Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 10.09.2008, Az.: 5 A 160/05

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
10.09.2008
Aktenzeichen
5 A 160/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 45601
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2008:0910.5A160.05.0A

In der Verwaltungsrechtssache

...

Streitgegenstand: Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses,

hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 5. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2008 durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichts von Alten, die Richterin am Verwaltungsgericht von Seebach, die Richterin Madueño-Badet und die ehrenamtlichen Richter Rosin und Schiewe für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 21. April 2005 wird aufgehoben.

  2. Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

  3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Bau einer Ortskernentlastungsstraße durch das Gebiet der Beigeladenen.

2

Durch das Gebiet der Beigeladenen führt die Landesstraße L 216 als Ortsdurchfahrt. Die L 216 verbindet die Bundesautobahn A 7 bei B. mit der Bundesautobahn A 250 im Ortsteil C. der Stadt Lüneburg. Der Kläger ist Anwohner des von der L 216 in südlicher Richtung abzweigenden D. Weges und Eigentümer landwirtschaftlicher Nutzflächen mit einer Größe von ca. 195 ha, die ebenfalls südlich von der L 216 gelegen sind.

3

Bereits mit Beschluss vom 7. September 1992 hatte der Beklagte den Plan für den Bau einer Ortskernentlastungsstraße auf dem Gemeindegebiet der Beigeladenen festgestellt. Mit Gerichtsbescheid vom 26. April 1994 (2 A 213/92 ) hob das erkennende Gericht den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 7. September 1992 mit der Begründung auf, der Planfeststellungsbeschluss sei von einer unzuständigen Behörde erlassen worden. Bei der geplanten Ortskernentlastungsstraße handele es sich um eine Landesstraße, für die als Planfeststellungsbehörde nicht der Beklagte, sondern die Bezirksregierung zuständig gewesen sei. Der Planfeststellungsbeschluss sei darüber hinaus mangels einer zureichenden Verkehrsanalyse rechtswidrig. Auch die Entlastungsprognose sei fehlerhaft.

4

Am 19. April 2004 beantragte die Beigeladene erneut bei dem Beklagten die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für den Bau einer Ortskernentlastungsstraße in ihrem Gemeindegebiet. Den eingereichten Unterlagen zufolge soll die Ortskernentlastungsstraße am westlichen Ortseingang in Höhe der Einmündung L 216/E. beginnen und in südöstlicher Richtung in einem Abstand von ca. 155 Metern zur vorhandenen Bebauung des Gewerbegebietes "F." verlaufen. Sie soll den G. Weg, den H. und den D. Weg kreuzen, um am östlichen Ortsausgang wieder an die L 216 anzuschließen. Die Knotenpunkte E. /L 216, F., D. Weg und die Einmündung in die L 216 am östlichen Ortsausgang sind als vier Kreisverkehrsplätze geplant. In Höhe des H. es ist ein Fahrbahnteiler als Querungshilfe für Fußgänger und Radfahrer vorgesehen. Nach der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses ist Ziel der gemeindlichen Planung die Herausnahme des Durchgangsverkehrs aus dem Ortskern und der gesamten Ortsdurchfahrt von I.. Nach dem Verkehrsentwicklungsplan mit Stand Juli 2003 bewirke der Bau der Ortskernentlastungsstraße eine Entlastung der Ortsdurchfahrt um bis zu 10 600 Kfz/24 h. Neben einer Verbesserung des Wohnumfeldes soll eine Attraktivitätssteigerung des Ortszentrums erreicht werden. Zugleich sollen vorhandene Unfallgefahren und Behinderungen für den öffentlichen Personennahverkehr abgebaut werden. Die L 216 in der Ortsdurchfahrt der Beigeladenen soll ohne Einschränkungen durchgängig befahrbar bleiben. Der Beklagte veranlasste die Auslegung des Plans in Lüneburg und in der Samtgemeinde Gellersen. Dort lag der Plan vom 7. Juni bis 6. Juli 2004 bzw. vom 25. Juni bis 26. Juli 2004 aus.

5

Von der Planung sind die in der Gemarkung der Beigeladenen, Flur 3, gelegenen Flurstücke des Klägers 90/3 und 88/5 betroffen. Das Flurstück 90/3 ist insgesamt 72 617 qm groß. Von dieser Fläche sollen laut Grunderwerbsverzeichnis 11 270 qm für den Träger der Straßenbaulast und 21 275 qm für Kompensationsmaßnahmen erworben werden. Weitere 2 695 qm sollen vorübergehend für die Durchführung des Vorhabens in Anspruch genommen werden. Von dem 16 424 qm großen Flurstück 88/5 sollen 1 015 qm für den Träger der Straßenbaulast erworben und weitere 510 qm vorübergehend für die Durchführung des Vorhabens in Anspruch genommen werden.

