Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 14.08.2019, Az.: 7 A 771/17

"Vorher-Nacher"-Vergleich; Abstufung; Allgemeinverfügung; Netzfunktion; Verkehrsbedeutung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
14.08.2019
Aktenzeichen
7 A 771/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69522
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Abstufung eines Teilstücks der Bundesstraße 443 (im Folgenden: B 443) - zur Kreisstraße.

Diese insgesamt ca. 36 km lange Bundesstraße,die als Landstraße I. Ordnung Nr. 402 durch Anordnung des Nds. Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr vom 09. Januar 1962 mit Wirkung zum 01. Januar 1962 zur B 443 aufgestuft wurde (Nds. MBl. 1962/Nr. 4, S. 126f.), beginnt in Pattensen und verläuft - ausschließlich auf dem Gebiet der Klägerin - zunächst südlich von Hannover in östlicher Richtung über Laatzen-Rethen nach Sehnde, wo sie sich für wenige hundert Meter die Trasse mit der B 65 teilt; sie verschwenkt dann nach Norden, um über Lehrte bei Burgdorf an der in West-Ost-Richtung angelegten B 188 zu enden. Neben diesen Verbindungen mit Bundesstraßen wird die B 443 in Pattensen von der in Nord-Süd-Richtung angelegten B 3 und in Laatzen-Rethen von der in gleicher Richtung verlaufenden B 6 gekreuzt; zwischen Laatzen und Sehnde stellt sie die Verbindung zur Bundesautobahn (im Folgenden: BAB) 7, bei Lehrte zur BAB 2 her.

Die nördlich von Hannover parallel zum streitgegenständlichen Abschnitt der B 443 verlaufende BAB 2 wurde im Jahre 1936 freigegeben; das Teilstück der BAB 7 zwischen Hildesheim-Drispenstedt und Hannover-Kirchhorst (Kreuz Hannover-Ost) zum Lückenschluss - auf diesen Teil der BAB 7 stößt die B 443 zwischen Laatzen und Sehnde - wurde im Sommer 1962 fertiggestellt.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und das Land Niedersachsen schlossen am 11. Oktober 2011 eine „Vereinbarung zur Abstufung von nicht mehr fernverkehrsrelevanten Bundesstraßen“. Danach sollten 172 km Bundesstraßen (Kategorien I und II), bei denen einvernehmlich aufgrund der BAB-parallelen Lage die fehlende Fernverkehrsbedeutung festgestellt worden sei, abgestuft werden. Bei weiteren rund 66 km Bundesstraßen (Kategorie III) solle nach Vorliegen weiterer Untersuchungsergebnisse eine abschließende Festlegung getroffen werden. Das Land Niedersachsen übernehme die abzustufenden Bundesstraßen in seine Baulast bzw. regele die Übernahme der Baulast nach Landesrecht. Zu den danach abzustufenden Bundesstraßenabschnitten zählte auch der streitgegenständliche Abschnitt der B 443 zwischen der Anschlussstelle Laatzen der BAB 7 und der B 65 bei Sehnde.

Die Beklagte beauftragte in Vorbereitung des Abstufungsverfahrens eine „Verkehrsuntersuchung zu Funktionsbestimmung der B 443 im Abschnitt zwischen der B 65 und der BAB 7 in Sehnde“. Das am 27. Januar 2016 erstellte Gutachten kam an vier Zählstellen der abgestuften Teilstrecke zu einem Anteil an Kreisstraßenverkehr von 88 % (Zählstelle 1), 89 % (Zählstelle 2), 87 % (Zählstelle 3) und 81 % (Zählstelle 4). Auf den weiteren Inhalt des Gutachtens wird verwiesen.

