Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 23.01.2018, Az.: 4 A 93/16

Eltern; Gemeinsames Bewohnen; Haushaltsmitglied; Wirtschaftsgemeinschaft

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
23.01.2018
Aktenzeichen
4 A 93/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74410
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Das Kriterium "gemeinsam bewohnt" in § 5 Abs. 1 S. 2 WoGG dient der formalen Unterscheidung zum "allein bewohnen" und erfordert seit Inkrafttreten von Art. 1 WoGRefG vom 02.10.2015 nicht mehr, dass die wohngeldberechtigter Person und das Haushaltsmitglied auch gemeinschaftlich wirtschaften.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Wohngeldzahlungen als Lastenzuschuss.

Der Kläger ist Landwirt. Er bewohnt als Eigentümer ein im Landkreis C. belegenes Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von195 qm. Der Kläger nutzt 8 qm des Hauses ausschließlich gewerblich. In dem Haus wohnen neben dem Kläger auch dessen Eltern. Separate Wohneinheiten gibt es nicht. Der Kläger hat seinen Eltern als Altenteil ein schuldrechtliches Wohn- und Nutzungsrecht eingeräumt. Die Eltern des Klägers sind Rentner. Der Vater erhält eine monatliche Bruttorente (ab Juli 2015) von 521,40 €, die Mutter eine solche von 558,92 €. Beide zahlen Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung. Der Kläger zahlte für das Grundstück zuletzt jährliche Grundsteuer in Höhe von 1.027,31 €.

Bis zum Jahresende 2015 erhielt der Kläger von dem Beklagten monatliches Wohngeld als Lastenzuschuss in Höhe von 56,00 €. Der Kläger beantragte im Januar 2016 die Weiterbewilligung von Wohngeld. Der Kläger hat unter Vorlage des Jahresabschlusses per 30.06.2015 für 2016 bei Antragstellung einen Jahresgewinn aus landwirtschaftlichem Betrieb in Höhe von 15.000,00 € prognostiziert (Bl. 382 Beiakte 002). Er zahlt Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und an die landwirtschaftliche Alterskasse. Laut Steuerbescheid für das Jahr 2014 vom 18.02.2016 waren von ihm keine Steuern zu bezahlen.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15.03.2016 mit der Begründung ab, dass das Gesamteinkommen des Klägers und seiner Eltern einen Anspruch auf Wohngeld nicht rechtfertige. Bei der Wohngeld-Lastenberechnung hat der Beklagte jährliche Instandhaltungs-/Betriebskosten mit pauschal (36,00 €/qm) 7.020,00 € angesetzt. Dieser Lastenansatz ist zwischen den Parteien unstreitig.

Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit seiner am 14.04.2016 vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Klage. Er ist der Ansicht, dass das Einkommen seiner Eltern nicht zu berücksichtigen sei, da sie nicht gemeinsam wohnen und auch keine Wirtschaftsgemeinschaft bilden würden. Der Kläger behauptet außerdem, er würde (doch) keinen Gewinn erwarten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 15.03.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger Wohngeld (Lastenzuschuss) in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht war befugt nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden, weil die Beteiligten hierauf schriftlich verzichtet haben (Bl. 42, 45 d.A.).

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wohngeld als Lastenzuschuss. Der angefochtene Bescheid ist daher rechtmäßig und der verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

Für die Prüfung des Wohngeldanspruchs ist auf die zum Zeitpunkt der Bescheidung durch die Behörde geltende Fassung des WoGG abzustellen. Dies ist vorliegend das WoGG in der Fassung der seit dem 01.01.2016 in Kraft getretenen Änderungen.

Das Wohngeld berechnet sich - sofern nicht der Anspruch nach §§ 7, 20 oder 21 WoGG ausgeschlossen ist - nach Maßgabe der Berechnungsformel aus § 19 WoGG i.V.m. den Anlagen 1 und 2, wobei im Einzelfall drei Faktoren ausschlaggebend sind (§ 4 WoGG): (1) die Anzahl der zu berücksichtigen Haushaltsmitglieder, (2) die zu berücksichtigende Miete oder Belastung und (3) das Gesamteinkommen.

Für die vorgenannten Faktoren sind hier folgende Werte einzusetzen:

Es sind 3 Haushaltsmitglieder zu berücksichtigen.

Neben dem Kläger sind auch dessen Eltern als Haushaltsmitglieder nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 WoGG zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift sind auch Verwandte in gerader Linie Haushaltsmitglieder, die mit der wohngeldberechtigten Person den Wohnraum gemeinsam bewohnen, wenn dieser Wohnraum der jeweilige Mittelpunkt der Lebensbeziehungen ist.

Dies trifft auf die Eltern des Klägers zu. Sie sind mit dem Kläger in gerader Linie verwandt. Der Wohnraum ist der Lebensmittelpunkt der Eltern. Der Wohnraum wird auch gemeinsam bewohnt, denn es reicht hierfür, dass der Kläger und seine Eltern „unter einem Dach“ wohnen, ohne dass baulich separate Wohneinheiten existieren. Ein gemeinschaftliches Wirtschaften ist nicht erforderlich.

