Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 04.09.2008, Az.: 2 A 211/07
Zur Anordnung regelmäßiger Schallmessungen im Genehmigungsbescheid für eine Windfarm; Abnahmemessung; Auflage; Ermessen; Inbetriebnahme; Schallleistungspegel; TA Lärm; Windfarm; Zeitpunkt
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 04.09.2008
- Aktenzeichen
- 2 A 211/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 45895
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2008:0904.2A211.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 26 BImSchG
- § 28 BImSchG
- § 36 II Nr. 4 VwVfG
Fundstelle
- ZUR 2008, 598-600
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine Nebenbestimmung zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den von ihr betriebenen Windpark E., mit der ihr aufgegeben worden ist, jeweils nach Ablauf eines Zeitraums von 3 Jahren durch Messung und gegebenenfalls Prognoseberechnungen nachzuweisen, dass die Lärmschutzrichtwerte nicht überschritten werden.
Auf Antrag der Rechtsvorgängerin der Klägerin erteilte der Beklagte am 29. September 2006 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von 7 Windenergieanlagen des Typs Vestas V-80 mit je 2,0 MW Nennleistungen bei 100 m Nabenhöhe in der Gemarkung E.. Bestandteil der Genehmigung war ein "Schalltechnisches Gutachten für die Errichtung von sieben Windenergieanlagen am Standort E." der F. GmbH G. vom 7. April 2005. In diesem Gutachten, das bei der Berechnung den vom Hersteller garantierten maximalen Schalleistungspegel von 105,6 dB(A) berücksichtigte, wurde an acht Immissionspunkten sowohl eine Vorbelastung durch eine Kartoffellagerhalle mit Lüfter als auch die Zusatzbelastung durch den Windpark errechnet; als Gesamtbelastung ergab sich an zwei Immissionspunkten eine Reserve zum Immissionsrichtwert von 45 dB(A) von 1 dB, ansonsten eine höhere Reserve (S. 9).
Der Genehmigungsbescheid enthielt u.a. unter III. Nr. 51 folgende Nebenbestimmung: "Nach Ablauf eines Zeitraumes von 3 Jahren nach der Inbetriebnahme und jeweils 3 Jahre danach, ist durch Messung und ggf. Prognoseberechnung nachzuweisen, dass o.a. Richtwerte nicht überschritten werden. Hierauf kann u.U. verzichtet werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass bei den regelmäßigen Wartungsarbeiten auch das Geräuschverhalten der hierfür maßgebenden Komponenten überprüft und auch dokumentiert wird."
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin legte mit Schreiben vom 27. Oktober 2006 gegen diese Nebenbestimmung Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 5. Januar 2007 zeigte die Klägerin dem Beklagten einen Betreiberwechsel an und trat in das anhängige Verwaltungsverfahren ein.
