Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 08.01.2018, Az.: 3 A 207/16

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
08.01.2018
Aktenzeichen
3 A 207/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74404
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Lebensumstände in Afghanistan führen nicht dazu, dass jeder dort lebende Mensch unmenschlichen oder erniedrigenden Bedingungen ausgesetzt ist.

Die humanitäre Lage in Afghanistan kann im Einzelfall, insbesondere bei einer Familie mit minderjährigen Kindern, der Annahme einer inländischen Fluchtalternative entgegenstehen.

Tatbestand:

Der Kläger zu 1. und seine Ehefrau E. C. sind afghanische Staatsagenhörige sunnitischer Religionszugehörigkeit und tadschikischer Volkszugehörigkeit. Die Kläger zu 2. bis 4. sind ihre in den Jahren 2002, 2005 und 2009 geborenen gemeinsamen Kinder. Nach eigenen Angaben haben die Kläger und Frau C. Afghanistan im Dezember 2014 verlassen und reisten am 26. Januar 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 5. Mai 2015 stellten sie Asylanträge.

Der Kläger zu 1. gab in seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 9. Dezember 2015 an, dass sie nach Deutschland gereist seien, weil mehrere seiner Verwandten dort schon länger leben würden. Für die Reise habe er sein Haus verkauft. Vor ihrer Ausreise hätten sie in Kabul im Stadtteil Kartese gewohnt. Dort würden auch noch sein Vater und sein Onkel zusammen mit seiner Schwester in einem Gemeinschaftshaus leben. In Kabul, zum Teil in der Straße, wo auch sie selbst gelebt hätten, würden auch noch sein Onkel mütterlicherseits, eine Schwester und viele weitere Verwandte leben. Er habe nach der neunjährigen Grundschule für fünf Jahre eine technische Schule in Kabul besucht und den Beruf des Bankkaufmanns erlernt. Seine Ehefrau sei Hausfrau gewesen.

Er habe einen Laden gehabt, in dem auch Regierungsmitglieder eingekauft hätten. Zum Teil habe er auch zu den Ministerien geliefert und etwa auch an den Innenminister. Oft hätten die Ehefrauen der Minister bei ihm gekauft und er habe dann auch zu ihnen nach Hause liefern sollen. In den Ministerien habe er die Ware in der Regel im Sekretariat abgegeben. Nach einiger Zeit sei er von bestimmten Personen bedroht worden. Er habe Sprengstoff mitliefern sollen, was er aber nicht gemacht habe. So seien ein Jahr vor seiner Ausreise drei Personen zu ihm gekommen. Sie hätten den Sprengstoff fernzünden wollen. Sie seien zu einer Zeit gekommen als der Laden sehr voll gewesen sei, um nicht aufzufallen. Er habe nicht gleich abgelehnt, sondern die Tat immer wieder verschoben. Andere Kundschaft hätte nichts mitbekommen, weil sie einen Zeitpunkt gefunden hätten, wo keine Kundschaft im Laden gewesen sei. Er habe daraufhin Angst gehabt und sei gezwungen gewesen, das Land zu verlassen. Zunächst habe er noch einen Laden in einem anderen Stadtteil gemietet, den er sechs Monate geführt habe. Er habe dann wieder solche Angebote erhalten und daraufhin noch einen anderen Laden gemietet. Diesen habe er dann einen Monat geführt. Eines Tages, als er auf der Beerdigung seiner Cousine gewesen sei, habe er mitbekommen, dass bewaffnete Personen nach ihm gesucht hätten. Dies hätten ihm die anderen Ladenbesitzer berichtet. Er habe Angst um sein Leben und das seiner Familie gehabt. Den Schlüssel für den Laden habe er dann seinem Schwager gegeben. Dieser habe die Ausreise organisiert. Im ersten Laden seien die Leute dreimal gewesen. Sie hätten gesagt, dass er das machen solle, dann würde er ins Paradies kommen. Er habe keinem etwas gesagt, weil er bedroht worden sei, dass er niemandem etwas sagen dürfe. Mitte 2014 habe er dann seinen zweiten Laden angemietet. Alles lief wie in dem anderen Laden, dieser sei nur an einer anderen Ecke gewesen. Er habe ausgefallene Artikel gekauft, deshalb seien die Kunden weiter zu ihm gekommen. Im zweiten Laden habe es dann Morddrohungen gegeben. Er solle mitmachen oder er bzw. seine Familie werde umgebracht. Er habe gesagt, dass er irgendwann mal mitmachen würde. Dann habe er den dritten Laden angemietet. Die anderen Ladenbesitzer hätten zu ihm gesagt, dass Personen nach ihm gesucht hätten, mehr nicht. Sie hätten selbst Angst gehabt. Er habe sich dann bei seinem Schwager versteckt und seinen Kindern verboten, in die Schule zu gehen.

Die Ehefrau des Klägers zu 1. gab in ihrer Anhörung durch das Bundesamt am 9. Dezember 2015 an, dass er mit seinem Laden sehr gutes Geld verdient und das Haus verkauft habe, so dass sie sich die Reise hätten leisten können. Ihre Eltern, Geschwister und weitere Verwandte würden in Kabul, dort in Kartese leben. Sie sei zwölf Jahre zur Schule gegangen. Zwölf Jahre habe sie auch in Pakistan gelebt, bis ca. 2003. Ihren Mann habe sie im Jahr 2000 in Pakistan geheiratet. Auch er habe dort zwei Jahre gelebt. Der Kläger zu 1. habe ihr erst jetzt gesagt, dass er bedroht worden sei. Er habe in dem letzten Monat vor ihrer Ausreise Drohungen erhalten. Sie hätten das Haus nicht mehr verlassen dürfen. Er sei dreimal gezwungen gewesen, die Läden zu wechseln. Regierungsmitglieder hätten bei dem Kläger zu 1. eingekauft. Die ganzen Jahre, als sie den Laden geführt hätten, sei er bedroht worden. Sie hätten fürchterliche Angst um sich gehabt. Im letzten Monat seien sie zuhause eingesperrt gewesen. In Kabul habe sie nichts von alledem gewusst. Er habe ihnen aber immer wieder gesagt, dass sie das Haus nicht verlassen sollen. Bewaffnete Personen würden nach ihm suchen. Jetzt habe er ihr erzählt, dass bewaffnete Personen bei ihm gewesen seien und ihm ein Angebot gemacht hätten. Genaueres habe er ihr nicht berichtet. Der zweite und der dritte Laden seien dann nicht mehr so gut gelaufen.

Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 18. Oktober 2016 die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1 des Bescheides), Asylanerkennung (Ziff. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Ziff. 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4), forderte die Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Afghanistan zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens auf (Ziff. 5) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 6). Den Klägern könne es zugemutet werden, sich in Afghanistan in einem sicheren Landesteil aufzuhalten und es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger nicht in der Lage wären, sich eine existenzsichernde Grundlage zu schaffen.

Gegen diesen ihnen am 22. Oktober 2016 zugestellten Bescheid haben die Kläger am 25. Oktober 2016 Klage erhoben.

In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger ihre Klage insoweit zurückgenommen, als sie zunächst auch beantragt hatten, die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Kläger beantragen noch,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Oktober 2016 zu verpflichten, ihnen den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Oktober 2016 zu verpflichten, das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verfahren der Ehefrau des Klägers zu 1., vormals in diesem Verfahren die Klägerin zu 2., wurde nach der mündlichen Verhandlung durch Beschluss vom 15. Januar 2018 abgetrennt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Klage entscheiden, weil die Beteiligten in der Ladung zum Termin auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.

Soweit die Kläger ihre Klage zurückgenommen haben, war das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Kläger haben einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG. Dementsprechend war auch die erfolgte Ausreiseaufforderung, die Abschiebungsandrohung sowie die Bestimmung der Dauer eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes gegenüber den Klägern aufzuheben.

Den Klägern steht der Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gem. § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG zu, weil der Kläger zu 1. stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihnen im Herkunftsland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (OVG NRW, Urt. v. 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 34) ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 AsylG durch einen in § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AsylG genannten Akteur droht (dazu 1.). Eine innerstaatliche Schutzalternative besteht nicht (dazu 2.).

1. a) Die Kläger haben einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes, weil ihnen bei einer Rückkehr ernsthafter Schaden droht (§ 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG).

Als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose ist insoweit grundsätzlich auf die Herkunftsregion abzustellen; etwas anderes gilt allerdings jedenfalls dann, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 14; nach VG Oldenburg (Oldenburg), Urt. v. 13.11.2017 - 3 A 4590/15 -, juris Rn. 34 ist grundsätzlich auf den gesamten Herkunftsstaat abzustellen, ausgehend vom Herkunftsort des Ausländers). Prognosemaßstab für den Schaden ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit (OVG NRW, Urt. v. 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 34). Dabei spricht bei einem Schutzsuchenden, der bereits einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hatte, eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass er erneut von einem solchen Schaden bedroht ist, ohne dass hierdurch jedoch der Wahrscheinlichkeitsmaßstab geändert würde (BVerwG, Urt. v. 07.09.2010 - 10 C 11/09 -, juris Rn. 14 f.; Urt. v. 17.04.2010 - 10 C 5/09 -, juris Rn. 19 f., 22 f.). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt, beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen, zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (BVerwG, Urt. v. 17.04.2010 - 10 C 5/09 -, juris Rn. 21). Diese Vermutung kann widerlegt werden, indem stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (BVerwG, Urt. v. 17.04.2010 - 10 C 5/09 -, juris Rn. 23).

Die Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und seiner Begriffe orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK), wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf (Nds. OVG, Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 24 zu § 4 AsylVfG; BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.). Ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs von den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls ab, wie etwa der Art und dem Kontext der Fehlbehandlung, der Dauer, den körperlichen und geistigen Auswirkungen, sowie - in einigen Fällen - vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25 unter Bezugnahme auf EGMR, Urt. v. 04.11.2014, - 29217/12, Tarakhel ./. Switzerland - HUDOC Rn. 94). Eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK hat der EGMR etwa dann angenommen, wenn sie unter anderem geplant war, ohne Unterbrechung über mehrere Stunden erfolgte und körperliche Verletzungen oder ein erhebliches körperliches oder seelisches Leiden bewirkte (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25; jeweils unter Bezugnahme auf EGMR, Urt. v. 09.07.2015 - 32325/13, Mafalani ./. Croatia - HUDOC Rn. 69 m.w.N.). Von einer erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ist der EGMR ausgegangen, wenn sie bei dem Opfer Gefühle der Angst, seelischer Qualen und der Unterlegenheit hervorruft, wenn sie das Opfer in dessen oder in den Augen anderer entwürdigt und demütigt, und zwar unabhängig davon, ob dies beabsichtigt ist, ferner, wenn die Behandlung den körperlichen oder moralischen Widerstand des Opfers bricht oder dieses dazu veranlasst, gegen seinen Willen oder Gewissen zu handeln sowie dann, wenn die Behandlung einen Mangel an Respekt offenbart oder die menschliche Würde herabmindert (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25; jeweils unter Bezugnahme auf EMGR, Urt. v. 03.09.2015 - 10161/13, M. und M. ./. Croatia - HUDOC Rn. 132). Prognosemaßstab ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit (Nds. OVG, Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 26).

b) Das Gericht ist aufgrund der Ausführungen des Klägers zu 1. davon überzeugt, dass dem Kläger zu 1. (dazu aa), bb) (1)) sowie den Klägern zu 2. bis 4. (dazu bb) (2)) bei einer Rückkehr nach Kabul durch regierungsfeindliche Kräfte wegen der Verweigerung der Zusammenarbeit durch den Kläger zu 1. erhebliche physische Gewalt und mithin jedenfalls eine unmenschliche Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht und (dazu cc)) ihnen Schutz vor dem Schaden nicht geboten werden kann.

aa) Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Angaben des Klägers zu einer Bedrohung durch regierungsfeindliche Kräfte zutreffend sind.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zunächst im freien Vortrag den bereits gegenüber dem Bundesamt geschilderten Sachverhalt der von ihm erlebten Bedrohung im Wesentlichen und übereinstimmend wiederholt. Gleichermaßen wie gegenüber dem Bundesamt blieb sein Vortrag zunächst relativ unkonkret und wirkte gerafft. Er habe einen Laden gehabt und auch Ministerien beliefert. Eines Tages seien Leute gekommen, die ihn aufgefordert hätten, einer Lieferung einen Sprengsatz beizufügen. Er habe dann zwei Mal seinen Geschäftsstandort gewechselt, die Personen seien jedoch immer wieder gekommen. Als er den dritten Laden gehabt habe, hätten sie ihn töten wollen, was ihm Nachbarn berichtet hätten, weil er zu diesem Zeitpunkt auf einer Beerdigung gewesen sei. Sein Schwager habe ihnen dann die Ausreise vermittelt.

Auf konkrete Nachfragen konnte der Kläger zu 1. dann allerdings auch, ohne nachdenken zu müssen und in freier Rede, konkrete Einzelheiten glaubhaft schildern. So berichtete er, dass sich sein Geschäft in einer Einkaufspassage befunden habe, die an dem Tag gut besucht gewesen sei. In seinem Geschäft sei er allerdings alleine gewesen. Die Personen seien dann in sein Geschäft gekommen und hätten ein Glas gekauft. Sie hätten ihn gefragt, wie es ihm gehe und so ein Gespräch angefangen. Sie hätten dann zusammen Tee getrunken. Im weiteren Verlauf hätten sie ihn dann um Hilfe gebeten. Er sei ja auch ein Moslem und sie daher Brüder. Die Leute von der Regierung seien dagegen Ungläubige. Die Personen hätten weiter angegeben, dass sie ihm bei Lieferungen dorthin einen Sprengsatz mitgegeben würden. Auch er würde dann ins Paradies kommen. Die Angaben des Klägers zu 1. waren anschaulich und nachvollziehbar. Auch schilderte er nebensächliche Umstände des Randgeschehens, die für seinen Vortrag und dessen Glaubhaftigkeit nicht unbedingt - für ihn erkennbar - relevant waren, wie etwa, dass die Personen ein Glas gekauft oder sie zusammen Tee getrunken haben. Seine Ausführungen waren auch nicht von einer erkennbaren Absicht einer besonders dramatischen Darstellung zu seinen Gunsten geprägt. So schilderte er etwa zunächst eine Bitte der Personen und nicht etwa sogleich eine (massive) und eindeutige Bedrohung.

Auf die Nachfrage des Gerichts, wie das erste Zusammentreffen geendet habe, erklärte der Kläger zu 1., dass er Angst gehabt habe und daher ja zustimmen habe müssen. Bei dieser Antwort hatte das Gericht den Eindruck, dass der Kläger zu 1. tatsächlich Erlebtes schildert. Der Kläger zu 1. wirkte angesichts seiner Gestik und Mimik dabei so, als würde er die damalige innere Zerrissenheit und die Alternativlosigkeit aktuell noch einmal erleben. Auch schien er, als würde er etwas einräumen, was er bereut.

