Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 22.02.2018, Az.: S 26 AY 26/17

Kirchenasyl; rechtsmissbräuchliches Verhalten

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
22.02.2018
Aktenzeichen
S 26 AY 26/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 73921
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Begibt sich ein Leistungsberechtigter ins Kirchenasyl, um den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu verhindern, begründet dies die Annahme eines rechtsmissbräuchliches Verhaltens nach § 2 Abs. 1 AsylbLG.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) i. V. m. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) anstelle von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG.

Der Kläger ist nach seinen Angaben am I. geboren und afghanischer Staatsangehöriger. Am 17. Juni 2013 stellte er in Ungarn und nach der Einreise in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland am 23. Juni 2013 einen weiteren Antrag auf Gewährung von Asyl. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 03. Dezember 2013 wurde der in Deutschland gestellte Asylantrag als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Ungarn angeordnet; ein hiergegen, vom Kläger eingeleitetes Verfahren auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz blieb vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg (Az.: 1 B 90/13) ohne Erfolg.

Mit Schreiben vom 25. März 2014 teilte ihm der Beklagte die geplante Überstellung nach Ungarn am 02. April 2014 mit; zuvor hatten sich die ungarischen Behörden am 04. März 2014 gegenüber dem BAMF zur Rückübernahme zwecks Durchführung seines Asylverfahrens bereit erklärt. Am 31. März 2014 erklärte der Kläger über seine Bevollmächtigten, dass ihm der Evangelisch-lutherische Kirchenkreis Hamburg-Ost Kirchenasyl gewährt habe.

Mit Schreiben des Beklagten vom 01. April 2014 wurde der Kläger informiert, dass aufgrund eines Streiks die geplante Überstellung nach Ungarn am 02. April 2014 nicht stattfinden könne. Mit Schreiben vom 15. April 2014 teilte ihm der Beklagte einen neuen Termin für die Überstellung nach Ungarn per Flugzeug am 08. Mai 2014 mit. Am 19. Mai 2014 informierte die freikirchliche Gemeinde Harburg II den Beklagten darüber, dass sich der Kläger seit dem 16. Mai 2014 im Kirchenasyl befinde; dem Schreiben beigefügt war ein Beschluss der Gemeindeleitung vom 16. Mai 2014, mit welchem ihm Kirchenasyl gewährt wurde. Am 07. Oktober 2014 erklärte der Kläger das Kirchenasyl für beendet.

Seit der Zuweisung in den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten zum 1. August 2013 bis zum 31. Mai 2014 sowie erneut ab 01. Oktober 2014 bezieht der Kläger Leistungen gem. § 3 AsylbLG, die ihm für jeweils einen Monat entweder durch schriftlichen Bescheid oder konkludent durch Auszahlung der Leistung gewährt werden. Einen mit Schreiben vom 30. August 2016 gestellten Antrag auf Gewährung von höheren Leistungen gemäß § 2 AsylbLG i. V. m. SGB XII (sog. Analogleistungen) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 30. August 2016 ab.

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 21. November 2016 beantragte der Kläger erneut die Umstellung auf Analogleistungen sowie die Nachzahlung der höheren Leistungen ab Oktober 2014. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27. März 2017 ab mit der Begründung, der Kläger habe seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst. Er habe bewusst falsche Angaben zu seiner Identität gemacht, habe die Einreise nach Deutschland aus einem sicheren Drittstaat zielgerichtet betrieben, um rechtsmissbräuchlich die Aufenthaltsdauer zu beeinflussen und Leistungen nach dem AsylbLG zu erhalten, und er habe durch Untertauchen in der Zeit vom 08. Mai bis 16. Mai 2014 sich der Überstellung nach Ungarn bewusst entzogen.

Nach Zurückweisung eines hiergegen erhobenen Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2017 hat der Kläger am 17. Mai 2017 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben. Ebenfalls am 17. Mai 2017 hat er vor dem SG Lüneburg einstweiligen Rechtsschutz beantragt mit dem Ziel, den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Analogleistungen zu verpflichten; diesen Antrag hat das Sozialgericht Lüneburg mit Beschluss vom 24. Juli 2017 abgelehnt.

