Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.11.2024, Az.: 1 ME 110/24

Anlieger; Anliegergebrauch; Anschlussverbot; Baugenehmigung; Drittschutz; Nachbarschutz; Schlusspunkttheorie; Sondernutzungserlaubnis; Straßenrecht; Verkehrsfläche; Nachbarklage gegen Baugenehmigung für eine Zuwegung; Schlusspunkttheorie; nachbarschützende Wirkung bei Erforderlichkeit weiterer Genehmigungen (hier straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis); zur - hier unterbliebenen - planerischen Festsetzung eines Anschlussverbots an Verkehrsflächen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.11.2024
Aktenzeichen
1 ME 110/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 26103
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:1108.1ME110.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 29.07.2024 - AZ: 2 B 17/24

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Wird eine Baugenehmigung erteilt, ohne dass eine erforderliche Sondernutzungserlaubnis gem. § 18 Abs. 1 Abs. 1 Satz 2 NStrG vorliegt, ist die Baugenehmigung als Schlusspunkt des Zulassungsverfahrens rechtswidrig, weil sie die Vereinbarkeit mit dem gesamten öffentlichen Baurecht gem. § 70 Abs. 1 Satz 1 NBauO feststellt, ohne dass diese tatsächlich vorliegt. Denn das in § 18 Abs. 1 Satz 2 NStrG geregelte präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist öffentliches Baurecht im Sinne des § 2 Abs. 17 NBauO, soweit es als sonstige Vorschrift des öffentlichen Rechts Anforderungen an bauliche Anlagen stellt bzw. die Bebaubarkeit von Grundstücken regelt.

  2. 2.

    Die Erteilung der Baugenehmigung ohne eine erforderliche Sondernutzungserlaubnis kann Rechte dritter Anlieger nur verletzen, soweit das Straßenrecht ihnen solche gewährt. Ein Abwehrrecht gegenüber einer Sondernutzung steht dem Nachbarn hiernach nur zu, wenn der notwendige Zugang zur Straße abgeschnitten oder zumindest erheblich erschwert wird.

  3. 3.

    Ein Anschlussverbot an Verkehrsflächen gem. § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB bedarf einer ausdrücklichen planerischen Festsetzung.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 2. Kammer - vom 29. Juli 2024 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung einer Zuwegung.

Die Antragstellerin zu 1. ist Eigentümerin des im Aktivrubrum zu 1. näher bezeichneten Grundstücks, der Antragsteller zu 2. ist Eigentümer des im Aktivrubrums zu 2. näher bezeichneten Grundstücks. Beide Grundstücke sind jeweils mit einem Einfamilienhaus und einer Garage bebaut. Sie liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 122 "Eschkamp I" der Gemeinde Geeste, der die Grundstücksflächen als allgemeines Wohngebiet festsetzt.

Die Grundstücke der Antragsteller fassen die südöstliche Spitze des im Eigentum der Beigeladenen stehenden Flurstücks H., Flur I., Gemarkung Dalum ein, welches als Friedhof genutzt wird und außerhalb des Plangebiets des Bebauungsplans Nr. 122 liegt. Im Osten des Flurstücks H. grenzt das Grundstück der Antragstellerin zu 1. mit seiner Westseite an. An die südliche Grenze des Flurstücks H. schließt sich das Grundstück des Antragstellers zu 2. mit seiner grenzständig mit einer Doppelgarage bebauten Nordseite an; die gut fünf Meter lange Zuwegung zu diesem Grundstück ist nach Osten zur Dürerstraße hin ausgerichtet. Der östlichste Teil der Südgrenze des Flurstücks H. ragt um eine Länge von 2,30 m über das Grundstück des Antragstellers zu 2. hinaus; insoweit grenzt er an die Dürerstraße als eine durch den Bebauungsplan Nr. 122 festgesetzte Straßenverkehrsfläche. An dem westlich des Grundstücks des Antragstellers zu 2. befindlichen Teil der Südgrenze des Flurstücks H. liegen die nicht überplanten Flurstücke J. und K. an, über die der Friedhof von der Lingener Straße aus zugänglich ist.

