Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.12.2001, Az.: 17 W 41/01

Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Inhaftierung wegen unterlassener Weiterleitung des Vorgangs an zuständige Stelle durch Sachbearbeiter

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.12.2001
Aktenzeichen
17 W 41/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 21581
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2001:1218.17W41.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 25.04.2001 - AZ: 12 T 12/01

Fundstelle

  • InfAuslR 2002, 305-306

In der Abschiebehaftsache
hat der 17. Zivilsenat des O...berlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
Richterin am Oberlandesgericht ...) und
den Richter am Oberlandesgericht ... am 18. Dezember 2001
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der beteiligten ... gegen den Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 25. April 2001 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 5.000,00 DM.

Gründe

1

I.

Der Betroffene reiste am 16. August 1998 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde (rechtskräftig seit 22. Februar 1999) durch Bescheid vom 7. Oktober 1998 zurückgewiesen. In der Folgezeit tauchte der Betroffene unter und benutzte dabei verschiedene Alias-Personalien. Mit Beschluss vom 14. November 2000 ordnete das Amtsgericht Lüneburg gegen den Betroffenen die Abschiebehaft für die Dauer von drei Monaten an. Der Betroffene wurde am 23. Januar 2001 der Botschaft der ... vorgeführt. Nach Angaben der Botschaftsangehörigen ist der Betroffene nicht Staatsangehöriger der ... Möglicherweise stammt er aus ...

2

Am 22. Januar 2001 beantragte der Betroffene seine sofortige Freilassung. Diesen Antrag wies das Amtsgericht Uelzen durch Beschluss vom 30. Januar 2001 zurück. Gegen diese Zurückweisung wendete sich der Betroffene mit der sofortigen Beschwerde vom 31. Januar 2001. Am 9. Februar 2001, nachdem das Amtsgericht durch Beschluss vom selben Tag den vorangegangenen Beschluss des Amtsgerichts Lüneburg vom 14. November 2000 aufgehoben hatte, wurde der Betroffene aus der Abschiebehaft entlassen. Er erklärte daraufhin die sofortige Beschwerde für erledigt und beantragte die Feststellung, dass seine weitere Inhaftierung ab Eingang seines Antrages gemäß § 10 Abs. 2 FGVG rechtswidrig war.

3

Durch den angefochtenen Beschluss stellte das Landgericht fest, dass die weitere Inhaftierung des Betroffenen ab 24. Januar 2001 rechtswidrig gewesen sei. Zur Begründung führte das Landgericht aus:

4

Der Feststellungsantrag sei zulässig, denn es handele sich um einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff. Zudem bestehe Wiederholungsgefahr. Der Feststellungsantrag sei auch teilweise begründet. Jedenfalls ab 24. Januar 2001 habe die zuständige ... nichts mehr unternommen, um Passersatzpapiere zu erlangen. Spätestens von diesem Zeitpunkt an hätten die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebehaft nicht mehr vorgelegen. Die weitere Inhaftierung sei rechtswidrig gewesen.

5

Gegen diese Entscheidung wendet sich die beteiligte ... Sie macht geltend, ein schutzwürdiges Interesse für die beanspruchte Feststellung der Rechtswidrigkeit sei nicht gegeben.

6

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der ... ist zulässig, aber unbegründet.

7

1.

Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere ist die ... als unmittelbar am Verfahren Beteiligte beschwerdeberechtigt. Dabei kann die vom Betroffenen in der Beschwerdeerwiderung aufgeworfene Frage, ob die ... zuständige Behörde für die im Rahmen dieses Verfahrens getroffenen Maßnahmen gewesen ist, dahinstehen. Die Beschwerdeberechtigung ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass die ... als verfahrensbeteiligte ... durch die angegriffene Entscheidung des Landgerichts Lüneburg unmittelbar beschwert ist, denn ihre Maßnahmen werden teilweise für rechtswidrig erklärt; zudem ergeben sich aus dieser Feststellung der Rechtswidrigkeit der weiteren Inhaftierung u. U. Kostentragungsfolgen bei der Beteiligten.

8

2.

Die sofortige weitere Beschwerde ist aber unbegründet.

9

Im Rahmen der Rechtsbeschwerde kann der Senat die angefochtene Entscheidung lediglich daraufhin überprüfen, ob das Gesetz zutreffend angewendet worden ist (§ 27 FGG).

10

Insbesondere sind tatrichterliche Schlussfolgerungen der Zivilkammer nur darauf zu überprüfen, ob sie auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei ermittelten Tatsachen möglich sind. Die Entscheidung des Landgerichts hält dieser rechtlichen Überprüfung in vollem Umfang stand.