Mit Schreiben vom 20. Juli 2016 hörte die Beklagte die Klägerin zu der streitgegenständlichen Umstufung an. Sie verwies dabei auf den in dem Gutachten ermittelten Anteil an Kreisstraßenverkehr. Die Klägerin hielt dem mit Schreiben vom 15. Juli 2016 entgegen, dass durch das beauftragte Gutachten nicht dargelegt worden sei, dass sich - wie es die einschlägige gesetzliche Regelung voraussetze - die bisherige Verkehrsbedeutung des streitgegenständlichen Bundesstraßenabschnitts geändert habe. Hierfür fehle es bereits an der erforderlichen „Vorher-Nachher“-Betrachtung. Die Klägerin verwies zur Verkehrsbedeutung des besagten Teilabschnitts der B 443 auf die Verbindungsfunktion der B 443, die auch ein wichtiger Zubringer zum Messegelände Hannover sei. Diese Bundesstraße verfüge daher über eine Netzfunktion und sei in Gänze dem weiträumigen Verkehr zu dienen bestimmt. Ihre Unterbrechung durch Herausnahme eines Abschnittes bedeutete den partiellen Verlust dieser Netzfunktion.

Mit am 21. Dezember 2016 im Nds. Ministerialblatt (Nr. 48/2016, S. 1259) bekanntgemachter Verfügung stufte die Beklagte „die auf dem Gebiet“ der der Klägerin angehörenden „Stadt Sehnde gelegene Teilstrecke der Bundesstraße 443 zwischen der Anschlussstelle Laatzen und der Bundesstraße 65, von NK 3625004 nach NK 3625010, Abschnitt 60, von Station 0.159 bis Station 1.489, Abschnitt 70, von Station 0.000 Station 2.854, Abschnitt 80, von Station 0.000 bis Station 2.019 zur Kreisstraße in die Baulast“ der Klägerin ab.

Die Klägerin hat hiergegen am 19. Januar 2017 bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben, zu deren Begründung sie in Ergänzung ihres Vorbringens im Anhörungsverfahren im Wesentlichen ausführen lässt:

Die rechtlichen Voraussetzungen für die vorgenommene Abstufung lägen nicht vor. Die Beklagte nehme unzutreffend an, dass sich die Verkehrsbedeutung der B 443 geändert habe. Die „Änderung der Verkehrsbedeutung“ als zusätzliche Voraussetzung für eine zulässige Umstufung habe eine wichtige Schutzfunktion für die Kommunen, die ansonsten „über Nacht“ für ausgebaute Bundesstraßen verantwortlich sein könnten. Danach sei eine Umstufung zum Zweck der Berichtigung einer von vornherein fehlerhaften Einstufung als Bundesstraße unzulässig. Das Bundesfernstraßenrecht kenne die berichtigende Umstufung nicht. Es reiche daher nicht aus, die - aus Sicht der Beklagten - aktuell zutreffende Einstufung der Straße festzustellen. Die Verkehrsbedeutung der B 443 habe sich nicht geändert; sie habe ihre Funktion in dem zusammenhängenden Netz der Bundesfernstraßen nicht verloren und diene weiterhin einem weiträumigen Verkehr. Die von der Beklagten beauftragte Untersuchung des tatsächlichen Verkehrsaufkommens auf der B 443 sei unzureichend und komme zu fehlerhaften Ergebnissen. Es seien lediglich sehr vereinzelt an einigen Tagen Zählungen und Befragungen vorgenommen worden. Auch müsse berücksichtigt werden, dass im Einzugsbereich größerer Städte - hier der Landeshauptstadt Hannover - der örtliche Verkehr gerade auch auf höher qualifizierten Straßen, die einen höheren Ausbaustandard aufwiesen, den überregionalen Verkehr ohnehin deutlich überwiege. Würde die Quantität der Verkehrsbeziehungen für die Einordnung in die zutreffende Straßenklasse den Ausschlag geben, wäre im Einzugsbereich größerer Städte eine sinnvolle Handhabung der Kriterien für die verschiedenen höher klassifizierten Straßen, namentlich das durchgehende Netz der Bundesfern- und Landstraßen nicht möglich. Die seinerzeitige Aufstufung der Landesstraße I. Ordnung Nr. 402 zur B 443 sei ganz bewusst in der vorhandenen Lage zu den BAB 2 und 7 geschehen. Der Lückenschluss in der BAB 7 zwischen Hildesheim und Hannover im Sommer 1962 sei zum Zeitpunkt der Aufstufung bereits bekannt gewesen. Die BAB 7 verlaufe auch nicht parallel, sondern orthogonal zu der streitgegenständlichen Strecke, so dass weder ihr Bau noch ihr späterer sechsstreifiger Ausbau eine Veränderung der Verkehrsbedeutung der B 443 begründen könnten. Auch die Inbetriebnahme der dritten Fahrstreifen auf der BAB 2 könne eine Änderung der Verkehrsbedeutung der B 443 nicht herbeigeführt haben. Die von der Beklagten insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung habe den Neubau oder den grundlegenden Ausbau von parallelen Bundesfernstraßen zum Gegenstand, nicht jedoch eine bloße Anpassung an ein aktuelles Verkehrsniveau bzw. einen zwischenzeitlich veränderten Ausbaustandard. Gegen einen Funktionsverlust spreche weiterhin, dass die ebenfalls parallel zur BAB 2 verlaufenden Teile der B 443 und der B 65 nicht abgestuft worden, sondern ausweislich des aktuellen Bundesverkehrswegeplanes sogar für weitere Ausbaumaßnahmen im vordringlichen Bedarf vorgesehen seien. Es erschließe sich daher nicht, warum ein einzelner Teil der B 443 durch den Ausbau der BAB 2 seine Verkehrsfunktion verloren haben solle.

