliegen eines Organisationsverschuldens und damit auf Arglist geschlossen werden, würde die gesetzlich geregelte Verjährungsfrist für Werkverträge leerlaufen. Allein das Vorliegen eines Mangels kann deshalb nicht ausreichen.

28

Die Klägerin behauptet unter Bezugnahme auf die Ausführungen von Zeugen und Sachverständigen, der Beklagte habe nur einzelne Dachpfannen befestigt. Abgesehen davon, dass sich die Aussagen des Dachdeckermeister H.... in seinem Schreiben vom 17. Juni 2006 (Bl. 22 aus: 3 O 191/02  LG Paderborn, Anlage zur Klage) und des Ingenieurs und Architekten R.... (Bl. 156-157 aus 3 O 191/02) nur auf Teilbereiche beziehen, bleibt die genaue Anzahl der befestigten Dachziegel unklar. Dies gilt auch hinsichtlich der Aussage des Dachdeckers Torge (Bl. 157-158 aus 3 O 191/02), den sich die Klägerin ebenfalls zu eigen macht und der gleichfalls von der Verschraubung "einzelner Pfannen." spricht

29

Lediglich der Dachdeckermeister G.... hat bekundet, jede 6. - 8. Dachpfanne sei verschraubt gewesen (Bl. 276 aus 3 O 191/02).

30

Die unzureichende mechanische Befestigung von Dachziegeln in einem Teilbereich stellt nach Auffassung des Senates einen Mangel dar. Angesichts der Art und der nicht augenfälligen Erscheinung des Mangels ist aber ohne weitere Anhaltspunkte nicht davon auszugehen, dass die unzureichende Befestigung bei gehöriger Organisation entdeckt worden wäre.

31

ee) Schließlich kann ein arglistiges Verschweigen eines Mangels auch nicht darin gesehen werden, dass der Beklagte es unterlassen hat, mitzuteilen, es sei nicht jeder Dachziegel verschraubt. Zwar geht die Klägerin in der Berufungsinstanz nunmehr erstmals davon aus, es habe jeder Dachziegel befestigt werden müssen. Die Klägerin trägt aber nicht vor, dass der Beklagte Kenntnis von diesem Erfordernis bei Abnahme gehabt hat. Es fehlen auch zureichende Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte "auf gut Glück" von einer fachgerechten Leistung ausgegangen ist, ohne mit einiger Wahrscheinlichkeit von einer fachgerechten Leistung ausgehen zu können.

32

d) Zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Streitverkündung am 27. November 2003 in dem Verfahren vor dem Landgericht Paderborn 3 O 191/02 waren Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten deshalb bereits verjährt. Es kann deshalb dahin stehen, ob der Beklagte das Dach mangelhaft gedeckt hat.

33

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Dr. Knoke
Ulmer
Fughe