Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 05.08.2019, Az.: 12 A 2045/17
Assoziationsabkommen; Ausweisung; Bleibeinteressen; Prognose; schwerwiegende Gefahr; typisierte Ausweisungsinteressen; Wiederaufnahme des Verfahrens; Wiederholungsgefahr
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 05.08.2019
- Aktenzeichen
- 12 A 2045/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 69793
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 11 AufenthG
- § 114 VwGO
- § 53 Abs 3 AufenthG
- § 53 AufenthG
- § 54 AufenthG
- § 55 AufenthG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine ausländerrechtliche Ausweisung und eine vorzeitige Haftentlassung verfolgen völlig unterschiedliche Zwecke und nur bei der Einschätzung eines Gutachters zur Frage der vorzeitigen Haftentlassung finden Resozialisierungsgesichtspunkte Berücksichtigung (nach Bay. VGH, Beschluss vom 04.04.2017 - 10 ZB 15.2062 -).
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehörigkeit. Er wurde am 05.06.1977 in C. im Kreis D. geboren und lebt seitdem (mit Ausnahme von zweieinhalb Jahren zwischen Februar 1983 und August 1985) im Bundesgebiet. Seine Eltern unterfielen als türkische Arbeitnehmer dem Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei.
Der Kläger war zweimal verheiratet. Aus seiner ersten Ehe hat er zwei erwachsene Kinder, Tochter E. ist am 11.12.1995 geboren, Sohn F. am 20.05.1999. Aus seiner zweiten Ehe stammen die Kinder G., geboren am 03.06.2006, und H., geboren am 28.01.2008, die mit der Kindesmutter im März 2013 in die Türkei gezogen sind.
Der Kläger hat seinen Hauptschulabschluss nachträglich erworben, über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt er nicht. Als Ungelernter arbeitete er in der Vergangenheit in verschiedenen Arbeitsverhältnissen. Unterhalt an seine Kinder leistete der Kläger zu keiner Zeit.
Im Bundeszentralregister sind für den Kläger folgende Verurteilungen eingetragen:
- Mit Urteil des Amtsgerichts D. vom 05.05.2000 wurde der Kläger wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen verurteilt.
- Mit Urteil des Amtsgerichts D. vom 15.12.2000 wurde der Kläger wegen Körperverletzung in 2 Fällen, gefährlicher Körperverletzung und falscher Verdächtigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt.
- Mit Urteil des Amtsgerichts D. vom 07.07.2003 wurde der Kläger wegen Sachbeschädigung, Bedrohung, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung zu 9 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.
- Mit Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 03.04.2008 wurde der Kläger wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 13 Fällen zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt.
- Mit Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 21.08.2012 wurde der Kläger wegen vorsätzlicher Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten und 2 Wochen verurteilt.
- Mit Urteil des Landgerichts A-Stadt vom 05.07.2013 wurde der Kläger wegen Vergewaltigung im besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt. In die Strafe einbezogen worden war die vorangegangene Verurteilung.
Der Kläger befindet sich seit dem 16.10.2012 in Haft.
Der Kläger hatte bereits am 21.06.1993 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, die seit dem 01.01.2005 als Niederlassungserlaubnis fortgalt. Nach seinen ersten zwei Verurteilungen wies ihn die damals zuständige Ausländerbehörde der Stadt D. mit Schreiben vom 28.03.2001 darauf hin, dass er bei weiteren strafrechtlichen Verurteilungen mit einer Ausweisung rechnen müsse.
Mit Schreiben vom 25.05.2016 hörte die nunmehr zuständige Beklagte den Kläger zu seiner beabsichtigten Ausweisung an.
Der Kläger nahm unter dem 27.06.2016 dahingehend Stellung, dass seine komplette Familie in Deutschland ansässig sei und er in der Türkei keinerlei Kontakte habe. Seine vier Kinder hätten allesamt die deutsche Staatsangehörigkeit, er habe für alle Kinder Umgangsrechte und guten Kontakt zu ihnen. E. und F. lebten mit ihrer Mutter in D., G. und H. lebten mit ihrer Mutter in I..