Am 12. März 2024 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen eine Baugenehmigung für den Neubau einer drei Meter breiten, gepflasterten Zuwegung an der südöstlichen Ecke des Flurstücks H.. Die 31,44 m lange Zuwegung schließt zwischen den Grundstücken der Antragsteller an die Dürerstraße an, verläuft dann entlang der Nordseite des Grundstücks des Antragstellers zu 2. und mündet auf Höhe dessen westlicher Grundstücksgrenze in den bestehenden Weg von der Lingener Straße zum Friedhof.

Den Widerspruch der Antragsteller vom 8. April 2024 gegen die Baugenehmigung wies der Antragsgegner am 17. April 2024 zurück, ein Klageverfahren ist anhängig. Über den ebenfalls am 8. April 2024 bei dem Antragsgegner gestellten Antrag der Antragsteller, die "aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung [...] anzuordnen", hat dieser nach Aktenlage bislang nicht entschieden.

Den an das Verwaltungsgericht gerichteten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage hat dieses mit Beschluss vom 29. Juli 2024 abgelehnt. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, dass die von den Antragstellern geltend gemachten Verstöße gegen Verfahrensvorschriften deren Rechte nicht verletzen würden. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verstoße entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 122 "Eschkamp I", weil das Vorhabengrundstück nicht in dessen Geltungsbereich liege; auch enthalte der Bebauungsplan keine das Vorhaben ausschließenden Festsetzungen. Das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt; weder die von den Antragstellern befürchtete Einsichtnahmemöglichkeit in die rückwärtigen Grundstücksbereiche noch die von ihnen erwartete Lärmbelästigung lasse die Annahme einer unzumutbaren Beeinträchtigung zu. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragsteller, wonach die Zuwegung eine innerörtliche Fuß- und Radwegeverbindung von der Lingener Straße zur Dürerstraße schaffe. Weder drohe hier infolge mangelnder Verkehrssicherheit eine Gefährdung von Leib und Leben oder der Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs, noch könnten die Antragsteller sich auf eine solche berufen.

II.

Die gegen diesen Beschluss gerichtete, zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

1.

Der Einwand der Antragsteller, wonach das Verwaltungsgericht übersehen habe, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots nicht genüge, verfängt nicht. Gegenstand der Baugenehmigung ist der zeichnerisch dargestellte und als solcher bezeichnete Neubau einer Zuwegung zum Grundstück der Beigeladenen. Ob dessen Nutzung als Friedhof bauaufsichtlich oder bestattungsrechtlich genehmigt ist, ist hierfür ohne Belang; eine baurechtlich relevante Änderung des bestehenden Friedhofs ist damit nicht verbunden. Selbst wenn das aber der Fall wäre, bedeutete das zudem nicht, dass eine die Änderung gestattende Genehmigung sich stets auf alle bebauungsrechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit des Gesamtvorhabens erstrecken müsste; die Prüfung muss sich vielmehr nur auf die Punkte erstrecken, die durch die Änderung berührt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.2.2000 - 4 B 106.99 -, NVwZ 2000, 1047 = BauR 2000, 1041 = juris Rn. 2). Die Antragsteller bezeichnen weder bauliche Anlagen auf dem Friedhof, denen die Genehmigung fehlen könnte, noch legen sie auch nur ansatzweise substantiiert dar, dass die Errichtung der Zuwegung solche Anlagen berühren könnte.

2.

Ohne Erfolg machen die Antragsteller ferner geltend, das genehmigte Bauvorhaben "Neubau einer Zuwegung" sei nur vorgeschoben, um einer eigentlich beabsichtigten, unzulässigen Maßnahme einen genehmigungsfähigen Anschein zu verleihen; tatsächlich solle durch die genehmigte Zuwegung eine öffentliche innerörtliche Fuß- und Radwegeverbindung von der Dürerstraße über die Flurstücke K., J. und H. bis zur Lingener Straße geschaffen werden. Dies trifft nicht zu. Eine öffentliche Straße in Gestalt eines öffentlichen Weges im Sinne des § 2 Abs. 1 NStrG entsteht durch die genehmigte Zuwegung nicht, weil diese nicht gem. § 6 Abs. 1 Satz 1, 2 NStrG durch die Straßenaufsichtsbehörde als solche gewidmet ist. Nichts anderes ergibt sich, wenn die Beigeladene beabsichtigt, der Öffentlichkeit einen freien Durchgang über die Vorhabenfläche zur Lingener Straße hin zu gewähren. Hierin liegt schon deshalb kein sog. Etikettenschwindel, weil diese Nutzung einer Verschleierung nicht bedarf. Die von den Antragstellern vermutete "wahre" Maßnahme - die Schaffung eines öffentlich zugänglichen Privatweges - entspricht ebenso dem (drittschützenden) öffentlichen Baurecht im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 1 NBauO wie die Errichtung einer nur zum Zwecke des Friedhofsbesuchs nutzbaren Zuwegung. Auch die Baugenehmigung suggeriert nicht, dass der öffentliche Durchgang unterbunden wird, sondern lässt diesen - nach freiem Ermessen der Beigeladenen - zu.