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Gegen die vorgesehene Planung wandte der Kläger mit Schreiben vom 6. August 2004 ein, seine Belange seien nicht berücksichtigt worden. Seine Länderein würden von den Planungen derart durchschnitten, dass die zwischen der geplanten Straße und dem Bebauungsgebiet gelegenen Grundstücke einer landwirtschaftlichen Nutzung nicht mehr zugeführt werden könnten. Planungsvarianten seien nicht geprüft worden. Es sei damit zu rechnen, dass es auf dem D. Weg zu einer Zunahme des Quell- und ortsnahen Zielverkehrs kommen werde. Aussagekräftige Unterlagen hierzu fehlten. Als Anwohner werde er auch insoweit betroffen.

7

Am 3. und 15. November 2004 fanden Termine zur Erörterung der Einwendungen statt.

8

Mit Beschluss vom 21. April 2005 stellte der Beklagte den Plan für den Bau einer Ortskernentlastungsstraße durch das Gemeindegebiet der Beigeladenen antragsgemäß fest. Die Einwendungen des Klägers wies er als unbegründet zurück. Die Zerschneidung der Grundstücke sei unvermeidbar. Die Annahme des Klägers, das Vorhaben werde sich auf das Verkehrsaufkommen auf dem D. Weg auswirken, sei unzutreffend.

9

Der Kläger hat am 20. Mai 2005 Klage erhoben. Er trägt zur Begründung seiner Klage im Wesentlichen vor, Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses sei nicht eine Ortskernentlastungsstraße, sondern eine Umgehungsstraße. Die beabsichtigte Verkehrsfunktion und die Linienführung verdeutlichten, dass nicht nur der Ortskern, sondern die gesamte Ortslage entlastet werden solle. Die hier beabsichtigte Straßenplanung sei nahezu identisch mit derjenigen, die bereits im Jahre 1992 erwogen und als "Etikettenschwindel" für rechtswidrig befunden worden sei. Die seinerzeitige Planung unterscheide sich von der heutigen lediglich dadurch, dass die neue Trasse um einige Meter südlich verschoben worden sei und an den jeweiligen Anbindungsstellen in die L 216 nicht abbiege, sondern mit Kreiseln versehen sei. Darüber hinaus seien die Straße F. in die Planung einbezogen und der nördliche Teil des D. Weges angeschlossen worden. Der hier angefochtene Planfeststellungsbeschluss sei aus den gleichen Gründen rechtswidrig wie der aus dem Jahre 1992. Die Gemeinde sei für die Planung nicht zuständig. Das von dem Beklagten erhobene Zahlenmaterial bezüglich der Verteilung der verschiedenen Verkehrsarten führe zu keiner anderen rechtlichen Einordnung des geplanten Vorhabens. Entscheidend seien die Trassenführung, die Funktion sowie die Planungsabsicht des Planungsträgers. Es gehe hier um die Herausnahme des Durchgangsverkehrs aus dem Ortszentrum der Beigeladenen und damit um die Verlegung einer Landesstraße.

10

Der Planfeststellungsbeschluss sei auch rechtswidrig, weil es an einer Planrechtfertigung fehle. Er beruhe auf Prognosen, die mit Zahlenmaterial aus dem Jahre 1997 mit Fortschreibung aus den Jahren 2001 und danach erarbeitet worden seien. Die zugrunde gelegten Zahlen seien nicht nachvollziehbar. Es fehle an einer seriösen verkehrswissenschaftlichen Grundlage. Angesichts eines kontinuierlichen Absinkens des Verkehrsaufkommens auf der L 216 sei nicht ersichtlich, wie eine Zunahme des Verkehrs im Ortskern der Beigeladenen bis 2015 um 43 % prognostiziert werden könne. Die Annahme eines Zuwachses des Verkehrs von 30 % wegen auszuweisender Baugebiete beruhe auf Spekulationen. Die Planung sei auch wegen einer fehlenden Berücksichtigung übergeordneter Belange rechtswidrig. Jede der Planungsvarianten berühre seine Ländereien. Es sei nicht einmal der Versuch unternommen worden, eine für ihn schonendere Linienführung zu finden. Die Zerschneidung seiner Flächen führe dazu, dass der zwischen der geplanten Straße und dem Bebauungsgebiet gelegene Teil für ihn nicht mehr in wirtschaftlich sinnvoller Weise genutzt werden könne. Darin liege eine teilweise Enteignung seines landwirtschaftlichen Betriebs. Die Planung widerspreche den Vorgaben des Raumordnungsprogramms des Landes Niedersachsen. Eine nachvollziehbare Abwägung mit den Belangen der Landwirtschaft und eine Auseinandersetzung mit notwendigen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zum Schutz von Natur und Landschaft sei nicht erfolgt. Von einer tatsächlichen Problembewältigung könne keine Rede sein.

11

Der Kläger beantragt,

  1. den Planfeststellungsbeschluss des Landkreises Lüneburg vom 21. April 2005 aufzuheben.