Zur Begründung des Widerspruchs trug die Klägerin vor, § 28 Satz 1 BImSchG erlaube es der zuständigen Behörde, bei genehmigungsbedürftigen Anlagen nach Ablauf eines Zeitraums von jeweils 3 Jahren Messanordnungen zu treffen. Dabei handele es sich um eine Regelung der Anlagenüberwachung. Diese Vorschrift bilde keine Rechtsgrundlage für eine Nebenbestimmung, sondern ermögliche es der Behörde nur im Einzelfall, entsprechende Nachmessungen anzuordnen. Das der Behörde dadurch zugestandene Ermessen, das sie jeweils nach Ablauf von 3 Jahren ausüben könne, dürfe durch die Genehmigung nicht vorweggenommen werden. Dies sei ein Fall des Ermessensausfalls. Zudem sei auch die sachliche Berechtigung der Nebenbestimmung unklar. Es sei keinesfalls so, dass eine gewartete Windenergieanlage im Laufe ihres Betriebs zwangsläufig erhöhte Immissionen erzeuge. Dies sei bereits durch die beigefügte Nebenbestimmung unter Ziffer III. 53 sichergestellt, denn die Klägerin müsse durch regelmäßige Wartungen Geräusche und Verschleißerscheinungen vermeiden. Im Hinblick auf diese Nebenbestimmung sei es schlicht unverhältnismäßig, von dem Anlagenbetreiber darüber hinaus regelmäßige Vermessungen der Anlage zur verlangen. In diesem Fall rechtfertige sich die Vermutung, dass es zu einer Erhöhung der Schallimmission durch Verschleiß komme, jedenfalls nicht. Die sachliche Berechtigung der angefochtenen Nebenbestimmung stehe grundsätzlich in Frage.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2007 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte er unter anderen aus, entgegen der Annahme der Klägerin sei nicht davon auszugehen, dass die Richtwerte der TA-Lärm auf Dauer eingehalten würden. Die angegriffene Nebenbestimmung solle auch für die schutzbedürftige Nachbarschaft sicherstellen, dass durch den Anlagebetrieb keine erheblichen Belästigungen im Sinne des § 3 BImSchG hervorgerufen würden. Die nach vorliegender Prognose aus dem Anlagenbetrieb zu erwartenden Lärmeinwirkungen lägen an der Grenze der zulässigen Immissionswerte. Es gebe keinen Grund, diesen Umstand mit Blick auf die Überwachung zu vernachlässigen. Bezogen auf die schallkritischen Windfarmen im Landkreis Uelzen seien sogar zunächst Überschreitungen eher die Regel gewesen, als die Ausnahme, obwohl auch hier die dreifache Vermessung gemäß FGW-Richtlinie in den Prognoseberechnungen berücksichtigt worden sei, die aber auch in diesen Fällen nicht zu einer zusätzlichen Sicherheit habe beitragen können. Demnach sei nicht mit hinreichender Verlässlichkeit von den in der Prognose berücksichtigten Schalleistungspegeln auszugehen. Es gebe auch tragfähige Gründe für die Besorgnis, dass es zu einer Steigerung der Betriebsgeräusche kommen könne. Der Verschleiß könne auch durch regelmäßige Wartungsarbeit nicht vollständig vermieden werden. Schon kleine mechanische Beschädigungen oder Verschmutzungen an den Rotorblättern könnten zu deutlicheren Lärmwirkungen führen. Dabei sei aber nicht sicher, ob dies in jedem Fall zu klar signifikanten akustischen Auffälligkeiten oder aber zu einer schleichenden, auch in der Nachbarschaft zunächst unbemerkten Erhöhung von Schallimmissionen führe. Nach eingeholten Erkundigungen betrugen die Kosten einer Abnahmemessung höchstens etwa 6 000,- Euro. Die Kosten für eine Nachmessung dürften eher deutlich darunter liegen. Bei einer Windfarm mit 7 Windkraftanlagen beliefen sich die Kosten also auf etwa 300,- Euro pro Windkraftanlage im Jahr, die wohl nur einen geringen Bruchteil der Wartungskosten ausmachen dürften. Die Verhältnismäßigkeit der Anordnung sei damit auch bei konsequentem Vollzug gewahrt.