Auf weitere Nachfrage des Gerichts und Drängen auf eine chronologische Darstellung berichtete der Kläger zu 1., dass die Personen bei ihrem zweiten Besuch ihm vorgehalten hätten, dass er Ware an die Ministerien liefern würde, ohne ihnen Bescheid gegeben zu haben. Auch diese Schilderung war nachvollziehbar und anschaulich. Insbesondere beschränkten sich seine Angaben nicht nur auf eine Wiederholung der Bedrohung, sondern stellten eine schlüssige Weiterentwicklung der Situation des ersten Zusammentreffens dar. Nachdem sie ihn gefragt hätten, weshalb er ihnen nicht Bescheid gegeben habe, habe er sich herausgeredet. Er habe sie angelogen und ihnen gesagt, dass er die Ware noch gar nicht geliefert habe. Bei ihrem dritten Besuch hätten die Personen ihm dann gesagt, wenn er ihnen bei seiner nächsten Lieferung nicht Bescheid geben würde, würden sie ihn töten. Er habe dann das Geschäft dort aufgegeben und an einem anderen Ort in Kabul fortgeführt. Als sie ihn dort aufgesucht hätten, seien sie bewaffnet gewesen und hätten ihm ernsthaft gedroht. So hätten sie ihm gesagt, dass sie ihn oder seine Kinder töten oder letztere entführen würden, wenn er nicht einen Sprengsatz mitliefere. Er habe dann auch dieses Geschäft verlasen und einen dritten Laden in der Nähe seines Zuhauses eröffnet. Als sie ihn dort hätten aufsuchen wollen, sei er auf einer Beerdigung gewesen und die Nachbarn hätten ihm danach erzählt, dass diese Personen dagewesen seien und ihn hätten töten wollen. Auf Nachfrage des Gerichts, was die Nachbarn denn konkret berichtet hätten, wurde dann deutlich, dass es sich bei der Absicht der Tötung um eine Schlussfolgerung des Klägers zu 1. handelt. So erklärte er auf die Nachfrage hin, dass die Nachbarn berichtet hätten, dass eben solche bewaffneten Leute nach ihm an dem Geschäft gesucht hätten und diese sehr verärgert gewesen seien. Auch hier erfolgte keine übertriebene Darstellung durch den Kläger zu 1., obwohl es für ihn - auch unter Berücksichtigung seiner in der mündlichen Verhandlung gezeigten Intelligenz - leicht gewesen wäre, die Angaben der Nachbarn dramatischer zu schildern. Auch dies spricht nach Auffassung des Gerichts für eine Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers zu 1.

Demgegenüber wirkte seine pauschale Angabe zu Beginn seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung, dass seine Schwester und sein Vater zwischenzeitlich Afghanistan verlassen hätten und sie daher niemanden mehr in Afghanistan haben würden, übersteigert dargestellt und zielorientiert motiviert, mithin nicht glaubhaft. Auf entsprechende Nachfrage und Vorhalt der Angaben gegenüber dem Bundesamt hin, insoweit dass noch mehrere Verwandte in Afghanistan und in Kabul leben würden, relativierte der Kläger zu 1. auch sogleich seine anfänglichen Ausführungen. Diese Unterschiede in der Erzählung und in der Reaktion auf Nachfragen sprechen aus der Sicht des Gerichts ebenfalls für eine Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers zu 1. zu der geschilderten Bedrohung. Dies gilt auch insgesamt für seine Gestik und Mimik bei seinen Erzählungen und für die Schilderung von inneren Empfindungen, wie etwa, dass er „Glück gehabt“ habe, auf der Beerdigung gewesen zu sein oder er mit den Personen „gespielt habe“, als er sie hingehalten und angelogen habe.

Auch in der Anhörung durch Mitarbeiter des Bundesamtes konnte der Kläger zu 1. Nachfragen detailliert beantworten und (vermeintliche) Widersprüche aufklären.

bb) Aus diesem vom Kläger zu 1. geschilderten Sachverhalt, von dem das Gericht überzeugt ist, zieht es den Schluss, dass die Kläger bei einer Rückkehr nach Kabul wegen der von dem Kläger zu 1. verweigerten Zusammenarbeit mit den regierungsfeindlichen Kräften mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit körperlich bestraft werden, bis hin zu ihrer Tötung. Dafür spricht bereits die erlittene Vorverfolgung in Form der Bedrohung mit dem Tode, die insoweit - wie oben bereits ausgeführt - eine (widerlegbare) Vermutung begründet. Auch liegen keine stichhaltigen Gründe vor, die die Wiederholungsträchtigkeit einer erneuten Verfolgung bzw. eines Schadens entkräften.

Das Gericht hat auch keine ernstlichen Zweifel, dass die Personen, die den Kläger zu 1. zur Lieferung eines Sprengsatzes aufgefordert haben, ihre Drohung gegen ihn (dazu (1)) bzw. die Kläger zu 2. bis 4. (dazu (2)) in die Tat umsetzen werden bzw. sie tatsächlich körperlich bestrafen werden, bis hin zu einer Tötung.

(1) In Afghanistan kommt es immer wieder zu Exekutionen durch nicht-staatliche Akteure, vor allem auch durch Aufständische, die sich auf traditionelles Recht berufen und die Vollstreckung der Todesstrafe mit dem Islam legitimieren, für ein aus ihrer Sicht fehlerhaftes Verhalten (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 20). Im ersten Halbjahr 2016 wurden durch die UNAMA 26 Fälle dokumentiert, vor allem in den Provinzen Farah und Badghis (Amnesty Report 2017 Afghanistan, S. 4), die Vereinten Nationen dokumentierten im Jahr 2016 41 Bestrafungsaktionen, bei denen 38 Menschen starben (www.spiegel.de, Taliban hacken vermeintlichem Dieb Hand und Fuß ab, v. 14.03.2017). Die Höhe der Dunkelziffer ist nicht bekannt (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 28.07.2017, S. 11). So richteten Taliban am 19. Dezember 2016 eine Frau hin, weil sie nach dem Weggang ihres Mannes in den Iran einen anderen Mann geheiratet hatte und sich ihr früherer Ehemann an die Taliban gewandt hatte (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 19.12.2016). Anfang des Jahres 2017 wurden sechs Männer in Ghazni durch die Taliban für Diebstahl bzw. Ehebruch mit Peitschenhieben bestraft (www.spiegel.de, 39 Peitschenhiebe - Taliban bestrafen mehrere Männer v. 03.01.2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Auch gibt es Berichte über Gefängnisse von Aufständischen in der Provinz Kunduz (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 09.01.2017). Im November 2017 konnten Sicherheitskräfte 27 Menschen aus einem Gefängnis der Taliban in der Provinz Helmand befreien (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 20.11.2017). Im Februar 2017 wurde im Osten Afghanistans ein junges Paar wegen einer außerehelichen Beziehung getötet (www.zeit.de, Wütende Menge tötet junges Paar in Afghanistan wegen außerehelicher Beziehung, v. 12.02.2017). Im März hackten die Taliban einem vermeintlichen Dieb eine Hand und einen Fuß ab (www.spiegel.de, Taliban hacken vermeintlichem Dieb Hand und Fuß ab, v. 14.03.2017). Im Juni 2017 sollen Kämpfer des IS zehn Taliban enthauptet haben (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 03.07.2017). Im Juli 2017 enthaupteten Taliban im Distrikt Azra der Provinz Logar einen Stammesältesten und schnitten ihm Hände, Nase und Ohren ab (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 10.07.2017) und der IS einen Stammesältesten in der Provinz Sar-e Pul (www.merkur.de, Für Hexerei enthauptet - Islamisten töten Mullah, v. 27.07.2017). Am 21. August 2017 sollen Taliban in der Provinz Badakhshan einen Behinderten wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung ausgepeitscht haben (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 28.08.2017). Im Oktober 2017 wurde in der Provinz Jawzjan ein Paar wegen einer angeblichen sexuellen Beziehung erschossen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 16.10.2017).

Darüber hinaus kommt es noch häufiger zu gezielten Tötungen, deren Hintergründe unklar sind. Im Jahr 2015 wurden 1.335 Zivilpersonen durch gezielte Tötungen bzw. Tötungsversuche verletzt oder getötet (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 38). Zwischen Februar und Mai 2016 gingen die gezielten Tötungen allerdings um 37 % gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres zurück (ecoi.net-Themendossier: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul v. 30.09.2016). In den letzten sechs Monaten wurden in den Medien etwa folgende Fälle dokumentiert. Im Distrikt Khanabad der Provinz Kunduz erschossen Taliban Anfang Juli 2017 vier Brüder (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 10.07.2017). Am 6. Juli 2017 wurden in Herat ein Distriktspolizeichef und zwei seiner Leibwächter durch eine Bombe verletzt und in Nangarhar starben drei Zivilpersonen bei einer Schießerei in einer Moschee, 14 starben durch eine Mörsergrante (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 10.07.2017). Im Distrikt Khewa wurde einen Tag später ein Mann bei einer Bombenexplosion getötet; in der Provinz Samangan töteten Taliban ein Mitglied des Friedensrates (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 10.07.2017). Am 11. Juli wurde in Logar ein Kriminalbeamter von den Taliban ermordet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 17.07.2017). Am 14. Juli 2017 wurden in Jalalabad 14 Zivilisten erschossen, darunter ein bekannter Poet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 17.07.2017). Am 17. Juli 2017 wurden in Nangarhar ein Geistlicher erschossen und in Nimroz zwei Polizisten getötet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 24.07.2017). In der Provinz Herat starben drei Zivilpersonen bei Bombenanschlägen, in Nangarhar wurde ein Mädchen bei der Explosion einer Bombe schwer verletzt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 24.07.2017). Bei der Explosion einer Autobombe in Kabul starben 26 Personen (www.zeit.de, Mehr als 60 Tote bei Angriffen der Taliban, v. 24.07.2017), bei einer weiteren Explosion acht Menschen (www.idowa.de, Mindestens acht Tote bei Explosion in Kabul, v. 24.07.2017). Der Anschlag mit einer Autobombe in Kabul habe sich nach Angaben der Taliban gegen Geheimdienstmitarbeiter gerichtet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 31.07.2017). Am 25. Juli 2017 erschossen IS-Kämpfer einen Stammesältesten in der Provinz Jawzjan (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 31.07.2017). Einen Tag später wurden in der Provinz Farah ein Distriktschef, sein Sohn und sechs Leibwächter getötet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 31.07.2017). In der Provinz Nangarhar wurden zwei Stammesälteste von den Taliban getötet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 31.07.2017). In Paktia wurden Anfang August zwei Mitarbeiter des Geheimdienstes getötet, in Kabul zwei Personen durch einen Bombenanschlag (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 07.08.2017). Bei einem Überfall der Taliban auf einen Markt in Helmand wurden fünf Personen getötet (www.nzz.ch, Mindestens fünf Tote bei Angriff der Taliban in Afghanistan, v. 04.08.2017). Dort wurden auch zwei Mitarbeiter des Geheimdienstes getötet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 07.08.2017). In einem Dorf in der Provinz Sar-e Pul haben Taliban und IS-Kämpfer mehrere Dutzend Zivilpersonen erschossen (www.spiegel.de, Terroristen töten Dutzende Menschen, v. 06.08.2017; vgl. auch kurier.at, Ein Feind eint Kabul und die Taliban, v. 09.08.2017). In Kabul starb eine Person durch eine Bombe (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 14.08.2017). Im August 2017 wurde in Herat der Chef der Verkehrspolizei erschossen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 14.08.2017). In der Provinz Ghor starben drei Angestellte des Catholic Relief Service, in Kunduz ein Mitarbeiter des Geheimdienstes, in der Provinz Uruzgan zwei Zivilpersonen; in der Provinz Sar-e Pul wurden in zwei Massengräbern 40 Leichen gefunden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 21.08.2017). Auf einer Beerdigung wurden am 16. August 2017 eine Zivilperson durch eine Rakete getötet, einen Tag später drei Zivilpersonen in Helmand bei einem Selbstmordanschlag; am 19. August 2017 wurde in Parwan bei einem Angriff auf ein Parlamentsmitglied dessen Leibwächter erschossen und in der Provinz Kunar starben zwei Mädchen bei einem Mörserbeschuss durch die Taliban (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 21.08.2017). In der Provinz Kapisa wurden zwei Polizisten und zwei Zivilpersonen durch eine Bombe getötet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 28.08.2017). In der Provinz Nangarhar wurde ein Geistlicher getötet, in der Provinz Farah zwei Polizisten und eine Zivilperson (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 28.08.2017). In der Provinz Zabul wurde der stellvertretende Vorsitzende des Rates der Geistlichen getötet, in der Provinz Nimroz ein Distriktspolizeichef und sein Leibwächter (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 28.08.2017). Bei einem Anschlag des IS auf einen Politiker in Dschalalabad wurden mindestens vier Personen getötet (www.jungewelt.de, Anschlag auf Politiker in Afghanistan, v. 31.08.2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 04.09.2017). In der Provinz Nangarhar wurden innerhalb eines Monats durch den IS vier Geistliche erschossen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 18.09.2017). Am 14. September 2017 wurde in der Provinz Ghazni ein Polizeichef erschossen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 18.09.2017). In Khost wurden bei der Explosion einer Bombe auf einem Marktplatz vier Menschen getötet (www.zeit.de, Vier Tote bei Anschlag im Osten Afghanistans, v. 17.09.2017). In Kunar wurden zwei Zivilisten durch den IS enthauptet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 18.09.2017). In der Provinz Kandarhar wurden Ende September zwölf Sicherheitskräfte durch Taliban getötet (www.deutschlandfunk.de, Taliban besetzen Regierungsgebäude in Kandahar, v. 28.09.2017). In der Provinz Nangarhar starben Mitte Oktober drei Zivilpersonen bei einem Bombenanschlag (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 16.10.2017). Am 22. Oktober 2017 starben bei einem Angriff auf einen früheren Milizenkommandanten mindestens zwei Zivilpersonen, in der Provinz Helmand acht Personen, als ihr Haus von einer Granate getroffen wurde (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 23.10.2017). In Kabul starben mindestens fünf Menschen bei einem Bombenanschlag im Kabuler Diplomatenviertel (www.zeit.de, Tote bei Attentat in Kabul, v. 31.10.2017). In der Provinz Parwan wurden Anfang November 2017 bei einem Anschlag mindestens acht Menschen getötet (www.orf.at, Tote bei Bombenanschlag auf Bus in Afghanistan, v. 01.11.2017). In Kabul töteten IS-Kämpfer den Wachmann eines TV-Senders (www.zeit.de, Bewaffneter Angriff auf TV-Sender in Kabul, v. 09.11.2017). In Dschalalabad erschossen IS-Mitglieder einen pakistanischen Konsularbeamten, in Herat wurde ein Mitglied des Provinzrates getötet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 20.11.2017). Am 8. November 2017 töteten Taliban in der Provinz Faryab einen Milizenführer sowie dessen Ehefrau (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 20.11.2017). In Masar-e Scharif starb ein Stammesältester, ein ehemaliger Kommandant sowie zwei Leibwächter bei einem Selbstmordanschlag der Taliban, in der Provinz Nangarhar starben bei einem Bombenanschlag sechs Menschen bzw. wurden verletzt, in der Provinz Kunar wurden fünf Mitglieder der Polizei getötet, in Lashkargah ein Polizeibeamter (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 20.11.2017). In der Provinz Badakshan entging ein Bürgermeister einem Anschlag, am 14. November 2017 konnte ein Anschlag in Kabul verhindert werden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 20.11.2017). In Parwan wurde der stellvertretende Chef der Schulbehörde getötet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 20.11.2017). Bei einem Bombenanschlag in Kabul wurden Mitte November 2017 sechs Polizisten getötet (www.spiegel.de, Mehrere Tote bei Anschlag in Kabul, v. 16.11.2017), elf starben in der Provinz Farah bei einem Angriff der Taliban (www.salzburg24.at, Polizisten bei Taliban-Angriff in Afghanistan getötet, v. 19.11.2017). Am 18. November 2017 erschossen IS-Anhänger einen Richter in der Provinz Kunar (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 20.11.2017), fünf Tage später enthaupteten sie 15 ihrer Mitglieder im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 04.12.2017). Am 25. November 2017 starb der Verwaltungschef des Distrikts Khashrud in der Provinz Nimroz bei einem Bombenanschlag, einen Tag später wurde in der Provinz Farah ein früherer Mitarbeiter des Geheimdienstes erschossen, am 28. November 2017 wurden bei einem Bombenanschlag in Logar mehrere Menschen verletzt, im Distrikt Khogyani in der Provinz Nangarhar erschossen Taliban einen Geistlichen, im Distrikt Jawin in der Provinz Farah wurde der stellvertretende Geheimdienstchef ermordet, in Kandahar starben sieben Mitglieder einer Familie bei einer Explosion einer Straßenbombe und am 29. November 2017 wurden in Uruzgan sieben Kinder bei der Explosion einer Mörsergranate verletzt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 04.12.2017). Anfang Dezember 2017 wurden in Dschalalabad bei drei Bombenexplosionen zwei Sicherheitsbeamte getötet und sechs weitere Personen verletzt (www.trt.net.tr, Zwei Tote bei Anschlägen in Afghanistan, v. 02.12.2017). Bei Anschlägen in Dschalalabad starben drei Menschen, in Logar wurden zwei Dorfbewohner erschossen, darunter der Dorfälteste, in Kabul erlitten vier Menschen bei der Explosion einer Bombe Verletzungen und in Nangarhar wurden bei einem Selbstmordanschlag bei einer Demonstration sechs Zivilpersonen verletzt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 04.12.2017). In Nangarhar wurde am 7. Dezember 2017 ein Kind bei einer Explosion getötet, einen Tag später sieben Personen in Kabul im Stadtteil Sar-e-Kariz Bazaar (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 11.12.2017). Bei einem Bombenanschlag auf das Begräbnis eines lokalen Politikers in der Provinz Nangarhar, Bezirk Behsud, starben 17 Zivilpersonen (www.handelsblatt.com, Mindestens 17 Tote bei Anschlag auf Begräbnis, v. 31.12.2017).