12

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

13

Er trägt zur Begründung vor, entgegen der Auffassung des Klägers sei er für die Planfeststellung sachlich zuständig. Bei der geplanten Ortskernentlastungsstraße handele es sich um eine Gemeindestraße. Ziel der Planung sei die Herausnahme des Verkehrs aus dem Ortskern sowie der gesamten Ortsdurchfahrt. Neben einer Verbesserung des Wohnumfeldes solle eine Attraktivitätssteigerung des Ortszentrums erreicht werden. Diese Ziele seien nicht vorgeschoben. Es würden legitime, im öffentlichen Interesse liegende planerische Interessen verfolgt. Auch die objektiv zu ermittelnde Verkehrsbedeutung lasse keine andere Klassifizierung der Straße zu. Bei der Planung einer Umgehungsstraße wäre eine vorfahrtberechtigte Führung der L 216 an die neue Trasse zu erwarten gewesen. Hier erfolge eine Anbindung durch Kreisverkehrsplätze. Die L 216 verlaufe weiterhin durch den Ortsbereich und bleibe uneingeschränkt befahrbar. Außerdem seien mehrere Anbindungen an den Siedlungsbereich vorgesehen. Ungeachtet dessen wäre er selbst dann zuständig, wenn es sich um eine Landesstraße handeln solle.

14

Die Planung sei hinreichend gerechtfertigt. Dies ergebe sich aus der Entlastungsfunktion der Ortskernentlastungsstraße. Die L 216 sei bereits jetzt durch den Verkehr überlastet. Entgegen der Auffassung des Klägers sei mit einem weiteren Verkehrsanstieg zu rechnen. Die Prognose im Verkehrsgutachten gründe sich auf amtliche Statistiken und aktuelle fachwissenschaftliche Literatur und sei nicht zu beanstanden. Die Ausweisung neuer Bauflächen werde neuen Verkehr erzeugen und diesen anziehen. Abwägungsmängel seien nicht erkennbar. Die Belange des Klägers seien ausreichend eingestellt worden. Alternative Streckenführungen seien geprüft, auf der Grundlage der Stellungnahmen der beteiligten Fachbehörden und der eingeholten Gutachten aus Gründen der Erreichbarkeit der gesteckten Planungsziele und der Eingriffe im Übrigen aber verworfen worden. Eine Nordtrasse sei zu umwegig und erreiche nicht die verfolgten verkehrlichen Ziele. Wegen ihrer Länge wäre sie mit erheblicheren Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden gewesen. Von jeder denkbaren südlich verlaufenden Variante würden Eigentumsflächen des Klägers betroffen. Die gewählte Variante führe zu dem geringfügigsten Eingriff. Die Rechte des Klägers seien hinreichend beachtet worden.

15

Die Beigeladene beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

16

Sie hat sich den Ausführungen des Beklagten angeschlossen und ergänzend vorgetragen, bei der planfestgestellten Straße handele es sich um eine Gemeindestraße. Sie werde voraussichtlich 64,8 % Gemeindestraßenverkehre, 20,9 % Kreisstraßenverkehre und 14,3 % Landes- oder Bundesstraßenverkehre aufnehmen und damit überwiegend dem Gemeindestraßenverkehr dienen. Auch werde sie mit einem Querschnitt von nur 9,50 m nicht den Anforderungen einer Landesstraße genügen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist zulässig und begründet.

19

Der Kläger ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Er ist Eigentümer von der Planung betroffener Flächen, so dass die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten besteht.

20

Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 21. April 2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

21

Der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten ist insgesamt auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Der Kläger wird durch das planfestgestellte Vorhaben mit enteignender Vorwirkung betroffen. Seine Flurstücke 90/3 und 88/5, Flur 3 der Gemarkung I., werden in Teilbereichen für die beabsichtigte Straßenbaumaßnahme in Anspruch genommen, ohne dass nochmals gesondert über die Zulässigkeit einer Enteignung entschieden werden müsste (§ 42 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 NStrG). Er kann daher eine umfassende gerichtliche Kontrolle des Planfeststellungsbeschlusses verlangen ( BVerwG, Urteil vom 21.3.1996 - 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388, 391; Urteil vom 18.3.1983 - 4 C 80.79 - BVerwGE 67, 74 ff. ).

22

Rechtsgrundlage für den Planfeststellungsbeschluss ist § 38 NStrG. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift dürfen Landes- und Kreisstraßen nur gebaut oder verändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Nach § 38 Abs. 1 Satz 2 NStrG bedarf der Bau oder die Änderung von Gemeindestraßen der vorherigen Planfeststellung, wenn - wie hier - hierfür eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange abzuwägen (§ 38 Abs. 2 Satz 1 NStrG). Gemäß § 38 Abs. 5 Satz 1 NStrG nehmen u.a. die Landkreise die Aufgaben der Planfeststellungsbehörde für Kreisstraßen und für Gemeindestraßen, für die eine Planfeststellung durchgeführt wird, als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises und für Bundes- und Landesstraßen als Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises wahr.