Die Klägerin beantragt,

die Verfügung der Beklagten vom 21.12.2016 (Nds. Ministerialblatt S. 1259) zur Abstufung einer Teilstrecke der B 443 auf dem Gebiet der Stadt Sehnde, Region Hannover, zur Kreisstraße in der Baulast der Klägerin aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Änderung der Verkehrsbedeutung der streitgegenständlichen Teilstrecke sei auf bauliche Änderungen im Fernstraßennetz zurückzuführen, nämlich auf den Lückenschluss der BAB 7 zwischen Hildesheim und Hannover sowie auf den sechsstreifigen Ausbau der BAB 2 und 7. Vor dem Lückenschluss in der BAB 7 zwischen Hildesheim und Hannover hätten dem weiträumigen Verkehr aus Richtung Süden in Richtung Osten in diesem Bereich lediglich die B 6 und die Landesstraße I. Ordnung Nr. 402, die daher zur B 443 aufgestuft worden sei, zur Verfügung gestanden. Daher könne kein Zweifel bestehen, dass die B 443 zum Zeitpunkt ihrer Aufstufung zum 01. Januar 1962 und vor dem besagten Lückenschluss in der BAB 7 dem überregionalen Verkehr gedient habe. Diese Funktion habe der Abschnitt später verloren. Sowohl rechtliche wie Gesichtspunkte der Plausibilität sprächen dafür, dass eine Bundesstraße abzustufen sei, wenn deren Fernverkehrsfunktion von einer neu gebauten oder ausgebauten, parallel verlaufenden Autobahn übernommen werde. Soweit die Klägerin die Ansicht vertrete, die B 443 habe ihre Netzfunktion nicht verloren, sei darauf zu verweisen, dass lediglich der abgestufte Teilabschnitt zu betrachten sei. Dieser diene - anders als der westlich der BAB 7 liegende, nicht abgestufte Teil - nicht als Zubringer zum Messegelände. Das Verkehrsaufkommen sei auf dem westlichen Teilstück ohnehin wesentlich höher. Vor allem aber bilde der nicht abgestufte Abschnitt der B 443 nach wie vor mit der B 3, der B 6 und der BAB 7 sowie mittelbar mit der B 65 und der BAB 2 ein zusammenhängendes Verkehrsnetz. Die Ergebnisse der Verkehrszählung ließen nur die Abstufung zu einer Kreisstraße zu. Die Zählungen hätten an mehreren unterschiedlichen Wochentagen außerhalb der Schulferien zu verschiedenen Zeiten stattgefunden. An zwei Wochentagen – jeweils zwischen 07:00 Uhr und 11.00 Uhr sowie 14:00 Uhr und 16.00 Uhr bzw. 18:00 Uhr - seien Befragungen von Fahrzeugführern zu ihrem Ausgangsort und Ziel durchgeführt worden. Es habe sich also nicht lediglich um „punktuelle Messungen“ gehandelt. Es seien an den vier Befragungsstellen 809, 1.044, 1.129 bzw. 462 Befragungen vorgenommen worden.