(2) Dieser mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Schaden in Form einer unmenschlichen Behandlung droht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch den Klägern zu 2. bis 4. Dies folgt für das Gericht bereits daraus, dass die Personen, die den Kläger zu 1. aufgesucht hatten, auch mit Gewalt gegenüber seinen Kindern, den Klägern zu 2. bis 4. gedroht haben.

Auch nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln wird in Afghanistan auch gegenüber - insbesondere männlichen - Kindern zur Bestrafung ihrer Eltern massive Gewalt ausgeübt. So können etwa bei privaten Auseinandersetzungen auch Angehörige des „Täters“ von Vergeltung betroffen sein (ZAR 5-6/2017, Stahlmann, Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt, S. 195). Der Begriff der „Blutfehde“ rührt daher, dass die Racheakte von blutsverwandten Familiengruppen durchgeführt werden; Verwandte in männlicher (patrilinearer) Linie der geschädigten bzw. entehrten Person gehen gegen den Täter selbst oder einen von dessen Verwandten in männlicher Linie vor (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: 1) Zielen Rachehandlungen wegen vorehelichem Geschlechtsverkehr nur auf den „Täter" ab oder können auch andere Mitglieder seiner Familie zum Ziel werden?; 2) Möglichkeit, bei staatlichen Stellen um Schutz vor Rachehandlungen anzusuchen, v. 23.02.2017, S. 3; vgl. auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde, v. 07.06.2017, S. 2). Unter Berücksichtigung des Paschtunwali muss sich die Rache grundsätzlich gegen den Täter oder einen Verwandten, der aus der väterlichen Linie stammt, richten; gegen Frauen und Kinder (Mädchen und Buben) richten sich Racheakte dabei grundsätzlich nicht (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: 1) Zielen Rachehandlungen wegen vorehelichem Geschlechtsverkehr nur auf den „Täter" ab oder können auch andere Mitglieder seiner Familie zum Ziel werden?; 2) Möglichkeit, bei staatlichen Stellen um Schutz vor Rachehandlungen anzusuchen, v. 23.02.2017, S. 3 f.). Maßnahmen gegen Kinder sind auch hier allerdings nicht völlig ausgeschlossen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde, v. 07.06.2017, S. 2). Auch sind Fälle bekannt, in denen sowohl die regierungsnahen als auch die regierungsfeindlichen Kräfte Kinder entführen, teilweise verbunden mit Hinrichtungen oder Vergewaltigungen, als Bestrafung der Familien bzw. als Vergeltungsakte (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 80).

cc) Auch ist weder der afghanische Staat, noch sonstige Organisationen in der Lage, die Kläger vor dem in Afghanistan drohenden Schaden durch einen Akteur im Sinne des § 3c AsylG zu schützen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. §§ 3c Nr. 3, 3d AsylG).

Weder der Staat, noch sonstige Stellen im Sinne des § 3d Abs. 1 Nr. 2 AsylG sind in der Lage, den Klägern Schutz gem. § 3d Abs. 1, Abs. 2 AsylG zu bieten (so auch bereits VG Hamburg, Urt. v. 10.09.2014 - 10 A 477/13 -, juris Rn. 57). Das Justizsystem funktioniert in Afghanistan nur sehr eingeschränkt (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 5; vgl. ZAR 5-6/2017, Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt, S. 199). Es herrscht ein Klima der Straflosigkeit (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, v. 19.04.2016, S. 28; SFH, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage, S. 15). Der Islamvorbehalt in der Verfassung, tradierte Moralvorstellungen, Einflussnahmemöglichkeiten durch Verfahrensbeteiligte und Unbeteiligte sowie Zahlungen von Bestechungsgeldern verhindern Entscheidungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen des Justizsystems (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 12; vgl. auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde, v. 07.06.2017, S. 6 f.). Auch innerhalb der Polizei ist Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung ortstypisch (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, v. 19.04.2016, S. 29, vgl. auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde, v. 07.06.2017, S. 6; www.deutschlandfunk.de, Hauptursache der schlechten Sicherheitslage, v. 14.06.2017). Hinzu kommen Probleme bei der Ausbildung (vgl. ZAR 5-6/2017, Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt, S. 199). Gleichermaßen ist das Militär nicht frei von Bestechung (www.stuttgarter-nachrichten.de, Afghanisches Militär entlässt Hunderte Korruptionsverdächtige, v. 04.04.2017). Regierungsfeindliche Kräfte haben staatliche Stellen infiltriert (vgl. Dr. M. D., Antwort an das Nds. OVG v. 30.04.2013, S. 5). Korruption ist im gesamten Justizwesen weit verbreitet, insbesondere im Zusammenhang mit strafrechtlicher Verfolgung und Freilassungen aus dem Gefängnis (Anfragebeantwortung zu Afghanistan: 1) Zielen Rachehandlungen wegen vorehelichem Geschlechtsverkehr nur auf den „Täter" ab oder können auch andere Mitglieder seiner Familie zum Ziel werden?; 2) Möglichkeit, bei staatlichen Stellen um Schutz vor Rachehandlungen anzusuchen, v. 23.02.2017, S. 7; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde, v. 07.06.2017, S. 6). Viele Angehörige der Bürgerkriegsparteien sind nach 2001 in die Übergangsregierung eingebunden worden und damit Teil des staatlichen Apparats geworden (ZAR 5-6/2017, Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt, S. 197). Ein Zugang zu staatlichem Schutz kommt vor allem für einflussreiche und wohlhabende Familien in Betracht (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde, v. 07.06.2017, S. 7). Auch Angst vor Strafaktionen von religiösen Extremisten führt zu polizeilicher Zurückhaltung (ACCORD, Dokumentation des Expertengespräches mit T. R. und M. D., v. 06.2016, S. 13 f.) und auch der Justiz (vgl. ZAR 5-6/2017, Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt, S. 199). Zudem ist das Justizwesen unterfinanziert und personell unterbesetzt (SFH, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage, S. 15). So findet etwa auch eine polizeiliche Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch an Jugendlichen und Kindern nicht statt (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 13) und auch die weit verbreitete Gewalt gegen Frauen und Mädchen bleibt üblicherweise straflos (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 66). Auf lokale Machthaber ohne staatliche Befugnisse hat die Zentralregierung zudem kaum Einfluss (vgl. auch Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 28.07.2017, S. 11) und kann sie nur begrenzt kontrollieren bzw. ihre Taten untersuchen und verurteilen, so dass Sanktionen häufig ausbleiben (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 17; vgl. auch SFH, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage, S. 15). Reiche Geschäftsleute leisten sich private Sicherheitsleute zur Verhinderung von Entführungen (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 17). Eine parallele Rechtsprechung einschließlich der damit verbundenen Strafsanktionen bis hin zu Exekutionen wird kaum bis gar nicht verfolgt (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 19.10.2016, S. 21; vgl. auch SFH, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage, S. 15 f.; UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, v. 19.04.2016, S. 29). Täter von Menschenrechtsverletzungen werden selten zur Rechenschaft gezogen (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, v. 19.04.2016, S. 29). In ländlichen Gebieten zeigen sich dabei deutlich mehr Schwächen als in städtischen (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, v. 19.04.2016, S. 28; SFH, Afghanistan Update: Die aktuelle Sicherheitslage, S. 15; ACCORD, Dokumentation des Expertengespräches mit T. R. und M. D., v. 06.2016, S. 17).

Die mangelnde Fähigkeit des afghanischen Staates zum Schutz von Zivilpersonen, auch von einflussreichen und wohlhabenden, wird auch aus der allgemeinen derzeitigen Sicherheitssituation in Afghanistan - wie oben auch bereits im Ansatz dargestellt - deutlich. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes mit Stand September 2016 (S. 4 unter Verweis auf den UNAMA-Bericht von Juli 2016 über den Schutz von Zivilisten im bewaffneten Konflikt) hat es in Afghanistan im ersten Halbjahr 2016 mit 1.601 getöteten und 3.565 verletzten Zivilisten einen Anstieg von 4 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum gegeben, mit der Folge der höchsten Zahl seit Beginn der Erfassungen im Jahr 2009. Seit dem Beginn der Zählung wurden insgesamt mehr als 26.500 Zivilisten in Afghanistan getötet und fast 49.000 weitere verletzt (www.zeit.de, Zahl der getöteten Zivilisten erneut gestiegen, v. 17.07.2017). Ende 2015 hatte die Anzahl der zivilen Opfer mit 11.002 einen neuen Höchststand erreicht (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S.6). 70 % der Opfer werden den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen zugerechnet, was insoweit einen Rückgang um 3 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum bedeutet (Amnesty Report 2016 Afghanistan, S. 1, 2), auch wenn die Opferzahl insgesamt um 4 % gestiegen ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 6). Im ersten Halbjahr 2016 hat die Verantwortlichkeit regierungsfeindlicher Gruppen für zivile Opfer 60 % (966 Tote und 2.116 Verletzte) betragen, was eine Zunahme um 11 % gegenüber dem Vorjahr bedeutet (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.09.2016). Im Zeitraum Mitte Mai bis Mitte August 2016 konzentrierten sich die Taliban darauf, die Regierungskontrolle in den Provinzen Baghlan, Kunduz, Takhar, Faryab, Jawzjan und Uruzgan zu bekämpfen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.09.2016). 68,1 % der landesweiten Vorfälle konzentrierten sich auf die südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.09.2016), im vierten Quartal noch 66 %; die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle erhöhte sich gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr um 9 %, in den Monaten Januar bis Oktober um 22 % (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.12.2016). Im Herbst 2016 übten die Taliban ohne anhaltenden Erfolg Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz aus (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.12.2016). Auch Anfang Januar 2017 griffen die Taliban erneut Helmand an (Neue Züricher Zeitung, Online-Ausgabe v. 02.01.2017). Am 5. Mai 2017 eroberten die Taliban in der Provinz Kunduz den Distrikt Kala-i-Sal (Handelsblatt, Taliban erobern Distrikt nahe Kundus, v. 06.05.2017). Am 6. Mai 2017 haben die Taliban den Distrikt Zibak in der Provinz Badakhshan eingenommen; in der Provinz Nuristan belagern die Taliban den Distrikt Want Waigal (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 08.05.2017). Mitte Juni eroberte der IS von den Taliban die Felsentunnel Tora Bora in Nangarhar (www.zeit.de, IS erobert strategisch wichtige Stellung von Taliban, v. 14.06.2017); weniger Tage später hat die afghanische Armee die Höhlen geräumt (www.deutschlandfunk.de, IS-Miliz aus Höhlen in Tora Bora vertrieben, v. 19.06.2017). Die Sicherheitskräfte gehen weiterhin gegen die Taliban und IS-Kämpfer vor (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheits-lage in Afghanistan - Q3.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.09.2016). So konnten sie auch die Bezirkshauptstadt von Kala-i-Sal nach wenigen Tagen zurückerobern (www.handelsblatt.com, Regierung erobert Bezirkszentrum von Taliban, v. 16.05.2017) und auch den Distrikt Zibak (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 22.05.2017). Die Bevölkerungszentren und Hauptverkehrsstraßen in Afghanistan werden von den afghanischen Sicherheitskräften (ANDSF), abgesehen von kurzzeitigen Störungen durch die regierungsfeindlichen Kräfte, kontrolliert, wenn die ANDSF auch Defizite unter anderem in der Führung, strategischer und taktischer Planungsfähigkeit, Aufklärung und technischer Ausstattung aufweisen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 6). So behält die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, die Provinzhauptstädte, fast alle Distriktszentren (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 29.07.2016, S. 38; vgl. für Kabul auch Nds. OVG, Beschl. v. 27.04.2016 - 9 LA 46/16 -, n.v.) und die größeren Provinzzentren (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 3). Die Provinzhauptstädte konnten auch im vierten Quartal 2016 gesichert werden, wenn es auch zu intensiven bewaffneten Zusammenstößen gekommen ist (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.12.2016) und befanden sich auch noch im Juli 2017 unter Kontrolle der Regierung (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 28.07.2017, S. 6). Dort leben ca. zwei Drittel der afghanischen Bevölkerung (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 14). Allerdings standen bis Mitte November 2016 lediglich 233 von 407 Distrikten unter Kontrolle oder Einfluss der Regierung, mithin 15 % weniger als im Jahr 2015; die Aufständischen übten Anfang des Jahres 2017 in 41 Distrikten in 15 Provinzen (insbesondere in Helmand, Uruzgan, Kandahar und Zabul) die Kontrolle oder ihren Einfluss aus, die übrigen sind umkämpft (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017). Von den ca. 32 Millionen Einwohnern Afghanistans leben ca. 20,4 Millionen in Gebieten unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss und zweieinhalb Millionen in von Aufständischen beeinflussten Gebieten (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017). In den meisten der sieben Bezirke in der Provinz Kunduz hält die Regierung lediglich mehr das Bezirkszentrum; die Eroberung von Kunduz ist ein Hauptziel der Taliban (www.handelsblatt.com, Regierung erobert Bezirkszentrum von Taliban, v. 16.05.2017). Die Taliban kontrollieren etwa auch den Kunduz-Khanabad Highway (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 08.05.2017). Mit Stand Mai 2017 standen 243 Distrikte unter Kontrolle der Regierung, 45 (in 15 Provinzen) unter der der Aufständischen, 116 sind weiterhin umkämpft; ca. drei Millionen Einwohner leben in von Aufständischen kontrollierten Gebieten, 21,4 Millionen im Einflussbereich der Regierung und 8,2 Millionen in umkämpften Gegenden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 14.08.2017; vgl. auch mit abweichenden Zahlen Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 28.07.2017, S. 5). So sind in Kunduz fünf von sieben Distrikten, in Uruzgan vier von sechs und in Helmand neun von 14 unter Kontrolle der Aufständischen; ein Drittel der im Einfluss der Aufständischen stehenden Gebiete finden sich in den Provinzen Helmand, Kandahar, Uruzgan und Zabul (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 14.08.2017). Die afghanischen Sicherheitskräfte sind im Allgemeinen fähig, die größeren Bevölkerungszentren effektiv zu beschützen bzw. verwehren es den Taliban, für einen längeren Zeitraum Einfluss in einem Gebiet zu halten (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 29.07.2016, S. 38), bedürfen aber der Unterstützung durch internationale Sicherheitskräfte, die auch erfolgt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 4). Die Truppenstärke der afghanischen Nationalarmee (ANA) betrug Mitte des Jahres 2015 etwa 157.000 (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 05.10.2016, S. 137), die der afghanischen Sicherheitskräfte Anfang des Jahres 2017 insgesamt 316.000 (www.tt.com, US-Behörde: Afghanische Armee musste 2016 noch höhere Verluste hinnehmen, v. 01.02.2017) bzw. 352.000 (www.handelsblatt.de, Mehr Spezialkräfte im Kampf gegen die Taliban, v. 03.04.2017). 7 % davon sind Eliteeinheiten, die rund 40 % aller Gefechte bestritten hätten; das afghanische Militär will die Zahl dieser Spezialkräfte bis 2020 verdoppeln (www.handelsblatt.de, Mehr Spezialkräfte im Kampf gegen die Taliban, v. 03.04.2017). Von Januar bis November 2016 wurden 6.785 Soldaten und Polizisten getötet sowie 11.777 verletzt, mithin 35 % mehr als im Vorjahr (www.tt.com, US-Behörde: Afghanische Armee musste 2016 noch höhere Verluste hinnehmen, v. 01.02.2017), im Jahr 2016 insgesamt mehr als 8.000 getötete (14 % mehr als im Vorjahr) und mehr als 14.000 verletzte Sicherheitskräfte (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 28.07.2017, S. 5). Zudem wird ihre Effizienz und Arbeit durch Korruption beeinträchtigt (www.deutschlandfunk.de, Hauptursache der schlechten Sicherheitslage, v. 14.06.2017). Durch ein neu geschaffenes Korruptionszentrum geht der afghanische Staat jedoch nunmehr dagegen vor (www.n-tv.de, Afghanistan bringt korrupte Elite vor Gericht, v. 31.08.2017). Nach einem Bericht des amerikanischen Pentagons haben die afghanischen Streitkräfte - wenn auch unbeständige - Fortschritte gemacht; sie konnten mehrere große Taliban-Angriffe abwehren und verlorenes Territorium rasch wieder zurückgewinnen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.12.2016). Alle acht Angriffe der Taliban auf Städte sind gescheitert (www.tt.com, US-Behörde: Afghanische Armee musste 2016 noch höhere Verluste hinnehmen, v. 01.02.2017). Die afghanischen Sicherheitskräfte führten zahlreiche Militäroperationen durch und konnten auch die Schlüsselbereiche des Distrikts Ghormach von den Taliban wieder zurückerobern; mit einer groß angelegten Militäroperation soll die Provinz Kunduz von Aufständischen befreit werden (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 19.12.2016). In den Provinzen Nangarhar und Kunar wurden Operationen gegen den „Islamischen Staat in der Provinz Khorasan“ (ISIL-KP) durchgeführt (Kurzinformation der Staaten-dokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.12.2016). In den Monaten November, Dezember 2016 und Januar 2017 gab es in Nangarhar 81 Militäroperationen, bei denen 251 Aufständische getötet und 184 gefangen genommen wurden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 23.01.2017). Im Juli 2017 konnte der Distrikt Nawa in der Provinz Helmand von den Taliban zurückerobert werden (www.stuttgarter-nachrichten.de, Afghanische Truppen erobern Teil Helmands zurück, v. 16.07.2017). Ein Angriff der Taliban auf Kunduz konnte zurückgeschlagen werden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 03.07.2017). Bei Kämpfen zwischen den Taliban und Sicherheitskräften um das Bezirkszentrum von Baghlan, dessen Eroberung neben Kunduz und Helmand ein Hauptziel der Taliban ist, kam es zu mehreren Toten und Verletzten auf beiden Seiten (derstandard.at, Mindestens 23 Tote bei heftigen Kämpfen in Nordafghanistan, v. 19.07.2017). Ende Juli 2017 konnten die Taliban zwei Bezirke in den Provinzen Ghor und Faryab einnehmen (www.nzz.ch, Taliban erobern zwei weitere Bezirke, v. 23.07.2017) und einen in Paktia (deutsch.rt.com, Taliban erobern drittes Bezirks-zentrum, v. 25.07.2017). Das Bezirkszentrum von Faryab konnte binnen weniger Tage zurückerobert werden (www.handelsblatt.com, Armee erobert Stadt von Taliban zurück, v. 26.07.2017); gleichsam das von Ghor (www.nzz.ch, Armee erobert weitere Stadt von Taliban zurück, v. 28.07.2017). In Nangarhar soll der IS ca. 70 % des Gebiets um Tora Bora besetzt halten (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 24.07.2017). Anfang August wurde nach sieben Tagen mit schweren Kämpfen auch das Bezirkszentrum in der Provinz Paktia zurückerobert (deutsch.rt.com, Afghanische Sicherheitskräfte erobern Stadt von Taliban zurück, v. 04.08.2017). Diese fiel danach wieder in die Hände der Taliban, bevor es erneut von den Regierungstruppen zurückerobert werden konnte (www.derstandard.at, Afghanische Regierung eroberte Stadt von Taliban zurück, 25.08.2017). Die Sicherheitslage ist regional sehr unterschiedlich. So haben bei einer Umfrage der Asian Foundation in Bamiyan 86,3 % und in Panjshir 100 % der Befragten angegeben, sich selten oder nie um ihre Sicherheit zu sorgen; in Helmand hingegen fürchten hingegen 92,3 % bzw. im Osten Afghanistans 80,1 % um ihre Sicherheit (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 28.07.2017, S. 9). Im Distrikt Darz Ab der Provinz Jawzjan soll der IS Jugendliche rekrutieren (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 20.11.2017). Im Jahr 2017 hat der IS in Kabul 20 schwere Anschläge mit mehreren hundert Toten verübt (www.welt.de, Über 40 Tote bei Selbstmordanschlag in Kabul, v. 28.12.2017).

