Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.11.2024, Az.: 2 OA 156/24

Eingliederungshilfe; Gegenstandswert; Schulbegleitung; Gegenstandswert in Kinder- und Jugendhilfesachen (Schulbegleitung)

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.11.2024
Aktenzeichen
2 OA 156/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 26348
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:1115.2OA156.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 09.11.2023 - AZ: 4 B 1468/23

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Gegenstandswert richtet sich in nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfreien Verfahren nach § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG.

  2. 2.

    Ein Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Übernahme von Kosten für eine Schulbegleitung betrifft keine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt i.S.d. § 52 Abs. 3 GKG, sondern eine Sachleistung (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 21.12.2023 - 14 OA 123/23 -, juris Rn. 7).

  3. 3.

    Das im gerichtlichen Verfahren zum Ausdruck kommende (ideelle und soziale) Interesse des Antragstellers war auf den Erhalt einer angemessenen Schulbildung unter Zuhilfenahme einer von ihm mangels anderer verfügbarer Personen bereits eingesetzten und - insoweit zwischen den Beteiligten streitig - auch geeigneten Person als Schulbegleiterin als Maßnahme der Eingliederungshilfe gerichtet.

Tenor:

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Beschwerdeverfahren 14 ME 128/23 wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Über den Antrag des Bevollmächtigten des Antragstellers auf Festsetzung des Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit in dem nach § 188 Abs. 2 Satz 1 erster Halbs. VwGO gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahren 14 ME 128/23 entscheidet gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter.

1. Die Festsetzung des Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit richtet sich nach den § 23 Abs. 1 Satz 2, § 33 Abs. 1 RVG i.V.m. § 52 und § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG (vgl. zur Geltung des § 23 Abs. 1 Satz 2 NdsOVG, Beschl. v. 16.8.2023 - 14 OA 17/23 -, juris Rn. 5). Danach ist der Gegenstandswert nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (vgl. § 52 Abs. 1 GKG). Betrifft der Antrag des Antragstellers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist die Höhe der Geldleistung maßgeblich (vgl. § 52 Abs. 3 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand nicht genügend Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).

Ein Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Übernahme von Kosten für eine Schulbegleitung betrifft keine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt i.S.d. § 52 Abs. 3 GKG, sondern eine Sachleistung (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 21.12.2023 - 14 OA 123/23 -, juris Rn. 7; VGH BW, Beschl. v. 14.3.2022 - 12 S 3283/21 -, juris Rn. 10 f.; SächsOVG, Beschl. v. 13.3.2024 - 3 E 12/24 -, juris Rn. 9, v. 29.12.2021 - 3 E 54/21 -, juris Rn. 2).

Das im gerichtlichen Verfahren zum Ausdruck kommende (ideelle und soziale) Interesse des Antragstellers war auf den Erhalt einer angemessenen Schulbildung unter Zuhilfenahme einer von ihm mangels anderer verfügbarer Personen bereits eingesetzten und - insoweit zwischen den Beteiligten streitig - auch geeigneten Person als Schulbegleiterin als Maßnahme der Eingliederungshilfe gerichtet. Gegenständlich war insbesondere nicht die Übernahme von Aufwendungen, die die Vormünder des Antragstellers bereits verauslagt hatten. Dieses ideelle und soziale Interesse ist i.S.d § 52 Abs. 1 GKG nicht objektiv bestimmbar, insbesondere auch nicht wirtschaftlich eindeutig bewertbar (vgl. auch VGH BW, Beschl. v. 14.3.2022 - 12 S 3283/21 -, juris Rn. 10 f.; SächsOVG, Beschl. v. 29.12.2021 - 3 E 54/21 -, juris Rn. 2 und Beschl. v. 12.9.2018 - 4 E 98/18 -, juris Rn. 7). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, welche Kosten mit der Maßnahme für den Antragsgegner verbunden sind. Die Bedeutung der Sache für den Antragsgegner oder einen Beigeladenen beeinflusst den Streitwert nicht (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 4.5.1999 - 5 A 5682/97 -, juris; Dörndorfer, in: Binz/Dörndorfer /Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Aufl. 2021, § 52 Rn. 2), zumal diese hier auch noch nicht bestimmbar gewesen waren.

Es kann hier auch nicht auf Nr. 21.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 zurückgegriffen werden, der für "laufende Leistungen" den "Wert der streitigen Leistung, höchstens Jahresbetrag" empfiehlt. Der Begriff der "laufenden Leistung" nimmt erkennbar Bezug auf § 39 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, da "Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen" Leistungen darstellen, die durch Geldzahlungen erbracht werden und damit auch dem wirtschaftlichen Interesse eines Antragstellers entsprechen. Diese Leistungen sind den Ansprüchen auf Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht vergleichbar (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 21.12.2023 - 14 OA 123/23 -, juris Rn. 10 mit Verweis auf SächsOVG, Beschl. v. 29.12.2021 - 3 E 54/21 -, juris Rn. 5).

2. Für eine Reduzierung des Gegenstandwerts mit Blick auf das Eilverfahren besteht dabei kein Anlass (vgl. auch VGH BW, Beschl. v. 14.3.2022 - 12 S 3283/21 -, juris Rn. 12 m.w.N.), da der Antragsteller irreversible Nachteile geltend gemacht hat und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache vorwegnehmen, der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes angehoben werden kann (vgl. die Empfehlung in Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013). Der Antragsteller hat mit der begehrten Leistung eine Vorwegnahme der Hauptsache erstrebt. Auch die bloße vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache vermittelt dem jeweiligen Antragsteller die mit dem Klageverfahren verfolgte Rechtsposition und stellt ihn - ohne dass diese Rechtsstellung rückwirkend wieder beseitigt werden könnte - vorweg so, als wenn er im Klageverfahren bereits obsiegt hätte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.12.1989 - 2 ER 301/89 -, juris Rn. 3; NdsOVG, Beschl. v. 21.12.2023 - 14 OA 123/23 -, juris Rn. 11, v. 21.9.2023 - 14 ME 91/23 -, juris Rn. 4 und v. 23.6.2022 - 14 ME 243/22 -, juris Rn. 13; NdsOVG, Beschl. v. 8.10.2003 - 13 ME 342/03 -, juris Rn. 29 und Beschl. v. 12.3.2012 - 8 ME 159/11 -, juris Rn. 13; SächsOVG, Beschl. v. 13.3.2024 - 3 E 12/24 -, juris Rn. 11, v. 21.3.2023 - 3 B 319/22 -, juris Rn. 13 m.w.N.).

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 33 Abs. 9 RVG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).