Die Beigeladene, der keinen Sachantrag gestellt hat, tritt der Klage entgegen, indem sie das Vorbringen der Beklagten ergänzt und vertieft.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Die von der Beklagten verfügte Abstufung des Abschnitts der B 443 zwischen der A 7 und der B 65 bei Sehnde zu einer Kreisstraße ist formell (1.) und materiell (2.) rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Abstufungsanordnung ist formell ordnungsgemäß ergangen.

Die Zuständigkeit der Beklagten gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 Bundesfernstraßengesetz (vom 06.08.1953, BGBl. I 903, in der Neufassung der Bekanntmachung vom 28.06.2007, BGBl. I 1206, zuletzt geändert durch Gesetz vom 31.05.2013, BGBl. I 1388 -FStrG-), wonach die oberste Landesbehörde - also das Nds. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung - (u. a.) für die Entscheidung über eine Umstufung von Bundesfernstraßen zuständig ist, folgt aus dem Runderlass dieses Ministeriums vom 22. Dezember 2004 (Nds. MBl. 2004 Nr. 41, S. 879, i. d. F. d. Änderung vom 14.07.2009, Nds. MBl. 2009 Nr. 30, S. 685). Nach dessen Nr. 1 lit. f) ist die Beklagte ab dem 01. Dezember 2005 zuständige Behörde (u. a.) für Maßnahmen gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1 FStrG (Widmung, Umstufung und Einziehung).

Die Abstufung ist hier zum Ende des Rechnungsjahres 2016 - des Haushaltsjahres der Klägerin als künftiger Trägerin der Baulast - ausgesprochen und dieser (länger als) drei Monate zuvor angekündigt worden (§ 2 Abs. 5 Satz 3 FStrG). Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 20. Juni 2016 zu der beabsichtigten Abstufung angehört worden war, wurde die Abstufung im Niedersächsischen Ministerialblatt als Amtsblatt im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 4 FStrG bekannt gemacht.

2. Die Abstufung des besagten Abschnitts der B 443 zu einer Kreisstraße ist rechtmäßig erfolgt; die Voraussetzungen hierfür liegen vor.

Bei der Abstufung einer Straße handelt es sich - ebenso wie bei deren Aufstufung - um eine Allgemeinverfügung im Sinne des § 1 Abs. 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz -NVwVfG- i.V.m. § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz -VwVfG-. Sie besteht aus zwei Teilentscheidungen, d. h. aus der Feststellung des Wegfalls der bisher maßgeblichen Klassifizierungsmerkmale einerseits und der Zuordnung der Straße zu einer neuen - im Falle der Abstufung unteren - Straßenkategorie andererseits (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.06.1992 - 4 B 105.92 -, juris Rn. 3; Nds. OVG, Urt. v. 28.08.2018 - 7 LC 82/16 -, juris Rn. 26).

Nach § 2 Abs. 4 FStrG ist eine Bundesfernstraße, bei der sich die Verkehrsbedeutung geändert hat und bei der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG weggefallen sind, entweder unverzüglich einzuziehen, wenn sie jede Verkehrsbedeutung verloren hat oder überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen (Einziehung), oder - wie hier geschehen - unverzüglich dem Träger der Straßenbaulast zu überlassen, der sich nach Landesrecht bestimmt (Abstufung). Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FStrG sind öffentliche Straßen, die ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und einem weiträumigen Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind, Bundesstraßen des Fernverkehrs (Bundesfernstraßen). Gemäß § 1 Abs. 2 FStrG gliedern sie sich in (1.) Bundesautobahnen und (2.) Bundesstraßen mit deren Ortsdurchfahrten (§ 5 Abs. 4).