2. Den Klägern ist auch nicht zumutbar, internen Schutz im Sinne des § 4 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 3e AsylG in einem anderen Landesteil zu erlangen. Das Gericht ist unter Berücksichtigung der ihm vorliegenden Erkenntnismittel vorliegend nicht davon überzeugt, dass die Kläger in anderen Teilen Afghanistans, insbesondere in einer der dortigen Großstädte wie Herat oder Masar-e Scharif, eine zumutbare Zuflucht finden können, mithin die ausweglose Lage für den Kläger nicht landesweit besteht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 -, juris Rn. 61).

Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e AsylG wird dem Ausländer subsidiärer Schutz nicht gewährt, wenn ihm in einem Teil seines Herkunftslandes kein ernsthafter Schaden droht und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (OVG NRW, Beschl. v. 09.10.2017 - 13 A 1807/17.A -, juris Rn. 12). Diese Voraussetzungen liegen für die Kläger nicht vor, da ihnen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände jedenfalls nicht zugemutet werden kann, sich als Familienverband in einem anderen Landesteil niederzulassen.

Interner Schutz setzt gem. § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG auch voraus, dass von dem Rückkehrer, auch im Hinblick auf eine Sicherung seiner Existenzgrundlage, vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in dem schutzgewährenden Landesteil aufhält (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 19 f.). Dies geht als Zumutbarkeitsmaßstab über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und Satz 5 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 20; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; OVG NRW, Beschl. v. 06.06.2016 - 13 A 1882/15.A -, juris Rn. 14). Für die Kläger muss wenigstens das Existenzminimum insoweit gesichert sein, dass sie durch Arbeit oder Zuwendungen Dritter jedenfalls nach der Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zum Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können (vgl. VGH BaWü, Urt. v. 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 87). Das Gericht hat unter Berücksichtigung der ihm vorliegenden Erkenntnismittel durchgreifende Zweifel, dass dies für die Kläger als Familienverbund (vgl. auch VGH BaWü, Urt. v. 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 297 ff.) in ihrer individuellen Situation, insbesondere angesichts der Minderjährigkeit der Kläger zu 2. bis 4. angenommen werden kann.

Zwar ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass aufgrund der humanitären Umstände in Afghanistan, dort sich jeder Mensch unmenschlichen oder erniedrigenden Bedingungen ausgesetzt sieht, insbesondere er sein Existenzminimum nicht sichern und eine ausreichende Unterkunft nicht erlangen kann. Dies mag zwar für bestimmte Teile der Bevölkerung zutreffen, jedoch nicht für jeden in Afghanistan lebenden Menschen bzw. jede dort lebende Familie. Vielmehr sind die Umstände des Einzelfalls maßgebend.

Afghanistan ist trotz internationaler Unterstützung und erheblicher Anstrengungen der afghanischen Regierung eines der ärmsten Länder der Welt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.09.2016, S. 24) und das ärmste Land der Region (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31). Der Kreditversicherer Coface hat (wohl für den Zeitraum bis einschließlich das Jahr 2015) Afghanistan als das Land mit dem höchsten politischen Risiko weltweit eingestuft (www.finanznachrichten.de, Von Afghanistan bis Island / Kreditversicherer Coface betrachtet politische Risiken in 159 Ländern, v. 03.04.2017). Das rapide Bevölkerungswachstum stellt eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). In Kabul und anderen großen Städten sind Lebensmittel vorhanden, nur können sich diese nicht alle Bewohner leisten (Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thomas R., v. 12.04.2017, S. 7). Die Menschen können sich zwar grundsätzlich ernähren, jedoch besteht diese (Mangel-)Ernährung hauptsächlich aus Brot und Reis (Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thomas R., v. 12.04.2017, S. 8). Rund 36 % der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, mit einem eklatanten Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans: Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehlt es vielerorts an grundlegender Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). 30 % der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, 6,3 % sind von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffen und 9,1 % der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31; vgl. auch Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 13), wobei in letzterem eine Verbesserung zu sehen ist (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). Für das Jahr 2017 wird erwartet, dass 9,3 Millionen Afghanen von humanitärer Hilfe abhängig sein werden (Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 74; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 31). Nach den UN werden im Jahr 2018 3,3 Millionen Afghanen in lebensbedrohlicher Not sein und für 2,8 Millionen sollen Hilfen zur Verfügung gestellt werden (www.stuttgarter-nachrichten, UN: Mehr als drei Millionen Afghanen in lebensbedrohlicher Not, v. 04.12.2017). Das Wirtschaftswachstum betrug im Jahr 2015 0,8 %, in 2016 voraussichtlich 1,2 % und für 2017 werden im besten Fall 1,7 % erwartet (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S.  5). Im Jahr 2012 hatte es noch 14,4 % betragen (Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 74). Die Anzahl der Afghanischen Bevölkerung, der unter der Armutsgrenze lebt, damit unter 20 USD im Monat zur Verfügung hat, hat sich von 2007/2008 bis 2013/2014 von 36 % auf 39 % gesteigert; dabei beträgt der Prozentsatz im Südwesten ca. 28 % und im Nordosten bis zu 50 %, da die nicht vom Konflikt betroffenen Regionen weniger Aufmerksamkeit und Hilfen durch die Regierung erhalten (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 31 f.). Die Armut in den Städten von bis zu 29 % im Jahr 2014 beschränkt sich nicht auf die informellen Siedlungen; andere gehen davon aus, dass 78 % der Haushalte in den Städten unterhalb der Armutsgrenze leben (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 32); bereits in den Jahren 2013 und 2014 sollen 73,8 % der städtischen Bevölkerung in Slums gelebt haben (vgl. Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 76 f.). Geschätzt leben 26 % bis 30 % der Afghanischen Bevölkerung in Städten, davon 50 % in Kabul; eine Familie in den Großstädten besteht im Schnitt aus ca. sieben Mitgliedern (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 58). Im Jahr 2014 soll der größte Anteil der armen städtischen Bevölkerung in Dschalalabad bestanden haben, der geringste in Kabul, dazwischen in Herat, Kandahar und Masar-e Scharif (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 32). In ländlichen Regionen besteht der Vorteil, dass durch Landwirtschaft zumindest die Ernährungsmöglichkeiten besser sind (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 32). Im Jahr 2014 hatten die meisten der in Städten Lebenden Zugang zu einer Grundversorgung, wenn auch die Zuverlässigkeit und Qualität nicht immer gewährleistet war (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 33). Im Jahr 2015 hatten 29 % der städtischen Bewohner Zugang zu verbesserten sanitären Einrichtungen, 71 % zu einer verbesserten, allerdings teils auch kontaminierten, Wasserversorgung; die Stromversorgung in den Städten ist zwar hoch, aber unzuverlässig, 99 % sind im Winter zum Heizen und Kochen auf Brennstoffe angewiesen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 33, 60). Insbesondere in Kabul ist die Wasserqualität problematisch; hierunter leiden vor allem auch die Kinder (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 60). Gerade auch in den Siedlungen der Binnenflüchtlinge ist die Wasserversorgung schwierig (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 60). Parasiten-Krankheiten und Cholera treten häufig auf (Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thoma R., v. 12.04.2017, S. 7).

Die Arbeitslosenquote betrug im Oktober 2015 40 % (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 22), teilweise wird sie auf bis zu 50 % geschätzt (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris). Allerdings differieren die Angaben zu Arbeitslosenzahlen sehr stark, so etwa bereits für 2014 zwischen 9,1 % und 40 % (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 21). Die Jugendarbeitslosigkeit ist in den Städten um 50 % höher als die generelle Arbeitslosigkeit (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22). Bei 90 % der Jobs in Afghanistan handelt es sich zudem um unsichere Arbeitsplätze (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22). Die Einwohner der Städte waren im Jahr 2015 zu einem Viertel zwischen 15 und 24 Jahre alt, in ländlichen Gebieten betrug ihr Anteil 17,8 % (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22, 45). 50 bis 70 % der Arbeitstätigen sind im landwirtschaftlichen Bereich tätig (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22; International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2). Darüber hinaus findet eine Beschäftigung vor allem in Familien- und Kleinbetrieben (Einzelhandel) und im Bauwesen statt, gefolgt vom öffentlichen Sektor und dem industriellen (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2). In Städten gibt es formelle Beschäftigung und informelle Beschäftigung von gering Qualifizierten (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22). Der Anteil der offiziellen Beschäftigungsmöglichkeiten beträgt ca. 20 %, hauptsächlich im staatlichen Bereich (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22). Gering Qualifizierte sind in Basaren, als Tagelöhner im Bausektor und als Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft tätig (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22). Ein Zugang zu Ausbildungsverhältnissen in Familienbetrieben wird häufig durch familiäre Beziehungen erlangt (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22). Auch der Abzug der internationalen Streitkräfte hat sich negativ auf die Nachfrage und damit die Wirtschaft, insbesondere im Bausektor, ausgewirkt (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 24; Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21).