Mit Bescheid vom 07.02.2017 wies die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Nr. 1), befristete die Wirkungen der Ausweisung auf 7 Jahre nach erfolgter Ausreise (Nr. 2) und drohte ihm die Abschiebung aus der Haft in die Türkei an (Nr. 3). Zur Begründung führte die Beklagte aus: sie habe berücksichtigt, dass die Ausweisung nur unter verschärften Voraussetzungen zulässig sei, da der Kläger die Rechtsstellung eines privilegierten türkischen Staatsangehörigen innehabe. Das Verhalten des Klägers stelle aber eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, weil die Wahrscheinlichkeit bestehe, dass es in der Zukunft zu erneuten Verstößen gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung kommen werde. Vom Kläger gehe eine Wiederholungsgefahr aus, die sich aus dessen Verurteilungen in der Vergangenheit ergebe. Beim Kläger sei ein großes Gewaltpotential vorhanden. Seine letzten Taten hätten sich stets gegen seine Partnerinnen gerichtet, er habe bei seinen Auseinandersetzungen massive Gewalt eingesetzt und durch seine Handlungen die grundrechtlich geschützten Individualrechtsgüter der Frauen verletzt. Die Wiederholungswahrscheinlichkeit sei insbesondere auch deshalb als hoch anzusehen, da im Vollzug eine eindeutige Therapiebedürftigkeit des Klägers festgestellt worden sei, der Kläger aber eine Teilnahme an einer sozialtherapeutischen Behandlung verweigert habe. Darüber hinaus habe der Kläger im Vollzug bisher keine Reue und kein Unrechtsbewusstsein gezeigt, sondern Bagatellisierungstendenzen und mangelnde Selbstkritik. Dem Ausweisungsinteresse der Bundesrepublik Deutschland stehe das Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, welches sich aus seiner Niederlassungserlaubnis ergebe. Hinsichtlich seiner Kinder ergebe sich für den Kläger kein weiteres Bleibeinteresse, da die Tochter E. bereits volljährig sei und der Kläger zu seinem Sohn F. kaum Kontakt habe. Die beiden jüngeren Kinder lebten in der Türkei; dieser Umstand sei dem Kläger offenbar gar nicht bewusst. Telefonische Kontakte zu seinen in Deutschland lebenden Kindern und seinen Eltern könne der Kläger auch von der Türkei aus aufrechterhalten. Eine wirtschaftliche Integration habe der Kläger nicht erreicht, seine monatlichen Nettoeinkünfte hätten sich zuletzt auf 900,00 € belaufen und aktuell lägen drei Pfändungen gegen ihn vor. Nach Ermessen habe sie weiterhin die Wirkungen der Ausweisung befristet. Der Zweck einer Ausweisung könne nur erreicht werden, wenn der Zeitraum, in dem die Ausweisung ihre Sperrwirkung entfalte, in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des begangenen Rechtsverstoßes stehe, weshalb sie eine Frist von 7 Jahren für angemessen erachte. Der Bescheid wurde am 09.02.2017 zugestellt.
Der Kläger hat am 08.03.2017 Klage erhoben.
Er trägt vor, hinsichtlich seiner letzten Verurteilung eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens anzustreben, da er völlig zu Unrecht verurteilt worden sei. Solange er seine Taten aber bestreite, sei es auch nicht notwendig, dass er die Taten aufarbeite. Er dürfe deshalb auch eine sozialtherapeutische Behandlung ablehnen.
Es bestehe keine Wahrscheinlichkeit, dass er erneut gegen Gesetze verstoßen werde. Er sei nachweislich weder betäubungsmittelabhängig noch sonst durch eine Suchterkrankung beeinträchtigt. Bis auf die letzte – zu Unrecht erfolgte – Verurteilung lägen alle Verurteilungen in einem sehr moderaten Bereich und könnten deshalb seine Ausweisung nicht rechtfertigen. Zu Unrecht stelle die Beklagte fest, dass beim ihm, dem Kläger, ein großes Gewaltpotential vorhanden sei, die Beklagte kenne ihn gar nicht persönlich. Es treffe auch nicht zu, dass er kaum Kontakt zu seinem Sohn F. habe, auch habe er regelmäßigen Kontakt mit seinen minderjährigen Kindern.
Schließlich habe er sich von der Kultur und den Lebensverhältnissen in der Türkei sehr weit entfernt, da er seit vielen Jahren nicht mehr dort gewesen sei. Aus seiner Sicht sei er ein perfekt integrierter Inländer.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 07.02.2017 aufzuheben,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, die Wirkungen der Ausweisung auf 3 Jahre zu befristen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Begründung des angefochtenen Bescheides und trägt ergänzend vor, dass die von ihr angenommene Wiederholungsgefahr nicht im Konsum von Betäubungsmitteln begründet sei. Der Kläger habe während der Straftaten nicht unter dem Einfluss von Drogen gestanden. Auch die Vollzugspläne der Justizvollzugsanstalt bestätigten, dass beim Kläger eine Gewaltproblematik vorhanden und er eindeutig therapiebedürftig sei.
Unter dem 05.06.2019 hat die Justizvollzugsanstalt A-Stadt die Vollzugspläne der letzten drei Jahre sowie ein aktuelles psychiatrisches Gutachten zur Frage der Lockerungseignung des Klägers vom 10.05.2019 übersandt und mitgeteilt, dass in der Vollzugsplankonferenz am 29.05.2019 beschlossen worden sei, in Vollzugslockerungen einzusteigen. Der Kläger werde zunächst Ausgänge in Begleitung eines Bediensteten erhalten. Eine Niederschrift der letzten Vollzugsplankonferenz gebe es noch nicht.