Gemäß § 3 Abs. 1 des Niedersächsischen Straßengesetzes -NStrG- werden die öffentlichen Straßen nach ihrer Verkehrsbedeutung in folgende Straßengruppen eingeteilt: 1. Landesstraßen; das sind Straßen, die innerhalb des Landesgebietes untereinander oder zusammen mit den Bundesfernstraßen ein Verkehrsnetz bilden und überwiegend einem über das Gebiet benachbarter Landkreise und kreisfreier Städte hinausgehenden Verkehr, insbesondere dem Durchgangsverkehr, dienen oder zu dienen bestimmt sind; 2. Kreisstraßen; das sind Straßen, die überwiegend dem Verkehr zwischen benachbarten Landkreisen und kreisfreien Städten, dem überörtlichen Verkehr innerhalb eines Landkreises oder dem unentbehrlichen Anschluss von Gemeinden oder räumlich getrennten Ortsteilen an überörtliche Verkehrswege dienen oder zu dienen bestimmt sind;3. Gemeindestraßen; das sind Straßen, die überwiegend dem Verkehr innerhalb einer Gemeinde oder zwischen benachbarten Gemeinden dienen oder zu dienen bestimmt sind (§ 47); 4. sonstige öffentliche Straßen (§ 53).

Bei der Beurteilung, welche Verkehrsbedeutung einer Straße zukommt und in welche Straßenklasse sie dementsprechend einzuteilen ist, steht der zuständigen Behörde weder ein Beurteilungsspielraum oder eine Einschätzungsprärogative noch ein Ermessen zu. Abzustellen ist bei der Beurteilung vielmehr allein auf das tatsächlich festzustellende Verkehrsaufkommen („dienen“) oder die der Straße zugedachte Verkehrsfunktion („zu dienen bestimmt“) (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 28.08.2018 - 7 LC 82/16 -, juris Rn. 26, m.w.N. aus d. Rspr. u. d. Kommentarliteratur). Diese Kriterien sind nicht einander gleichzusetzen, sondern stehen gleichberechtigt nebeneinander (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.10.2002 - 4 B 49.02 -, juris Rn. 4; Urt. v. 03.05.2013 - 9 A 17.12 -, juris Rn. 12; Nds. OVG, Urt. v. 28.08.2018, a.a.O., Rn. 31). Es kommt darauf an, welchen Charakter der Verkehr aufweist, der eine Straße überwiegend nutzt bzw. im Fall einer neu zu bauenden Straße bei prognostischer Betrachtung nutzen wird. Wie die Einfügung der Worte „zu dienen bestimmt sind“ weiter erkennen lässt, ist daneben auch die Zweckbestimmung der Straße nach funktionalen Zielsetzungen für die Einstufung maßgeblich. Insofern kommt es auf die Funktion der Straße im Verkehrsnetz an. Für die Einstufung maßgeblich sind stets objektive Kriterien. Subjektive Zielsetzungen der planenden Behörde sind lediglich dann relevant, wenn sie in Einklang mit den objektiven Gegebenheiten stehen. Es stellt einen Akt zwingenden Rechts dar, die Verkehrsbedeutung einer Straße anhand dieser Kriterien zu bestimmen und sie einer der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 NStrG genannten Straßengruppen zuzuordnen. Diese Entscheidung steht nicht im Ermessen der Behörde; der Behörde steht auch ein Beurteilungsspielraum bzw. eine Letztentscheidungskompetenz nicht zu (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 28.08.2018, a.a.O., Rn. 31, m.w.N.).

Die Änderung der Verkehrsbedeutung kann aus verschiedenen Gründen erfolgen. Sie kann gezielt (durch bauliche Änderungen im Netz oder verkehrsregelnde Maßnahmen, insbesondere im innerörtlichen Verkehr, z. B. durch Ableitung des Durchgangsverkehrs) oder durch raumstrukturelle Änderungen herbeigeführt worden sein (z. B. infolge der Neuordnung von kommunalen Grenzen), auf geänderte Vorstellungen des Aufgabenträgers über die Funktion einzelner Straßenzüge innerhalb des Gesamtnetzes zurückgehen oder von selbst eintreten durch allmähliche Abwanderung des Verkehrs oder eine Änderung seiner Zusammensetzung (vgl. (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 28.08.2018, a.a.O., Rn. 32, m.w.N.). Im Rahmen der in § 3 Abs. 1 NStrG vorgenommenen Einteilung der Straßen in Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen ist weiterhin zu berücksichtigen, dass der in der Vorschrift verwendete Begriff „überwiegend“ relativ zu verstehen ist und nicht „mehr als 50 %“ bedeutet. Der auf den maßgeblichen Verkehr entfallende Anteil des Gesamtverkehrs einer Straße muss höher sein als der Anteil jeder Art der übrigen Verkehrsvorgänge (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 28.08.2018, a.a.O., Rn. 32, m.w.N.).