Die Quote der Analphabeten ist hoch und die Anzahl der Fachkräfte gering (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 24). Die Alphabetisierungsrate bei den über 15-jährigen betrug im Jahr 2015 38 % (Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 79), der Gesamtbevölkerung im Landesdurchschnitt im Jahr 2013 31,4 % und in Kabul im Jahr 2013 64,8 % (Herat 62,8 %, Masar-e Scharif 67,1 %); bei Frauen ist Analphabetismus weiter verbreitet (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 46 - 48). In Kabul ist die Bildungsrate allgemein am höchsten (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 46 f.). Qualifiziertes, vor allem höherqualifiziertes, Personal wurde im Jahr 2011 noch gesucht (vgl. Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 6 f.). Viele neue Stellen für gut ausgebildete Personen wurden im öffentlichen Bereich sowie im Gesundheits- und Bildungssektor geschaffen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 23). Die Beschäftigungsaussichten, auch für gut ausgebildete junge Leute, ist trotz der tausenden verfügbaren Stellen im staatlichen Bereich, gering (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 23). Internationale Organisationen schreiben Stellen insbesondere für hoch qualifiziertes Personal aus, wobei unklar sein soll, inwieweit bei der Besetzung Weiterempfehlungen eine Rolle spielen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 23). Nach einem Bericht aus dem Jahre 2012 gaben ca. 63 % bzw. 57.9 % der befragten Arbeitgeber an, Angestellte über Freundschaften bzw. Beziehungen zu finden; auch für Tätigkeiten in kommunalen staatlichen Stellen sind Beziehungen erforderlich (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 67). Bei einer anderen Studie aus dem Jahr 2011 gaben mehr als 50 % der Befragten an, dass sie an ihre Jobs über Beziehungen oder Empfehlungen gekommen seien; lediglich 15 % gaben an, ihre Stelle über den lokalen Arbeitsmarkt erhalten zu haben (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 67). Nach einer anderen Studie aus dem Jahr 2012 bestehen beide Wege gleichermaßen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 67). Rückkehrer ohne soziale Beziehungen können nach einer weiteren Untersuchung aus dem Jahr 2015 keine Arbeit finden (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 68). Nach dem Analyseunternehmen Samuel Hall ist die Basis einer Anstellung Vertrauen, was zur Notwendigkeit einer Empfehlung führt; sonst bleibt die Tätigkeit als Tagelöhner; dies gilt auch für gut ausgebildete Personen und wohl auch für öffentlich ausgeschriebene Stellen internationaler Institutionen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 68). Alleine die Volkszugehörigkeit bietet in der Regel kein ausreichendes Netzwerk, um eine Anstellung zu finden (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 68).

Das durchschnittliche Monatseinkommen beträgt in Afghanistan 80 bis 120 USD (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2), bei monatlichen Kosten (Miete, Lebenshaltung) von ca. 950 bis 1.350 USD bzw. ca. 230 bis 390 USD (SFH, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, v. 05.04.2017, S. 11 unter Verweis auf die sich widersprechenden Angaben des Bundesamtes) bzw. bis zu 500 USD, mit allein mindestens 40 USD für Elektrizität und Wasser (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 61). Das Mindestmonatsgehalt eines Regierungsangestellten beträgt etwa 103 USD, das eines nicht festangestellten Arbeiters im privaten Sektor 95 USD; 36 % der Bevölkerung sollen unter 20 USD im Monat erhalten (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 23 f.). Die Mittelschicht, die sich auch Eigentumswohnungen leisten kann, sind die, die mit ausländischen Firmen oder Militärs im Geschäft sind, gefolgt von denen, die für internationale Organisationen arbeiten; ihr Kapital steckt jedoch oft vollständig in ihrer Immobilie (Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thomas R., v. 12.04.2017, S. 7). Grundsätzlich haben Menschen, die in Afghanistan gearbeitet haben, Zugang zu Rentenzahlungen (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 3), zumindest diejenigen, die für Polizei und Militär tätig waren (Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thomas R., v. 12.04.2017, S. 11). Eine steigende Zahl von Personen ist aber auch aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit und eines fehlenden sozialen Netzwerks an den Rand gedrängt und flüchtet sich in die Kriminalität (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 23). Eine staatliche finanzielle Unterstützung findet bei Arbeitslosigkeit nicht statt; freie Stellen können auch über das Internet recherchiert werden (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2).

Naturkatastrophen und extreme Natureinflüsse im Norden tragen zur schlechten Versorgung der Bevölkerung bei (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). Im Süden und Osten gelten nahezu ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 24). Nach Berechnungen der Vereinten Nationen sind in Afghanistan insgesamt eine Millionen Kinder unterernährt (deutsch.rt.com, Vereinte Nationen: Afghanistan auf dem Weg in eine humanitäre Katastrophe, v. 24.01.2017). 6 % aller Afghanen sind von ernster Lebensmittelunsicherheit betroffen, 34 % von moderater (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 42). Für Binnenflüchtlinge ist selbst die Beschaffung nur einer Mahlzeit am Tag ein Kampf (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 43). Im Winter 2016 / 2017 starben in einer Provinz im Norden Afghanistans 27 Kinder unter fünf Jahren aufgrund der Wetterbedingungen (www.zeit.de, 27 Kinder sterben wegen strengen Winterwetters in Afghanistan, v. 26.01.2017). Das Rote Kreuz hat im Februar 2017 seine Arbeit ausgesetzt, nachdem sechs Mitarbeiter erschossen wurden (www.tagesschau.de, Rotes Kreuz setzt Arbeit in Afghanistan aus, v. 09.02.2017); die Hilfsorganisation wird das Land aber nicht vollständig verlassen (derstandard.at, Rotes Kreuz wird Präsenz in Afghanistan "drastisch" reduzieren, v. 09.10.2017). Zwar weist Afghanistan Bodenschätze auf, eine staatliche Förderung findet derzeit allerdings nur eingeschränkt statt; die größten Lithium-Vorkommen gibt es etwa in Ghazni, Herat und Nimrus (vgl. www.20min.ch, Afghanistan wirbt um Trumps Unterstützung, v. 10.04.2017).

Die humanitäre Situation ist weiterhin als schwierig anzusehen, insbesondere stellt neben der Versorgung von hunderttausenden Rückkehrern und Binnenvertriebenen vor allem die chronische Unterversorgung in Konfliktgebieten das Land vor große Herausforderungen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 6). Die Anzahl der konflikt-induzierten Binnenflüchtlinge betrug im Jahr 2016 zwischen 1,1 und 1,2 Millionen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). Aufgrund der Kämpfe in der Region um die Provinz Kunduz im Mai 2017 fliehen viele Zivilpersonen nach Kunduz City (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes v. 08.05.2017). Die Zahl der Binnenflüchtlinge ging im Jahr 2017 gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr um 36 % zurück (www.handelszeitung.ch, Dreimal so viele Luftangriffe in Afghanistan, v. 29.05.2017); bis Anfang Juli 2017 waren in Afghanistan 150.000 Menschen aus ihren Heimatorten geflohen (www.dw.com, Immer mehr Binnenflüchtlinge in Afghanistan, v. 11.07.2017), bis zum 22. August 2017 mehr als 210.000 (www.spiegel.de, Mehr als 200.000 Kriegsvertriebene in Afghanistan, v. 29.08.2017). Zu Beginn des Jahres 2017 hatte die UN noch mit mehr als 450.000 Vertriebenen für 2017 gerechnet, gegenüber mehr als 660.000 im Jahr 2016 (www.spiegel.de, Mehr als 200.000 Kriegsvertriebene in Afghanistan, v. 29.08.2017). Im November 2017 befanden sich 350.000 Afghanen innerhalb ihres Landes auf der Flucht (www.spiegel.de, Knapp 350.000 Menschen in Afghanistan auf der Flucht, v. 21.11.2017), im gesamten Jahr 2017 ca. 445.000 (www.salzburg24.at, Knapp 450.000 Kriegsvertriebene in Afghanistan im Jahr 2017, v. 02.01.2017). Die pakistanische Regierung hatte den in Pakistan aufhältigen afghanischen Flüchtlingen eine Frist zur Rückkehr bis März 2017 gesetzt; im Jahr 2016 sind mehr als 600.000 Personen zurückgekehrt, insbesondere in der zweiten Jahreshälfte und über Nangarhar (Kurzinformation der Staatendokumentation Pakistan / Afghanistan - Rückkehr afghanischer Flüchtlinge nach Afghanistan v. 07.12.2016, S. 1, 2). Dieser Termin wurde zwischenzeitlich vertagt (Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 75). Anfang Januar 2018 setzte die pakistanische Regierung den afghanischen Flüchtlingen eine Frist von 30 Tagen, um in ihr Heimatland zurückzukehren, ohne ihre Entscheidung allerdings in eine verbindliche Richtlinie umzusetzen (derstandard.de, Hunderttausende Afghanen müssen Pakistan eilig verlassen, v. 05.01.2018). Rund 2,4 Millionen afghanische Flüchtlinge lebten in Pakistan (Kurzinformation der Staatendokumentation Pakistan / Afghanistan - Rückkehr afghanischer Flüchtlinge nach Afghanistan v. 07.12.2016, S. 2; Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 75: 1,6 Millionen) bzw. 2,6 Millionen Flüchtlinge im Ausland (Amnesty Report 2017 Afghanistan, S. 1, 3). Der UNHCR nahm am 1. April 2017 das Programm zur Rückkehrerunterstützung von afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan wieder auf, die finanzielle Unterstützung wurde von 400 auf 200 USD verringert (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 03.04.2017). Im Jahr 2017 sind bis Juli 72.000 afghanische Staatsangehörige aus Pakistan zurückgekehrt, im Jahr 2016 waren es mehr als 600.000, davon ca. 380.000 freiwillige Rückkehrer (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 28.07.2017, S. 10). Im Iran hat das Geistliche Oberhaupt im Jahr 2015 ein Gesetz erlassen, welches allen afghanischen Kindern, mit und ohne offizielle Papiere, erlaubt, die Schule zu besuchen (deutsch.rt.com, UNO lobt iranische Flüchtlingspolitik: Millionen Menschen Zuflucht geboten, v. 20.03.2017). Im Jahr 2016 sind 444.000 afghanische Flüchtlinge aus dem Iran zurückgekehrt, in der ersten Jahreshälfte 2017 172.000 (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 28.07.2017, S. 10). Aus der EU sind im Jahr 2016 7.000 Afghanen in ihr Heimatland zurückgekehrt, gegenüber 1.400 im Jahr 2015 (www.tt.com, Organisation für Migration und EU helfen Rückkehrern in Afghanistan, v. 14.03.2017). Aus Deutschland reisten im Jahr 2016 mit 3.200 Personen zehnmal mehr Menschen freiwillig nach Afghanistan zurück, als im Vorjahr (www.spiegel.de, Rund 55.000 Asylbewerber verlassen Deutschland freiwillig v. 28.12.2016), die Zahl der Familien stieg von 22 auf 356 (www.faz.net, IOM warnt vor Abschiebungen nach Afghanistan, v. 22.02.2017). Im Jahr 2015 waren es 309, im Jahr 2014 101; in den ersten fünf Monaten des Jahres 2017 kehrten 670 afghanische Staatsangehörige über ein stattliches Förderprogramm in ihre Heimat zurück (www.focus.de, Abschiebe-Argument entkräftet? Zahl freiwilliger Rückreisen nach Afghanistan sinkt, v. 11.07.2017). In den ersten neun Monaten 2017 sank die Zahl der freiwilligen Rückkehrer auf 957 gegenüber 2.973 im Vorjahreszeitraumwww.weser-kurier.de, Zahl der Afghanistan-Rückkehrer 2017 gesunken, v. 24.10.2017). Mit Stand September 2016 waren insgesamt 246.954 afghanische Staatsangehörige in Deutschland aufhältig, davon 12.539 ausreisepflichtig (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode, v. 16.11.2016, Frage Nr. 40, Nr. 6). Für das Jahr 2017 erwartete die internationale humanitäre Gemeinschaft 450.000 neu in die Flucht getriebene Menschen im afghanischen Inland und die UNHCR 650.000 Rückkehrer aus den umliegenden Ländern (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S.  4). Die Rückkehrer siedeln sich vor allem in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Kunduz, Logar und Baghlan an (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 24). Viele Binnenvertriebene haben familiäre Verbindungen nach Kabul (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 7). Die meisten Rückkehrer aus Pakistan ließen sich im Jahr 2016 mit 275.000 Personen in der Provinz Nangarhar (vgl. auch Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thomas R., v. 12.04.2017, S. 19 (75 %)), in und um Dschalalabad nieder, die zweitgrößte Gruppe mit 110.000 Personen in Kabul; gegenüber dem IOM bezeichneten die Befragten als dringendstes Bedürfnis ein Obdach (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 41).

Rückkehrer sehen sich, wie auch viele andere Afghanen, mit unzureichenden wirtschaftlichen Perspektiven und geringen Arbeitsmarktchancen konfrontiert, insbesondere wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit aus dem Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 5). Einige Untersuchungen gingen allerdings davon aus, dass Rückkehrer aufgrund ihrer in der Migration erworbenen Fähigkeiten besseren Zugang zu höherqualifizierten Tätigkeiten und ein höheres Einkommen erhalten würden; nach anderen Stellungnahmen spielen diese Fähigkeiten in Afghanistan keine Rolle (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 24).

Viele von den Rückkehrer zieht es nach Kabul, wo die Einwohnerzahl zwischen den Jahren 2005 und 2015 um 10 % gestiegen ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 27, 28; Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 75 f.: Anstieg von 500.000 im Jahr 2001 auf fünf bis sieben Millionen). Die Aufnahmekapazität Kabuls ist aufgrund begrenzter Möglichkeiten der Existenzsicherung, Marktliquidität, der fehlenden Verfügbarkeit angemessener Unterbringungsmöglichkeiten sowie des mangelnden Zugangs zu grundlegenden Versorgungsleistungen, insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen, sowie im Dienstleistungsbereich äußerst eingeschränkt (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 7). Die Bevölkerung in Kabul machte im Jahr 2015 41 % der städtischen Bevölkerung in Afghanistan aus (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 28). In Kabul lebten nach dem Analyseunternehmen Samuel Hall mit Stand März 2017 75 % der Bevölkerung in irregulären Siedlungen; in Kabuls irregulären Siedlungen sind die Zustände am schlechtesten (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 17, 61 f.). Um Kabul herum sind 50 solcher Camps, die ca. 40.000 Menschen beherbergen; dort herrschen Slum-ähnliche Bedingungen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 62; Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thoma R., v. 12.04.2017, S. 7). Die dortigen Behausungen bieten keinen zureichenden Schutz gegen die Kälte und Nässe in den Wintermonaten, sind überfüllt und bieten keine Privatsphäre; der Zugang zu einer Grundversorgung ist stark eingeschränkt (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 62). In Kabul ist Wohnraum zwar vorhanden, aber teuer (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 61). Über Eigentum in Kabul verfügen nur die Reichsten der Bevölkerung mit 5 % bis 10 %, eine Wohnung kostet um die 60.000 USD (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 62). Im Jahr 2013 verfügten 95 % der Haushalte in Kabul über Strom, 87 % über einen Fernseher, 97 % über ein Mobiltelefon, 50 % über bessere sanitäre Einrichtungen, 43 % über einen Kühlschrank, 33 % über einen Computer, 26 % über ein Auto und 10 % hatten Zugang zum Internet; aufgrund der Binnenflüchtlinge und Rückkehrer dürften sich diese Prozentzahlen zwischenzeitlich nach unten verändert haben (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 62). Im Jahr 2016 waren 40 % der Bevölkerung unter 15 und jeder Dritte unter 25 Jahre alt (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 17). 20 % der Vollzeitbeschäftigten in Kabul waren Frauen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 21). In der Provinz Kabul bestehen ca. 79 % der Beschäftigungsmöglichkeiten in der Landwirtschaft, ca. 6 % in der Industrie und 15 % im Dienstleistungsbereich (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 28). Die wirtschaftliche Situation in Kabul hat sich seit der zweiten Hälfte des Jahres 2015 immer weiter verschlechtert, auch mehr als im nationalen Durschnitt, so insbesondere auch die Arbeitsmarktsituation (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 28). Zuverlässige Daten zur berufstätigen Bevölkerung in Kabul gibt es - nach dem „Afghanistan Rights Monitor“ - nicht (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 28). Staatliche Stellen boten im Jahr 2016 nur noch wenige Stellen für qualifizierte Absolventen der Universitäten (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 28). Vetternwirtschaft und Korruption erschweren zusätzlich den Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten; ohne Beziehungen ist es schwer, eine Arbeit bei staatlichen Stellen oder NGOs zu erhalten (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 28). Viele Rückkehrer und Binnenflüchtlinge enden zunächst in Kabul in überfüllten und unterversorgten informellen Siedlungen, mit besonders schlimmen Zuständen im Winter (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 41). Die Mehrheit, von denen die es schaffen, sich lokal zu integrieren, schaffte es im Jahr 2015 innerhalb von drei Jahren den Lebensstandard der ansässigen Bevölkerung zu erlangen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 41). Arme Bewohner Kabuls werden mit Lebensmitteln und Kleidung durch ihre Nachbarn oder durch gemeinnützige Institutionen unterstützt; die Regierung und Moscheen bieten hingegen keine Hilfe bei der Beschaffung von Lebensmitteln (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 43). Die Lebensmittelversorgung hat sich in Kabul im Allgemeinen durch mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten, Armut und Suchtmittelabhängigkeit verschlechtert (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 43).

