Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 13.02.2012, Az.: 10 UF 4/12
Verfahren bei fehlender Zustimmung des Antragsgegners zur Rücknahme des Scheidungsantrags
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 13.02.2012
- Aktenzeichen
- 10 UF 4/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 10957
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2012:0213.10UF4.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 05.12.2011 - AZ: 626 F 4774/06
Rechtsgrundlagen
- § 269 Abs. 1 ZPO
- § 269 Abs. 2 ZPO
- § 113 Abs. 1 FamFG
Fundstellen
- FPR 2012, 6
- FamRB 2012, 148
- FamRZ 2012, 1071-1073
- FuR 2012, 4
- FuR 2012, 3
Amtlicher Leitsatz
Hat die Antragsgegnerin die nach Verhandlung zur Sache über den Scheidungsantrag erforderliche Zustimmung zu einer vom Antragsteller erklärten Rücknahme des Scheidungsantrages (hier: durch ausdrückliche Stellung des Antrages auf Aufhebung des Verbundurteils und Zurückverweisung der Sache im Termin des anhängigen Berufungsverfahrens) verweigert und war das Scheidungsverfahren deswegen fortzusetzen, ist die Antragsrücknahme wirkungslos geworden. eine spätere Zustimmungserklärung zu dieser Rücknahmeerklärung ist nicht möglich und führt nicht zur Beendigung des Scheidungsverfahrens.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 5. Dezember 2011 aufgehoben.
Gerichtskosten (KV FamGKG 1910) sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erheben (§ 20 Abs. 1 FamGKG). über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens ist im Rahmen der Endentscheidung in der Hauptsache zu befinden.
Gründe
I. Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller mit am 6. Oktober 2006 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz die Scheidung der am 30. Januar 1990 geschlossenen Ehe der Beteiligten beantragt. Nach der Sitzungsniederschrift haben im Termin vor dem Amtsgericht am 17. Juli 2009 beide Verfahrensbevollmächtigten übereinstimmend die Scheidung der Parteien beantragt. Mit Urteil vom 17. Juli 2009 hat das Amtsgericht die Ehe geschieden, die Folgesache nachehelicher Unterhalt abgetrennt und zum Versorgungsausgleich erkannt.
Gegen dieses Urteil haben beide Eheleute Rechtsmittel eingelegt. während sich der Antragsteller gegen die Regelung des Versorgungsausgleiches wandte, hat die Antragsgegnerin erstrangig Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht beantragt und hilfsweise den Zuspruch nachehelichen Unterhalts sowie eine anderweitige Regelung des Versorgungsausgleichs erstrebt. Im laufenden Berufungsverfahren und nach einem Hinweis des Senatsvorsitzenden, daß die Berufung der Ehefrau mit ihrem Hauptantrag werde Erfolg haben müssen, hat der Antragsteller unter dem 4. November 2009 erklärt, seinen Scheidungsantrag zurückzunehmen [Bl. I 187 d.A.].