Am 6. August 2007 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor, für die angefochtene Nebenbestimmung Nr. 51 gebe es keine Rechtsgrundlage. § 28 BImSchG ermögliche es der zuständigen Behörde, bei genehmigungsbedürftigen Anlagen nach Ablauf eines Zeitraumes von jeweils 3 Jahren Anordnungen zu treffen. Bereits der Wortlaut der Vorschrift zeige, dass es sich um eine Regelung der nachträglichen Anlagenüberwachung handele. Erfasst würden allein nachträgliche Anordnungen, da nach dem Wortlaut der §§ 26, 28, 29 BImSchG ausschließlich derartige Anordnungen erlaubt würden. Die Vorschrift biete hingegen keine Rechtsgrundlage für eine Nebenbestimmung im Genehmigungsbescheid. Das ergebe sich schon aus ihrem Wortlaut sowie im Sinn und Zweck. Ferner bestehe auch gar kein Bedürfnis, § 28 BImSchG als Ermächtigungsgrundlage für Anordnungen bereits im Genehmigungsbescheid heranzuziehen, da insoweit bereits die allgemeine Regelung des § 12 BImSchG zur Anordnung von Nebenbestimmungen bestehe. Ferner handele es sich bei einem Vorgehen nach § 28 BImSchG um eine Ermessensentscheidung, die die Behörde ermächtige, im Einzelfall entsprechende Nachmessungen anzuordnen. Das wiederum bedeute, dass die Behörde nach 3 Jahren zu prüfen habe, ob sie das ihr zugestandene Ermessen auch ausüben wolle. Dies setze eine Prüfung im Einzelfall voraus. Das eingeräumte Ermessen dürfe nicht durch eine Anordnung im Genehmigungsbescheid ohne Einzelfallprüfung einfach vorweggenommen werden.
Ferner biete § 29 BImSchG keine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Nebenbestimmung Nr. 51. § 29 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ermögliche es der zuständigen Behörde, bei genehmigungsbedürftiger Anlage anzuordnen, dass statt durch Einzelmessung oder neben solchen Messungen bestimmte Emissionen oder Immissionen unter Verwendung aufzeichnender Messgeräte fortlaufend ermittelt würden. Damit seien Ermittlungen gemeint, die über längere Zeiträume hinweg und ununterbrochen oder in großen Abständen (etwa alle 5 Minuten) vorgenommen werden sollen. Würden Messungen nur über 25 Stunden oder 1 Woche durchgeführt, handle es sich nicht um fortlaufende Ermittlungen. Gefordert würden in der fraglichen Nebenbestimmung Schallmessungen in einem Abstand von jeweils 3 Jahren zum Nachweis der Einhaltung der im Genehmigungsbescheid festgesetzten Richtwerte. Nicht gefordert würden hingegen kontinuierliche, d.h. fortlaufende Messungen. § 29 BImSchG sei daher nicht anwendbar. Auch auf § 12 Abs. 1 Satz BimSchG könne die Nebenbestimmung nicht gestützt werden. Nach dem Gesetzeswortlaut müsse die Erfüllung der Grundpflichten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sichergestellt sein. Das bedeute, dass an der Einhaltung der Pflicht kein künftiger Zweifel bestehen dürfe. Davon sei dann auszugehen, wenn die Erfüllung der Pflichten für den Zeitraum der Inbetriebnahme sowie auf die überschaubare Zukunft gewährleistet sei. Ausweislich des im Vorfeld für die Genehmigungserteilung eingeholten Schallgutachtens der F. GmbH vom 7. April 2005 würden die zulässigen Grenzwerte eingehalten. Mit diesem Gutachten sei daher der Nachweis geführt worden, dass aus Sicht des Schallimmissionsschutzes keine Bedenken gegen die Errichtung der Windenergieanlage bestünden, die Richtwerte der TA Lärm mithin eingehalten würden. Der Beurteilungspegel liege an allen Immissionspunkten um mindestens 1 dB unter dem jeweiligen Immissionsrichtwert. Diesem Nachweis diene auch die unter Nr. 43 angeordnete Nebenbestimmung, welche eine Abnahmemessung nach Inbetriebnahme der Anlagen vorschreibe. Werde diese durchgeführt und festgestellt, dass die festgesetzten Immissionswerte eingehalten seien, stehe spätestens dann fest, dass die Erfüllung der Pflichten im Hinblick auf den Schallschutz im Zeitpunkt der Inbetriebnahme sowie die überschaubare Zukunft sichergestellt sei.