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Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss ist formell rechtswidrig. Die Planfeststellung wurde von der Beigeladenen als nicht zuständigem Vorhabenträger beantragt und daraufhin von dem Beklagten entsprechend beschlossen. Die Beigeladene ist gemäß §§ 48 Satz 1, 9 Abs. 1 NStrG nur für den Bau von Gemeindestraßen zuständig. Zu den Gemeindestraßen gehören gemäß § 47 NStrG die Ortsstraßen, also diejenigen Straßen in Baugebieten und, soweit solche nicht ausgewiesen sind, in Ortsteilen, die im Zusammenhang bebaut sind, mit Ausnahme von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen (Nr. 1), die Gemeindeverbindungsstraßen, also die Straßen im Außenbereich, die vorwiegend dem nachbarlichen Verkehr der Gemeinden oder Ortsteile untereinander oder den Verkehr mit anderen öffentlichen Verkehrswegen vermitteln (Nr. 2), und alle anderen Straßen im Außenbereich, die eine Gemeinde für den öffentlichen Verkehr gewidmet hat (Nr. 3). Gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 5 NGO erfüllen die Samtgemeinden (hier die Samtgemeinde Gellersen) die Aufgabe des Baus und der Unterhaltung der Gemeindeverbindungsstraßen für ihre Mitgliedsgemeinden (hier also für die Beigeladene). Bei der planfestgestellten Ortskernentlastungsstraße handelt es sich um keine Gemeindestraße in diesem Sinne.

24

Die Klassifizierung einer Straße richtet sich gemäß § 3 Abs. 1 NStrG nach ihrer Verkehrsbedeutung. Nach Nr. 1 der Vorschrift sind Landesstraßen Straßen, die innerhalb des Landesgebiets untereinander oder zusammen mit den Bundesfernstraßen ein Verkehrsnetz bilden und überwiegend einem über das Gebiet benachbarter Landkreise und kreisfreien Städten hinausgehenden Verkehr, insbesondere dem Durchgangsverkehr, dienen oder zu dienen bestimmt sind. Kreisstraßen sind solche, die überwiegend dem Verkehr zwischen benachbarten Landkreisen und kreisfreien Städten, dem überörtlichen Verkehr innerhalb eines Landkreises oder dem unentbehrlichen Anschluss von Gemeinden oder räumlich getrennten Ortsteilen an überörtliche Verkehrswege dienen oder zu dienen bestimmt sind (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 NStrG). Gemeindestraßen sind gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 NStrG Straßen, die überwiegend dem Verkehr innerhalb einer Gemeinde oder zwischen benachbarten Gemeinden dienen oder zu dienen bestimmt sind. Das Gesetz knüpft mit dem Begriff "dienen" an die von einer Straße tatsächlich vermittelten räumlichen Verkehrsbeziehungen an. Insoweit ist maßgeblich, welchen Charakter der Verkehr aufweist, der eine Straße überwiegend nutzt bzw. - im Fall einer neu zu bauenden Straße - nutzen wird, und welche Funktion die Straße im Verkehrsnetz nach objektiven Kriterien hat bzw. haben wird. Wie die Anfügung der Worte "zu dienen bestimmt sind" weiter erkennen lässt, ist außerdem die Zweckbestimmung der Straße zu berücksichtigen. Maßgeblich ist insoweit die aus den Gesichtspunkten des Verkehrsbedürfnisses und der Verkehrslenkung angestrebte Verkehrsbedeutung ( Nds. OVG, Urteil vom 14.2.1994 - 12 L 7201/91 - NdsVBl. 1994, 18; Urteil vom 12.9.1994 - 12 L 7394/91 - NdsVBl. 1995, 163; Beschluss vom 11.1.2006 - 7 ME 288/04 - NVwZ-RR 2006, 378 ff.; Wendrich, NStrG, 4. Aufl., 2000, § 3 Rdn. 2).

25

Nach diesen Maßgaben handelt es sich bei der planfestgestellten Straße nicht um eine Gemeindestraße, sondern um eine Landesstraße. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

26

Nach den Ermittlungen des Beklagten dient die gegenwärtige Landesstraße L 216 zu ca. 38 % dem Durchgangsverkehr, zu ca. 51 % dem Ziel- und Quellverkehr und zu ca. 11 % dem Binnenverkehr. Sie verbindet die Bundesautobahn A 7 bei B. mit der Bundesautobahn A 250 im Ortsteil C. der Stadt Lüneburg. Nach ihrer Funktion im Verkehrsnetz handelt es sich bei der L 216 um eine wichtige Ost-West-Verbindung im übergeordneten Straßennetz. Ihre Bedeutung für den über das Gebiet der Beigeladenen und des Beklagten hinausgehenden und auch den Durchgangsverkehr umfassenden Verkehr rechtfertigt ihre Einstufung als Landesstraße. Dass - ausgehend von den angegebenen Zahlen - der Durchgangsverkehr als Verkehrsart nicht der prozentual überwiegende ist, ändert hieran nichts.

