Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 29.08.2008, Az.: 1 A 47/08
Entlassung (Bundeswehr); Zeitsoldat; Soldat auf Zeit; Kokain; Dienstpflichtverletzung; Drogentest; Urinprobe
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 29.08.2008
- Aktenzeichen
- 1 A 47/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 45939
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2008:0829.1A47.08.0A
Rechtsgrundlagen
- 55 V SG
- 145 II WDO
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen seine Entlassung aus der Bundeswehr.
Er trat im Januar 2005 seinen Dienst bei der Bundeswehr an und wurde über seine Pflichten nebst zu beachtender Verbote belehrt. Aufgrund seiner Bewerbung und Verpflichtungserklärung wurde er mit Wirkung vom 1. Juli 2006 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit übernommen, seine Dienstzeit auf 4 Jahre festgesetzt, so dass diese regulär am 31. Dezember 2008 geendet hätte. Er wurde mit Wirkung zum 1. April 2006 zum Hauptgefreiten befördert und war zuletzt als Nachschubbuchführer bei X eingesetzt.
Durch Disziplinarverfügung vom 27. November 2007 wurde gegen den Kläger ein Disziplinararrest von 7 Tagen verhängt, da er Kokain konsumiert und am 29. Oktober 2007 Fremdurin mitgeführt und als eigenen ausgegeben hatte, um seinen Kokainkonsum zu verschleiern. Eine Vollstreckung der Verfügung wurde wegen der von der Beklagten betriebenen Entlassung ausgesetzt. Gegen die Verfügung hat der Kläger keine Beschwerde eingelegt. Sie ist seit dem 12. Dezember 2007 unanfechtbar.
Mit dem angefochtenem Bescheid vom 7. Dezember 2007 wurde die Entlassung des Klägers mit der Begründung verfügt, er habe mehrfach Betäubungsmittel konsumiert und bei einem Drogentest den Urin einer fremden Person abgegeben, um das Testergebnis zu manipulieren.
Zur Begründung seiner nach einem erfolglosen Beschwerdeverfahren am 4. März 2008 erhobenen Klage verweist der Kläger - wie im Beschwerdeverfahren - auf eine außergewöhnliche Lebenssituation, die seinen Drogenkonsum begünstigt habe. Inzwischen verzichte er auf Drogen.
Der Kläger beantragt,
die Entlassungsverfügung des Kommandeurs der 1. Panzerdivision vom 7. Dezember 2007 in Gestalt des Beschwerdebescheides des Befehlshabers des Heeresführungskommandos vom 6. Februar 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die ergangenen Bescheide sowie darauf, dass der Kläger vorsätzlich Kokain konsumiert habe und ein Testergebnis habe manipulieren wollen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der auf den Einzelrichter übertragene Rechtsstreit kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Grundgedanke des § 55 Abs. 5 SG besteht darin, dass die rechtliche Stellung eines Zeitsoldaten während der ersten vier Dienstjahre noch nicht derartig gefestigt ist, dass er nur noch unter den besonderen materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der später geltenden Regelungen - der Wehrdisziplinarordnung - entlassen werden könnte. Voraussetzung dieser Form der Entlassung ist jedoch, dass die Bundeswehr vor künftigem Schaden bewahrt wird. Das ist hier jedoch der Fall. Vgl. dazu Nds. OVG v. 20.7.2007 - 5 PA 290/05 -:
"Die militärische Ordnung ist nämlich regelmäßig - und so auch hier - ernstlich gefährdet, wenn sich die Einsatzbereitschaft der Soldaten vermindert, weil sich in der Truppe Rauschgiftkonsum verbreitet (vgl. BVerwG, Beschl.v. 15. 3. 2000 - BVerwG 2 B 98/99 -, NVwZ 2000, 1186). Selbst der nur gelegentliche Cannabiskonsum eines Soldaten im Urlaub ist geeignet, andere (beispielweise befreundete oder bekannte) Soldaten zur Nachahmung anzureizen, und zwar auch in der Form eines regelmäßigen Konsums oder eines Konsums innerhalb der Dienstzeit...
... Auch das Ansehen der Bundeswehr würde durch ein Verbleiben des Klägers in seinem Dienstverhältnis ernstlich gefährdet. Es besteht eine berechtigte Erwartung der Bevölkerung an die Integrität der Bundeswehr als einer Wehrpflichtarmee. Diese Erwartung geht dahin, dass ein Drogenkonsum, insbesondere der Berufs- und Zeitsoldaten, nicht stattzufinden hat."
Nach den Einlassungen des Klägers vom 30. Oktober 2007 (vgl. Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten) bedarf es im vorliegenden Verfahren auch keiner weiteren Ausführungen mehr dazu, dass der Kläger Kokain konsumiert und "beim ersten Test geschummelt", d.h. "den Urin einer anderen Person mitgeführt" hat. Auf diese Weise hat er schuldhafte Dienstpflichtverletzungen begangen hat. Die wegen dieses Geschehens erlassene Disziplinarverfügung (Bl. 17 Beiakten B) ist unanfechtbar geworden. Da gemäß § 145 Abs. 2 WDO die aufgrund der Wehrdisziplinarordnung ergehenden Entscheidungen der Disziplinarvorgesetzten für die vor einem Gericht geltend gemachten Rechte aus dem Dienstverhältnis bindend sind, ist damit die in dieser Tat liegende schuldhafte Dienstpflichtverletzung für die in Statussachen zuständigen Gerichte insgesamt bindend festgestellt (vgl. Nds. OVG Beschl.v. 2. 3. 2007 - 5 ME 252/06 -, NVwZ-RR 2007, 396 [397]).
Unter diesen Umständen ist die auf § 55 Abs. 5 SoldG gestützte Entlassung rechtmäßig.
Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird gem. § 117 Abs. 5 VwGO abgesehen: Es wird stattdessen auf den zutreffenden Beschwerdebescheid vom 6. Februar 2008 Bezug genommen, dem zu folgen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.