Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 06.12.2006, Az.: 23 W 41/06
Festsetzung der Kosten eines vorprozessual eingeholten Sachverständigengutachtens; Sachverständigenkosten als notwendige Rechtsverfolgungskosten; Kosten vorprozessual erstatteter Privatgutachten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 06.12.2006
- Aktenzeichen
- 23 W 41/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 35278
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2006:1206.23W41.06.0A
Rechtsgrundlage
- § 91 ZPO
Fundstellen
- BauR 2007, 602 (amtl. Leitsatz)
- IBR 2007, 169 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- OLGReport Gerichtsort 2007, 455
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage der Prozessbezogenheit eines Privatgutachtens als Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit als außergerichtliche Kosten gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
In der Beschwerdesache
hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die sofortige Beschwerde der Beklagten
gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts ####### - Rechtspfleger - vom 18. September 2006
durch
Richter am Oberlandesgericht ####### als Einzelrichter
am 6. Dezember 2006
beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird dahin geändert, dass die aufgrund des Urteils des Landgerichts ####### vom 10. November 2005 von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 1.529,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 8. Dezember 2005 festgesetzt werden.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger nach einem Wert von 541,24 EUR zu tragen. im Übrigen ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei.
Gründe
I.
Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat das Landgericht - Rechtspfleger - die Kostenausgleichung erster Instanz nach dem Urteil des Landgerichts ####### vom 10. November 2005 vorgenommen und die von der Beklagten dem Kläger zu erstattenden Kosten auf 2.070,62 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Dabei hat das Landgericht - Rechtspfleger - u.a. die Kosten eines vorprozessual - noch vor Durchführung des vom Kläger angestrengten Beweisverfahrens - eingeholten Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. A. in Höhe von 541,28 EUR (= 1.058,66 DM) als vollständig von der Beklagten zu erstatten anerkannt.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie geltend macht, es handele sich bei den Sachverständigenkosten nicht um notwendige Rechtsverfolgungskosten. Sie ist der Ansicht, neben der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens habe es eines zusätzlichen Privatgutachtens nicht bedurft. Dieses sei im Übrigen auch nicht Grundlage des Klageverfahrens geworden und auch deshalb seien seine Kosten nicht erstattungsfähig.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur aus dem Tenor ersichtlichen Änderung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses. Denn bei den Kosten für das Sachverständigengutachten des A. in Höhe von 541,28 EUR handelt es sich nicht um zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Kosten im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Nach der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 153, 235 ff.) und der ständigen Rechtsprechung dieses (vormalig 2.) Zivilsenates (etwa Senatsbeschlüsse vom 30.10.2006, 2 W 237/06, vom 18.08.2006, 2 W 185/06, und vom 26.05.2006, 2 W 95/06) gehören die Kosten vorprozessual erstatteter Privatgutachten nur ausnahmsweise zu den Kosten des Rechtsstreits, was mindestens voraussetzt, dass das Gutachten sich auf den konkreten Prozess bezieht und gerade im Hinblick auf diesen in Auftrag gegeben worden ist. An dieser erforderlichen Prozessbezogenheit fehlt es vorliegend.
Zunächst ist das fragliche Gutachten des Sachverständigen A. bereits im Februar 2001 gefertigt und abgerechnet worden, also mehr als vier Monate bevor auch nur das selbständige Beweisverfahren beantragt worden ist. Schon deshalb vermag der Senat nicht zu erkennen, dass das Gutachten gerade im Hinblick auf das Beweisverfahren oder gar den Hauptsacheprozess in Auftrag gegeben worden sein sollte (vgl. zum Zeitaspekt auch Senatsbeschluss vom 30.10.2006 a.a.O.).
Entscheidend gegen die Prozessbezogenheit des Gutachtens A. spricht aber auch der Vortrag des Klägers im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2006. Denn danach ist das Gutachten zur Mängelfeststellung und zur Vorbereitung einer außergerichtlichen Einigung der Parteien eingeholt worden, also eben gerade nicht im Hinblick auf den konkreten Rechtsstreit, der vielmehr mit der Einholung des Gutachtens gerade vermieden werden sollte. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass später der im Beweisverfahren gerichtlich beigezogene Sachverständige aus dem Privatgutachten des A. zitiert hat (vgl. in diesem Zusammenhang für den Fall eines vom Haftpflichtversicherer vorprozessual eingeholten Privatgutachtens OLG Karlsruhe JurBüro 2005, 656).
Diese Bewertung gilt vorliegend umso mehr, als hier nach Einholung des Privatgutachtens nicht sofort das Hauptsacheverfahren, sondern zunächst ein selbständiges Beweisverfahren betrieben worden und damit die Einholung eines weiteren Gutachtens initiiert worden ist. Denn auch im Kostenerstattungsrecht sind der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und die Pflicht zur Schadensminderung (§ 254 Abs. 2 BGB) zu beachten, die eine restriktive Handhabung in der Frage der Erstattungsfähigkeit von Kosten außergerichtlicher Privatgutachten gebieten (s. Senatsbeschluss vom 02.05.2006, 2 W 65/06).
III.
Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, hinsichtlich der Gerichtsgebührenfreiheit aus Nr. 1811 KV (Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).