27

Nach Ziffer III Nr. 1 der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses (S. 4) ist Ziel der Planung für den Bau der Ortskernentlastungsstraße durch das Gebiet der Beigeladenen die Herausnahme des Durchgangsverkehrs aus dem Ortskern und der gesamten Ortsdurchfahrt. Bestätigt wird dies durch die Erläuterungen unter Ziffer III Nr. 3 der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses (S. 5/6). Danach widerspreche die Nullvariante "eindeutig" dem Ziel der Gemeinde I., den Ortskern vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Nach der unter den Gesichtspunkten des Verkehrsbedürfnisses und der Verkehrslenkung angestrebten Verkehrsbedeutung soll die geplante Straße mithin den überörtlichen und örtlichen Durchgangsverkehr von der L 216 aufnehmen. Der Vortrag des Beklagten und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, bei der Abfassung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses sei man von einem anderen Verständnis des Begriffs des Durchgangsverkehrs ausgegangen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass hiervon primär auch der gegenwärtig die L 216 nutzende überörtliche und örtliche Durchgangsverkehr erfasst werden sollte. Bereits diese Zielsetzung widerspricht der Einstufung der Straße als Gemeindestraße (vgl. dazu Nds. OVG, Beschluss vom 11.1.2006 - 7 ME 288/04 - a.a.O.).

28

Auch die Lage der geplanten Straße spricht gegen ihre Einstufung als Gemeindestraße. Sie soll die gegenwärtig bebaute Ortslage in südlicher Richtung im Außenbereich großräumig umrunden. Die ganz überwiegende Wohnbebauung im Gebiet der Beigeladenen befindet sich nördlich der Ortsdurchfahrt. Eine unmittelbare Erschließungsfunktion soll der geplanten Straße nicht zukommen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Baugebiete am H.. Der H. erhält nach dem Planfeststellungsbeschluss keinen Anschluss an die Ortskernentlastungsstraße. Es ist lediglich ein Fahrbahnteiler als Querungshilfe für Fußgänger und Radfahrer vorgesehen. Die Bewohner dieser Baugebiete sind damit auch künftig auf die bestehende Ortsdurchfahrt angewiesen und können nicht unmittelbar die geplante Ortskernentlastungsstraße nutzen. Dass die Ortskernentlastungsstraße daneben auch eine gewisse Erschließungsfunktion für das Gewerbegebiet südlich der L 216 haben wird, ist nur von untergeordneter Bedeutung.

29

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegende Funktion der geplanten Ortskernentlastungsstraße im Verkehrsnetz die einer Landesstraße sein wird. Die geplante Straße soll eine neue Verbindung zwischen den jeweils außerhalb des Ortskerns gelegenen Punkten an der L 216 unter Umfahrung der vorhandenen Ortsdurchfahrt der L 216 herstellen. Dadurch, dass sie - wie dargelegt - vorrangig auf die Aufnahme des die Landesstraße nutzenden überörtlichen und örtlichen Durchgangsverkehrs abzielt, übernimmt sie anstelle des innerörtlichen Teilstücks der L 216 deren Verbindungs- und Netzfunktion. Sie übernimmt damit auch deren überörtlichen Charakter. Weder die Verbindungs- und Netzfunktion noch der überörtliche Charakter der geplanten Straße wird dadurch in Frage gestellt, dass auch Gemeinde- und Kreisstraßenverkehre die Straße nutzen werden. Insoweit gilt nichts anderes als bei der Einstufung der gegenwärtigen L 216 selbst. Dass nach den Vorstellungen des Beklagten und der Beigeladenen die Ortsdurchfahrt eine Landesstraße bleiben soll, führt zu keiner anderen Beurteilung. Für die Einstufung einer Straße ist nicht der Wille des Vorhaben- oder des Planungsträgers maßgeblich, sondern ob eine Straße der jeweiligen Einstufung gemäß § 3 NStrG entspricht. Entspricht die Einstufung einer Straße nicht mehr ihrer Verkehrsbedeutung, so ist sie gemäß § 7 Abs. 1 NStrG in die entsprechende Straßengruppe (§ 3 NStrG) umzustufen. Die Einstufung der Straße im Straßennetz steht nicht im Ermessen der Behörde ( Nds. OVG, Urteil vom 14.2.1994 - 12 L 7201/91 - NdsVBl. 1994, 18; Urteil vom 12.9.1994 - 12 L 7394/91 - NdsVBl. 1995, 163; BVerwG, Urteil vom 11.11.1983 - 4 C 41.80 - DÖV 1984, 429).

