Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.02.2012, Az.: 10 UF 23/12
Unterbliebene Ausübung des amtsgerichtlichen Ermessens im Rahmen der Kostenentscheidung in Familiensachen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 20.02.2012
- Aktenzeichen
- 10 UF 23/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 14296
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2012:0220.10UF23.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 14.10.2011 - AZ: 618 F 2729/11
Rechtsgrundlagen
- § 81 Abs. 1 FamFG
- § 81 Abs. 2 FamFG
Fundstellen
- FamRZ 2012, 1324
- FuR 2012, 451
- FuR 2012, 493-494
Verfahrensgegenstand
elterliche Sorge für die beteiligten Kinder
- 1.
Y. B., geb. am ....1995,
- 2.
E. B., geb. am ....1997,
- 3.
E. B., geb. am ....2000,
Amtlicher Leitsatz
Lässt sich aus der Endentscheidung oder dem sonstigen Akteninhalt nicht feststellen, dass das Amtsgericht im Rahmen seiner Kostenentscheidung das ihm durch § 81 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG eingeräumte Ermessen ausgeübt hat, hat dies nicht zwingend die Kostenaufhebung zur Folge. Vielmehr obliegt die Ermessensentscheidung hinsichtlich der Frage der Kostenauferlegung und ihrer Verteilung auf die Beteiligten dann dem Beschwerdegericht (Fortführung der Senatsentscheidung vom 18. August 2011 - 10 UF 179/11 - JAmt 2012, 40 f. = ZKJ 2012, 28 f. = FamFR 2011, 472 = BeckRs 2011, 21941 = [...] = FamRZ 2011, 1894 [Ls]).
In der Familiensache
...
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W. und die Richter am Oberlandesgericht H. und G. am 20. Februar 2012
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragsgegners vom 21. November 2011 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 14. Oktober 2011 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf die Gebührenstufe bis 900 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die miteinander verheirateten Eltern der minderjährigen Kinder Y. , E. und E.. Sie leben bereits seit mehr als vier Jahren getrennt; inzwischen ist die Kindesmutter aus der ehelichen Wohnung ausgezogen und bewohnt mit den Kindern eine eigene Wohnung.
Im vorliegenden Verfahren begehrte die Kindesmutter die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und deren Übertragung auf sich allein, hilfsweise Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, mit der Begründung, die Kinder würden ausschließlich von ihr allein versorgt und betreut, insbesondere nehme sie alle Arzttermine und die Beaufsichtigung der Kinder im schulischen Bereich alleine wahr. Der Kindesvater habe sich um sämtliche Angelegenheiten, die die Kinder beträfen, bisher in keiner Weise gekümmert und sei auch nach dem Vollzug der Trennung nicht einmal an persönlichem Umgang mit den Kindern interessiert. Eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kindesvater sei vor dem Hintergrund jahrelanger häuslicher Gewalt ihr gegenüber weder möglich noch zumutbar. Nachdem sie ihm im März 2011 erklärt habe, sich nunmehr scheiden lassen zu wollen, sei die Lage gar eskaliert. Nach dem gerichtlichen Anhörungstermin vor dem Amtsgericht Hannover am 19. September 2011 sei sie noch in Gegenwart ihrer Verfahrensbevollmächtigten zunächst von dem Bruder des Antragsgegners beschimpft und bedroht worden. Wenig später habe der Antragsgegner selbst sie abgefangen und sie zunächst geschlagen; anschließend sei er mit seinem Kraftfahrzeug auf sie zugefahren, sie habe jedoch noch ausweichen können.
Der Antragsgegner widersprach einer Aufhebung der gemeinsamen Sorge. Er bestritt, die Kinder jemals geschlagen zu haben, vielmehr habe die Mutter die Kinder geschlagen. Mit ihrem Verbleib bei der Mutter war er einverstanden, sah jedoch keinen Grund, Veränderungen an der sorgerechtlichen Lage vorzunehmen.
Das Amtsgericht hat den Kindern einen Verfahrensbeistand bestellt, das Jugendamt beteiligt und anschließend sämtliche Beteiligten einschließlich der Kinder persönlich angehört. Sodann hat es mit Beschluß vom 14. Oktober 2011 die elterliche Sorge für die Kinder im gesamten Umfang auf die Kindesmutter übertragen; die Kosten des Verfahrens hat es dem Antragsgegner auferlegt und diesbezüglich ausgeführt, die Kostenentscheidung beruhe auf § 81 FamFG.