Auch in Herat hält sich eine große Zahl von Binnenvertriebenen auf, die sich mit einer erheblichen politischen Opposition und allgemeinen Ressentiments konfrontiert sehen (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 8). Nach dem IOM entscheide sich die größte Zahl der Rückkehrer für Herat, einige die vorher im Iran gelebt hätten wohl auch, um von dort aus wieder in den Iran zurückzukehren (www.faz.net, IOM warnt vor Abschiebungen nach Afghanistan, v. 22.02.2017). Herat ist eines der wichtigsten afghanischen Handelszentren mit historischen Verbindungen in den Iran und Turkmenistan (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 28). Im Jahr 2015 waren die kleineren und mittleren Unternehmen dort gut entwickelt, insbesondere im Handwerk, in Teppichen und Seide; in der Provinz existieren Schuh-, Handy- und Kühlgerätefabriken (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 28). In Herat haben im Zeitraum seit dem Jahr 2001 die meisten privaten Investitionen stattgefunden, hinsichtlich der hergestellten Produkte befindet man sich allerdings in Konkurrenz mit dem Iran (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 28). Die Beschäftigung in den Unternehmen fand im Jahr 2015 hauptsächlich entweder als Tagelöhner oder als Selbstständige statt (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 29). Für Beschäftigungsverhältnisse in staatlichen Stellen müssen üblicherweise hohe Preise bezahlt werden (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 29). Im Jahr 2015 waren ca. 59 % der über 15-jährigen bzw. 30.000 Einwohner ohne Arbeit (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 29). Mit der Beschäftigungslosigkeit steigt die Kriminalität (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 29). Im Jahr 2014 kamen nach Herat - im Rang hinter Dschalalabad - mit 33 % die meisten Rückkehrer (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 29). Vergleichbar mit Kabul sind die meisten Binnenflüchtlinge von einem Ernährer abhängig, der als Tagelöhner arbeitet oder anderer unsicherer oder saisonaler Arbeit nachgeht; einige Frauen arbeiten als Putzfrauen in privaten Haushalten oder als Verkäuferinnen, eine beachtliche Anzahl von Kindern als Müllsammler, Autoreiniger oder Straßenverkäufer; das durchschnittliche familiäre Einkommen beträgt 45 USD im Monat (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 29). Nach einer Studie des Analyseunternehmens Samuel Hall lebten im Jahr 2014 82 % der Haushalte unter der Armutsgrenze (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 41). Im Jahr 2017 wurde die Ausbeutung von Kindern durch Straßenbettler und Banden beschrieben (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 41). Rückkehrern, vor allem aus dem Iran, geht es in Herat besser als in anderen afghanischen Großstädten, auch wenn auch sie unter prekären Lebensbedingungen leben (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 41). Die Lebensmittelversorgung in Herat ist mit Masar-e Scharif gegenüber den anderen Großstädten am schlechtesten, trotz der früheren wirtschaftlichen Entwicklung; insbesondere werden die weite Verbreitung von Armut nicht etwa durch günstigere Lebensmittelpreise kompensiert (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 44). Die Armen gehen Betteln oder sammeln Müll (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 44). Im Jahr 2016 lebten 30 % der Bevölkerung in der Provinz Herat in Lebensmittelunsicherheit, allerdings besteht eine große Hilfsbereitschaft untereinander, so dass keine Todesfälle aufgrund von Hunger dokumentiert worden sind, obwohl in den zwei Jahren vor 2016 Hilfsprogramme reduziert wurden; Moscheen helfen nur bei besonderen Anlässen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 44). Die große Mehrheit der Binnenflüchtlinge in Herat sind von Lebensmittelunsicherheit betroffen, einige von ihnen auch von ernster Unsicherheit (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 44). Die Preise für Wohneigentum stiegen in Herat bis zum Jahr 2011 an, nach 2014 fielen sie um 20 % bis 30 % (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 63). 61,3 % der Bevölkerung in Herat waren im Jahr 2016 Eigentümer eines Hauses, 23,4 % lebten in gemieteten Unterkünften; 92,1 % verfügen über bessere sanitäre Einrichtungen, 80 % über Strom, 70 % über Wasser- und 30 % über eine Abwasserversorgung, 91 % über Mobiltelefone, 85 % über einen Fernseher, 63 % über einen Kühlschrank, 22 % über einen Computer, 16 % haben ein Auto, 10 % einen Generator und 16 % Zugang zum Internet (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 63). 5 % der Bevölkerung leben in provisorischen Unterkünften oder Zelten, 42,8 % in Häusern mit Dächern aus Beton (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 63). Im Jahr 2016 wurde das Salma Hydro Power Project begonnen; der Staudamm soll die Versorgung mit Elektrizität und Wasser in Herat und der Umgebung verbessern (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 63). Der Anteil von Binnenflüchtlingen an der Bevölkerung betrug Ende des Jahres 2015 10 %; ihre Versorgung mit zureichenden Unterkünften und sanitären Anlagen ist problematisch, eine Versorgung mit Elektrizität besteht in ihren Siedlungen nicht (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 64).

Die meisten Familien werden in Afghanistan durch ein Oberhaupt ernährt, das informelle, zeitweise und körperliche Arbeit, beispielsweise als Träger auf einem Markt oder Helfer auf dem Bau, ausübt; in etlichen Fällen müssen auch Kinder zum Familieneinkommen beitragen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 24). Dieses muss teilweise auch Verwandte, etwa von verstorbenen Brüdern, mitversorgen (Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thomas R., v. 12.04.2017, S. 9, 11). Die vielen Binnenflüchtlinge haben hier den Wettbewerb untereinander erhöht (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 24). Viele der in den informellen Siedlungen in Kabul lebenden Binnenvertriebenen ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund ihrer mangelnden Fähigkeiten zu lesen oder zu rechnen erschwert (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 24). Aufgrund des Überangebots an Arbeitskräften in den Städten sinken auch die Gehälter (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 24). Von den Frauen waren im Jahr 2014 in städtischen Gebieten 13 % und in den ländlichen Gegenden sowie im nationalen Durchschnitt 19 % berufstätig; im Jahr 2012 waren 75 % der allgemeinbildenden Lehrer in Kabul Frauen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 25 f.).

Danach ist eine pauschale Beurteilung der Lebensbedingungen auch für Rückkehrer nicht möglich. Vielmehr kommt es auf die konkrete Situation des Betroffenen an, etwa auch auf seine Bildung, Berufserfahrung, Beziehungen oder familiären Rückhalt. Neben Armut gibt es in Afghanistan auch Wohlstand und Reichtum, wenn auch weit weniger verbreitet; die Schere in der Gesellschaft ist insoweit weiter aufgegangen, auch wenn sich zwischenzeitlich eine Art Mittelschicht gebildet hat (vgl. Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thomas R., v. 12.04.2017, S. 7). Zum Teil haben sich die Lebensbedingungen auch verbessert und Rückkehrer erhalten Unterstützung.

Staatliche Maßnahmen zur Integration oder Neuansiedlung haben bereits positive Ergebnisse gezeigt, sind allerdings auch weiter erforderlich (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 8). Die Regierung hat sich ehrgeizige Ziele gesteckt und plant unter anderem durch ein Stimulus-Paket Arbeitsplätze und Wachstum zu schaffen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 24; Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 22). Afghanistan befindet sich in einem langwierigen Wiederaufbauprozess (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 4). Die internationale Gemeinschaft unterstützt die afghanische Regierung maßgeblich dabei, die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 22). Mehr als 95 % des afghanischen Budgets stammten auch im Jahre 2016 von der internationalen Staatengemeinschaft (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 2). Die internationale Gemeinschaft wird auch ihr ziviles Engagement fortsetzen und Deutschland wird den Wiederaufbau im Jahr 2017 mit 430 Millionen Euro unterstützen (www.bundesregierung.de, Deutsche Soldaten weiter in Afghanistan v. 16.11.2016). Auch wurde ein Beschäftigungsprogramm unter anderem für den Bau von Straßen und Schulen in ländlichen Regionen auf den Weg gebracht (www.stern.de, Deutschland will Afghanistan mit 240 Millionen Euro unterstützen, v. 10.03.2017). Für die Jahre 2017 bis 2021 versprachen mehr als 70 Länder insgesamt 13,6 Milliarden Euro finanzielle Unterstützung (Amnesty Report 2017 Afghanistan, S. 1). Zum Jahresende 2014 hat das Jahrzehnt der Transformation (2015‐2024) begonnen, in dem Afghanistan sich mit weiterhin umfangreicher internationaler Unterstützung zu einem voll funktionsfähigen und fiskalisch lebensfähigen Staat im Dienst seiner Bürgerinnen und Bürger entwickeln soll, wofür Afghanistan verstärkte eigene Anstrengungen zugesagt hat (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 4). Im Mai 2016 startete das Projekt „Casa 1000“, mit dem eine Stromleitung von Tajikistan auch nach Afghanistan errichtet und ab 2019 dem Energiemangel begegnet werden soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 25). Auch soll Afghanistan eine Flugfrachtverbindung nach Indien erhalten (www.aerotelegraph.com, Afghanistan bekommt Frachtverbindung nach Indien, v. 06.01.2017). Von Kabul aus soll in ganz Afghanistan ein 4G/LTE-Mobilfunknetz geschaffen werden, wozu die Afghan Wireless Communication Compay 400 Millionen US-Dollar investiert (www.finanzen.net, Afghan Wireless startet Afghanistans erstes 4G/LTE-Kommunikationsnetz, v. 05.05.2017). In drei Provinzen ist der Bau von Hybrid-Solarkraftwerken beabsichtigt (www.ee-news.ch, Exportinitiative: Afghanistan schreibt drei Hybrid-Solarkraftwerke aus, v. 25.09.2017). Das Verelendungsrisiko einzelner Bevölkerungsgruppen in Afghanistan weicht stark voneinander ab, für alleinstehende Personen bewegte es sich bis zum Jahr 2007 lediglich im Bereich zwischen 10 und 15 %; das Armutsrisiko stieg bei einer Haushaltsgröße von drei Personen (11 %) bis zu einer Haushaltsgröße von neun Personen (über 40 %) kontinuierlich und lag bei einer Haushaltsgröße von 15 Personen sogar bei über 45 % (OVG NRW, Urt. v. 27.01.2015 - 13 A 1201/12.A -, juris Rn. 48). In Dschalalabad wird eine Teppichknüpferinnenschule gebaut, die Witwen und alleinstehenden Frauen ab April 2017 die Möglichkeit geben soll, ihren Lebensunterhalt zu verdienen (www.badische-zeitung.de, Eine neue Chance für 120 Frauen, v. 31.03.2017). Regierungs- und ausländische Förderprogramme fördern den Safran-Anbau als Alternative zum Opiumanbau (de.euronews.com, Afghanistan: Safran bald Alternative zum Mohn-Anbau?, v. 09.11.2017). Im Jahr 2017 wird die größte Mohnernte aller Zeiten erwartet (www.nt-v.de, Afghanistan verdoppelt Drogenernte, v. 15.11.2017). Insbesondre in den Provinzen Helmand und Balkh ist der Anbau stark angestiegen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 20.11.2017).

Nachdem im Jahr 2011 nur 7,5 % der Bevölkerung über eine adäquate Wasserversorgung verfügten, haben im Jahr 2016 46 % Zugang zu Trinkwasser (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 25; vgl. auch UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31). Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hat seit 2002 in Afghanistan über 700 Trinkwassersysteme gebaut (www.giz.de, Afghanistan: Unter einem Dach, v. 04.04.2017). Anfang Juni 2017 wurde allerdings die Mehrzahl der Mitarbeiter der GIZ aufgrund der Sicherheitslage aus Afghanistan ausgeflogen (www.deutschlandfunk.de, Deutsche Entwicklungshelfer ausgeflogen, v. 03.06.2017). China unterstützt Afghanistan seit Oktober 2017 mit Getreidelieferungen (german.cri.cn, Afghanistan: China liefert Getreidenothilfe, v. 30.10.2017). Auch Indien engagiert sich im Handel mit Afghanistan (deutsch.rt.com, Indien verschafft sich unter Umgehung Pakistans Zugang zu Afghanistan - auch Iran profitiert, v. 06.11.2017). Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen bereits Fortschritte gemacht, die allerdings nach wie vor nicht alle Landesteile erreichen und außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen sind (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 5). Die Situation der Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verbessert, so werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult; der Anteil der Mädchen beträgt mittlerweile 37,5 %, nachdem sie unter der Taliban-Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen waren (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 12; www.spiegel.de, Zwei von drei Mädchen gehen nicht zur Schule, v. 17.10.2017). Im Jahr 2001 gab es lediglich 21.000 Lehrer für fünf Millionen Kinder und Jugendliche im Schulalter (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 44). Von 2002 bis 2016 hat sich die Zahl der Schuleinschreibungen von einer Million auf 8,3 Millionen erhöht; in 2015 befanden sich zudem 300.000 Schüler in höheren Bildungseinrichtungen gegenüber 10.000 am Ende des Jahres 2001 (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 44). Allerdings stehen an den Universitäten lediglich 55.000 Plätze zur Verfügung, gegenüber 300.000 Bewerbern (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 46). Nach inoffiziellen Abmachungen zwischen dem afghanischen Staat und den Taliban, akzeptieren diese seit 2014 prinzipiell auch Mädchenschulen bis zur sechsten Klasse (www.taz.de, Kurioses aus Afghanistan: Die Taliban entdecken ihre grüne Ader, v. 26.02.2017). In 2015 gingen 36 % der Mädchen zur Schule gegenüber 3 % im Jahr 2001, die Zahl der Lehrer ist 185.000 gestiegen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 44). Die Zahlen sind jedoch unzuverlässig (Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thoma R., v. 12.04.2017, S. 6). Der Anteil weiblicher Lehrkräfte in Kabul beträgt 75 % (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 47). Die Organisation Kinderhilfe Afghanistan hat im Osten Afghanistans im Paschtunen Gebiet und Heimat der Taliban in Absprache und mit Einverständnis der jeweiligen Mullahs 30 Haupt-, Ober- und Berufsschulen für ca. 60.000 Schüler, die meisten von ihnen Mädchen, gebaut sowie 15 Computerschulen; im Jahr 2014 wurde dort die erste Universität der Organisation eingeweiht (SZ, „Wir zahlen nie Schmiergeld“, v.  07.04.2017). Demgegenüber wurden im Jahr 2016 aber auch 1.000 Schulen aufgrund der Sicherheitslage geschlossen (ZAR 5-6/2017, Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt, S. 193). Das Bildungswesen ist kostenfrei (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 3). Allerdings werden die Bildungsmöglichkeiten im Jahr 2017 durch die anhaltenden Kämpfe und die Rückkehr vieler Flüchtlinge aus Pakistan eingeschränkt (www.deutschlandfunk.de, Mehr als 400.000 Kinder können nicht mehr zur Schule gehen, v. 24.03.2017). Aufgrund der Idee einer Gruppe von afghanischen Unternehmensgründerinnen, die die Mädchenbildung in Afghanistan fördern, wurde ein Computer-Trainingsprogramm ins Leben gerufen und dreizehn Computer- und Programmierzentren in Kabul und Herat gegründet, wodurch bislang 55.000 Studentinnen online gebracht werden konnten (www.dw.com/de, Afghanische Mädchen durchbrechen Cyber-Grenzen, v. 19.04.2017).

