Amtsgericht Hameln
Urt. v. 19.10.2022, Az.: 32 C 50/21

Bestattungsvertrag; Bestattungs-Vorsorgevertrag; Feststellung; vorsätzliche unerlaubte Handlung; Insolvenz; Insolvenzverfahren; Insolvenztabelle; Untreue; Betrug; Unterschlagung; Vermögensbetreuungspflicht; Fremdnützigkeit; Treuhandkonto

Bibliographie

Gericht
AG Hameln
Datum
19.10.2022
Aktenzeichen
32 C 50/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 58085
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Den Bestattungsunternehmer trifft keine Vermögensbetreuungspflicht für das Entgelt, das er für einen Bestattungs-Vorsorgevertrag erhält.

Wer im Rahmen eines Austauschverhältnisses und schuldrechtlicher Beziehungen eigene Interessen im Wirtschaftsleben verfolgt, kann nicht im Verhältnis zu anderen Vertragsparteien deren Vermögensinteressen wahrnehmen. Die Vermögensbetreuungspflicht muss vielmehr wesentliche Hauptpflicht und nicht nur beiläufige Vertragspflicht sein. Das ist bei einem Bestattungsunternehmer nicht der Fall, wenn sich dem Bestattungs-Vorsorgevertrag keine ausdrückliche und auch keine konkludente Vereinbarung einer Vermögensbetreuungspflicht entnehmen lässt.

Mangels Rechtsvorschrift oder Vereinbarung ergibt sich auch keine Verpflichtung zur Einzahlung des erhaltenen Entgelts auf ein Treuhandkonto oder zu einer sonstigen Sicherung für den Insolvenzfall.

In dem Rechtsstreit
..
Klägerin
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Beklagte
Prozessbevollmächtigte:
hat das Amtsgericht Hameln im schriftlichen Verfahren gem. § 128 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 05.10.2022 durch den .... für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass eine zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhe.

Die Beklagte betrieb unter der Firma Bestattungs-Institut .... ein Bestattungsunternehmen. Am 29.08.2017 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen "Bestattungs-Vorsorgevertrag". Der Vertrag, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage B3, Bl. 33 ff. d.A.), enthielt unter anderem die folgenden Vereinbarungen:

"Der o.g. Auftraggeber bevollmächtigt unwiderruflich das o.g. Bestattungsinstitut, sämtliche mit der Abwicklung seiner dereinstigen Bestattung zusammenhängenden Aufgaben zu regeln. Diese Vollmacht soll speziell über den Tod hinaus gelten.

Das o.g. Bestattungsinstitut als Auftragnehmer verpflichtet sich für den Fall des Ablebens des o.g. Auftraggebers, sämtliche mit der Abwicklung der Bestattung zusammenhängenden Aufgaben zu regeln."

Dem Vertrag war eine Verfügung zur Bestattungsart sowie eine Anmeldung zur Einäscherung beigefügt. Am 31.07.2017 überwies die Klägerin den sich aus der "Bestattungs-Vorsorgerechnung" der Beklagten vom 29.08.2017 (Rechnung, Anlage B1, Bl. 33 f. d.A.; Kontoauszug Firmenkonto ....., Anlage B2, Bl. 35 d.A.) ergebenden Betrag von 4.063,30 Euro auf das Geschäftskonto der Beklagten.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Hameln vom 30. August 2021 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet (Geschäftsnummer ....). Die Klägerin meldete ihre Forderung zur Tabelle an. Die Beklagte hat der Feststellung der Forderung insoweit widersprochen, als geltend gemacht worden ist, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugrunde liegt (beglaubigter Tabellenauszug vom 22. November 2021, Anlage K2, Blatt 7 d.A.).

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhe. Sie behauptet, die Beklagte habe die von ihr geleistete Zahlung, wie von Anfang an beabsichtigt, für private Zwecke verwendet. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte hierzu nicht berechtigt gewesen sei. Vielmehr hätte diese die Zahlung auf einem Fremdgeldkonto oder in sonstiger Weise insolvenzsicher anlegen müssen. Die Beklagte sei als Treuhänderin des eingezahlten Geldes anzusehen. Schon aus dem Vertrag ergebe sich, dass die Klägerin ihr das Geld anvertraut habe. Indem die Beklagte das Geld nicht seiner vertragsgemäßen Bestimmung zukommen ließ, habe sie sich strafbar gemacht wegen Untreue (§ 266 StGB), wegen veruntreuender Unterschlagung (§ 246 Abs. 2 StGB) und wegen Betrug (§ 263 StGB).

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass es sich bei der Veruntreuung des Betrages der durch Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Uelzen vom 20.07.2021 zum Aktenzeichen 21-8369402-0-8 rechtskräftig festgestellten Forderung der Klägerin über 4.063,30 Euro in Höhe von 3.485,56 Euro um eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung handelt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, die von der Klägerin erlangte Zahlung für private Zwecke verwendet zu haben. Vielmehr sei diese den Betriebsmitteln zugeführt und zur Bestreitung der laufenden Betriebsausgaben verbraucht worden. Sie ist im Übrigen der Ansicht, nicht zur treuhänderischen Verwahrung der Zahlung, insbesondere nicht auf einem Fremdgeldkonto, verpflichtet gewesen zu sein.

Wegen des der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch gemäß § 184 InsO analog i.V.m. § 302 Nr.1 InsO auf Feststellung zur Insolvenztabelle, dass ihre Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung der Beklagten beruht.