Das Gericht hat mit rechtskräftigem Beschluss vom 17.06.2019 den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Der Kläger hat am 24.07.2019 seinen ersten begleiteten Ausgang gehabt, für den 15.08.2019 ist der nächste Ausgang geplant.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie der von der Staatsanwaltschaft A-Stadt beigezogenen Strafakten und des Vollstreckungsheftes Bezug genommen. Sämtlicher Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Der Klage des Klägers ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 07.02.2017 erweist sich insgesamt als rechtmäßig, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Sowohl die Ausweisung des Klägers als auch die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf sieben Jahre nach erfolgter Ausreise und die Androhung der Abschiebung in die Türkei stellen sich als rechtmäßig dar.
1. Rechtsgrundlage für die Ausweisungsentscheidung der Beklagten ist § 53 Abs. 1 AufenthG. Danach wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Allerdings leitet sich das Aufenthaltsrecht des Klägers aus dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ab, da seine Eltern als türkische Arbeitnehmer dem Abkommen unterfielen, weshalb an die Ausweisung des Klägers gemäß § 53 Abs. 3 AufenthG besondere Anforderungen zu stellen sind. So darf der Kläger nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
Diese Voraussetzungen für die Ausweisung des Klägers sind auch unter Berücksichtigung des insoweit maßgeblichen Sach- und Streitstandes der mündlichen Verhandlung (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 22.02.2017 - 1 C 3.16 -, juris Rn. 18; Bay. VGH, Beschluss vom 10.04.2019 - 19 ZB 17.1535 -, juris Rn. 5; OVG NW, Urteil vom 12.07.2017 - 18 A 2735/15 -, juris Rn. 29) erfüllt.
Dahinstehen kann insoweit, ob der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 53 Abs. 3 AufenthG eine Sonderregelung für den darin genannten Personenkreis getroffen hat mit der Konsequenz, dass eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nach Absatz 1 des § 53 AufenthG vorzunehmen ist ohne auf die in den §§ 54 und 55 AufenthG gesetzlich typisierten Ausweisungs- und Bleibeinteressen abzustellen (so OVG NW, Urteil vom 12.07.2017 - 18 A 2735/15 -, juris Rn. 38ff.; auch Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 Rdnr. 37) (a). Denn auch bei Berücksichtigung der gesetzlich verschieden gewichteten Ausweisungs- und Bleibeinteressen im Rahmen der Abwägung nach § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AufenthG (so der Prüfungsmaßstab des BVerwG, Urteil vom 22.02.2017 - 1 C 3.16 -, juris insb. Rn. 24 und 58; ihm folgend Bay. VGH, Beschluss vom 10.04.2019 - 19 ZB 17.1535 -, juris Rn. 9) erweist sich die Ausweisung des Klägers als rechtmäßig (b).
a) Die vom Kläger verübten Straftaten, die seiner letzten Verurteilung zugrunde liegen, sind ein Ausweisungsanlass von entsprechendem Gewicht. Der Kläger wurde mit Urteil des Landgerichts A-Stadt vom 05.07.2013 wegen besonders schwerer Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 1 und Nr.2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1, § 53 StGB (i.d.F. vom 13.11.1998, gültig bis 09.11.2016) verurteilt, Straftaten, die sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung seiner ehemaligen Freundin gerichtet hatten und bei deren Tatbegehung der Kläger seinem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben gedroht und gegen das Opfer Gewalt und eine Waffe eingesetzt hatte, um einen Beischlaf und ein besonders erniedrigendes Eindringen in den Körper seines Opfers zu erzwingen.
Das Gericht kann das Urteil in seiner eigenständig zu treffenden Prognose zur Wiederholungsgefahr (st. Rspr., vgl. nur Bay. VGH, Beschluss vom 10.04.2019 - 19 ZB 17.1535 -, juris Rn. 10; OVG NW, Urteil vom 12.07.2017 - 18 A 2735/15 -, juris Rn. 66) zugrunde legen, da es rechtskräftig ist, seit der Bundesgerichtshof die Revision des Klägers verworfen hat. Zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens ist es bis heute nicht gekommen. Zwar hat der Kläger seit seiner Verurteilung immer wieder, zuletzt in der mündlichen Verhandlung, davon gesprochen, ein Wiederaufnahmeverfahren betreiben zu wollen, mehr als drei Akteneinsichtsgesuche von verschiedenen Rechtsanwälten – zuletzt durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers im vorliegenden Verfahren – aus dem Jahr 2016 gibt es dazu in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft A-Stadt, die dem Gericht vorliegen, jedoch nicht.