Auch die medizinische Versorgung hat sich seit 2005 erheblich verbessert, was auch zu einem deutlichen Anstieg der Lebenserwartung geführt hat (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 24, 25). Diese wurde im Jahr 2015 auf 53 Jahre bei Frauen und 50 Jahre bei Männern geschätzt (www.liportal.de, Afghanistan, Gesellschaft, Stand: Juli 2017). Dennoch besteht landesweit eine unzureichende Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung und Fachpersonal (vgl. auch Bay. VGH, Urt. v. 17.03.2016 - 13a B 16.30007 -, juris Rn. 18), wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). Afghanen, die es sich leisten können fahren zu Behandlungen nach Pakistan oder Indien (Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thomas R., v. 12.04.2017, S. 8). 36 % der Bevölkerung haben keinen Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31; Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thomas R., v. 12.04.2017, S. 8). Insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten sowie unter Nomaden kommt es zu schlechten Gesundheitszuständen von Frauen und Kindern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 25). Al Jazeera beschreibt im Jahr 2016 das afghanische Gesundheitssystem als eines der schlechtesten der Welt (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: 1) Existenzmöglichkeiten für minderjährige unbegleitete Hazara ohne berufliche Ausbildung und verwandtschaftliche Beziehungen; 2) Medizinische Versorgung, medikamentöse Versorgung (inkl. Kostenfaktor); 3) Versorgungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung, v. 21.11.2016, S. 6). Aufgrund der Fortschritte in der medizinischen Versorgung hat sich allerdings etwa die Müttersterblichkeit von 1,6 % auf 0,324 % gesenkt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). An dieser Reduzierung kommen allerdings zwischenzeitlich Zweifel auf (www.tt.com, Müttersterblichkeit in Afghanistan laut Bericht deutlich höher als angegeben, v. 31.01.2017). Staatliche Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung (SFH, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, v. 05.04.2017, S. 4; International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 1). In der Praxis müssen Patienten aber dennoch oft für Behandlungen und Medikamente aufkommen (SFH, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, v. 05.04.2017, S. 5). Private Krankhäuser gibt es in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Masar-e Scharif, Herat und Kandahar (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 1). Eine staatliche Krankenversicherung gibt es nicht, private Gesundheitseinrichtungen seien für einheimische Patienten unerschwinglich (SFH, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, v. 05.04.2017, S. 4). Chirurgische Eingriffe etwa oder spezielle Untersuchungen (wie etwa Computer Tomographie) werden nur an ausgewählten Orten geboten (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 18).  Eine gute medizinische Versorgung auch komplizierterer Krankheiten bieten das French Medical Institute und das Deutsche Diagnostische Zentrum (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). Die Organisation Kinderhilfe Afghanistan hat im Osten Afghanistans Mutter-Kind-Kliniken sowie zwei Waisenhäuser gebaut (SZ, „Wir zahlen nie Schmiergeld“, v.  07.04.2017). Medikamente sind in öffentlichen Krankenhäusern mit kostenloser medizinischer Versorgung oft nicht verfügbar (SFH, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, v. 05.04.2017, S. 4). Die Verfügbarkeit kostenloser Medikamente in öffentlichen Krankenhäusern ist aufgrund internationaler Finanzierung möglich und dementsprechend auch von ihr abhängig (SFH, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, v. 05.04.2017, S. 7)). Medikamente sind allerdings auch auf (allen) Märkten (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 1) und in privaten Apotheken zu erwerben (SFH, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, v. 05.04.2017, S. 4). So sind beispielsweise Sertralin (Antidepressivum), Flupentixol (Neuroleptikum) und Amitriptylin (Antidepressivum) in afghanischen Apotheken erhältlich (vgl. SFH, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, v. 05.04.2017, S. 6; vgl. zur Verfügbarkeit von Antidepressiva auch OVG NRW, Beschl. v. 05.09.2016 - 13 A 1697/16.A, juris Rn. 13 ff.). So besteht auch eine hohe Medikamentenabhängigkeit, die teilweise auf bis zu 80 % geschätzt wird (Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thomas R., v. 12.04.2017, S. 18). Die in Afghanistan erhältlichen Medikamente sind teuer, zudem oft gefälscht und von schlechter Qualität (SFH, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, v. 05.04.2017, S. 4 f.; vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 05.09.2016 - 13 A 1697/16.A, juris Rn. 11). In Afghanistan mangelt es auch an ausgebildetem Personal, insbesondere auch Psychiatern, Sozialarbeitern und Psychologen (SFH, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, v. 05.04.2017, S. 3). In der nunmehr in Herat durch ein christliches Hilfswerk betriebenen Zahnklinik wurden im ersten Jahr mehr als 5.000 Erwachsene kostenlos behandelt, insbesondere auch Frauen und Kinder (www.presseportal.de, Neue Zahnklinik in Herat erreichte im ersten Jahr über 10.000 Menschen / Schulzahnarztprogramm ist das Herzstück - Kostenlose Behandlung für Arme, v. 11.05.2017). Dort ist auch der Aufbau eines Brustkrebszentrums geplant (sdp.fnp.de, Asklepios Klinik unterstützt Brustkrebs-Zentrum in Afghanistan; v. 10.08.2017). Das Nejat Center bietet Drogenkonsumenten und an AIDS erkrankten Personen innerhalb und außerhalb Kabuls Prävention, Behandlung und Betreuung, unter anderem mit stationären Betten, Notschlafstellen und ambulanten Behandlungsplätzen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde, v. 07.06.2017, S. 8). Die Taliban behindern in bestimmten Regionen die medizinische Versorgung (m.faz.net, Taliban verbieten Polio-Impfungen, v. 14.07.2017; deutsch.rt.com, Eine der größten NGOs im Gesundheitssektor schließt ihr Büro in Afghanistan wegen Talibandrohungen, v. 28.07.2017). Gesundheitseinrichtungen sind auch immer wieder Ziel von Angriffen. So gebe es nach der UNO Mitte des Jahres 2017 durchschnittlich 13 Angriffe im Monat auf Kliniken; die Zahl habe sich gegenüber 2016 verdreifacht (kurier.at, UNO: Afghanistan für Helfer sehr gefährlich, v. 14.07.2017). Die KfW Entwicklungsbank hat in Afghanistan seit dem Jahr 2010 380 Projekte abgeschlossen, zuletzt im Dezember 2017 in der Provinz Baghlan den Aufbau eine Gesundheitsstation zur Behandlung von 60 Menschen täglich, eines Trainingszentrums für medizinisches Personal und dreier Schulen für 3.400 Schüler, davon 3.265 Mädchen (www.kfw-entwicklungsbank.de, Gesundheitszentren und Schulen für Nord-Afghanistan, v. 13.12.2017).

Rückkehrer aus Deutschland, deren Flüge grundsätzlich von einem Arzt begleitet werden (www.sozialticker.com, 700 Euro pro Person für tolle Maßnahmen in Afghanistan, v. 05.05.2017) werden in Kabul vom afghanischen Flüchtlingsministerium, von Mitarbeitern der Internationalen Organisation für Migration, von der gemeinnützigen humanitären Organisation für psychosoziale Betreuung und der Bundespolizei vor Ort in Empfang genommen und versorgt (Schreiben des Bundesministeriums des Innern v. 09.01.2017 an die Innenminister und -senatoren der Länder, S. 4). Das Rückkehrförderprogramm REAG/GARP sieht neben der Übernahme der Rückreisekosten eine Reisebeihilfe von 200 Euro und zusätzlich Startgeld in Höhe von 500 Euro je Person über zwölf Jahren vor (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 34; Runderlass des Ministeriums für Inneres und Sport v. 21.06.2016, Nds. MBl. 2016 Nr. 26, S. 699, geändert durch Verwaltungsvorschrift v. 17.07.2017, Nds. MBl. Nr. 30, S. 990, Ziff. 2.2, 3.1.1). Für eine Überbrückungszeit von zwei Monaten können auch Kosten für Medikamente übernommen werden, die lebensnotwendig sind oder der Vermeidung einer schwerwiegenden Erkrankung dienen (Runderlass des Ministeriums für Inneres und Sport v. 21.06.2016, Nds. MBl. 2016 Nr. 26, S. 699, geändert durch Verwaltungsvorschrift v. 17.07.2017, Nds. MBl. Nr. 30, S. 990, Ziff. 2.1.3). Ein Rechtsanspruch auf die Hilfen besteht dabei allerdings nicht (Runderlass des Ministeriums für Inneres und Sport v. 21.06.2016, Nds. MBl. 2016 Nr. 26, S. 699, geändert durch Verwaltungsvorschrift v. 17.07.2017, Nds. MBl. Nr. 30, S. 990, Ziff. 5.1). Das Rückkehr- und Integrationsprojekt ERIN gewährt einen Service bei der Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen sowie berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei der Existenzgründung (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 34). Die Europäische Union unterstützt das Programm mit 18 Millionen Euro (www.tt.com, Organisation für Migration und EU helfen Rückkehrern in Afghanistan, v. 14.03.2017). Im Falle der freiwilligen Rückkehr ist eine Integrationshilfe von bis zu 2.000 Euro vorgesehen, bei einer Rückführung bis zu 700 Euro (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 34). Einige Rückkehrer nutzen die Hilfen allerdings für ein erneutes Verlassen des Landes (www.focus.de, Schicksal von Arasch und Badam, v. 17.03.2017). Zudem bestehen wohl weiterhin Koordinierungsschwierigkeiten (Bay. VGH, Urt. v. 23.03.2017 - 13a B 17.30030 -, juris Rn. 24). Weiter ist auch geplant, den Rückkehrern Anschlussflüge zum gewünschten Zielort innerhalb Afghanistans anzubieten und ein Informationsbüro als Beratungsstelle einzurichten (Schreiben des Bundesministeriums des Innern v. 09.01.2017 an die Innenminister und -senatoren der Länder, S. 4). Rückkehrer können bis zu zwei Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2). Auch Flüchtlingsorganisationen bieten Unterkunft für die ersten Tage bzw. Wochen nach einer Rückkehr (SZ, Zurück auf Null, v. 08.04.2017). Die IOM hilft in Gemeinden mit vielen Rückkehrern die Infrastruktur zu verbessern, Ideen zum Verdienen des Lebensunterhaltes zu entwickeln und Märkte zu organisieren, auf dem Land werden Felder hergerichtet und Wasserkanäle gesäubert (www.tt.com, Organisation für Migration und EU helfen Rückkehrern in Afghanistan, v. 14.03.2017). Die von der deutschen Regierung unterstützte Organisation IPSO bietet in Kabul psychosoziale Hilfe an, nimmt die Rückkehrer am Flughafen in Empfang und geht auch in die Gästehäuser, in denen die Abgeschobenen erst einmal unterkommen; für schwere Fälle ist die Organisation allerdings nicht ausgerüstet (www.focus.de, Schicksal von Arasch und Badam, v. 17.03.2017). Nach der gutachterlichen Stellungnahme von Frau Dr. L. an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011 sei es eher unwahrscheinlich, dass ein afghanischer Migrant weder im Herkunftsland bzw. den Nachbarländern noch im Aufnahmeland keine familiären Bezugspersonen hat, zumal es ein übliches Verfahren sei, durch Beschluss des Familienclans das stärkste Mitglied ins Ausland zu senden, um die wirtschaftliche Situation der Familie zu unterstützen (S. 3; vgl. auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Dossier der Staatendokumentation, AfPak, Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, 2016, S. 76). Rückkehrer würden auch in der Regel nicht verstoßen und selbst bei entfernten Verwandtschaftsverhältnissen zumindest zeitweise aufgenommen (Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 13). Auch würden diejenigen, denen es gelungen sei, bis nach Europa zu kommen, zum mobileren Teil der Bevölkerung gehören, die es erfahrungsgemäß bei einer Rückkehr schaffen würden, ihre Beziehungen so zu gestalten, dass sie ihr Leben sichern können würden (Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 12). Insoweit würden ohnehin soziale Kompetenzen, wie Durchsetzungs- und Kommunikationsfähigkeit mehr zählen als eine Ausbildung, so etwa für den Start eines Kleinhandels, den Rückkehrer auch eher eröffnen, als sich der Konkurrenz um Aushilfsjobs zu stellen (Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 12, 9). Für diejenigen, denen etwas Geld zur Verfügung steht und die entsprechende Fähigkeiten mitbringen, bestand auch im Jahr 2017 die Möglichkeit, ein Geschäft zu eröffnen, so etwa einen Verkaufsladen oder einen Autohandel (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 23). Für Aushilfsjobs bzw. Tagelöhnerjobs ist die körperliche Konstitution maßgeblich, bei handwerklichen Tätigkeiten das Vorhandensein von eigenem Werkzeug und bei längerfristigen Arbeitsverhältnissen eine Vermittlung über einen Stammes- oder Clanzugehörigen (Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 11; vgl. auch Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 76).

Nach einer Studie der UNHCR zur Situation von Rückkehrern aus dem Iran und Pakistan, im Jahr 2015 von denen viele noch nie in Afghanistan gelebt hatten, berichteten 97 Prozent der Befragten bei einem Interview ein bis drei Monate nach der Rückkehr, durch die lokale Gemeinschaft gut aufgenommen worden zu sein (VG Berlin, Urt. v. 14.06.2017 - 16 K 207.17 A -, juris Rn. 45 unter Verweise auf UNHCR, Voluntary Repatriation to Afghanistan 2015, 1. Januar - 31. Dezember 2015 [UNHCR, Voluntary Repatriation 2015], S. 1 und 6). Die Befragten nahmen die Suche nach einer Unterkunft zwar als problematisch wahr, doch lebten sechs bis acht Monate nach der Rückkehr 90 Prozent in Häusern, auch wenn sie sich diese teilweise mit anderen Haushalten teilen mussten; nur sieben Prozent der Befragten mussten in einer vorübergehenden Unterkunft („temporary shelter“) wie einem Zelt oder einem öffentlichen Gebäude leben, drei Prozent sprachen von sonstigen Unterkünften (VG Berlin, Urt. v. 14.06.2017 - 16 K 207.17 A -, juris Rn. 45 unter Verweis auf UNHCR, Voluntary Repatriation 2015, S. 8). Das Einkommensniveau der Befragten war zwar niedrig, die Erwerbsquote jedoch sogar leicht besser als der nationale Durchschnitt (VG Berlin, Urt. v. 14.06.2017 - 16 K 207.17 A -, juris Rn. 45 unter Verweis auf UNHCR, Voluntary Repatriation 2015, S. 11). Die entsprechende Studie des UNHCR für das Jahr 2016 vom 3. Februar 2017 bestätigt dies ebenfalls. Danach wurden 93 Prozent der Rückkehrer von der örtlichen Gemeinschaft gut aufgenommen, 75 Prozent gaben drei Monate nach der Rückkehr an, mit der Rückkehrentscheidung zufrieden zu sein (VG Berlin, Urt. v. 14.06.2017 - 16 K 207.17 A -, juris Rn. 45 unter Verweis auf UNHCR, Tough choices for Afghan refugees returning home after years in exile, 3. Februar 2017).

Die Deutsche Presseagentur hat drei der von Deutschland seit Dezember 2016 nach Afghanistan abgeschobenen jungen Männer ein Jahr lang begleitet; einer der Rückkehrer hat in Kabul bei einer internationalen Organisation Arbeit gefunden, ein anderer ist bei einem Freund seiner Familie außerhalb Kabuls untergekommen und versuche erst gar nicht Arbeit zu finden, weil er niemanden in Kabul kennen würde, der Dritte habe sich Werkstätten in Kabul für einen Ausbildungsplatz angeschaut, sie seien aber zu dreckig gewesen und die Meister nicht intelligent genug, er beabsichtige seine Verlobte in Deutschland zu heiraten (www.bayerische-staatszeitung.de, Die Abgeschobenen - Drei Leben in Afghanistan, v. 21.12.2017).