a.) Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 FStrG für die Abstufung des streitgegenständlichen Streckenabschnitts lagen in dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 28.08.2018, a.a.O., Rn. 33) vor.

aa.) Der besagte Abschnitt hat seine Verkehrsbedeutung als Bundesfernstraße verloren. Die Verkehrsbedeutung hat sich im Sinne des § 2 Abs. 4 FStrG geändert, wenn die von der Bundesfernstraße vermittelten räumlichen Verkehrsbeziehungen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt bestehen.

Die Prüfung der vermittelten räumlichen Verkehrsbeziehungen weist eine tatsächliche und eine rechtliche Komponente auf. Es ist einerseits zu ermitteln, welchem Verkehr die streitbefangene Straßenverbindung tatsächlich dient bzw. welcher Verkehr für sie prognostiziert wird. Damit ist vor allem die Frage nach der Quantität der durch die Straße vermittelten Verkehrsbeziehungen aufgeworfen. Andererseits ist zu untersuchen, ob und gegebenenfalls welche Funktion der Straße im Verkehrsnetz zukommt (sog. Netzzusammenhang), was vor allem die Qualität der Straße im Verkehrsnetz betrifft. Das Beurteilungskriterium der Qualität der Straßenfunktion steht bei der Beurteilung der Verkehrsbedeutung selbstständig neben der quantitativen Komponente und kann deshalb auch ausschlaggebend die Straßenklasse bestimmen. Abzustellen ist auf objektive bzw. objektivierbare Bewertungskriterien und nicht auf die subjektiven Einschätzungen betroffener Gemeinden oder künftiger Baulastträger (vgl. BayVGH, Urt. v. 01.03.2019 - 8 A 17.40007 -, juris Rn. 28, m.w.N.).

Dem streitgegenständlichen Teilabschnitt der B 443 kommt nicht (mehr) die Verkehrsbedeutung einer Bundesstraße zu. Sie dient nicht (mehr) dem weiträumigen, überregionalen (vgl. hierzu Grupp in: Marschall, FStrG, 6. Aufl., Rdnr. 19 zu § 1) Verkehr. Dies zeigt das Ergebnis der vorgenommenen Verkehrsuntersuchung. Nach dem Inhalt des unter dem 27. Januar 2016 erstellten Gutachtens wurde an den vier Zählstellen der abgestuften Teilstrecke ein Anteil an Kreisstraßenverkehr von 88 % (Zählstelle 1), 89 % (Zählstelle 2), 87 % (Zählstelle 3) und 81 % (Zählstelle 4) ermittelt. Da die Zählungen an mehreren unterschiedlichen Wochentagen außerhalb der Schulferien zu verschiedenen Zeiten stattgefunden haben - an zwei Wochentagen jeweils zwischen 07:00 Uhr und 11.00 Uhr sowie 14:00 Uhr und 16.00 Uhr bzw. 18:00 Uhr - und an den vier Befragungsstellen 809, 1.044, 1.129 bzw. 462 Befragungen von Fahrzeugführern zu ihrem Ausgangsort und Ziel vorgenommen wurden, handelte es sich - entgegen der Auffassung der Klägerin - um eine repräsentative Erhebung. Die Anzahl der befragten Kraftfahrzeugführer war ausreichend, um valide Ergebnisse zu generieren. Die Verkehrsuntersuchung ist daher - entgegen der Ansicht der Klägerin - fachlich nicht zu beanstanden.

Nach der Einlassung des Beigeladenen soll der Abschnitt nicht (mehr) dem weiträumigen Verkehr dienen.