3.

Unabhängig davon, für welchen Nutzerkreis die Beigeladene die genehmigte Zuwegung öffnet, stehen auch die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 122 "Eschkamp I" der Baumaßnahme nicht entgegen. Die Beigeladene ist an dessen Festsetzungen bereits deshalb nicht gebunden, weil das Vorhabengrundstück - worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hinweist - außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans liegt. Weil der Bebauungsplan zwischen den Antragstellern und der Beigeladenen kein nachbarliches Austauschverhältnis schafft, können diese sich gegenüber der Beigeladenen nicht - wie sie meinen - unabhängig von einer tatsächlichen Beeinträchtigung auf ein "Erfordernis der Gebietsverträglichkeit" berufen.

Im Übrigen steht die planerische Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets für die Grundstücke der Antragsteller der von ihnen befürchteten Errichtung eines "öffentlichen Fuß- und Radwegs" auf dem Nachbargrundstück offensichtlich nicht entgegen. Insbesondere hat die Festsetzung "WA" gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO i.V.m. § 4 BauNVO nicht den ihr von den Antragstellern beigemessenen Inhalt, dass die Straßenverkehrsfläche Dürerstraße über das Plangebiet hinaus nicht anschlussfähig wäre. Zwar mag es zutreffen, dass der Plangeber im Bebauungsplan Nr. 122 auf die Planung einer (zweiten) Zuwegung zum Friedhof über die Dürerstraße bewusst verzichtet hat. Ein Anschlussverbot an die Verkehrsfläche Dürerstraße hat er jedoch gerade nicht vorgesehen, obwohl dies beispielsweise auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB möglich gewesen wäre. Eine solches Verbot bedarf einer ausdrücklichen planerischen Festsetzung (Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 9 Rn. 67), weil es die Position des betroffenen Grundstückseigentümers über das übliche Maß hinaus einschränkt und zudem geeignet ist, Erschließungsbeitragslasten von dem betroffenen Grundstück auf die Nachbargrundstücke "abzuschieben" (vgl. OVG NRW, Urt. v. 1.4.2005 - 3 A 3243/02 -, NVwZ-RR 2006, 384 = juris Rn. 28; hierzu auch BVerwG, Urt. v. 1.3.1991 - 8 C 59.89 - BVerwGE 88, 70= BRS 52 Nr. 93 = juris Rn. 15.). Weder die zeichnerischen noch die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 122 enthalten aber ein solches Verbot. Darauf, ob der Plangeber die Lücke zwischen den Grundstücken der Antragsteller gezielt geschaffen hat oder ob diese ein zufälliges Vermessungsergebnis ist, kommt es insoweit nicht an. Jedenfalls hat er die über eine Länge von 2,30 m an das Flurstück H. angrenzende Fläche bewusst mit einer Verkehrsfläche überplant, die den stimmigen Anschluss weiterer Straßenverkehrsflächen oder Zuwegungen ermöglicht.

4.

