Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 22.10.2004, Az.: 3 B 264/04

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
22.10.2004
Aktenzeichen
3 B 264/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 43176
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2004:1022.3B264.04.0A

In der Verwaltungsrechtssache

des Lehrers A.,

Antragsteller,

Proz.-Bev.: Rechtsanwalt D.,

gegen

die Bezirksregierung Braunschweig, vertreten durch den Regierungspräsidenten,...,

Antragsgegnerin,

Streitgegenstand: Versetzung, hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 3. Kammer - am 22. Oktober 2004 beschlossen:

Tenor:

  1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

    Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der am 3. September 2004 bei Gericht eingegangene Antrag des Antragstellers,

2

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 26. Juli 2004 gegen die Versetzungsverfügung der Antragsgegnerin vom 23. Juli 2004 anzuordnen,

3

wird abgelehnt.

4

Gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 3 Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Versetzung eines Beamten keine aufschiebende Wirkung mehr. Mit der zum 1. Juli 1997 in Kraft getretenen Gesetzesnovelle verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, den Personaleinsatz im öffentlichen Dienst durch flexiblere Handhabung der Instrumente der Abordnung und Versetzung auszubauen (vgl. BT-Drs. 13/3994 S. 27). Die Beseitigung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Verwaltung in die Lage versetzen, die personellen Planungen unabhängig von der Ungewissheit über den Zeitpunkt der Erstellung des Widerspruchsbescheides oder der Entscheidung über eine verwaltungsgerichtliche Klage umzusetzen (aaO., S. 35).

5

Der gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 5 VwGO zulässige Antrag ist jedoch nicht begründet. Der Antragsteller kann die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht verlangen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versetzung des Antragstellers durch die angefochtene Verfügung mit Wirkung vom 1. August 2004 an die Hauptschule G. in H. (I.) bestehen für die Kammer nicht. Deshalb überwiegt bei der von der Kammer vorzunehmenden Interessenabwägung das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.

6

Formelle Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere lag vor Erlass dieser Verfügung die Zustimmung des Schulbezirkspersonalrats vom 22. Juli 2004 vor (vgl. Beiakte A Bl. 203 R); insoweit ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, wenn der Antragsteller ohne weiteren Beleg behauptet, der "Personalrat" habe die Zustimmung zu seiner Versetzung verweigert, so dass beim Kultusministerium ein Nichteinigungsverfahren eingeleitet worden sei.

7

Materielle Rechtsgrundlage für die Versetzungsentscheidung ist § 32 Abs. 1 Nds. Beamtengesetz (NBG), wonach ein Beamter aus dienstlichen Gründen ohne seine Zustimmung in ein anderes Amt derselben Laufbahn versetzt werden kann. Diese Voraussetzungen sind offensichtlich erfüllt.

8

Sowohl der angefochtenen Verfügung der Antragsgegnerin vom 23. Juli 2004 als auch der ausführlichen Darstellung der Situation der Unterrichtsversorgung insbesondere im Fach Musik an der I. in H. im gerichtlichen Verfahren ist mit Eindeutigkeit nicht nur zu entnehmen, dass dienstliche Gründe (entgegen der Auffassung des Antragstellers verlangt § 32 Abs. 1 NBG kein dienstliches "Bedürfnis") gegeben sind, sondern auch, dass die angefochtene Entscheidung insgesamt ermessensfehlerfrei erfolgt ist. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller als Volksschullehrer mit dem Hauptfach Musik und den didaktischen Fächern Mathematik und Werken rechts- und ermessensfehlerfrei an die Hauptschule I. in H. versetzt. Dabei ist sie zutreffend davon ausgegangen, dass das von ihr umfassend ermittelte öffentliche Interesse an einer Unterrichtsversorgung an der I. durch eine Lehrkraft gerade mit der Fächerkombination des Antragstellers sein im Wesentlichen persönliches Interesse, an ein J. Gymnasium versetzt zu werden, überwiegt. Zur Sicherstellung einer sach- und fachgerechten Unterrichtsversorgung auch an Hauptschulen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin den Antragsteller als Fachlehrer für Musik an die I. versetzt, weil dort zum Schuljahr 2004/2005 sonst keine Fachlehrkraft für Musik zur Verfügung steht und zudem seit vier Jahren gar kein Musikunterricht erteilt werden konnte. Ebenso zutreffend hat die Antragsgegnerin in ihre Erwägungen den Umstand eingestellt und entsprechend gewichtet, dass es für sie nicht den Regelfall darstellt, dass eine Lehrkraft für Grund- und Hauptschulen (auch nach dem Wegfall der Orientierungsstufe) an ein Gymnasium versetzt wird. Soweit der Antragsteller sich auf Einzelfälle beruft, die Ausnahmen darstellen, wird nicht ansatzweise deutlich, dass sich daraus auch für ihn ein Anspruch ergeben könnte.