Der Kläger trägt vor, der gegen ihn erhobene Vorwurf des Untertauchens sei nicht gerechtfertigt. Er habe sich seit 31. März 2014 im Kirchenasyl befunden; zudem könne ein Untertauchen für 8 Tage auch keinen dauerhaften Ausschluss von Analogleistungen zur Folge haben. Die Registrierung in Ungarn unter dem abweichenden Namen „J. (geb. K.)“ rechtfertige den Vorwurf falscher Identitätsangaben nicht, zumal er zum damaligen Zeitpunkt primärer Analphabet gewesen sei und sein Geburtsdatum bis heute nicht kenne. Die Vornamen seien zumindest phonetisch praktisch identisch und die Ähnlichkeit in der Schreibweise sei groß. Im Übrigen seien die in Ungarn getätigten Angaben für den Leistungsanspruch irrelevant, da der abweichende Nachname in Deutschland nicht benutzt worden sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 27. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2017 aufzuheben und ihm unter Abänderung der ab 1. Oktober 2014 ergangenen Leistungsbewilligungen Leistungen gem. § 2 AsylbLG i. V. m. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch ab 1. Oktober 2014 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Auffassung hat der Kläger die Dauer des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst, in dem er verschiedene Namen in Europa benutzt und seine tatsächliche Identität durch Vorlage seines Passes bis heute nicht abschließend nachgewiesen habe. Die Einreise aus einem sicheren Drittstaat habe er zielgerichtet betrieben, um die Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet rechtsmissbräuchlich zu beeinflussen, sowie auch in leistungsmissbräuchlicher Absicht; es seien keine stichhaltigen Gründe erkennbar, warum er nicht die Beihilfen in Ungarn in Anspruch genommen habe, die ähnliche (wenn auch geringere) Leistungen wie in Deutschland vorsähen. Ferner sei er jedenfalls im Zeitraum vom 08. Mai - 16. Mai 2014 untergetaucht, um seine Rückführung nach Ungarn am 08. Mai 2014 zu verhindern; dieses Verhalten sei ursächlich dafür, dass er nicht habe abgeschoben werden können und sich weiterhin im Bundesgebiet aufhalte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogene Leistungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 54, 56 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Weitergehende Leistungen nach dem AsylbLG als bereits zuerkannt stehen dem Kläger nicht zu.

1. Streitgegenstand dieses Verfahrens sind Ansprüche des Klägers auf Leistungen nach dem AsylbLG für den Zeitraum 1. Oktober 2014 bis 31. Dezember 2016. Ausgangspunkt für den klageweise angefochtenen Bescheid, welcher den Gegenstand der sozialgerichtlichen Klage bestimmt (§ 95 SGG), ist das am 5. Dezember 2016 beim Beklagten eingegangene Schreiben seines Bevollmächtigten vom 21. November 2016, mit welchem höhere Leistungen nach dem AsylbLG (rückwirkend) ab Oktober 2014 beansprucht werden. Bewilligungen für nachfolgende Zeiträume, also ab 1. Januar 2017, konnten im Dezember 2016 noch nicht angefochten werden und sind damit nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, das mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2017 abgeschlossen wurde.

2. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Rücknahme bzw. Abänderung der Bewilligungen für die streitgegenständlichen Zeiträume Oktober 2014 bis Dezember 2015 sowie April 2016 ist § 44 Abs. 1 SGB X; die Vorschrift findet auch auf Leistungsbewilligungen nach dem AsylbLG Anwendung (§ 9 Abs. 3 AsylbLG in der Fassung vom 27.12.2003, seit dem 1.3.2015 geregelt in § 9 Abs. 4 Nr. 1 AsylbLG). Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Leistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die schriftlichen bzw. konkludent durch Auszahlung ergangenen Leistungsbewilligungen für diese Zeiträume waren bei Antragseingang am 5. Dezember 2016 unanfechtbar, da die Widerspruchsfristen von einem Monat bei schriftlichen Bescheiden (§ 84 Abs. 1 SGG) bzw. von einem Jahr bei einer Auszahlung ohne Rechtsbehelfsbelehrung (§ 84 Abs. 2 S. 2 SGG i.V.m. § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I) bereits abgelaufen waren.