30

Dass die planfestgestellte Straße in der Nähe von vorhandenen bzw. geplanten Baugebieten verläuft und neben den zwei Knotenpunkten westlich und östlich der Ortslage zwei weitere als Kreisverkehre gestaltete Anbindungen an untergeordnete Straßen aufweisen soll, führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Diese Umstände haben keine maßgeblichen Auswirkungen auf die Funktion der geplanten Straße im Verkehrsnetz und ihre Verkehrsbedeutung. Ungeachtet ihrer Lage und der vorgesehenen Kreuzungspunkte mit Kreisverkehren soll die Ortskernentlastungsstraße den Durchgangsverkehr von der Ortsdurchfahrt der Beigeladenen aufnehmen. Es ist daher auch nicht ersichtlich, dass sich die nunmehr geplante Ortskernentlastungsstraße von der im Jahr 1992 geplanten Straße in wesentlicher Hinsicht unterscheidet. Das erkennende Gericht hatte dazu bereits mit Gerichtsbescheid vom 26. April 1994 (2 A 213/92 ) entschieden, dass es sich bei der geplanten Ortskernentlastungsstraße um eine Landesstraße handelte. Auch das Nieder sächsische Oberverwaltungsgericht (Beschluss vom 16.12.1993 - 7 M 2914/93 -) hatte im Verfahren um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes diese Auffassung vertreten. Maßgebliche Umstände, die zu einer anderen Einstufung der nunmehr geplanten Straße führen, sind weder im streitbefangenen Planfeststellungsbeschluss dargelegt, noch vom Beklagten vorgetragen oder sonst erkennbar (s. im Ergebnis bereits VG Lüneburg, Beschluss vom 18.4.2006 - 5 B 11/06 -).

31

Danach ist von der fehlenden Zuständigkeit der Beigeladenen als Vorhabenträger auszugehen. Träger der Straßenbaulast für Landesstraßen ist nach § 43 Abs. 1 Satz 1 NStrG das Land Niedersachsen. Die Straßenbaulast des Landes ist nicht etwa wirksam auf die Beigeladene übertragen worden. Nach § 45 Abs. 1 NStrG findet § 43 NStrG keine Anwendung, soweit die Straßenbaulast nach anderen gesetzlichen Vorschriften Dritten obliegt oder von diesen in öffentlich-rechtlich wirksamer Weise übernommen wird. Eine Straßenbaulast der Beigeladenen ergibt sich vorliegend weder aus anderen gesetzlichen Vorschriften, noch liegt ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen dem Land und der Beigeladenen über die Übernahme der Straßenbaulast vor. Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 NStrG, wonach der zuständige Minister die Straßenbaulast auf andere Selbstverwaltungskörperschaften auf deren Antrag übertragen kann, liegen nicht vor.

32

Ist die geplante Straße mithin eine Landesstraße im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 NStrG, ist der angefochtene Planfeststellungsbeschluss auch deswegen rechtswidrig, weil der Beklagte seine Aufgabe als Planfeststellungsbehörde gemäß § 38 Abs. 5 NStrG nicht als Aufgabe im übertragenen, sondern im eigenen Wirkungskreis wahrgenommen hat.

33

Die dargestellten Verfahrensmängel führen zur formellen Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Die richtige Klassifizierung einer Straße gehört zu den zwingenden rechtlichen Rahmenbedingungen der Planung und des Baus einer Straße, deren Einhaltung der Kläger als von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung Betroffener verlangen kann ( Nds. OVG, Beschluss vom 11.1.2006 - 7 ME 288/04 - a.a.O.).

34

Mit diesem Einwand ist der Kläger nicht gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind mit Ablauf der Einwendungsfrist im Planfeststellungsverfahren alle dort nicht erhobenen Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Zwar hat der Kläger innerhalb der Einwendungsfrist nicht auch die fehlerhafte Klassifizierung der geplanten Straße gerügt, sondern diesen Einwand erst im Klageverfahren erhoben. Bei der Rüge der fehlerhaften Klassifizierung und der daraus folgenden sachlichen Unzuständigkeit handelt es sich aber nach Sinn und Zweck des § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG nicht um eine Einwendung im Sinne der genannten Vorschrift ( Nds. OVG, Beschluss vom 11.1.2006 - 7 ME 288/04 - a.a.O.).

35

Der Zuständigkeitsfehler ist auch nicht aus anderen Gründen unbeachtlich. Insbesondere liegt kein Fall des § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 46 VwVfG vor. Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung u.a. von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Es liegt kein Fall der örtlichen, sondern der sachlichen Unzuständigkeit der Beigeladenen vor.

36

Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Bei dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss handelt es sich um eine Planungsentscheidung. Für diese ist charakteristisch die planerische Gestaltungsfreiheit des Vorhabenträgers bzw. der Planfeststellungsbehörde. Der gesetzliche Rahmen für den Bau einer Landesstraße weicht von dem für eine Gemeindestraße geltenden in entscheidenden Punkten ab. Wie dargelegt ist Träger der Straßenbaulast für eine Landesstraße das Land Niedersachsen. In diesen Fällen trägt das Land die finanzielle Verantwortung für das Vorhaben. Die Planung und Linienführung obliegt gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 NStrG dem zuständigen Minister. Unterschiede bestehen hinsichtlich der Errichtung von Zufahrten der Straßenanlieger (§ 20 Abs. 2 NStrG) und von baulichen Anlagen (§ 24 Abs. 1 NStrG). Es kann danach auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein Aufhebungsanspruch des Klägers deswegen entfallen könnte, weil die eigentlich zuständige Behörde alsbald eine inhaltsgleiche Verfügung erneut erlassen müsste ( Nds. OVG, Beschluss vom 11.1.2006 - 7 ME 288/04 - a.a.O.).