Die streitgegenständliche Baugenehmigung verstößt auch nicht gegen das drittschützende und gebietsübergreifend geltende (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, BauR 1994, 354 = BRS 55 Nr. 168 = juris Rn. 15) bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass auch von einer Nutzung der genehmigten Zuwegung als "öffentliche innerörtliche Wegeverbindung" keine mit der Wohnnutzung der Grundstücke der Antragsteller unverträglichen Wirkungen ausgehen. Im Gegenteil sind die durch öffentliche Wegeverbindungen entstehenden Einsichtnahmemöglichkeiten und Geräuscheinwirkungen schon innerhalb eines allgemeinen Wohngebiets regelmäßig zumutbar; sie sind jeder Siedlungsstruktur wesenseigen. So ist auch im vorliegenden Fall zu erwarten, dass die durch die Nutzung der streitgegenständlichen Zuwegung entstehende Belastung hinter dem zurückbleibt, was die Antragsteller bereits nach den Festsetzungen des Bebauungsplans dulden müssen. Innerhalb des Plangebietes grenzen ihre Grundstücke unmittelbar an die Verkehrsfläche "Dürerstraße", die - anders als die genehmigte Zuwegung auf der Vorhabenfläche - zu jeder Tag- und Nachtzeit auch mit motorisiertem Verkehr öffentlich befahren werden kann. Vor diesem Hintergrund ist die zusätzliche Belastung durch Geräusche von Fußgängern und Radfahrern minimal; die von den Antragstellern vertretene Behauptung, diese seien unzumutbar, ist fernliegend.

Erst recht steht den Antragstellern kein Abwehranspruch gegen solche gebietstypischen Einwirkungen zu, wenn diese von außen auf das allgemeine Wohngebiet treffen. Die nachbarliche Rücksichtnahme gebietet es nicht, die Nutzung des nicht überplanten Grundstücks der Beigeladenen stärker zu beschränken als die Nutzung der innerhalb des Plangebiets angrenzenden Fläche. Das Rücksichtnahmegebot vermittelt keinen Anspruch auf die Unveränderlichkeit der Nutzung des Vorhabengrundstücks, die die Antragsteller hier der Sache nach begehren. Die Antragsteller mögen, wie sie ausführen, darauf vertraut haben, dass auf dem Flurstück H. außerhalb der Nutzungszeiten des Friedhofs dauerhaft "absolute Stille" herrscht. Rechtlichen Schutz genießt diese Erwartung jedoch nicht; hierfür fehlt es bereits an einem (objektiven) Vertrauenstatbestand. Einen solchen hat insbesondere der Rat der Gemeinde Geeste nicht geschaffen. Er hat eine Anbindung des Friedhofs an die Dürerstraße - wie gesehen - gerade nicht durch eine entsprechende Festsetzung im Bebauungsplan rechtsverbindlich ausgeschlossen, sondern zum Zeitpunkt der Aufstellung des Bebauungsplans lediglich auf die Planung einer weiteren Zuwegung zum Flurstück H. verzichtet. Ein Ausschluss für alle Zeiten - zumal mit Wirkungen auf Dritte, hier die Beigeladene - war damit nicht verbunden. Inhalt und Schranken des Eigentums der Antragsteller werden hierdurch nicht angetastet, so dass auch der Hinweis der Antragsteller auf ihr Eigentumsrecht i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG insoweit ins Leere geht.

5.

Ohne Erfolg berufen sich die Antragsteller ferner darauf, dass das streitgegenständliche Vorhaben den bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht genüge. Richtig ist, dass gem. § 3 Abs. 1 Satz 2, 2. Var. NBauO unzumutbare Verkehrsbehinderungen nicht entstehen dürfen. Hierunter fällt eine unzumutbare Behinderung der Ausfahrt aus bzw. Zufahrt zu Privatgrundstücken auf die öffentliche Straße (Mann, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 3 Rn. 34), auf die sich die betroffenen Nachbarn auch berufen können (Burzynska/Fontana, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 68 Rn. 68; vgl. Senatsbeschl. v. 20.12.2013 - 1 ME 214/13 -, BauR 2014, 663 = BRS 81 Nr. 187 = juris Rn. 12). Die genehmigte Zuwegung der Beigeladenen erschwert die Aus- und Einfahrt von den Grundstücken der Antragsteller auf die Dürerstraße aber nicht unzumutbar. Eines Ortstermins, dessen Unterbleiben die Antragsteller rügen, bedarf es zu dieser Feststellung - zumal im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - nicht.

Für das Grundstück der Antragstellerin zu 1. folgt dies bereits daraus, dass die Zufahrt zu ihm über seine vom Vorhabengrundstück abgewandte Ostseite erfolgt. Eine Verkehrsbeeinträchtigung wird hier durch das Bauvorhaben nicht geschaffen. Wenn die aus der Zuwegung kommenden Fußgänger und Radfahrer die Zufahrt der Antragstellerin zu 1. passieren, sind diese nicht mehr von den sonstigen Nutzern der Dürerstraße zu unterscheiden.