Eine Aufhebung der Leistungsbewilligungen und Nachzahlung von Leistungen scheitert vorliegend bereits daran, dass der Kläger sich zwischenzeitlich nicht mehr im Leistungsbezug befindet. Für einen Anspruch auf rückwirkende Erbringung von Leistungen über § 44 SGB X reicht es nicht aus, dass bei der Bewilligung Leistungen zu Unrecht vorenthalten worden sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich das SG anschließt, scheidet eine Nachzahlung von Leistungen nach dem AsylbLG aus, wenn die Bedürftigkeit inzwischen vorübergehend oder auf Dauer entfallen ist (vgl. BSG, Urteil vom 09. Juni 2011, Az.: B 8 AY 1/10 R unter Berufung auf das Urteil vom 29. September 2009, Az.: B 8 SO 16/08 R; Urteil vom 20. Dezember 2012, Az.: B 7 AY 4/11 R sowie Urteil vom 26. Juni 2013, Az.: B 7 AY 3/12 R). Denn unter Berücksichtigung des § 44 Abs. 4 SGB X muss den Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts Rechnung getragen und berücksichtigt werden, dass die Leistungen nach dem AsylbLG ebenso wie die Sozialhilfe nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dienen. Infolgedessen sind sie für zurückliegende Zeiten nur dann zu erbringen, wenn die Leistungen ihren Zweck noch erfüllen könnten, was nur der Fall ist, wenn die Bedürftigkeit ununterbrochen fortbesteht. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der ununterbrochen fortbestehenden Bedürftigkeit ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 2011, Az.: B 8 AY 1/10 R und Urteil vom 29. September 2009, Az.: B 8 SO 16/08 R). Die Frage, ob die Bedürftigkeit des Kläger durchgehend vorgelegen hat, ist – abhängig vom Aufenthaltsstatus der Klägers – zu prüfen nach den Vorschriften der Existenzsicherungssysteme des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II), SGB XII oder AsylbLG (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.2012 – B 7 AY 4/11 R).

Eine Nachzahlung im Verfahren nach § 44 SGB X scheidet demzufolge aus, wenn die Bedürftigkeit temporär oder auf Dauer entfallen ist; bei zu erbringenden Monatsleistungen wie vorliegend nach dem AsylbLG genügt hierfür ein Entfallen des Leistungsanspruchs für einen Monat (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012, Az.: B 7 AY 4/11 R - juris RdNr. 14 m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall: Nach Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung erzielt er eigenes Einkommen und befindet sich seit August 2017 nicht mehr im Leistungsbezug; dementsprechend ist seine Bedürftigkeit zwischenzeitlich entfallen und können bereits aus diesem Grunde Nachzahlungsansprüche nicht mehr geltend gemacht werden.

3. Höhere Leistungsansprüche stehen dem Kläger auch für Januar 2016 bis März 2016 und Mai 2016 bis November 2016 nicht zu. Die durch Auszahlung ohne schriftlichen Bescheid und ohne Rechtsbehelfsbelehrung für diese Zeiträume ergangenen Leistungsbewilligungen waren bei Eingang des Schreibens vom 5. Dezember 2016 noch nicht bindend, da die Widerspruchsfrist von einem Jahr (§ 84 Abs. 2 S. 2 SGG i.V.m. § 66 SGB I) noch nicht abgelaufen war. Der vom Bevollmächtigten mit Schreiben vom 21. November 2016 gestellte Antrag auf Umstellung der Leistungen ist insoweit aufgrund der weitergehenden Überprüfungsmöglichkeit im Interesse des Klägers als Widerspruch gegen die noch anfechtbaren Leistungsbewilligungen anzusehen.

Der Anspruch auf Analogleistungen ist hingegen auch für diese Zeiträume ausgeschlossen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Gem. § 2 Abs. 1 AsylbLG in der ab 01. März 2015 geltenden Fassung ist abweichend von den §§ 3-7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten anzuwenden, die sich seit 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Der Begriff des Rechtsmissbrauchs beinhaltet eine objektive (den Missbrauchstatbestand) und eine subjektive Komponente (das Verschulden). In objektiver Hinsicht setzt der Missbrauch ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus; der Ausländer soll von Analogleistungen ausgeschlossen sein, wenn die von § 2 Abs. 1 AsylbLG vorgesehene Vergünstigung andernfalls auf gesetzwidrige oder sittenwidrige Weise erworben worden wäre (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 Az.: B 8/9 B AY 1/07 R - juris, Rd. 34;Oppermann in: juris PK SGB XII, 2. Auflage 2017 § 2 AsylbLG, Rn. 48 ff.). In der Begründung des einschlägigen Gesetzentwurfes sind hierfür beispielhaft die Vernichtung des Passes und die Angabe einer falschen Identität als typische Fallgestaltungen eines Rechtsmissbrauchs angeführt.