Die körperliche Unversehrtheit, das Leben und die Gesundheit von Personen sowie die sexuelle Selbstbestimmung einer und eines jeden sind Rechtsgüter von höchstem Rang, die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlichen Schutz erfahren, der dem Staat obliegt (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 04.04.2017 – 10 ZB 15.2062 -, juris Rn. 15). Vom Kläger geht nach der Überzeugung des Gerichts weiterhin eine große Gefahr für diese Rechtsgüter aus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Insbesondere sieht das Gericht eine Wiederholungsgefahr für Gewalttaten des Klägers in einem Beziehungskontext:
Die mit dem Urteil des Landgerichts vom 05.07.2013 abgeurteilten Straftaten offenbaren eine außerordentlich hohe Gewaltbereitschaft und einen großen Willen des Klägers, sein Opfer sexuell zu erniedrigen, weswegen das Landgericht A-Stadt in seinem Urteil die Anwendung des verminderten Strafrahmens des § 177 Abs. 5 StGB für unvertretbar (Seite 56/57 des Urteilsabdrucks) sowie als Einzelstrafe in dem Verfahren – in dem Urteil war zuletzt noch eine Gesamtstrafe mit der vorangegangenen Verurteilung des Klägers gebildet worden – eine Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten für unumgänglich gehalten hat, um der Tat und dem Unrechtsgehalt der Handlungsweise des Klägers bei der Tatbegehung gerecht zu werden. Hinsichtlich des Tatgeschehens verweist das Gericht auf die überzeugenden Feststellungen des Strafgerichts in dessen Urteil auf den Seiten 13 bis 16. Dort ist im Einzelnen ausgeführt, dass der Kläger seine ehemalige Freundin am 12.10.2013 in einen Hinterhalt gelockt und sodann mehrere Stunden in seiner Gewalt hatte, sie währenddessen mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von etwa 25 cm bedroht und gedroht hatte, sie umzubringen, sie mehrfach gefesselt und zum Oralverkehr und mehrfach zum vaginalen Geschlechtsverkehr gezwungen hatte.
Zwar war der Kläger zuvor noch nicht mit Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung aufgefallen. In Bezug auf Straftaten aus dem Bereich der Körperverletzungsdelikte war er allerdings schon mehrfach einschlägig in Erscheinung getreten. Zuletzt war der Kläger mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 21.08.2012 – bestätigt durch Urteil des Landgerichts A-Stadt vom 28.01.2013 im Berufungsverfahren – wegen vorsätzlicher Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten und 2 Wochen verurteilt worden. Dem Urteil lagen nach den Feststellungen des Gerichts zwei Einzeltaten zugrunde. Der Kläger hatte am 18.06.2011 einer – anderen – Freundin in deren Wohnung aufgelauert, ihr im anschließenden Streit zwei bis drei Ohrfeigen versetzt, ihren Kopf mehrfach gegen die Wand geschlagen und sie schließlich am Hals gepackt mit der Äußerung, er bringe sie um. Am 10.07.2011 hatte er dieselbe Geschädigte an ihrer Arbeitsstelle aufgesucht und ihr von hinten eine verschlossene Silikonkartusche mit solcher Wucht auf den Kopf geschlagen, dass die Geschädigte zu Boden gegangen war, während der Kläger noch mehrfach auf sie eingeschlagen hatte. Die Schläge waren derart hart, dass die Kartusche geplatzt war und sich das Silikon über die Haare, den Kopf und das Gesicht der Geschädigten verteilt hatte, wobei der Kläger das Silikon zusätzlich mit der Hand im Gesicht der Geschädigten verrieben hatte (Seiten 4 bis 6 des Urteilsabdrucks des Landgerichts A-Stadt). Das Strafgericht führt in seinem Urteil zur Strafzumessung abschließend aus, dass es nicht die Erwartung habe, dass der Kläger sich die Verurteilung zur Warnung dienen lassen werde. Der Kläger habe vielmehr gezeigt, dass er auch in zukünftigen Lebenskrisen die Schuld weniger bei sich als vielmehr bei den anderen suche und seine Aggressionen und Emotionen nicht derartig im Griff haben werde, als weitere Gewalttaten gegen Personen, von denen er sich ungerecht behandelt fühlte, in Zukunft wahrscheinlich vermieden werden könnten (Seite 10 des Urteilsabdrucks des Landgerichts A-Stadt).
Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts D. vom 07.07.2003 war der Kläger davor unter anderem wegen Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung verurteilt worden. Seinerzeit hatte sich die Straftaten des Klägers gegen seine damalige Ehefrau, die von ihm getrennt lebte, und deren Freund gerichtet. Der Kläger hatte eine Gaspistole aus kurzer Entfernung auf den Freund der Frau gerichtet mit den Worten „mach dein letztes Gebet“ und seine Frau danach gepackt und ihr mit der Waffe derart heftig auf den Kopf geschlagen, dass die entstandenen Platzwunden im Krankenhaus hatten genäht werden müssen. Nahe des Kopfs der Frau hatte sich zudem ein Schuss gelöst (Seite 4 des Urteilsabdrucks). Wegen der „besonderen Rohheit“ des Vorgehens des Klägers hatte sich das Gericht gegen eine Aussetzung der Freiheitsstrafe von 9 Monaten zur Bewährung entschieden und weiter ausgeführt, dass eine günstige Sozialprognose nicht gestellt werden könne, sondern sogar zu erwarten sei, dass der Kläger seine Angriffe gegen seine Ehefrau und deren Freund noch verstärken werde (Seite 5 des Urteilsabdrucks).
Auch bereits mit Urteil des Amtsgerichts D. vom 15.12.2000 war der Kläger unter anderem wegen zweier Vergehen der Körperverletzung und eines Vergehens der gefährlichen Körperverletzung zu einer Bewährungstrafe verurteilt worden. Zu Lasten des Klägers hatte das Gericht die brutale Vorgehensweise und den Umstand gewertet, dass der Geschädigte nicht unerheblich verletzt worden war (Seite 5 des Urteilsabdrucks). Der Kläger hatte den Geschädigten mit einer Hundeleine, einer Gaspistole und mit Fäusten geschlagen, wodurch der Geschädigte eine Platzwunde am Kopf und eine angebrochene Nase davongetragen hatte.
Die sich aus diesen Straftaten ergebende große Gefahr für die Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit, des Lebens und der Gesundheit sowie der sexuellen Selbstbestimmung besteht weiterhin.
Dies ergeben neben den wiedergegebenen Einschätzungen der Strafgerichte die Vollzugspläne der Justizvollzugsanstalt A-Stadt, die für die Jahre 2016 bis Ende 2018 dem Gericht vorliegen (bei Übersendung der Vollzugspläne durch die Justizvollzugsanstalt war nach der letzten Vollzugsplankonferenz am 29.05.2019 noch kein weiterer Vollzugsplan erstellt), sowie das von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts A-Stadt mit Beschluss vom 13.12.2017 zur Vorbereitung der Entscheidung über die Aussetzung des Restes der Gesamtfreiheitsstrafe eingeholte Prognosegutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie J. vom 10.02.2018 und dem Beschluss der 1. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts A-Stadt vom 15.03.2018.
Den Vollzugsplänen und dem Gutachten ist zu entnehmen, dass sich der Kläger bis heute einer sozialtherapeutischen Behandlung verweigert, obwohl eine eindeutige Therapiebedürftigkeit festgestellt worden ist, die auch im letzten vorliegenden Vollzugsplan weiterhin bejaht wird. Der Kläger zeigt keine Reue und kein Unrechtsbewusstsein, sondern versucht, seine Straftaten zu bagatellisieren. Behandlungsmaßnahmen zur Tataufarbeitung und Aufarbeitung strafursächlicher Hintergründe haben aufgrund der Weigerung des Klägers bis heute nicht stattgefunden. Soweit der Kläger an Gruppenbehandlungsmaßnahmen teilgenommen hat, ist in den Vollzugsplänen ausdrücklich vermerkt, dass diese die für notwendig erachtete Sozialtherapie nicht ersetzen. Die Notwendigkeit einer solche Sozialtherapie ist bereits in der erstgutachterlichen Stellungnahme zur Behandlungsuntersuchung und Prüfung der Angezeigtheit einer sozialtherapeutischen Behandlung vom 10.06.2015 festgestellt und sowohl im weiteren Vollzug als auch durch den Gutachter J. bestätigt worden. So kommt der Gutachter J. auch zu dem Ergebnis, dass, da es nicht zu einer therapiebedingten Reduktion der zu erwartenden weiteren hohen Gefährlichkeit gekommen ist, eine Wiederholungsgefahr für ähnliche Sexual- und Gewaltdelikte, wie die vom Kläger in der Vergangenheit begangenen, angenommen werden muss. Infolgedessen hat die 1. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts A-Stadt mit Beschluss vom 15.03.2018 entschieden, die Vollstreckung des Restes der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts A-Stadt vom 05.07.2013 nach Verbüßung von 2/3 nicht zur Bewährung auszusetzen. Auch nach der Überzeugung der Vollstreckungskammer besteht die in den Taten zu Tage tretende Gefährlichkeit des Klägers fort. Auf die Gründe des Beschlusses (Blatt 203ff. des bei der Staatsanwaltschaft A-Stadt geführten Vollstreckungsheftes) wird ausdrücklich Bezug genommen. Das Gericht teilt die Überzeugung der Strafvollstreckungskammer, dass die vom Kläger begangenen Straftaten ein dissoziales Verhalten gerade im Umgang mit Lebenspartnerinnen, insbesondere am oder nach dem Ende einer Beziehung, erkennen lassen (vgl. Seite 6 des Beschlussabdrucks). Die Wiederholungsgefahr sieht das Gericht mit der Strafvollstreckungskammer gerade deshalb als sehr hoch an, weil der Kläger seine deutliche Aggressionsbereitschaft nicht im Rahmen einer Sozialtherapie aufgearbeitet hat (Seite 6 des Beschlussabdrucks a.E.).