9

Die Kammer verkennt nicht, dass der Antragsteller von der angefochtenen Versetzung insbesondere deshalb persönlich nicht unerheblich betroffen ist, weil er durch sein langjähriges Wirken an der bisherigen Orientierungsstufe K. in H. einen umfangreichen Erfahrungsschatz gesammelt hat. Allerdings verweist die Antragsgegnerin zu Recht darauf, dass es aufgrund der eingetretenen Organisationsänderung gerade nicht ihre vordringliche Aufgabe ist, dem Antragsteller etwa an einem Gymnasium in H. zu ermöglichen, genau diese Erfahrungen einschließlich der erstellten Unterrichtsmaterialen nahezu unverändert so wieder einsetzen und verwenden zu können, sondern dass sie gehalten ist, die sach- und fachgerechte Unterrichtsversorgung insgesamt sicher zu stellen. Soweit der Antragsteller in der Folge seine Materialien überarbeiten und dem jeweiligen Niveau seiner Schüler anpassen muss, ist dies ein Umstand, mit dem er als Volksschullehrer jederzeit rechnen musste und den er aufgrund seiner Ausbildung und gerade auch seiner langjährigen Praxis bewältigen kann und muss. Der Antragsteller wird weiterhin laufbahnkonform als Lehrkraft an einer Hauptschule eingesetzt. Es mag durchaus sein, dass die Annahme des Antragstellers, dort werde es voraussichtlich schwieriger sein, seinen Erfahrungsschatz angemessen in den Unterricht einzubringen, zutrifft. Gleichwohl verweist die Antragsgegnerin insofern in rechtlich nicht zu beanstandender Weise darauf, dass Musikunterricht in einem solchen Umfeld umso notwendiger ist. Auch sein Lebensalter (der Antragsteller ist 55 ? Jahre alt) rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung, denn - wie bereits dargelegt - durfte sich der Antragsteller nicht darauf verlassen, die einmal erstellten Unterrichtsmaterialien bis zu seiner Pensionierung ohne Überarbeitung weiter verwenden zu können, zumal er auch an der Orientierungsstufe bisher schon diejenigen Schüler angemessen (mit-)unterrichten musste, die später zur Hauptschule gewechselt sind.

10

Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat sich die Antragsgegnerin sehr wohl mit seiner bereits im Anhörungsverfahren vorgebrachten Argumentation auseinandergesetzt, er halte es für sachgerechter, wenn er seine Tätigkeit an einem Gymnasium fortsetzen könne. Allerdings hat die Antragsgegnerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dem öffentlichen Interesse an der Sicherstellung der Erteilung von Fachunterricht insbesondere in Musik an der I. den Vorrang eingeräumt. Dass der Antragsteller, der als einziger Musiklehrer an der I. mit 15 Wochenstunden nahezu den gesamten Bedarf an Musikunterricht abdeckt und noch in Werken und Mathematik ausbildungsadäquat eingesetzt wird, zusätzlich in seiner Klasse zudem noch fachfremd 4 Wochenstunden Erdkunde bzw. Geschichte zu erteilen hat, rechtfertigt keine abweichende rechtliche Beurteilung, denn als Klassenlehrer hat er die erforderliche Stundenzahl in dieser Klasse zu erbringen. Seinem eigenen Vorbringen ist zu entnehmen, dass er zudem die Vorbereitung der Erteilung des fachfremden Unterrichts auch bewältigt hat.

11

Soweit der Antragsteller geltend macht, auch an J. Gymnasien (insbesondere dem L. -Gymnasium) bestehe ein Bedarf an der Erteilung von Fachunterricht im Bereich Musik, lässt sich den von der Antragsgegnerin vorgelegten Personalakten des Klägers und dem Vorbringen der Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren entnehmen, dass eine umfassende Prüfung der Bedarfslage schulformübergreifend stattgefunden hat. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin sich nicht zuletzt deshalb für die Versetzung des Antragstellers an die I. in H. entschieden hat, weil das Fach Musik dort sonst nicht oder nur fachlehrerfremd erteilt werden könnte.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes bemisst sich nach §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.