37

Die Kammer sieht Veranlassung darauf hinzuweisen, ohne dass die Entscheidung darauf gestützt werden soll, dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss im Übrigen nicht zu beanstanden sein dürfte. Es ist weder für das Gericht ersichtlich noch von dem Kläger vorgetragen, dass der Planfeststellungsbeschluss bindenden Vorgaben durch vorgelagerte höherstufige Gesamt- oder Fachplanungen widerspricht (hierzu Hoppe/Schlarmann/Buchner, Rechtsschutz bei der Planung von Straßen und anderen Verkehrsanlagen, 3. Aufl., 2001 § 1 Rdn. 36 ff.).

38

Auch fehlt es wohl nicht an dem Erfordernis der Planrechtfertigung. Eine straßenrechtliche Planung ist gerechtfertigt, wenn für das mit der Planung beabsichtigte Vorhaben nach Maßgabe der vom Landesstraßengesetz verfolgten Ziele ein Bedürfnis besteht, die geplante Maßnahme hiernach also objektiv erforderlich ist. Erforderlich ist eine Maßnahme dann, wenn sie gemessen an den fachplanerischen Zielen des Landesstraßenrechts objektiv und vernünftigerweise geboten ist ( BVerwG, Urteil vom 16.3.2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116, 177; Urteil vom 24.11.1989 - 4 C 41.88 - BVerwGE 84, 123, 130; Urteil vom 6.12.1985 - 4 C 59.82 - BVerwGE 72, 282, 284 ff. ). Bereits die in der Planbegründung unter III.1. angeführte gegenwärtige Verkehrssituation dürfte die Rechtfertigung für den Bau einer Straße begründen. Auch die behördliche Prognose der weiter zu erwartenden Verkehrsentwicklung dürfte gerichtlich nicht zu beanstanden sein und deswegen den Plan rechtfertigen. Das Gericht prüft insoweit nur, ob die Prognose nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, ob der der Prognose zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend ermittelt wurde und ob das Ergebnis einleuchtend begründet ist ( BVerwG, Urteil vom 11.7.2001 - 11 C 14.00 - BVerwGE 114, 364, 378 ). Das ist hier der Fall. Die behördliche Prognose beruht auf Untersuchungen des Dipl.-Ing. J., der bei seinen Berechnungen u.a. die bisherige Entwicklung der Verkehrsmengen auf der Landesstraße L 216, wie sie sich aus den DTV-Zählungen des Straßenbauamts Lüneburg seit 1970 ergibt, und die voraussichtlichen Entwicklungen infolge etwa gesteigerter Mobilitätswünsche sowie Bautätigkeit und Neuansiedlung westlich von I. berücksichtigt hat. Anhaltspunkte dafür, dass diese Berechnungen auf der Grundlage ungeeigneter Methoden oder eines falschen Sachverhalts durchgeführt wurden, sind weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ausgehend von den zugrunde gelegten Annahmen ist die gutachterliche und die sich darauf stützende behördliche Prognose nachvollziehbar. Ob und inwieweit sie sich bewahrheiten wird, ist nicht Gegenstand gerichtlicher Kontrolle. Die Planrechtfertigung scheitert im Übrigen auch nicht an einer fehlenden Finanzierbarkeit ( BVerwG, Urteil vom 24.11.1989 - 4 C 41.88 - BVerwGE 84, 123, 128 ). Dafür gibt es hier keinen Anhaltspunkt.

39

Auch im Übrigen wäre das Vorhaben materiellrechtlich nicht zu beanstanden. Der Plan leidet nicht an Abwägungsfehlern. Gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 NStrG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und private Belange abzuwägen. Dem planerischen Abwägungsgebot wird ausreichend Rechnung getragen, wenn eine Abwägung stattfindet, bei dieser die entscheidungserheblichen Belange eingestellt werden und die Belange weder in ihrer objektiven Bedeutung verkannt werden noch der Ausgleich der betroffenen Belange mit anderen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die außer Verhältnis zum Gewicht der einzelnen Belange steht ( BVerwG, Urteil vom 14.2.1975 - IV C 21.74 - BVerwGE 48, 56, 63 f.; Urteil vom 17.1.2007 - 9 C 1.06 - BVerwGE 128, 76, 82 ). Ein Ermittlungs- und/oder Abwägungsausfall lässt sich hier nicht feststellen. Die dem Gericht vorliegenden Unterlagen belegen, dass der Beklagte die generell abwägungsrelevanten Belange ermittelt und sich mit ihnen in zwei Erörterungsterminen auseinandergesetzt hat. Der Beklagte hat auch die Einwendungen des Klägers im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss behandelt und in die Abwägung eingestellt.