Nach Hinweis des Berichterstatters auf im amtsgerichtlichen Protokoll der mündlichen Verhandlung festgehaltene beiderseitige Scheidungsanträge und die sich daraus ergebende Folge, daß die einseitige Antragsrücknahme nicht zur Beendigung des Verfahrens führen könne, hat der Antragsteller gegen die Richtigkeit dieses Protokolls hinsichtlich eines Scheidungsantrages der Ehefrau Einwände erhoben. nach einer Stellungnahme des Verfahrensbevollmächtigten der Ehefrau, der seine eigene Antragstellung bestätigte, hat der Amtsrichter mitgeteilt, daß eine Protokollberichtigung nicht in Betracht komme. Parallel dazu hat der Verfahrensbevollmächtigte der Ehefrau schriftsätzlich erklärt, daß es auf eine eigene Antragstellung der Ehefrau ohnehin nicht entscheiden ankomme, da nach Verhandlung zum jedenfalls gestellten Scheidungsantrag des Ehemannes eine Zustimmung zur Antragsrücknahme durch die Antragsgegnerin in jedem Fall erforderlich wäre. Diese Zustimmung der Antragsgegnerin ist sodann nicht erklärt, vielmehr im Termin vor dem Senat ausdrücklich der angekündigte Hauptantrag (Aufhebung und Zurückverweisung) gestellt worden. Daraufhin hat der Senat mit Urteil vom 24. November 2009 das amtsgerichtliche Urteil als unzulässige Teilentscheidung aufgehoben und den Rechtsstreit an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Am 19. Oktober 2009 hat die Ehefrau in der Hauptsache wie im Wege einstweiliger Anordnung die Verpflichtung des Ehemannes zu Trennungsunterhalt begehrt. das diesbezüglich zunächst gesondert geführte Verfahren auf einstweilige Anordnung ist vom Amtsgericht zum Scheidungsverfahren verbunden, dort als Sonderheft geführt worden, und dem Antrag ist mit Beschluß vom 15. Januar 2010 teilweise stattgegeben worden. Am 30. Mai 2011 hat der Ehemann beantragt, die einstweilige Anordnung zum Trennungsunterhalt ´aufzuheben´, und dazu in der Folgezeit zur Unrichtigkeit der zugrundeliegenden eidesstattlichen Versicherungen der Ehefrau vorgetragen. das Amtsgericht hat die Staatsanwaltschaft um Prüfung der geltend gemachten Vorwürfe gebeten, über den Antrag auf Änderung der einstweiligen Anordnung bislang aber noch nicht entschieden.
Schließlich ist vom Ehemann am 30. September 2011 im Wege eines Stufenantrages auch die Folgesache Güterrecht - zunächst mit einem Auskunftsantrag - anhängig gemacht worden.
Mit Schriftsatz vom 22. November 2011 hat daraufhin der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin erklärt, nunmehr ausdrücklich der Rücknahme des Scheidungsantrages vom 4. November 2009 zuzustimmen.
Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 5. Dezember 2012 festgestellt, daß die Rücknahme des Scheidungsantrages nunmehr wirksam geworden sei, sowie - auf dahin verstandenen Antrag der Antragsgegnerin - die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller auferlegt.
Gegen diesen, seinem Verfahrensbevollmächtigen am 12. Dezember 2011 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller am 21. Dezember ´Beschwerde, hilfsweise jedes andere zulässige Rechtsmittel´ eingelegt. Er hat dabei ausgeführt, daß die ´nunmehrige Zustimmung zu der Rücknahme des Scheidungsantrages ... in grobem Maße rechtsmißbräuchlich, wenn nicht - wie in erster Linie geltend gemacht wird - von vornherein unwirksam´ sei, und die Kostenentscheidung als ´grob fehlerhaft´ angesehen.
II. Für das vorliegende, vor dem 1. September 2009 eingeleitete und gemäß Art. 111 Abs. 1 FGGReformG (zunächst) weiterhin nach den vor dem 1. September 2009 maßgeblichen Normen fortzuführende Scheidungsverbundverfahren sind, da über den im Verbund anhängigen Versorgungsausgleich nicht bis zum 31. August 2010 eine erstinstanzliche Endentscheidung ergangen war, gemäß Art. 111 Abs. 5 FGGReformG seit dem 1. September 2010 insgesamt die nach Inkrafttreten des FGGReformG geltenden Vorschriften anzuwenden.
III. 1. Der Rechtsbehelf des Antragstellers ist als sofortige Beschwerde gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 5 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig: Insbesondere wäre gegen eine Entscheidung in der Hauptsache die Beschwerde eröffnet und ist das Rechtsmittel fristgerecht eingelegt.
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. zu Unrecht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, daß das vorliegende Verbundverfahren durch eine Zustimmung der Antragsgegnerin zu einer vom Antragsteller erklärten Rücknahme des Scheidungsantrages beendet worden sei.