Allein gegen die Kostenentscheidung des ihm am 8. November 2011 zugestellten Beschlusses richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, mit der er eine Aufhebung der Kosten gegeneinander erstrebt. In seiner Beschwerdeschrift vom 21. November 2011 behielt sich der Antragsgegner vor, die Beschwerde innerhalb der noch laufenden Beschwerdefrist auf die Hauptsacheentscheidung zu erweitern. Hilfsweise werde Gehörsrüge nach§ 44 FamFG erhoben. Der Antragsgegner rügt, dass die von dem Amtsgericht in Bezug genommene Vorschrift des § 81 FamFG als Regelfall gerade nicht eine Orientierung an dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen, sondern die gegenseitige Kostenaufhebung vorsehe. Lediglich bei Vorliegen besonderer, in § 81 Abs. 2 FamFG beispielhaft aufgezählter Gründe könne von diesem Grundsatz abgewichen und könnten die Kosten einem Beteiligten auferlegt werden. Von welchen derartigen Gründen das Amtsgericht hier ausgegangen sei, sei den Gründen des Beschlusses jedoch in keiner Weise zu entnehmen. Das Amtsgericht habe auch zuvor im Laufe des Verfahrens keinen entsprechenden Hinweis auf eine solche Kostenentscheidung gegeben, weshalb hilfsweise für den Fall einer Unzulässigkeit der Beschwerde Gehörsrüge deswegen erhoben werde.
Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Kostenentscheidung, indem sie darauf verweist, der Antragsgegner habe grob gegen seine Pflichten als Vater verstoßen, indem er wiederholt sie selbst wie auch die Kinder, insbesondere den Sohn E. geschlagen habe, weshalb das Amtsgericht hier im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu Recht die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner auferlegt habe.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Zwar ist dem amtsgerichtlichen Beschluss eine inhaltliche Begründung der Kostenentscheidung nicht zu entnehmen. Dies führt im vorliegenden Fall indes nicht dazu, dass die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben wären. Vielmehr ist mangels Niederlegung der im Rahmen der Kostenentscheidung anzustellenden Ermessenserwägungen in den Gründen der Entscheidung nunmehr der Senat dazu berufen, seinerseits das durch § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG eingeräumte tatrichterliche Ermessen (vgl. hierzu den Senatsbeschluss vom 18. August 2011 - 10 UF 179/11 - JAmt 2012, 40 f. = ZKJ 2012, 28 f. = FamFR 2011, 472 = BeckRs 2011, 21941 = [...] = FamRZ 2011, 1894 [Ls]) auszuüben.
Danach waren die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit Abs. 2 Nr. 1 FamFG dem Antragsgegner aufzuerlegen. Denn dieser hat durch sein vorprozessuales Verhalten Anlass für die Durchführung dieses Verfahrens gegeben, indem er durch die über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholt erfolgte Anwendung körperlicher Gewalt, die der Antragsgegner, soweit sie sich gegen die Antragstellerin richtete, nicht in Abrede genommen hat, die Grundlagen für eine von gegenseitigem Vertrauen geprägte Zusammenarbeit der Kindeseltern betreffend die Kindesbelange nachhaltig zerstört hat. Bereits der Umstand, dass die demnach gerechtfertigte Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und deren Übertragung auf einen Elternteil allein (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB) ein gerichtliches Tätigwerden erforderte, durch welches Verfahrenskosten entstehen, spricht dafür, diese folgerichtig dem Antragsgegner aufzuerlegen.
Als weiterer zu berücksichtigender Gesichtspunkt kommt vorliegend hinzu, dass der Antragsgegner als vollzeitig Erwerbstätiger zugleich auch der wirtschaftlich leistungsfähigere Elternteil ist und deshalb der Antragstellerin gegenüber ohnehin verfahrenskostenvorschusspflichtig war, so dass die aus dem Tenor ersichtliche Entscheidung auch insoweit billigem Ermessen entspricht.
Angesichts der ausreichenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Antragsgegners besteht hier auch keine Veranlassung, von der Erhebung der Gerichtskosten nach § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG abzusehen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des Verfahrenswerts auf § 40, 42 Abs. 1 FamGKG.