Der streitgegenständliche Streckenabschnitt hat seine Netzfunktion als Bundesfernstraße verloren. Die nicht abgestuften Abschnitte der B 443 bilden nach wie vor mit der B 3, der B 6 und der BAB 7 sowie mittelbar mit der B 65 und der BAB 2 ein zusammenhängendes Verkehrsnetz. Es bleiben nach/trotz der Abstufung des streitgegenständlichen Abschnitts keine „losen Enden“ im Netz der Bundesfernstraßen, mit denen die B 443 verbunden (gewesen) ist (vgl. Grupp, a.a.O., Rdnr. 17 zu § 1). Anders gewendet: Die Bedeutung, die dem abgestuften Abschnitt im Straßennetz als Verbindungsstrecke zwischen der BAB 7 und der B 65 bei Sehnde (noch) zukommt, hätte zu dem hier rechtserheblichen Zeitpunkt eine Aufstufung zur Bundesstraße nicht gerechtfertigt. In diesem Teil des Gebietes der Klägerin verläuft die B 65 von Sehnde in nordwestlicher Richtung zum Autobahnkreuz Hannover-Ost und fungiert (bereits) nach Art einer „Querspange“ als Zubringerschiene für das Autobahnnetz.

Die Verkehrsbedeutung des streitgegenständlichen Streckenteils der B 443 hat sich geändert i.S.d. § 2 Abs. 4 FStrG („Vorher-Nachher“-Vergleich).

Der Klägerin ist zwar einzuräumen, dass „lediglich“ im Jahre 2016 - zur Vorbereitung der Abstufungsentscheidung - Zahlen für die Feststellung der Verkehrsbedeutung des besagten Abschnitts der B 443 erhoben worden sind, solche aber für den Zeitpunkt der Aufstufung im Januar 1962 nicht vorliegen. Dies ist allerdings auch nicht erforderlich, weil sich die Netzfunktion der (vormaligen) Landstraße I. Ordnung Nr. 402 - gerade auch des hier streitgegenständlichen Streckenabschnitts - anhand des zum Zeitpunkt der Aufstufung zum 01. Januar 1962 vorhandenen Netzzusammenhangs hinreichend deutlich nachvollziehen lässt. Vor dem Lückenschluss in der BAB 7 zwischen Hildesheim-Drispenstedt und Hannover-Kirchhorst im Sommer 1962 standen dem weiträumigen Verkehr aus Richtung Süden, der bis Hildesheim auf der BAB 7 herangeführt wurde und der über die BAB 2 in Richtung Osten gelangen wollte, in diesem Bereich lediglich die B 6, auf die dieser Fernverkehr ab Hildesheim wechseln musste, und die Landesstraße I. Ordnung Nr. 402, die diesen Verkehr zur Anschlussstelle Lehrte der BAB 2 führen konnte, zur Verfügung. Daher kann kein begründeter Zweifel bestehen, dass die B 443 zum Zeitpunkt ihrer Aufstufung - vor dem Schließen der besagten Lücke in der BAB 7 - einem weiträumigen Verkehr i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 FStrG diente.

Dieser Feststellung stehen weder der Umstand, dass die B 443 diese Funktion lediglich für einen recht kurzen Zeitraum von etwa einem halben Jahr erfüllte, noch der Gesichtspunkt, dass zum Zeitpunkt der Aufstufung der baldige Lückenschluss absehbar war, entgegen.

Auf die weitere Argumentation der Beklagten, die Parallelität des streitbefangenen Abschnitts der B 443 zur BAB 2 bzw. deren sechstreifiger Ausbau und der sechsstreifige Ausbau der BAB 7 hätten dazu geführt, dass der besagte Abschnitt der B 443 seine Netzfunktion verloren habe, kommt es daher nicht an. Im Übrigen dürften diese Ausbaumaßnahmen jeweils der Verkehrsentwicklung nach dem „Mauerfall“ geschuldet gewesen sein.

b.) Die Einordnung des abgestuften Streckenteils in die Straßengruppe der Kreisstraßen nach § 3 Abs. 1 NStrG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Ergebnis der Verkehrsuntersuchung im Dezember 2015/Januar 2016 ist - wie ausgeführt - eindeutig und lässt nur die Abstufung zu einer Kreisstraße nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 NStrG zu.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil diese keinen Sachantrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko im Sinne von § 154 Abs. 3 VwGO nicht ausgesetzt hat.