Dabei kann sogar dahinstehen, ob im vorliegenden Verfahren nicht ohnehin - wie im ausdrücklich nicht berichtigten Protokoll festgehalten und vom Verfahrensbevollmächtigten der Ehefrau schriftsätzlich bestätigt - auch die Ehefrau ihrerseits im Termin vom 17. Juli 2009 einen Scheidungsantrag gestellt hat, der bislang jedoch nicht zurückgenommen ist und zu dessen Rücknahme es auch an einer erforderlichen Zustimmung des Antragstellers fehlt. Denn es liegt jedenfalls nicht einmal eine wirksame Rücknahme des Scheidungsantrages des Ehemannes vor.
a. Zwar hatte der Antragsteller mit Anwaltsschriftsatz vom 4. November 2009 die Rücknahme seines Scheidungsantrags erklärt. Da jedoch jedenfalls über den Scheidungsantrag des Antragstellers im Termin vor dem Amtsgericht am 17. Juli 2009 zur Hauptsache verhandelt worden war, hätte diese Antragsrücknahme gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 296 Abs. 1 ZPO einer Zustimmung durch die Antragsgegnerin bedurft.
b. Eine solche Zustimmung, die ebenso wie ihre Verweigerung auch konkludent - insbesondere durch den Inhalt der nachfolgenden Antragstellung - erklärt werden kann (vgl. Prütting/Gehrlein2-Geisler, ZPO § 269 Rz. 8 f.. MüKoZPO3-BeckerEberhard, § 269 Rz. 29. Stein/Jonas22-Roth, ZPO § 296 Rz. 20. RGZ 108, 135, 137) ist jedoch weder schriftsätzlich vor noch durch Erklärung in der mündlichen Verhandlung im Berufungstermin vor dem Senat erklärt noch gemäß § 269 Abs. 2 Satz 4 ZPO ersetzt worden.
aa. Nachdem für den Senat angesichts des im amtsgerichtlichen Termin protokollierten beiderseitigen Scheidungsantrages der einseitigen Antragsrücknahme keine wesentliche Bedeutung zukam, bestand kein Anlaß, eine qualifizierte Zustellung des entsprechenden Schriftsatzes im Sinne von § 269 Abs. 2 Sätze 3 und 4 ZPO zu veranlassen, deren Frist vor dem anberaumten Termin ohnehin nicht abgelaufen wäre. insofern war im Streitfall eine Fiktion der Zustimmung zur Antragsrücknahme ausgeschlossen.
bb. Vielmehr hat die Antragsgegnerin mit Anwaltsschriftsatz vom 16. November 2009 bereits ausdrücklich darauf abgestellt, daß es unabhängig davon, ob im amtsgerichtlichen Termin vom 17. Juli 2009 nur durch den Antragsteller oder beiderseits ein Scheidungsantrag gestellt worden ist, bereits aufgrund der unstreitig erfolgten Verhandlung zur Sache über den Scheidungsantrag des Antragstellers für die Wirksamkeit einer Antragsrücknahme der Zustimmung durch die Antragsgegnerin bedürfe. Jedenfalls durch deren ausdrückliche, auf Aufhebung des amtsgerichtlichen Scheidungsurteils und Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht gerichtete Antragstellung im anschließenden Berufungstermin vor dem Senat ist eine solche Zustimmung zur Antragsrücknahme gegenüber dem Gericht endgültig verweigert worden.
cc. Nicht nur bei der Zustimmung zur Antragsrücknahme handelt es sich um eine unwiderrufliche Prozeßhandlung (vgl. Zöller26Greger, ZPO § 269 Rz. 15), sondern auch bei deren Verweigerung (vgl. MükoZPO aaO. Rz. 34 a.E.. Musielak8-Foerste, ZPO, § 269 Rz. 9). daher wird durch die Zustimmungsverweigerung die Klagerücknahme wirkungslos (vgl. Zöller aaO. Rz. 16. Stein/Jonas aaO. Rz. 22. BGH, Beschluß vom 20. August 1998 - I ZB 38/98 - NJW 1998, 3784 f. = MDR 1999, 626). Es kommt daher auch nicht in Betracht, nach erklärter Verweigerung der Zustimmung zur Antragsrücknahme und demzufolge Fortsetzung des Verfahrens mit einer zu einem späteren Zeitpunkt nunmehr erklärten Zustimmung an die wirkungslos gewordene Rücknahmeerklärung anzuknüpfen (RGZ 105, 135, 137. MüKoZPO aaO. Rz. 34 a.E.).