Dieser Annahme einer weiterhin bestehenden Wiederholungsgefahr durch das Gericht steht auch das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie K. vom 10.05.2019 zur Frage der Lockerungseignung des Klägers nicht entgegen. Zwar kommt dieser Gutachter zu der Einschätzung, dass „vor dem Hintergrund der Risikoanalyse, die auf ein allenfalls moderates Rückfallrisiko in spezifischen Konfliktsituationen hindeutet, an eine vorzeitige Entlassung gedacht werden“ könne (Seite 39 a.E.). Der Gutachter K. begründet seinen Vorschlag noch im selben Satz allerdings dahingehend, dass nur bei vorzeitiger Entlassung die Möglichkeiten einer Reststrafenverbüßung als strukturfestigendes Instrument aufrechtzuerhalten sei und über die Bewährungshilfe Unterstützung und Begleitung gegeben werden könne.
Davon ausgehend, dass eine ausländerrechtliche Ausweisung und eine vorzeitige Haftentlassung völlig unterschiedliche Zwecke verfolgen und nur bei der Einschätzung eines Gutachters zur Frage der vorzeitigen Haftentlassung Resozialisierungsgesichtspunkte Berücksichtigung finden können (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 04.04.2017 - 10 ZB 15.2062 -, juris Rn. 21), lässt sich trotz der angeführten Befürwortung einer vorzeitigen Entlassung durch den Gutachter K. die Prognose einer weiterhin bestehenden Wiederholungsgefahr, die zur Rechtmäßigkeit der Ausweisung führt, auch auf Feststellungen dieses Facharztes stützen. So bestehen auch nach dem Gutachter K. (Seite 39) die delinquenzbegründenden persönlichkeitsstrukturellen Aspekte (narzisstische und dissoziale Persönlichkeitsakzentuierung) beim Kläger nur leicht abgemildert fort. Und wenn der Gutachter eine vorzeitige Entlassung deshalb empfiehlt, weil er der Ansicht ist, dass der Kläger über die Bewährungshilfe eine Unterstützung und Begleitung erhält, die nach Verbüßen der Gesamtstrafe nicht gewährleistet sei und seinen Vorschlag der vorzeitigen Entlassung zusätzlich damit begründet, dass auf diese Weise „die Möglichkeiten einer Reststrafenverbüßung als strukturfestigendes Instrument aufrecht…erhalten“ blieben, sieht also auch er im Umkehrschluss die Wiederholungsgefahr nur unter der Voraussetzung als „moderat“ an, dass der Kläger unter dem Damoklesschwert einer erneuten Inhaftierung zum Verbüßen der Reststrafe steht. Eine solche gedankliche Prämisse ist dem Gefahrenbegriff des § 53 Abs. 3 AufenthG jedoch fremd. Die eine Ausweisung stützende Prognose darf nicht nur die Dauer einer Bewährungszeit, sondern muss einen längeren Zeithorizont und das Verhalten des Ausländers ohne die Unterstützung eines Bewährungshelfers in den Blick nehmen (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 04.04.2017 - 10 ZB 15.2062 -, juris Rn. 21).