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Abwägungsfehler sind nicht zu erkennen. Dies gilt zunächst im Blick auf die Trassenwahl. Die Trassenwahl ist erst dann rechtswidrig, wenn sich eine verworfene Alternative entweder als die eindeutig vorzugswürdige, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere Lösung aufdrängt oder wenn der Planfeststellungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterläuft ( BVerwG, Urteil vom 30.1.2008 - 9 A 27/06 - NVwZ 2008, 678, 680; Urteil vom 9.6.2004 - 9 A 11/03 - BVerwGE 121, 72; Nds. OVG, Beschluss vom 11.1.2006 - 7 ME 288/04 - a.a.O.). Der Beklagte hat eine nördliche Trassenvariante u.a. mit den Erwägungen ausgeschlossen, diese führe zu einer zusätzlichen Querung der durch § 26 NNatG und als Bodendenkmal geschützten Landwehr, sie führe wegen ihrer Länge auch zu erheblicheren Eingriffen in Natur und Landschaft. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte diese Variante wegen der anzunehmenden erheblicheren Konflikte dieser Trassenführung generell ausgeschossen hat. Ferner ist nicht zu beanstanden, dass sich der Beklagte von den drei untersuchten südlich verlaufenden Trassenvarianten unter Berücksichtigung des Umfangs der voraussichtlich zu erzielenden Entlastung und des Maßes insbesondere der Umweltbeeinträchtigungen unter Ausschluss der Nullvariante für die sog. Variante I ("kurz optimiert") entschieden hat. Dass dabei landwirtschaftlich genutzte Flächen in Anspruch genommen werden und möglicherweise unwirtschaftliche Restparzellen sowie Bewirtschaftungserschwernisse entstehen, hat der Beklagte gesehen und in die Abwägung in nicht zu beanstandender Weise eingestellt. Dies ergibt sich aus dem Grunderwerbsverzeichnis, den Grunderwerbsplänen sowie der Umweltverträglichkeitsstudie (S. 161). Die Bevorzugung der für die Entlastung des Ortskerns sprechenden Belange gegenüber den Belangen des Klägers führt nicht zu einem unverhältnismäßigen Ausgleich. Die Inanspruchnahme von ca. 1,8 % seiner landwirtschaftlichen Nutzfläche zugunsten der für die Planfeststellung streitenden verkehrlichen Interessen trifft ihn nicht unzumutbar. Dass diese Erwägungen nicht in den Planfeststellungsbeschluss aufgenommen worden sind, ist unschädlich, zumal nicht ersichtlich ist, dass dies die planerische Entscheidung in der Sache in rechtserheblicher Weise hätte beeinflussen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.1.2008 - 9 A 27/06 - NVwZ 2008, 678, 681 unter Bezugnahme auf Beschluss vom 18.6.2007 - 9 VR 13/06 - juris; Urteil vom 10.4.1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104, 236, 241 ). Dass der Beklagte den Kläger im Übrigen auf das nachfolgende Grunderwerbsverfahren verweist, ist ebenfalls nicht zu beanstanden ( BVerwG, Urteil vom 21.6.2006 - 9 A 28.05 - BVerwGE 126, 166, 182 ). Der Einwand des Klägers, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zum Schutz von Natur und Landschaft seien nicht dargestellt, ist angesichts der im landschaftspflegerischen Begleitplan zum geplanten Vorhaben vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen unzutreffend.

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Schließlich war der Beklagte nicht gehalten, den Gesichtspunkt eines möglichen Verkehrszuwachses auf dem D. Weg in seine Abwägung einzustellen. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass das Vorhaben zu einer Zunahme des Verkehrs auf dieser Straße führen wird, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind der Kammer auch nicht ersichtlich (s. zu dem Erfordernis der Kausalität auch BVerwG, Beschluss vom 15.1.2008 - 9 B 7/07 - NVwZ 2008, 675 ff.m.w.N.). Die in dem Verkehrsentwicklungsplan der Beigeladenen aufgeführten Modellrechnungen ergeben zwar, dass der Verkehr auf dem D. Weg von 2 300 Kfz/24 h im Jahre 2001 auf 3 000 Kfz/24 h im Jahre 2015 zunehmen werde. Die Verkehrszunahme hat ihre Ursache jedoch in dem Umstand, dass die Beigeladene in ihrem Gemeindegebiet nach den bereits bestehenden Flächennutzungsplänen neue Baugebiete bis zum Jahre 2015 ausweisen wird (vgl. dazu S. VIII und XIII bis XV des Verkehrsentwicklungsplans der Beigeladenen, Teil 2: Planungsmaßnahmen, Juni 2002).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absätze 1 und 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

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Gründe, die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO) sind nicht ersichtlich.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15 000,- EUR festgesetzt.

von Alten
von Seebach
Madueño-Badet
Rosin
Schiewe