Hiervon ausgehend ist auch vorliegend von einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer auszugehen. Dafür spricht bereits die Einreise des Klägers aus Ungarn. Denn gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Asylgesetz (AsylG) ist ein Asylantrag bereits unzulässig, wenn aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist; vorliegend war nach den Zuständigkeitskriterien der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und zur Übernahme des Klägers verpflichtet. Bei derartiger Zuständigkeit eines anderen Staates erweist sich nach Auffassung des erkennenden SG bereits der weitere Aufenthalt in der Bundesrepublik als rechtsmissbräuchlich, was den Bezug von Analogleistungen ausschließt (ebenso Deibel in GK - AsylbLG (Stand: Juni 2017), § 2 Rd. 53 f). Denn nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, Urteile vom 14. Mai 1996, Az.: 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 –, juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 21.12.2011, Az.: – C-411/10 und C-493/10 –, juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Dementsprechend ist das Asylverfahren auch nur in dem nach den einschlägigen Vorschriften zuständigen Staat durchzuführen und erweist sich der Aufenthalt im Bundesgebiet als nicht zuständigem Staat als rechtsmissbräuchlich. Anhaltspunkte, die vorliegend eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, bestehen nicht; dies ergibt sich nicht zuletzt auch daraus, dass der vor dem VG Lüneburg vom Kläger gestellte Antrag auf Abschiebungsschutz abgelehnt worden war.

Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt weiterhin darin, dass der Kläger sich dem Zugriff der staatlichen Behörden entzogen und die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen verhindert hat. Denn unzweifelhaft konnte die für 08. Mai 2014 geplante und bereits terminierte Abschiebung nach Ungarn nur deshalb nicht durchgeführt werden, da er in seiner Unterkunft nicht angetroffen werden konnte und für die zuständige Behörde nicht erreichbar war. Soweit er behauptet, sich ab 31. März 2014 im Kirchenasyl befunden zu haben, ist dies bislang nicht belegt; eine Bestätigung über die Einräumung von Kirchenasyl liegt erst für den Zeitraum ab 16. Mai 2014 vor, während der Aufenthaltsort zum Zeitpunkt der geplanten Rücküberstellung am 08. Mai 2014 unbekannt ist. Die bloße Mitteilung seiner Rechtsanwälte, dass er sich in das Kirchenasyl begeben habe, ist nicht ausreichend, um die tatsächliche Inanspruchnahme von Kirchenasyl, die von der Kirchengemeinde regelmäßig schriftlich bestätigt wird, zu belegen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass es sich um einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum handelt; nach der maßgebenden generell-abstrakten Betrachtungsweise ist hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen dem vorwerfbaren Verhalten und der Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes ein Kausalzusammenhang im eigentlichen Sinn nicht erforderlich, sondern reicht für die kausale Verbindung jedes von der Rechtsordnung missbilligte Verhalten aus, das – typisierend – der vom Gesetzgeber missbilligten Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes dienen kann (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Juni 2017, Az.: L 7 AY 2217/13 –, RdNr. 29, juris). Dies ist auch bei einem nur kurzzeitigen Untertauchen der Fall.

Abgesehen davon schließt Kirchenasyl nach Auffassung des erkennenden SG den Missbrauchstatbestand im Sinne von § 2 AsylbLG nicht aus. Zwar werden aufenthaltsbeendende Maßnahmen von den Ausländerbehörden während des Kirchenasyls nicht vollzogen. Dies ändert allerdings nichts an dem Umstand, dass Leistungsberechtigte, die sich freiwillig in das Kirchenasyl begeben, Vollzugsmaßnahmen zur Beendigung ihres Aufenthalts damit bewusst verhindern, indem sie sich dem Zugriff durch staatliche Vollzugsbehörden faktisch entziehen. Durch die Schaffung eines solchen faktischen Abschiebungshindernisses wird die Dauer des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland durch ein Verhalten des Leistungsberechtigten aber gezielt beeinflusst, obwohl der Aufenthalt von der Rechtsordnung nicht mehr gedeckt ist bzw. die Verpflichtung zur Aufenthaltsbeendigung besteht (s.a. Deibel in GK-AsylbLG; a.A.: SG Stade, Beschluss vom 17. März 2016, Az.: S 19 AY 1/16 ER).

Ob darüber hinaus auch die Angabe eines falschen Namens gegenüber den Behörden in Ungarn sowie die ihm vorgeworfene mangelnde Mitwirkung bei der Beschaffung von Passersatzpapieren den Vorwurf eines Rechtsmissbrauchs begründet, kann vorliegend dahinstehen, da bereits die vorstehend genannten Umstände einen Leistungsanspruch gem. § 2 AsylbLG ausschließen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.