Die Klägerin beantragt,
die Nebenbestimmung zu III Nr. 51 der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Beklagten vom 29. September 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, Rechtsgrundlage für seine Nebenbestimmung sei § 28 BImSchG. Danach könnten erstmalige und wiederkehrende Messungen bei genehmigungsbedürftigen Anlagen angeordnet werden. Nach der Kommentierung von Feldhaus könne die Genehmigungsbehörde antizipierende Anordnungen nach § 28 Nr. 1 und 2 (erstmalige und wiederkehrende Messungen) als Auflage mit der Genehmigung verbinden. Entgegen dem Wortlaut müsse aus dem Zweck der Vorschrift, insbesondere die für Emmissions- und Immissionsbeurteilung wichtige Anlaufphase zu überprüfen, geschlossen werden, dass die Anordnung auch vor Inbetriebnahme oder Änderung - allerdings mit Wirkung nach Inbetriebnahme oder Änderung - getroffen werden dürfe. Entgegen der Annahme der Klägerin sei nicht davon auszugehen, dass die Richtwerte der TA-Lärm auf Dauer eingehalten werden könnten. Langzeiterfahrungen lägen dazu nicht vor und könnten daher die Argumentation der Klägerin nicht stützen. Es sei langfristig eine relevante Erhöhung der Betriebsgeräusche zu erwarten, die die Folge von Verschleiß oder Verschmutzung an den Rotorblättern oder kleinmechanischen Beschädigungen sein könne.
Am 31. März 2008 hat die Klägerin Abnahmemessungen an der Windfarm vornehmen lassen. Dabei ermittelte die H. GmbH maximale Schallleistungspegel von 104,2 dB(A) und errechnete für den am meisten betroffenen Immissionspunkt IP02 westlich von E. einen Schalldruckpegel von 42,2 dB(A).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, da die streitige Nebenbestimmung als Auflage getrennt von der Genehmigung für die Windfarm angefochten werden kann.
Die Nebenbestimmung III 51, mit der der Klägerin für den Fall, dass sie von der Genehmigung Gebrauch macht, ein Tun vorgeschrieben wird (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG), stellt eine Auflage dar, die nicht integrierender Bestandteil der Genehmigung ist. Die Genehmigung wird daher unabhängig von der Erfüllung der Auflage wirksam. Die Auflage kann daher grundsätzlich als trennbarer Bestandteil der Genehmigung selbstständig angefochten werden (vgl. Schmaltz in Grosse-Suchsdorf u.a., Komm. zur NBauO, 8. Aufl. 2006, § 75 Rn. 66).
Die angefochtene Nebenbestimmung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für die angefochtene Nebenbestimmung sind die §§ 28, 26 BImSchG.
Nach § 28 BImSchG kann die zuständige Behörde bei genehmigungsbedürftige Anlagen 1. nach der Inbetriebnahme oder einer Änderung im Sinne des § 15 oder des § 16 und sodann 2. nach Ablauf eines Zeitraums von jeweils drei Jahren Anordnungen nach § 26 auch ohne die dort genannten Voraussetzungen treffen.
Nach § 26 BImSchG kann die zuständige Behörde anordnen, dass der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage Art und Ausmaß der von der Anlage ausgehenden Emissionen sowie die Immissionen im Einwirkungsbereich der Anlage durch eine der von der nach Landessrecht zuständigen Behörde bekannt gegebenen Stellen ermitteln lässt, wenn zu befürchten ist, dass durch die Anlage schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden.
Zweifelhaft ist, ob der Wortlaut des § 28 BImSchG ("... nach der Inbetriebnahme ...") es zulässt, die Anordnungen auch schon - wie hier geschehen - im Genehmigungsbescheid und damit zeitlich vor der Inbetriebnahme der genehmigungsbedürftigen Anlage zu treffen und als Auflage mit der Genehmigung zu verbinden.