Die Zufahrt des Antragstellers zu 2. hingegen ist zwar durch die streitgegenständliche Zuwegung behindert. Zu Recht weist er darauf hin, dass durch das Vorhaben der Beigeladenen ein unübersichtlicher Kreuzungspunkt geschaffen wird, denn der neu entstehende Fuß- und Radverkehr mündet unmittelbar und ohne einen möglichen vorherigen Sichtkontakt vor seiner Grundstückszufahrt ein. Das Ausfahren aus dem bzw. das Einfahren auf das Grundstück des Antragstellers zu 2. erfordert damit ein gegenüber der bisherigen Situation erhöhtes Maß an (gegenseitiger) Rücksichtnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO.

Dieses erhöhte Maß an Rücksichtnahme ist für den Antragsteller zu 2. aber nicht unzumutbar. Ihm ist es weiterhin möglich, den Anforderungen des § 10 Satz 1 StVO entsprechend von seinem Grundstück aus auf die Fahrbahn ein- bzw. auszufahren, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Bei unübersichtlichen Grundstücksausfahrten muss sich der Einfahrende notfalls zentimeterweise in die Fahrbahn hineintasten, bis er einen Überblick erlangt (Grabow, in: BeckOK StVR, StVO, 24. Ed. 15.7.2024, § 10 Rn. 25; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Burmann, 28. Aufl. 2024, StVO § 10 Rn. 10). Hier kann der Antragsteller zu 2. sein Sichtfenster auf die streitgegenständliche Zuwegung durch eine situationsangepasste Fahrweise weiter vergrößern. So kann er - insbesondere bei Ausfahrten vom nördlichen Stellplatz der Doppelgarage - die gut fünf Meter lange Wegstrecke seiner Zufahrt nutzen, um mit seinem Fahrzeug von einem möglichst weit von der Kreuzungsstelle entfernten Punkt der Zufahrt aus auf die Fahrbahn einzufahren. Weiter verbessern kann er seine Sicht auf den Kreuzungspunkt, indem er sein Fahrzeug - von einem möglichst südlichen Punkt der Zufahrt aus - rückwärts in der Garage abstellt, um später vorwärts in die Dürerstraße einfahren zu können. Bei einer solchen auch einem ungeübten Fahrer ohne weiteres zumutbaren Fahrweise ist es regelmäßig nicht erforderlich, dass er sich - wie es § 10 Abs. 1, 2. HS StVO ausdrücklich vorsieht - durch Dritte beim Einfahren einweisen lässt. Zu Lasten des Antragstellers zu 2. fällt in der Gesamtschau der verkehrlichen Situation zudem der Umstand ins Gewicht, dass die streitgegenständliche Zuwegung eine unübersichtliche Verkehrssituation nicht schafft, sondern nur verschärft. Auch ohne die zusätzliche Einmündung vor dem Grundstück der Beigeladenen erfordert das Einfahren vom Grundstück des Antragstellers zu 2. in die Dürerstraße ein gewisses Maß an Umsicht. Denn diese verfügt - wie das Verwaltungsgericht zu Recht betont - über keinen von der Straßenverkehrsfläche abgetrennten Gehweg; auch erlaubt die rechtwinklige Straßenführung jedenfalls in nördlicher Richtung keinen frühzeitigen Sichtkontakt zum herannahenden Verkehr.

6.

Auch der Vortrag der Antragsteller, es fehle eine sachkundige straßenrechtliche Prüfung und Erlaubnis der Herstellung der innerörtlichen Wegeverbindung, greift nicht durch. Ob die streitgegenständliche Maßnahme als nicht notwendige weitere Zuwegung zum Grundstück der Beigeladenen eine Sondernutzung im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 NStrG ist und als solche gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 NStrG einer Erlaubnis des Trägers der Straßenbaulast bedurft hätte (vgl. hierzu NdsOVG, Urt. v. 18.7.2012 - 7 LB 29/11 -, juris Rn. 26), kann hier offenbleiben.