Die Ausweisung des Klägers erweist sich schließlich auch unter Berücksichtigung seiner schützenswerten Belange als verhältnismäßig und unerlässlich im Sinne des § 53 Abs. 3 AufenthG zur Wahrung des Grundinteresses der Gesellschaft (vgl. zum Verständnis des Kriteriums OVG NW, Urteil vom 12.07.2017 - 18 A 2735/15 -, juris Rn. 86; Bay. VGH, Beschluss vom 04.04.2017 - 10 ZB 15.2062 -, juris Rn. 27). Denn zu Gunsten des Klägers ist zwar in die nach § 53 Abs. 1 und Abs. 3 AufenthG vorzunehmende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. OVG NW, Urteil vom 12.07.2017 - 18 A 2735/15 -, juris Rn. 86f.) einzustellen, dass er von seinen 42 Lebensjahren annähernd 40 Jahre in Deutschland gelebt und seinen Hauptschulabschluss gemacht hat und hier sowohl seine erwachsenen Kinder E. (Tochter, geboren 11.12.1995) und F. (Sohn, geboren 20.05.1999) als auch seine Eltern und sein Bruder leben. Weitergehende Integrationsleistungen sind allerdings nicht ersichtlich, schon gar nicht handelt es sich bei dem Kläger – entgegen dessen eigener Auffassung – um eine „perfekt integrierte Person“. Insbesondere ist der Kläger nicht wirtschaftlich integriert. So hat er keine Berufsausbildung erlangt und keine längerfristigen Beschäftigungen innegehabt. Zwar war er immer wieder erwerbstätig, er hat aber offensichtlich zu keiner Zeit ausreichend verdient, um Unterhalt für seine vier Kinder zu leisten. Außerdem hat er sich in der Vergangenheit nach eigenen Angaben in Höhe von etwa 200.000,00 € verschuldet, wobei er gegenüber dem Gutachter K. zuletzt angegeben hat, über dem aktuellen Stand nicht auf dem Laufenden zu sein (vgl. Seite 22 des Gutachtens). Für den Speditionsbetrieb, mit dem sich der Kläger 2006/2007 selbständig gemacht hatte, musste die L. 2007 einen Insolvenzantrag stellen, weil der Kläger die Sozialversicherungsbeträge nicht mehr abgeführt hatte. Das Insolvenzverfahren musste beendet werden, weil der Kläger den Kontakt zum Insolvenzverwalter abgebrochen hatte. Der Justizvollzugsanstalt ist aktuell noch eine offene Pfändung bekannt. Gegen eine Integration des Klägers spricht weiterhin, dass es über die strafrechtliche Verurteilung, die Anlass der Ausweisung ist, und den strafrechtlichen Verurteilungen, die die einschlägige Vorbestrafung des Klägers ergeben, hinaus noch zwei weitere Vorverurteilungen gibt. So ist der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts D. vom 05.05.2000 wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen und mit Urteil des Amtsgericht A-Stadt vom 03.04.2008 wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 13 Fällen zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt worden. Die Straftaten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt hatten im Jahr 2007 zu dem Insolvenzverfahren über den Speditionsbetrieb des Klägers geführt. Die der Klagebegründung zu entnehmende Ansicht des Klägers, er sei „nicht oft strafrechtlich in Erscheinung getreten“, ignoriert, dass selbst eine einzelne Verurteilung von gewissem Gewicht bereits gegen eine Integration sprechen kann. Die insgesamt 6 Verurteilungen – im Bundeszentralregister ist als siebte Eintragung noch eine nachträglich durch Beschluss gebildete Gesamtstrafe verzeichnet – zeigen, dass der Kläger sich in der Vergangenheit in verschiedenen Bereichen des Lebens über die geltenden Gesetze hinweggesetzt hat.
Darüber hinaus sind zu Gunsten des Klägers auch keine besonders geschützten Beziehungen zu berücksichtigen, da sich dessen noch minderjährigen Kinder G., geboren 03.06.2006, und H., geboren 29.01.2008, nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten; sie sind mit ihrer Mutter bereits im Jahr 2013 in die Türkei gezogen. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er erst von der Beklagten im vorliegenden Verfahren von diesem Umzug erfahren hatte. Noch im Zeitpunkt der Klageerhebung im März 2017 hatte er demnach wahrheitswidrig angegeben, regelmäßigen Kontakt mit seinen minderjährigen Kindern zu haben. Die Beziehungen zu seinen volljährigen Kindern, seinen Eltern und seinem Bruder würden aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen nur unter der Voraussetzung entfalten, dass ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe des Klägers angewiesen ist (vgl. OVG NW, Urteil vom 12.07.2017 - 18 A 2735/15 -, juris Rn. 90ff.). Dies lässt sich jedoch schon deshalb ausschließen, weil sich der Kläger seit mehr als sechseinhalb Jahren in Haft befindet. Darüber hinaus strebt der Kläger nach den im Termin der mündlichen Verhandlung von ihm vorgelegten Unterlagen an, sich nach seiner Entlassung im Raum Celle eine Wohnung zu suchen, so dass er seine frühere Planung, nach Süddeutschland in die Nähe seiner Eltern zu ziehen, offenbar aufgegeben hat.
b) Bei Anwendung der §§ 54 und 55 AufenthG ist in die Gesamtabwägung einzustellen, dass ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1a AufenthG besteht. Gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse unter anderem besonders schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist. Nach § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse auch, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat eine solche nach § 177 StGB ist. Der Kläger hat beide Tatbestände gleichermaßen verwirklicht, da er mit dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts A-Stadt vom 05.07.3013 wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt worden ist, wobei die Strafkammer die Einzelstrafe für den Strafvorwurf der besonders schweren Vergewaltigung mit 7 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe bemessen hat. Der Straftatbestand der Vergewaltigung ist in § 177 StGB geregelt.