Durch Art. 1 WoGRefG vom 02.10.2015 (BGBl. I S. 1610) ist § 5 Abs. 1 S. 2 WoGG geändert worden. Bisher war für die Zuordnung eines Haushaltsmitgliedes das Vorliegen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen wohngeldberechtigter Person und dem Haushaltsmitglied erforderlich. Dieses Erfordernis ist mit der Änderung der Vorschrift weggefallen. Für die Zuordnung ist nunmehr das gemeinsame Bewohnen ausreichend.

Das Kriterium „gemeinsam bewohnt“ dient letztlich nur der formalen Unterscheidung zum „allein bewohnen“ und verlangt keine weiteren festzustellenden qualifizierenden Umstände. Der Gesetzgeber wollte nämlich – wie dem Kontext der Begründung zum Gesetzesentwurf (Bundesrat Drucksache 128/15 vom 27.03.2015, S. 55) zu entnehmen ist – die Anwendung von § 5 Abs. 1 S. 2 WoGG vereinfachen.

Es sind die Lasten mit monatlich 450,00 € nach dem Höchstsatz gem. § 12 WoGG € (Mietstufe I, 3 Haushaltsmitglieder) heranzuziehen, denn die tatsächlichen Lasten liegen mit monatlich 643,10 € oberhalb des Höchstsatzes.

Die tatsächlichen Lasten ergeben sich wie folgt: Jährliche Instandhaltungs-/Betriebskosten 7.020,00 € und jährliche Grundsteuer 1.027,31 betragen für die Wohnfläche von 195 qm zusammen: 8.047,31 €. Für die rein gewerbliche Nutzung von 8 qm der Wohnfläche ist der hierauf entfallende Anteil in Höhe von jährlich 330,15 € (8.047,31 €: 195  ⃰ 8) herauszurechnen (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 WoGG). Somit ergibt sich monatlich: 643,10 €

Das wohngeldrechtlich anzusetzende Gesamteinkommen aller zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder bestimmt sich nach § 13 ff. WoGG wie folgt:

Der Kläger hat für sich bei Antragstellung einen Jahresgewinn aus landwirtschaftlichem Betrieb in Höhe von 15.000,00 € prognostiziert. Hiervon sind abzuziehen: für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie für Altersvorsorge pauschal 20 % (§ 16 WoGG). Somit ergibt sich monatlich: 1.000,00 €.

Mit dem im Prozess vorgebrachten Einwand des Klägers, er erwarte (doch) keinen Gewinn, kann der Kläger nicht gehört werden. Er muss sich zunächst an der von ihm abgegeben Prognose festhalten lassen.

Es steht dem Kläger jederzeit frei, im Falle einer nachträglichen Einkommensreduzierung einen neuen Wohngeldantrag zu stellen. Die Beschränkungen des § 27 Abs. 1 WoGG gelten nämlich nicht, wenn von der Behörde – wie vorliegend – überhaupt kein Wohngeld bewilligt worden ist.

Der Vater des Klägers erhält eine monatliche Bruttorente von 521,40 € (§ 14 Abs. 1 WoGG i.V.m. §§ 2 Abs. 1, 22 EStG). Hiervon sind abzuziehen: monatlich 8,50 € als Werbungskosten (§ 9a Nr. 3 EStG) und für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge pauschal 10 % (§ 16 WoGG). Somit ergibt sich monatlich: 460,76 €.

Die Mutter des Klägers erhält eine monatliche Bruttorente von 558,92 € (§ 14 Abs. 1 WoGG i.V.m. §§ 2 Abs. 1, 22 EStG). Hiervon sind abzuziehen: monatlich 8,50 € als Werbungskosten (§ 9a Nr. 3 EStG) und für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge pauschal 10 % (§ 16 WoGG). Somit ergibt sich monatlich: 494,53 €.

Das relevante monatliche Gesamteinkommen beträgt daher 1.955,29 €.

Berechnung:

Die Berechnung des Wohngeldes erfolgt nach der Formel

1,15  ⃰ (M - (a + b  ⃰ M + c  ⃰ Y) €

Operatorendefinition: ⃰ steht für „Multiplikation“.

Operatorenrangfolge: Multiplikation hat Vorrang vor Addidition und Subtraktion.

Hier sind (wie oben dargelegt) für „M“ (Miete oder Belastung/Monat) und „Y“ (Gesamteinkommen/Monat) folgende Werte einzusetzen:

M:    

450,00 €

Y:    

1.955,29 €

Für „a“, „b“ und „c“ sind nach der Anzahl der zu berücksichtigen Haushaltsmitglieder diejenigen Werte einzusetzen, die sich aus der Anlage 1 zu § 19 WoGG ergeben. Hier sind bei 2 Haushaltsmitgliedern folgende Werte einzusetzen:

a:    

0,02   

b:    

0,00038

c:    

0,000083

Nunmehr sind die zur Berechnung erforderlichen Rechenschritte in der Reihenfolge durchzuführen, sie sich aus der Anlage 2 zu § 19 WoGG ergibt.

z1 (= a + b  ⃰ M + c  ⃰ Y):

0,35 €

z2 (= z1  ⃰ Y):

690,78 €

z3 (= M - z2):

-240,78 €

z4 (= 1,15  ⃰ z3):

-276,90 €

Führt die Berechnung (z4) zu einem negativen Wert - wie vorliegend - besteht kein Wohngeldanspruch.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.