Nach der Kommentierung (so Feldhaus, Bundesimmissionsschutzgesetz, Kommentar, Stand Juli 2006, § 28 Anm. 5; ebenso Jarass, Komm. zum BImSchG, § 28 Rn. 4; Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Sept. 2007, § 28 BImSchG Rn. 7; so wohl auch OVG NRW, Urt.v. 31.8.2001 - 21 A 671/99 -, NVwZ-RR 2002, 337, das hinsichtlich der Möglichkeit der Einbindung von Anordnungen nach § 28 BImSchG in den Genehmigungsbescheid auf die [bejahende] Kommentierung von Feldhaus verweist) soll der frühestmögliche Zeitpunkt der Anordnung nicht durch die Inbetriebnahme der Anlage bestimmt sein; vielmehr müsse aus dem Zweck der Vorschrift, insbesondere die für die Emissions- und Immissionsbeurteilung wichtige Anlaufphase zu überwachen, entgegen dem missverständlichen Wortlaut geschlossen werden, dass die Anordnung auch vor Inbetriebnahme - allerdings mit Wirkung nach Inbetriebnahme oder Änderung getroffen werden dürfe.
Demgegenüber vertreten das Verwaltungsgericht Düsseldorf im Urteil vom 21.11.1978 (- 3 K 374/78 - in GewArch 1979, 202) und der VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 26.5.1977 (Az.: X 168/77, in juris), dass § 28 BImSchG dahingehend auszulegen sei, dass der Inbetriebnahme oder wesentlichen Änderung die Bedeutung einer Zeitbestimmung im Sinne eines frühestmöglichen Zeitpunktes zukomme. In Anknüpfung an diese Rechtsprechung vertreten Engelhardt (Komm. zum BImSchG, 3. Aufl. 1993, § 28 Rn. 2) und Engelhardt/Schlicht (Komm. zum BImSchG, 4. Aufl. 1997, § 28 Rn. 2) ausdrücklich, dass eine Anordnung nach § 28 erst erlassen werden kann, wenn die Anlage in Betrieb genommen worden ist.
Ob eine Messanordnung mit der Genehmigung und damit vor Inbetriebnahme angesichts des Wortlautes des § 28 BImSchG generell unzulässig ist, kann hier dahingestellt bleiben, denn hier ist jedenfalls die bei der Anordnung durchzuführende Ermessensausübung fehlerhaft.
Die Einräumung des Ermessens bedeutet, dass es der Behörde überlassen bleibt, entsprechend den ihr angemessen erscheinenden Zweckmäßigkeitskriterien eine Anordnung zu erlassen. Dabei hat sie im Rahmen der gebotenen Abwägung der kollidierenden Interessen den Zweck der Ermächtigung zu beachten (vgl. Jarass, § 17 Rn. 43).
Zweck des § 28 Satz 1 BImSchG ist es, der zuständigen Behörde - neben der Überwachungsbefugnis nach § 52 BImSchG - die Möglichkeit zu geben, sich Klarheit über die Immissions- und Emissionssituation einer genehmigungsbedürftigen Anlage zu verschaffen, um auf der Basis dieser Feststellungen den Betreiber erforderlichenfalls zur Einhaltung seiner Betreiberpflichten anzuhalten (OVG NRW, Urt.v. 31.8.2001, a.a.O.).
Ein Ermessensfehler liegt vor, wenn die Behörde Gesichtspunkte außer Acht lässt, die zu berücksichtigen sind. Hier hat der Beklagte bereits durch Nebenbestimmung Nr. 43 eine Abnahmemessung angeordnet, die die Klägerin auch bereits durchgeführt und vorgelegt hat. Bei der Ermessensausübung liegt es nahe, vor der Anordnung regelmäßiger Messungen in Abständen von drei Jahren zunächst das Ergebnis der Abnahmemessung abzuwarten, da nur diese sichere Erkenntnisse darüber zulässt, ob im tatsächlichen Betrieb die Immissionsrichtwerte erreicht werden oder welche Spielräume und Sicherheiten noch bestehen. Soweit der Beklagte auf Seite 4 seines Widerspruchsbescheides Erwägungen dazu anstellt, dass nicht zu erwarten sei, dass das Ergebnis der Abnahmemessungen deutlich unter dem der Prognose liegen werde, weil der untere Vertrauensbereich genauso groß sei wie der obere und anderenfalls auch die Validierung des Rechenmodells fraglich sei, ist dies fehlerhaft. Tatsächlich stellt das Prognosegutachten ein "worst-case"-Szenario dar, wie sich schon aus den Ausführungen zum berücksichtigten maximalen Schalleistungspegel von 105,6 dB(A) ergibt, der nach Ausführungen des Gutachters (Seite 5 Nr. 6.1) bei drei schalltechnischen Vermessungen (1 × 105,4d(B(A), 2 × 104,2 dB(A)) bereits unterschritten wurde. Eine Unterschreitung auch bei der Abnahmemessung war daher nahe liegend.