Danach mag sich ein alleinstehender junger arbeitsfähiger Mann zwar durchaus die notwendige Existenzgrundlage für sich selbst sichern können. Das Gericht hat jedoch durchgreifende Zweifel, dass dies auch für den Kläger zu 1. möglich ist, der neben seiner Frau auch noch seine drei minderjährigen Kinder, die Kläger zu 2. bis 4. zu versorgen hat. Der Schutz für Asylbewerber ist umso wichtiger, wenn die Betroffenen Kinder sind, weil sie besondere Bedürfnisse haben und extrem verwundbar sind; das gilt auch, wenn die Kinder als Asylbewerber von ihren Eltern begleitet sind (EGMR (Große Kammer), Urt. v. 04.11.2014 - 29217/12 (Tarakhel /Schweiz), NVwZ 2015, 127 Rn. 119 zu Art. 3 EMRK). Bei minderjährigen Kindern ist auch zu berücksichtigen, dass Kinder grundsätzlich verletzlicher und ihre Bewältigungsmechanismen noch unentwickelter sind (UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern, v. 22.12.2009, S. 10). Kinder neigen zudem mehr dazu, feindselige Situationen als verstörend zu empfinden, Drohungen Glauben zu schenken und von ungewohnten Umständen emotional beeinträchtigt zu werden (UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern, v. 22.12.2009, S. 10). Sie reagieren auch stärker auf Handlungen, die gegen nahe Verwandte gerichtet sind (UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern, v. 22.12.2009, S. 10). Was für einen Erwachsenen unbequem ist, kann für ein Kind eine ungebührende Härte darstellen (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 98; UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern, v. 22.12.2009, S. 25).

Unter Berücksichtigung des Kindeswohls und der humanitären Umstände in Afghanistan, insbesondere auch der schwierigen Erwerbsmöglichkeiten, sowie der schwierigen Lage von Frauen ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass ein Niederlassen des Familienverbandes an einem anderen Ort als ihrer Herkunftsregion den Klägern, aufgrund der in Afghanistan für sie zu erwartenden Lebensbedingungen und den daraus resultierenden Gefährdungen, zumutbar ist. Das Gericht kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass der Kläger zu 1. gegebenenfalls mit Unterstützung des bald 16-jährigen Klägers zu 2. bei einer Rückkehr nach Afghanistan, selbst in Herat oder Masar-e Scharif, die Existenzgrundlage für den Familienverband nicht in ausreichendem Maße sichern können wird. Auch der UNHCR geht nicht mehr - wie noch in seinen Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 24. März 2011 (S. 15) - davon aus, dass neben alleinstehenden Männern auch Kernfamilien (single males and nuclear family units) unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft leben könnten (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris Rn. 28). Ein alleinstehender arbeitsfähiger junger Mann ohne Berufsqualifikation wird zwar durch Aushilfsjobs sein Existenzminimum sichern, nicht jedoch die Ernährung einer Familie in ausreichendem Maße gewährleisten können (vgl. Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 9). Familien haben nach Einschätzung der UNICEF häufig keine andere Wahl, als in Slums zu wohnen, wo sie keinen Zugang zu akzeptablen Wohnbedingungen, Wasser, sanitären Einrichtungen, Gesundheitsversorgung und Bildung haben und aufgrund der beschränkt verfügbaren Flächen würden auch wenig geeignete Orte wie die steilen Hänge um Kabul besiedelt (Bay. VGH, Urt. v. 23.03.2017 - 13a B 17.30030 -, juris Rn. 22). Diese informellen Siedlungen sind - wie oben bereits dargestellt - durch schwierige naturgegebene Merkmale wie extreme Winter, beschränkten Zugang zu sauberem Wasser und unhygienische Bedingungen geprägt, was bei (Klein-)Kindern besonders ins Gewicht fällt (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 23.03.2017 - 13a B 17.30030 -, juris Rn. 22).

Kinder können im jeweiligen Fall in Afghanistan der Gefahr der Rekrutierung, des Kinderhandels, der Entführung, Zwangskinderarbeit, Kinderheirat, Kinderprostitution und Kinderpornographie sowie der systematischen Verweigerung von Bildung ausgesetzt sein (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 75). Die Situation der Kinder hat sich, vor allem für männliche Kinder und hinsichtlich der Bildungschancen, zwar in den vergangenen Jahren verbessert (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 12). Die Anzahl der eine Schule besuchenden Mädchen liegt weiterhin unter der der Jungen (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 78). Das Bildungswesen ist kostenfrei (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 3). Jedoch kommt es weiterhin zu körperlichen Übergriffen auf Kinder und Züchtigungen im familiären Umfeld, in der Schule oder durch die Polizei, insbesondere in ländlichen Gebieten und zu Zwangsverheiratungen, die weit verbreitet sind (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 12). Kinderarbeit ist Afghanistan zwar verboten, im Jahr 2014 haben dennoch 51,8 % der Kinder gearbeitet (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 13); auch existieren Formen der Schuldknechtschaft (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 76). Es gibt Kinder im Alter von zehn Jahren, die regelmäßig arbeiten müssen und Berichte über Kinder im Alter von zwölf Jahren, die untertage arbeiten; weit verbreitet ist auch die Tätigkeit in Ziegelbrennereien (Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thomas R., v. 12.04.2017, S. 10 f.). Ob ein Kind von Zwangsarbeit bedroht ist, hängt auch von seiner sozialen Schicht ab (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 80). Über eine Millionen Kinder leiden an akuter Unterernährung (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, v. 30.09.2016, S. 19). Ca. 10 % der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag; zu den am wenigsten geschützten Gruppen in Afghanistan gehören Straßenkinder (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 13), deren Zahl teilweise auf sechs Millionen geschätzt wird (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 77 Fn. 425). Die Kindersterblichkeit beträgt 45 % (www.boell.de, Ernährungsdiskriminierung von Frauen in Afghanistan, v. 07.08.2017). Zudem besteht die Gefahr von Rekrutierungen von Kindern und Jugendlichen, auch aus einem sexuellen Interesse heraus; seit dem Jahr 2015 ist die Rekrutierung Minderjähriger zwar unter Strafe gestellt, eine polizeiliche Aufklärung findet jedoch nicht statt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 12 f.). Bis März 2016 hat es auch deutliche Fortschritte gegeben, dennoch kommen Fälle von Rekrutierungen Minderjähriger weiterhin vor (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 52 f.). Die US-Behörde für den Wiederaufbau in Afghanistan (Sigar) wirft der afghanischen Regierung im Jahr 2017 allerdings vor, bei sexuellem Missbrauch von Jungen in Afghanistan, die Opfer weder zu identifizieren noch ihnen zu helfen; in einigen Fällen seien diese sogar festgenommen oder strafrechtlich verfolgt worden (www.epochtimes.de, US-Bericht: Afghanische Regierung mitschuldig an Kindesmissbrauch, v. 01.08.2015). Weiter kommt es zu Aussetzungen und genereller Vernachlässigung (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 77). In 80 % der von der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission registrierten Fälle sexueller Übergriffe waren die Opfer jugendliche Mädchen unter 18 Jahren (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 77 Fn. 430). Kinder vermögen regelmäßig keinen staatlichen Schutz vor sexuellen Übergriffen zu erlangen (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 78). Im Jahr 2015 sind mindestens 1.427 Kinder in bewaffneten Konflikten getötet worden (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 13). Die Zahl der von der UNAMA gezählten getöteten oder verletzten Kinder ist in 2016 um 24 % auf 3.512 gestiegen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, v. 06.02.2017). Im ersten Quartal 2017 gab es nach einem Bericht der UNAMA 210 getötete - 17 % mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum - und 525 verletzte Kinder (www.zeit.de, UNO: Ein Drittel der zivilen Todesopfer in Afghanistan Kinder, v. 27.04.2017).

Für Frauen hat sich die Situation seit dem Ende der Taliban-Herrschaft zwar erheblich verbessert (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 13 ff.). Dies zeige auch das Straßenbild Kabuls, wo sich einige Frauen noch von Kopf bis Fuß in einen Tschador kleiden, viele andere sich jedoch westlich anziehen und zur Arbeit oder zur Schule gehen würden (www.dw.com/de, Afghanische Mädchen durchbrechen Cyber-Grenzen, v. 19.04.2017). Bereits in den Jahren 2002 bis 2014 waren in Städten wie Kabul oder Herat Frauen, die lange Zeit im Iran gelebt hatten, vor allem an ihrer Kleidung und ihrem Auftreten zu erkennen; sie wollten damit zeigen, dass sie sich mit der traditionellen Rolle der Frau in Afghanistan nicht abfinden mochten (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Dossier der Staatendokumentation, AfPak, Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, 2016, S. 26). Auch eine politische Partizipation findet statt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 14). Dennoch wird Afghanistan weiterhin als ein für Frauen und Mädchen sehr gefährliches Land betrachtet (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 65). Eine Frau ist in Afghanistan grundsätzlich Besitz, sogar Ware, und sie verkörpert die ‚Ehre‘ der Familie, die unbedingt beschützt werden muss (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Situation von Witwen (Schutz, Arbeit, Wohlfahrtsstrukturen), v. 26.08.2016). Nach dem afghanischen Zivilgesetzbuch sind Frauen der Aufsicht der Männer unterstellt und müssen sich deren Willen unterwerfen, nach der Scharia ist demgegenüber der Mann verpflichtet, seine Ehefrau zu versorgen (www.boell.de, Ernährungsdiskriminierung von Frauen in Afghanistan, v. 07.08.2017). Seit dem Jahr 2001 wurden allerdings bereits große Anstrengungen unternommen, um die gesetzlich verankerte Diskriminierung der Frauen abzubauen und hierzu etwa auch die Verfassung geändert; erforderlich wäre aber auch eine Reform des nationalen Rechts und eine Erzielung eines breiten gesellschaftlichen Konsens (www.boell.de, Ernährungsdiskriminierung von Frauen in Afghanistan, v. 07.08.2017). Im Rahmen des paschtunischen Ehrenkodex („Paschtunwali“; vgl. hierzu Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Dossier der Staatendokumentation, AfPak, Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, 2016) werden Frauen als Objekt der Streitbeilegung missbraucht (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 15). Im Falle einer rechtswidrigen sexuellen Beziehung („Zina“) ist nach dem Paschtunwali jedenfalls die Frau zu töten, nach der Scharia bei einer verheirateten Frau durch Steinigung, bei einer unverheirateten sind als Bestrafung hundert Peitschenhiebe vorgesehen (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Dossier der Staatendokumentation, AfPak, Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, 2016, S. 51). Die Diskriminierung von Frauen ist tief verwurzelt (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 66). Frauen im öffentlichen Leben und in öffentlichen Ämtern werden bedroht, eingeschüchtert und gewaltsam angegriffen (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Flüchtlinge, v. 19.04.2016, S. 45 f.). Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet, vor allem innerhalb der Familienstrukturen, aber auch im beruflichen Umfeld etwa innerhalb des Sicherheitssektors (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 19.10.2016, S. 14 f.). Frauen haben ohne männliche Begleitung regelmäßig keinen Zugang zu Arbeit, Bildung oder medizinischer Versorgung (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Situation einer ledigen Mutter der Hazara-Ethnie in Kabul, v. 22.01.2016, S. 5). Trotz Fortschritten treffen Armut und Analphabetismus Frauen besonders (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, v. 30.09.2016, S. 17). Auf der anderen Seite studieren auch Frauen in Afghanistan und gründen erfolgreiche Unternehmen (www.berliner-zeitung.de, Start-Up Laman in Afghanistan: Wie eine junge Designerin trotz Terror Mode neu erfindet, v. 27.05.2017; www.dw.com/de, Afghanische Mädchen durchbrechen Cyber-Grenzen, v. 19.04.2017; de.qantara.de, Mädchen durchbrechen Cyber-Grenzen, v. 08.05.2017), arbeiten als Journalistinnen und nehmen an Talentshows (www.nzz.ch, Mutige Journalisten in einem Kriegsland, v. 23.04.2017) oder Wissenschaftswettbewerben (derstandard.at, Afghanisches Mädchen-Team für Robotik darf nicht zu US-Wettbewerb, v. 02.07.2017; www.spiegel.de, Afghanische Schülerinnen dürfen doch in die USA, v. 13.07.2017; www.faz.net, Die Mädchen und der Roboter, v. 27.11.2017) teil. Zwölf Spielerinnen der afghanischen Frauenfußballnationalmannschaft leben in Afghanistan (www.tagesspiegel.de, Afghanistans Torhüterin kommt aus Zehlendorf, v. 25.04.2017). Im Mai 2017 startete auch der von Frauen für Frauen produzierte Fernsehsender Zan TV (derstandard.at, Afghanistan: Erster Frauensender will Frauenrechte stärken, v. 23.05.2017), ein weiterer Sender ist geplant (www.faz.net, Auf Sendung für Frauenrechte, v. 18.09.2017) und durch drei Frauen wird seit Mitte des Jahres 2017 das erste Hochglanzmagazin herausgegeben (www.sz-online.de, Afghanistans erstes Frauenmagazin, v. 15.06.2017), das von Haustür zu Haustür verkauft wird (www.deutschlandfunk.de, Ein positives Bild der afghanischen Frauen, v. 15.08.2017). Im Jahr 2014 waren 16,05 % der Frauen erwerbstätig (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2) bzw. übten im Jahr 2015 15,8 % der Frauen entweder Arbeit aus oder suchten Arbeit (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 28). Die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen variiert je nach Region und ethnischer bzw. Stammeszugehörigkeit und ist den Umfrageergebnissen der Asia Foundation 2016 zufolge unter den Hazara am höchsten (84,6 %), gefolgt von Usbeken (82,6 %) und Tadschiken (75,6 %), unter Paschtunen dagegen am niedrigsten (66,2 %); so tragen etwa in der zentralen Hochlandregion laut Studie 46 % der Frauen zum Haushaltseinkommen bei, in den östlichen, südwestlichen und nordöstlichen Regionen dagegen sind es nur zwischen 11 und 14 % (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 28.07.2017, S. 11).

Unter Berücksichtigung der dargestellten Erkenntnisse ist das Gericht nicht mit der hierfür erforderlichen Sicherheit davon überzeugt, dass es dem Kläger zu 1., trotz seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit und seiner Ausbildung, gelingen wird, eine Beschäftigung zu finden, die es ihm ermöglicht, seine Familie ausreichend mit Obdach und Lebensmitteln zu versorgen. Seine bisherigen geschäftlichen Verbindungen bestanden insbesondere in Kabul und zu den dortigen staatlichen Stellen, die ihm aufgrund des den Klägern in Kabul drohenden Schadens nicht mehr zur Verfügung stehen. Nach dem Verkauf ihres Hauses und der Bezahlung der Kosten für die Reise nach Deutschland ist das Gericht auch nicht davon überzeugt, dass die Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan noch über relevantes Vermögen verfügen. Auch können sie angesichts des ihnen in Kabul drohenden Schadens nicht auf eine Unterstützung durch ihre dortige Verwandtschaft - soweit sie nicht zwischenzeitlich gleichfalls bereits Afghanistan verlassen hat - zurückgreifen. Die im Falle der Rückkehr gewährten Starthilfen über das ERIN- und das REAG/GARP-Programm vermögen ein menschenwürdiges Dasein für die Kläger als Familie mit Kindern ebenfalls nicht ausreichend sicherzustellen (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 23.03.2017 - 13a B 17.30030 -, juris Rn. 24).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83 b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.