Es lässt sich nicht feststellen, dass der Forderung der Klägerin gegen die Beklagte eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung der Beklagten zugrunde liegt. Insbesondere hat die insofern darlegungs- und beweisbelastete Klägerin keine Untreue (§ 266 StGB) (1.), keinen Betrug (§ 263 StGB) (2.) und keine veruntreuende Unterschlagung (§ 246 Abs. 2 StGB) (3.) der Beklagten dargetan.

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte keine Untreue, insbesondere nicht in Form der Treubruchsalternative (§ 266 2. Alt StGB), begangen. Die Beklagte hat keine ihr Kraft Gesetzes oder Rechtsgeschäft obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen zu betreuen, verletzt.

a) Das Tatbestandsmerkmal der Vermögensbetreuungspflicht ("Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen") ist im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) restriktiv auszulegen (vgl. Dierlamm/Becker in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2022, § 266 StGB, Rn. 61 m.w.N.).

b) Betreuen bedeutet, dass dem Pflichtigen etwas anvertraut ist, er mit der Vermögenssorge für einen anderen betraut ist. Der Betreuende steht dem Geschäftsherrn nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis gegenüber, sondern nimmt eine Obhutsposition im Lager des Geschäftsherrn ein. Wer hingegen im Rahmen eines Austauschverhältnisses und schuldrechtlicher Beziehungen eigene Interessen im Wirtschaftsleben verfolgt, kann nicht im Verhältnis zu anderen Vertragsparteien deren Vermögensinteressen wahrnehmen. Die Vermögensbetreuungspflicht muss vielmehr wesentliche Hauptpflicht und nicht nur beiläufige Vertragspflicht sein (vgl. statt aller Dierlamm/Becker, a.a.O., § 266 StGB, Rn. 45 m.w.N.).

c) Gemessen an diesen Voraussetzungen ist nicht erkennbar, dass die Beklagte eine Vermögensbetreuungspflicht verletzt haben könnte. Dem Bestattungsvorsorgevertrag ist keine ausdrückliche und auch keine konkludente Vereinbarung einer Vermögensbetreuungspflicht zu entnehmen. Der ganz überwiegende Schwerpunkt der Verpflichtung der Beklagten liegt vielmehr in der Erbringung der geschuldeten Bestattungsleistungen an die Klägerin. Dies kommt im insofern eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung zum Ausdruck. Dieser bestimmt lediglich, dass die Beklagte "sämtliche mit der Abwicklung seiner dereinstigen Bestattung zusammenhängenden Aufgaben zu regeln" hat. Eine Bestimmung, dass die Beklagte für die Klägerin die fremdnützige Betreuung des gezahlten Geldbetrages übernehmen soll, enthält der Vertrag nicht.

Vielmehr hat die Klägerin durch die Zahlung der 4.063,30 Euro das Geld aus ihrem Vermögen ausgegliedert, um die Bestattung zu regeln. Erhalten hat sie dadurch als Gegenleistung lediglich einen Anspruch auf Bestattung, aber keinen Anspruch auf Vermögensverwahrung. Dieser Anspruch auf Bestattung ist jedoch mit dem Insolvenzrisiko der Beklagten behaftet.

d) Entgegen der Ansicht der Klägerin musste die Beklagte das Geld der Klägerin auch nicht auf ein Treuhandkonto einzahlen. Eine solche Pflicht ergibt sich nicht aus Rechtsvorschriften. Eine solche Pflicht wurde auch nicht ausdrücklich oder konkludent zwischen den Parteien vereinbart. Vielmehr hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.05.2022 auf ausdrückliche Frage des Gerichts mehrfach verneint, dass es Absprachen zwischen der Beklagten und ihr für den Fall der Insolvenz der Klägerin gegeben habe (Seite 2 Protokoll vom 23.05.2022, Bl. 78 d.A.).

2. Auch ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Klägerin keinen hinreichenden Vortrag für einen Eingehungsbetrug gehalten. Belastbarer Vortrag und entsprechende Beweisantritte dafür, dass die Beklagte schon bei Vertragsschluss entweder nicht willens oder nicht in der Lage war, die geschuldete Bestattungsleistung zu erbringen, liegen nicht vor.

Vor allem begründet die bloße Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe den Geldbetrag ihrem Privatvermögen zugeführt und verbraucht (Seite 1 Klageschrift, Bl. 3 d.A.), keinen Betrug. Ein Betrug könnte allenfalls dann vorliegen, wenn die Beklagte schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses beabsichtigt hatte, den Geldbetrag absprachewidrig nicht zur Erfüllung ihrer Bestattungsverpflichtung einzusetzen, sondern privatnützig zu verwenden. Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen. Die Beklagte hat zudem die privatnützige Verwendung des Geldes bestritten. Hierzu hat sie einen Auszug des Kontos vorgelegt, welches auf der Rechnung des Bestattungsinstituts .... (Anlage B1, Bl. 33 d.A.) angegeben ist. Auf dieses Konto, das den Namen der (weiteren) Firma der Beklagten, "Firma ........ Nachf. ......." hat, wurde das Geld der Klägerin überwiesen (Anlage B2, Bl. 35 d.A.).

3. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 246 Abs. 2 StGB scheitert bereits daran, dass das von der Klägerin überwiesene Buchgeld keine Sache im Sinne des § 246 StGB ist.

II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III.

Streitwert wird festgesetzt auf die Wertstufe bis 1.000,- Euro.

Dr. Gebhardt Direktor des Amtsgerichts