Nach dem von der Klägerin vorgelegten Messbericht der H. GmbH vom März 2008 liegen die gemessenen Schallleistungspegel bei den beiden am dichtesten an der Wohnbebauung errichten Anlagen WEA 3 und 6 mit 103,6 und 104,2 dB(A) mehr als 1 dB(A) unter dem berechneten Schallleistungspegel des der Genehmigung zugrunde liegenden Gutachtens der F. GmbH vom 7. April 2005, das von einem Schallleistungspegel von 105,6 dB(A) ausgegangen ist. Die in diesem Bericht vorgenommene Schallausbreitungsberechnung ergibt für den am meisten betroffenen Immissionspunkt 2 westlich von E. einen Schalldruckpegel von 42,2 dB(A). Angesichts dieser erheblichen Differenz zum Immissionsrichtwert von nachts 45 dB(A) für ein Dorfgebiet nach 6.1der TA Lärm, bei dessen Überwachung durch Messung nach 6.9. der TA Lärm auch noch ein um 3 dB(A) verminderter Beurteilungspegel heranzuziehen ist, erscheinen die angeordneten Messungen entbehrlich.
Vor diesem Hintergrund fehlen tragfähige Ermessenserwägungen zu der sich aufdrängenden Frage, warum vor einer Anordnung nicht das Ergebnis der Abnahmemessungen abgewartet werden kann. Schließlich ist für das Gericht auch nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte einerseits das Ergebnis der Abnahmemessungen für nicht aussagekräftig hält und sie deshalb weder abwarten noch bei seiner Entscheidung berücksichtigen will, andererseits selbst aber weitere derartige Messungen anordnet.
Weiterhin ermessensfehlerhaft dürfte auch die Einschätzung des Beklagten auf Seite 2 des Widerspruchsbescheides sein, dass entgegen der Ansicht der Klägerin nicht davon auszugehen sei, dass die Richtwerte der TA Lärm auf Dauer eingehalten würden. Diese Einschätzung überrascht umso mehr, als das vorangegangene Genehmigungsverfahren gerade dazu gedient hat, die Einhaltung der Voraussetzungen der TA Lärm sicherzustellen. Wenn der Beklagte das Schallausbreitungsgutachten der F. GmbH vom 7. April 2005 für unzureichend hält, müsste er dies im einzelnen sachlich begründen und vor der Genehmigung weitere Gutachten oder Nachbesserung verlangen. Da er dies nicht getan hat und er ohne sichere Prognose der Einhaltung der Immissionsrichtwerte die Genehmigung auch gar nicht hätte erteilen dürfen, stellt sich dieser Ansatzpunkt als rechtsfehlerhaft dar. Einen Erfahrungssatz der Art, dass bei einer Reserve von nur 1 dB(A) zu den Immissionsrichtwerten von den in einem Prognosegutachten errechneten Schallimmissionen stets nachträglich mit einer Überschreitung der Richtwerte zu rechnen ist, gibt es nicht. Vielmehr geht das Prognosegutachten zu Lasten des Betreibers jeweils vom schlimmsten Fall aus, so dass die prognostizierten Belastungen regelmäßig nicht erreicht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht sind nicht ersichtlich.
Die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Bevollmächtigten im Vorverfahren folgt aus § 162 Abs. 2 VwGO.