Daneben besteht noch ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Danach wiegt ein Ausweisungsinteresse schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist. Dieses Ausweisungsinteresse besteht, seit der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts D. vom 15.12.2000, rechtskräftig seit dem 23.12.2000, wegen Körperverletzung in zwei Fällen, gefährlicher Körperverletzung und falscher Verdächtigung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt wurde. Soweit die Strafe seinerzeit zur Bewährung ausgesetzt worden war, ist dies für die Subsumtion der Verurteilung unter § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ohne Belang (vgl. nur Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 54 Rdnr. 38). Die Verurteilung kann dem Kläger auch heute noch vorgehalten werden, da der Kläger anschließend mit Schreiben vom 28.03.2001 von der seinerzeit zuständigen Ausländerbehörde der Stadt D. darauf hingewiesen worden war, dass er bei weiteren strafrechtlichen Verurteilungen mit einer Ausweisung zu rechnen habe. Dem Kläger ist auch anschließend keine positive ausländerrechtliche Entscheidung mehr zuteilgeworden, die die Verurteilung wegen des Grundsatzes des Vertrauensschutzes (vgl. dazu nur BVerwG, Urteil vom 22.02.2017 - 1 C 3.16 -, juris Rn. 39) „verbraucht“ hätte. Er war bereits seit 1993 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die seit dem 01.01.2005 als Niederlassungserlaubnis fortgalt.
Den Ausweisungsinteressen stehen keine gleichgewichtigen Bleibeinteressen des Klägers gegenüber. Zwar kann der Kläger ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG für sich beanspruchen, weil er – bis zur Ausweisung – im Besitz einer Niederlassungserlaubnis war und sich seit mindestens 5 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Tatsächlich war der Aufenthalt des Klägers, der in Deutschland geboren ist, sich auch ganz überwiegend – bis auf wenige Jahre als Kleinkind – im Bundesgebiet aufgehalten hat und über die Rechtsstellung eines privilegierten türkischen Staatsangehörigen verfügt, über die gesamte Aufenthaltszeit rechtmäßig.
Darüber hinaus sind jedoch keine weiteren der in § 55 AufenthG normierten Bleibeinteressen erfüllt. Insbesondere besteht kein Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG. Danach wiegt ein Bleibeinteresse zwar insbesondere schwer, wenn der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt. Der Kläger übt aber keine Personensorge- oder Umgangsrechte mehr in Bezug zu seinen minderjährigen Kindern aus, seit diese im Jahr 2013 in die Türkei gezogen sind.
Die Abwägung der übrigen, nicht typisierten Ausweisungs- und Bleibeinteressen nach § 53 Abs. 1 AufenthG ergibt sodann, wie bereits unter Gliederungspunkt a) dargestellt, dass das Ausweisungsinteresse des Staates insgesamt überwiegt und die Ausweisung für die Wahrung eines Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist.
2. Rechtsgrundlage für die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf sieben Jahre nach erfolgter Ausreise ist § 11 AufenthG. Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Dieses Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG von Amts wegen zu befristen. Gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG ist über die Länge der Frist nach Ermessen zu entscheiden. Sie darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Diese Frist soll zehn Jahre nicht überschreiten.
Die Entscheidung der Beklagten, die Wirkungen der Ausweisung auf sieben Jahre nach erfolgter Ausreise zu befristen, ist gemäß § 114 VwGO vom Gericht nur insoweit zu überprüfen, als zu fragen ist, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Diese Fragen sind zu verneinen. Ermessensfehler sind weder ersichtlich noch vom Kläger im Verfahren vorgetragen worden. Insbesondere hat der Kläger nicht begründet, warum das Ermessen der Beklagten soweit reduziert sein soll, dass sich nur eine Befristung auf 3 Jahre als allein ermessensfehlerfrei darstellen kann. Die von der Beklagten verfügte Frist von sieben Jahren hält sich im gesetzlichen Rahmen, da der Kläger wegen einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist und von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (s.o. unter 1.).
3. Rechtsgrundlage für die Androhung der Abschiebung in die Türkei ist § 59 Abs. 1, 2 und 5, § 58 AufenthG. Danach ist eine Abschiebung anzudrohen, soll in der Androhung der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll und ist die Bestimmung einer Ausreisefrist entbehrlich, wenn der Ausländer aus der Haft abgeschoben werden soll. Diese Voraussetzungen erfüllt die Abschiebungsandrohung.
Da mit der Ausweisung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG die Niederlassungserlaubnis des Klägers erlischt, ist der Kläger gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG zur Ausreise verpflichtet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.