Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 04.12.2006, Az.: 9 W 101/06

Persönliche Spannungen zwischen einem Richter und einem Prozessbevollmächtigten einer Partei als Ablehnungsgrund wegen Befangenheit

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
04.12.2006
Aktenzeichen
9 W 101/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 29998
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2006:1204.9W101.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 19.10.2006 - AZ: 2 O 195/06

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Persönliche Spannungen zwischen dem Richter und dem Prozessbevollmächtigten einer Partei können nur unter besonderen Umständen einen Ablehnungsgrund darstellen; eine ablehnende Einstellung des Richters muss allerdings im Verfahren selbst zum Ausdruck kommen.

  2. 2.

    Auseinandersetzungen zwischen dem Richter - als vormaligem Mitarbeiter der Notaraufsicht - und dem Prozessbevollmächtigten der Partei sind für sich allein nicht geeignet, eine Voreingenommenheit des Richters gegenüber der Partei anzunehmen.

In der Beschwerdesache
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 4. Dezember 2006
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 9. Oktober 2006 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 19. Oktober 2006 in Gestalt der Nichtabhilfeentscheidung vom 2. November 2006 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 15.000 EUR.

Gründe

1

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet; zu Recht hat das Landgericht die Ablehnung des Richters am Landgericht ... wegen Besorgnis der Befangenheit für nicht gerechtfertigt erklärt.

2

Es ist nicht erkennbar, dass Umstände vorliegen, aus denen die Klägerin schließen könnte, der von ihr abgelehnte Richter stehe ihr nicht unvoreingenommen gegenüber. Anhaltspunkte dafür, dass der Richter im vorliegenden Zivilprozess gegen die gebotene Objektivität, Neutralität und Distanz verstoßen haben könnte, hat die Klägerin nicht aufgezeigt; sie sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.

3

Solche Umstände sind auch aus dem Verhalten des abgelehnten Richters im gegen den Prozessbevollmächtigten der Klägerin geführten notaraufsichtsrechtlichen Verfahren nicht erkennbar. Es ist zum einen nicht ersichtlich, dass die Tätigkeit des abgelehnten Richters als Sachbearbeiter in der den Prozessbevollmächtigten der Klägerin als Notar betreffenden Verwaltungsangelegenheit in irgendeiner Weise zu einer "Festlegung" des Richters geführt hätte, die einer unvoreingenommenen Entscheidung der vorliegenden Sache - in der nicht der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, sondern diese selbst Partei ist, - entgegensteht. Im Übrigen genügt nicht einmal die Mitwirkung des Richters an einem früheren Verfahren - auch über den gleichen Sachverhalt , das zu einer der Partei ungünstigen Entscheidung geführt hat, als Ablehnungsgrund (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 42 Rdnr. 15). Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, können besondere persönliche Spannungen zwischen dem Richter und dem Prozessbevollmächtigten einer Partei nur unter besonderen Umständen einen Ablehnungsgrund darstellen. Dies setzt allerdings voraus, dass der Richter eine ablehnende Einstellung in dem Verfahren selbst zum Ausdruck gebracht hat, was hier jedoch nicht erkennbar ist.

4

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin eine ihr gegenüber bestehende voreingenommene Haltung des Richters befürchten müsste, weil diesem der Vorwurf unsachlichen oder sogar rechtswidrigen Verhaltens im erwähnten Verfahren der Notaraufsicht gemacht werden könnte, das auf den vorliegenden Prozess ausstrahlte, was allerdings voraussetzte, dass diese Einstellung auch der Partei gegenüber in Erscheinung getreten ist (vgl. OLG Karlsruhe NJWRR 1987, 126, 127 l. Sp.). Zum einen steht nämlich nicht fest, dass sich der Richter dadurch pflichtwidrig verhalten hat, dass er als Mitarbeiter der Verwaltung den Prozessbevollmächtigten der Klägerin betreffende Informationen pflichtwidrig Dritten - insbesondere der Presse - zugänglich gemacht hätte. Ausdrücklich will dies die Klägerin ersichtlich nunmehr - wie ihrem Schriftsatz vom 9. Oktober 2006 zu entnehmen ist - auch nicht behaupten; dem steht zudem die dienstliche Erklärung des Richters vom 12. September 2006 entgegen, in der er erklärt hat, er habe keine ihm im Rahmen der Notaraufsicht bekannt gewordenen Tatsachen an die Presse weitergegeben. Soweit zudem die Klägerin mutmaßt, Informationen seien aus dem Bereich der Notaraufsicht an die Presse gelangt, steht dies einerseits nicht fest. Andererseits ist - selbst wenn die insofern von der Klägerin angestellten Spekulationen ("und wenn es die Putzfrau war") zutreffen sollten - nicht erkennbar, inwiefern daraus eine voreingenommene Einstellung des Richters gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin - und erst recht nicht dieser selbst gegenüber - abgeleitet werden sollte. Nichts anderes folgt schließlich aus dem Umstand, dass der Richter entgegen der Anregung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin keine Strafanzeige, die die unberechtigte Weitergabe von Informationen an die Presse zum Gegenstand hat, erstattet hat. Die Rechte des Prozessbevollmächtigten der Klägerin - und erst recht dieser selbst - sind dadurch in keiner Weise beeinträchtigt. Es ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin unbenommen, selbst Anzeige zu erstatten.

5

Insgesamt lässt sich daher nicht erkennen, dass der abgelehnte Richter durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht hätte, dass er das notaraufsichtsrechtliche Verfahren aufgrund persönlicher Voreingenommenheit gegen den Prozessbevollmächtigten der Klägerin unsachlich oder gar unangemessen geführt hätte. Erst recht ist eine aktuelle - also auch das vorliegende Verfahren betreffende - negative Einstellung des Richters aus solchem Grund nicht zu befürchten, da dieser mittlerweile aus der Notaraufsicht ausgeschieden ist.

6

Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht nach ständiger Rechtsprechung des Senats dem Wert der Hauptsache. Diesen hat die Klägerin zunächst mit 20.000 EUR angegeben. Im Hinblick auf die mit Schriftsatz vom 15. September 2006 erklärte (Teil)Erledigung des Rechtsstreits durch die Klägerin erscheint dem Senat eine Reduzierung des Beschwerdewerts auf 15.000 EUR angemessen.

Streitwertbeschluss:

Wert des Beschwerdeverfahrens: 15.000 EUR.