Zwar wäre in diesem Falle die streitgegenständliche Baugenehmigung als "Schlusspunkt" des Zulassungsverfahrens rechtswidrig, weil sie die Vereinbarkeit mit dem gesamten öffentlichen Baurecht gem. § 70 Abs. 1 Satz 1 NBauO feststellt, ohne dass diese tatsächlich vorläge. Denn das in § 18 Abs. 1 Satz 2 NStrG geregelte präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist öffentliches Baurecht im Sinne des § 2 Abs. 17 NBauO, soweit es - wie ggf. hier - als sonstige Vorschrift des öffentlichen Rechts Anforderungen an bauliche Anlagen stellt bzw. die Bebaubarkeit von Grundstücken regelt. Eine Sondernutzungserlaubnis ist der Beigeladenen für den Neubau der Zuwegung aber nach Aktenlage nicht erteilt worden. Auch die streitgegenständliche Baugenehmigung selbst enthält keine wegerechtliche Erlaubnis gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 NStrG, weil ihr weder die NBauO noch das NStrG insoweit Konzentrationswirkung beimisst.

Selbst dann, wenn eine (fehlende) Sondernutzungserlaubnis hier erforderlich wäre, verhälfe dies der Beschwerde aber nicht zum Erfolg. Die (vorzeitige) Erteilung der Baugenehmigung könnte keine Rechte der Antragsteller im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzen, weil die wegerechtliche Erlaubnis hier ihrerseits nicht dem Schutz von Nachbarrechten dienen würde (vgl. zu diesem Maßstab Senatsbeschl. v. 17.1.2022 - 1 ME 142/21 -, BauR 2022, 631 = BRS 90 Nr. 141 = juris Rn. 15). Zwar ließe eine Sondernutzungserlaubnis eine Nutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus zu; ein Übergriff in den Anliegergebrauch der Antragsteller wäre hiermit aber nicht notwendig verbunden. Wie weit der Anliegergebrauch gewährleistet ist, in den eine etwaige Sondernutzung der Beigeladenen übergreifen könnte, richtet sich nach dem einschlägigen Straßenrecht, dessen Regelungsbereich das Nachbarschaftsverhältnis zwischen Straße und angrenzenden Grundstücken mit umfasst (BVerwG, Beschl. v. 11.5.1999 - 4 VR 7.99 -, NVwZ 1999, 1341 = juris Rn. 5). Ein Abwehrrecht gegenüber einer Sondernutzung steht dem Nachbarn hiernach nur zu, wenn der notwendige Zugang zur Straße abgeschnitten oder zumindest erheblich erschwert wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.5.1999 - 4 VR 7/99 -, NVwZ 1999, 1341 = juris Rn. 7). Dieser Kernbereich des Anliegergebrauchs der Antragsteller ist hier durch das Vorhaben der Beigeladenen nicht berührt. Der Zugang der Grundstücke der Antragsteller zur Straße und ihre Zugänglichkeit von der Straße her werden durch die neu einmündende Zuwegung nicht in Frage gestellt.

7.

Zu einem anderen Ergebnis führen auch nicht die von den Antragstellern geltend gemachten Verfahrensfehler. Zu Recht weisen die Antragsteller selbst darauf hin, dass die Aufhebung eines Verwaltungsaktes wegen eines Verfahrensfehlers nur dann verlangt werden kann, wenn sich dieser auf die materiell-rechtliche Position des Rügenden ausgewirkt haben könnte (vgl. BVerwG Urt. v. 24.11.2011 - 9 A 24.10 -, NuR 2013, 184 = juris Rn. 14). Dies ist hier aber nicht der Fall. Soweit die Antragsteller rügen, dass der Antragsgegner ihnen die Baugenehmigung nicht den Anforderungen des § 70 Abs. 5 Satz 1 NBauO genügend zugestellt, Akten unzureichend zugänglich gemacht und auch über ihren Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung nicht entschieden habe, ergibt sich dies schon daraus, dass diese Fehler zeitlich nach der Erteilung der streitgegenständlichen Baugenehmigung lägen. Auch bedarf es keine Prüfung, ob dem Bauantrag ein (ggf. informeller) Vorlauf vorausging und ob die Besorgnis der Befangenheit der Mitarbeiter der unteren Bauaufsichtsbehörde bestand. Auch hieraus ergäbe sich kein Anspruch der Antragsteller auf Aufhebung der streitgegenständlichen Baugenehmigung, weil diese jedenfalls ihre materiellen (Nachbar-)Rechte nicht verletzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).