Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.02.2012, Az.: 4 W 17/12

Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Versagung der Akteneinsicht

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
02.02.2012
Aktenzeichen
4 W 17/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 10651
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2012:0202.4W17.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 23.12.2011 - AZ: 2 O 57/11

Fundstellen

  • FamRZ 2012, 1241
  • MDR 2012, 428-429

Amtlicher Leitsatz

Gegen die Versagung der Akteneinsicht gem. § 299 ZPO ist die sofortige Beschwerde statthaft.

In dem Rechtsstreit

I. B., ...,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigter:

...

gegen

C. R., ...,

Beklagte,

Prozessbevollmächtigte:

...

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf das als sofortige Beschwerde auszulegende Rechtsmittel der Klägerin vom 13. Januar 2012 gegen die ihr am 10. Januar 2012 zugegangene Entscheidung des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 23. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ... am 2. Februar 2012 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Beschwerdewert: 3.000,00 €.

Gründe

1

Der Senat legt die mit Schriftsatz der Klägerin vom 13. Januar 2012 erfolgte Eingabe als sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 ZPO aus. Denn sie ist als Rechtsmittel bezeichnet und verfolgt offenbar auch inhaltlich das Ziel, mit Hilfe des Beschwerdegerichts die vom Landgericht abgelehnte Übersendung einer Ablichtung des Referendargutachtens zu erreichen.

2

Ob gegen ablehnende Entscheidungen der Gerichte betreffend Akenteinsichtsgesuche nach § 299 ZPO die sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 ZPO statthaft ist, ist in Schrifttum und Rechtsprechung umstritten. Ganz überwiegend wird allerdings der Standpunkt eingenommen, dass gegen die Versagung von Akteneinsicht die sofortige Beschwerde statthaft ist (Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 299 Rn. 5. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 299 Rn. 69. Prütting, MüKo zur ZPO, 3. Aufl., § 299 Rn. 15. Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 299 Rn. 1.

3

OLG Schleswig Rpfleger 1976, 108. OLG Brandenburg NJWRR 2000, 1454). Nach einer abweichenden Auffassung soll gegen Akteneinsicht versagende Entscheidungen eines Vorsitzenden oder anderen Mitglieds eines Kollegiums zunächst nach § 140 ZPO die Entscheidung des Kollegiums herbeizuführen und dann entweder schon gegen diese (so wohl Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 299 Rn. 18) die sofortige Beschwerde eröffnet oder eine Anfechtbarkeit der Versagung erst zusammen mit der Endentscheidung (so BGH MDR 1973, 580) gegeben sein.

4

Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass die sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Akteneinsicht jedenfalls im vorliegenden Fall statthaft ist. Wie insbesondere das OLG Brandenburg aaO., S 1455 mit Recht ausgeführt hat, ist § 140 ZPO auf Entscheidungen des Vorsitzenden innerhalb einer mündlichen Verhandlung zugeschnitten, die im Interesse der Fortführung des Verfahrens unverzüglich ergehen sollen. Dafür besteht hier kein Bedarf, weil das Akteneinsichtsgesuch der Klägerin nach der mündlichen Verhandlung schriftlich ergangen und beschieden worden ist. Außerdem greift der Gedanke des § 140 ZPO (und auch des § 576 ZPO) für den auch hier vorliegenden Fall, dass keine Entscheidung eines beauftragten Richters, sondern eines Einzelrichters vorliegt, deshalb nicht, weil der Einzelrichter bei voller Entscheidungsbefugnis ohne jede Beschränkung seines Geschäftsauftrags handelt. Schließlich entspricht die Eröffnung der sofortigen Beschwerde auch nicht nur besser den Erfordernissen praktischer Handhabung, sondern auch dem Gebot effektiven Rechtsschutzes.

5

Die hiernach statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.

6

Denn der Gesetzgeber hat in § 299 Abs. 4 ZPO bereits ausdrücklich geregelt, dass die zur Vorbereitung der Entwürfe zu Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen gelieferten Arbeiten sowie Dokumente, die Abstimmungen betreffen, weder vorgelegt noch abschriftlich mitgeteilt werden dürfen. Als zur Vorbereitung einer solchen Arbeit geliefert hat - neben den damit gewiss auch verfolgten Ausbildungszwecken - auch das hier in Rede stehende Gutachten zu gelten. Es ist jedenfalls ebenso wie beispielsweise das Votum eines Berichterstatters der Kammer oder des Senats ein intern der gerichtlichen Entscheidungsfindung dienender Beitrag und kein der Einsichtnahme der Parteien zugänglicher Aktenbestandteil. Die in der Beschwerdebegründung der Klägerin zitierte Fundstelle bei Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann besagt nichts Gegenteiliges. Die sofortige Beschwerde war deshalb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

7

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil angesichts der Unbegründetheit der Beschwerde der Frage ihrer Zulässigkeit keine entscheidungserhebliche Bedeutung (dazu vgl. Zöller/Heßler aaO., § 574, Rn. 13 a) zukam.

8

Die Festsetzung des Beschwerdewerts ist mangels anderer Anhaltspunkte gem. § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO erfolgt.