11

Der Betroffene hat - wie das Landgericht zutreffend ausführt, ein schützenswertes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner weiteren Inhaftierung.

12

Zwar besteht in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Streit darüber, ob und inwieweit bei einem erledigten Grundrechtseingriff eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung möglich sein muss (vgl. dazu BGH. Beschluss vom 25. Juni 1998, V ZB 8/98).

13

Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof gehen indes ersichtlich davon aus, dass in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe jedenfalls dann ein rechtlich geschütztes Interesse daran bestehen kann, die Rechtswidrigkeit von Verwaltungshandeln auch nach Beendigung der jeweiligen Maßnahme feststellen zu lassen, wenn die Gefahr von Wiederholungen der unzulässigen Maßnahmen besteht (BVerfG NJW 1998, 2432 f. [BVerfG 10.05.1998 - 2 BvR 978/97]; BGH. a. a. O.; Anm. Wax zu BGH, LM AuslG Nr. 11).

14

Die Entziehung der persönlichen Freiheit durch die Abschiebehaft stellt - dies nimmt auch die Beschwerdeführerin nicht in Abrede - einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar. Für den hier zu entscheidenden Fall ist das Landgericht auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise von einer drohenden Wiederholungsgefahr ausgegangen, die es rechtfertigt, ausdrücklich die Rechtswidrigkeit der weiteren Inhaftierung des Betroffenen festzustellen.

15

Die Wiederholungsgefahr ergibt sich aus der vom Landgericht zutreffend beanstandeten Behandlung der Angelegenheit durch einen Sachbearbeiter der ... Dieser Sachbearbeiter hat, nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Betroffene wohl aus ... stammt, einen Aktenvermerk mit folgendem Inhalt gefertigt:

"Anruf Bevollm., kurz Sachverhalt mitgeteilt. Bevollm. erkundigt sich, ob Vorführungstermin ... geplant ist - HA! HA!".

16

Danach hat die Beteiligte nichts weiter unternommen.

17

In der Stellungnahme dieses Sachbearbeiters vom 3. Mai 2001 heißt es u. a.:

"Soweit mir in dem Beschluss des Landgerichts vom 25.04.01 vorgehalten wird, nach dem 24.01.2001 nichts mehr unternommen zu haben (außer einen Antrag auf Verlängerung der Abschiebehaft beim ... gestellt zu haben), um Passersatzpapiere für den Betroffenen zu erlangen, weise ich darauf hin, dass der Betroffene unmittelbar selbst auf die Dauer der Abschiebungshaft hätte Einfluss nehmen können, indem er seine wahre Identität offengelegt hätte. Der Betroffene ist offenbar seit dem 23.03.1999 vollziehbar zur Ausreise verpflichtet, aufgrund fehlender Personaldokumente wird der Betroffene seitdem geduldet. Offensichtlich ist er seiner Verpflichtung, im Falle des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Passersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapieres mitzuwirken, nur unzureichend bzw. überhaupt nicht nachgekommen ....

Mag sein, dass ich bzw die ... i. W. d. A. nach dem 24.01.2001 ohne Verzögerung weiter die Beschaffung von Passersatzpapieren bei der Botschaft ... hätte betreiben können oder ich (durch einen Telefonanruf) die Verlegung in eine JVA im Bereich des ... einleiten können/müssen andererseits ist es mir zuwider "halbfertige" Vorgänge der - wenn auch originär zuständigen ... zu übergeben."

18

Diese Begründung für das Untätigbleiben der ... nach dem 24. Januar 2001 lässt das Verständnis des bearbeitenden Mitarbeiters für die Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit des Betroffenen sowie für die Aufgaben der ... die unabhängig von einer Mitarbeit oder Nichtmitarbeit des Betroffenen bestehen, vermissen.

19

Es kann nicht hingenommen werden, einen Betroffenen in der Haft zu belassen, weil es einem Sachbearbeiter "zuwider" ist, "halbfertige Vorgänge" an eine von ihm als originär zuständig erkannte andere ... weiterzuleiten. Da der Sachbearbeiter in der genannten Stellungnahme sein Verhalten ausdrücklich mit dieser Begründung rechtfertigt, ist nicht auszuschließen, dass sich solche rechtswidrigen Vorgänge wiederholen.

20

Die Entscheidung des Landgerichts, die weitere Inhaftierung ab 24. Januar 2001 für rechtswidrig zu erklären, ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Auf die rechtsfehlerfreie Begründung der Zivilkammer, die mit der sofortigen weiteren Beschwerde insoweit auch nicht angegriffen wird, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

21

Nach alledem war die sofortige weitere Beschwerde der beteiligten ... als unbegründet zurückzuweisen.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 14, 15 FEVG.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 5.000,00 DM.