Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 29.01.2018, Az.: S 40 AS 214/17
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 29.01.2018
- Aktenzeichen
- S 40 AS 214/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 73922
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Der Bescheid vom 20.2.2017 wird hinsichtlich des Monats August 2016 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Die Berufung wird für die Kläger zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum von März bis August 2016.
Der Beklagte gewährt den Klägern, einer in K. wohnhaften, dreiköpfigen Familie, Leistungen nach dem SGB II.
Mit Schreiben vom 30.11.2015 forderte der Beklagte die Kläger zur Senkung ihrer Unterkunftskosten auf. Er führte aus, die Unterkunftskosten in Höhe von 771 € und die Heizkosten in Höhe von 254 € könnten nur noch bis zum 31.5.2016 übernommen werden. Angemessen seien eine Wohnungsgröße von 75 m², Mietkosten bis zu 695 € und Heizkosten in Höhe von maximal 1,70 € pro angemessenem Quadratmeter, im Fall der Kläger “maximal 75,00 Euro (1,70 Euro x 127,50 m²)“.
Mit Bescheid vom 16.2.2016 bewilligte der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von März bis August 2016. Dabei berücksichtigte er durchgehend Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 1025,01 €. Auf den Bedarf rechnete er unter anderem Krankengeld für den Kläger zu 1) an. Eine Begründung für die Vorläufigkeit wurde nicht angegeben.
Zum 1.3.2016 schlossen die Kläger einen Mietvertrag über eine neue Unterkunft. Für ihre 80 m² große Wohnung hatten sie insgesamt 900 € an ihren Vermieter zu zahlen. Hiervon entfielen 50 € auf Strom. Zu den weiteren 850 € teilte der Vermieter mit, der Anteil der Heizkosten sei schwer zu ermitteln, da mit einer Pelletsheizung geheizt werde; er schätze die Heizkosten auf 150 bis 155 €.
Mit Änderungsbescheid vom 7.3.2016 setzte der Beklagte die vorläufige Leistungshöhe für die gesamten sechs Monate neu fest. Nunmehr berücksichtigte er bereits ab März 2016 nur noch Unterkunftskosten von 695,01 € sowie Heizkosten in Höhe von 150 €.
Bei einer Neuberechnung durch Änderungsbescheid vom 2.5.2016 berücksichtigte der Beklagte ab Juni 2016 neben Unterkunftskosten von 695,01 € nur noch Heizkosten in Höhe von 127,50 €.
Mit Änderungsbescheid vom 11.5.2016 nahm der Beklagte wiederum eine Neufestsetzung der vorläufigen Leistungen für die gesamten sechs Monate vor. Grund für diese Änderung war die Aufnahme eines Ausbildungsverhältnisses durch den Kläger zu 3). Aufgrund dessen wurde die Leistungshöhe für den Monat August 2016 auf 0,00 € reduziert. Die berücksichtigten Leistungen für Unterkunft und Heizung blieben gegenüber dem vorangegangenen Bescheid unverändert. Eine Begründung für die Vorläufigkeit der Bewilligung nannte der Bescheid nicht.
Mit Änderungsbescheid vom 29.6.2016 nahm der Beklagte eine Neuberechnung der vorläufigen Leistungen für den Monat Mai 2016 vor. Mit Änderungsbescheid vom 4.8.2016 erfolgte eine vorläufige Neufestsetzung für den Monat Juli 2016, mit Bescheid vom 26.8.2016 eine solche für den Monat August 2016. Eine Änderung hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung erfolgte auch insoweit nicht.
Im August 2016 beantragten die Kläger unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 11.5.2016 und mögliche Folgebescheide, die Bescheide für die Zeit von März bis August 2016 abzuändern und die Einnahmen vor dem Hintergrund der tatsächlich bezogenen Leistungen neu zu berechnen sowie die Leistungen auch hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung zu überprüfen und abzuändern. Sie machten geltend, sie zahlten eine Warmmiete von 850 € inklusive Heizkosten von 150 € zzgl. 50 € für Strom an den Vermieter. Daraus ergebe sich für die Kosten der Unterkunft ein Betrag von 700 €. Liege kein schlüssiges Konzept vor und greife der Grundsicherungsträger dann auf die Wohngeldtabelle zurück, sei nach der Rechtsprechung ein Sicherheitsaufschlag von 10 % auf die Beträge der Wohngeldtabelle vorzunehmen. Dies werde damit begründet, dass letztlich die Anwendung der Wohngeldtabelle der Deckelung der Aufwendungen bei der Übernahme der Unterkunftskosten diene, und zwar unabhängig von den konkreten Verhältnissen im Vergleichsraum. Da die Beträge in der Wohngeldtabelle die tatsächlichen Verhältnisse nicht abbildeten, sei ein Sicherheitsabschlag vorzunehmen, damit gewährleistet sei, dass Grundsicherungsempfänger Wohnraum anmieten könnten. Die tatsächlichen Kosten lägen auch nur fünf Euro über dem Betrag aus der Wohngeldtabelle, sodass sie dann eine Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten angesichts der hohen Kosten, die ein erneuter Umzug mit sich tragen würde, möglich sein sollte. Für die Heizkosten übernehme der Beklagte einen Betrag von 127,50 €. Sie heizten in ihrer neuen Unterkunft mit Holzpellets. Nach den Angaben des Vermieters betrügen die monatlichen Kosten dafür 150 €. Auch wenn der Beklagte eine Absenkung der Heizkosten auf 127,50 € angekündigt habe, sei hier eine Absenkung nicht möglich. Ein Rückgriff auf den bundesweiten Heizspiegel sei nicht möglich, da dort Kosten für das Heizen mit Holz nicht erfasst seien. Es werde daher auch gegen den Bescheid vom 26.8.2016 Widerspruch eingelegt.
Mit Bescheid vom 29.9.2016 lehnte der Beklagte eine Überprüfung der Bescheide für den Zeitraum vom 1.3.2016 bis zum 31.8.2016 ab. Zur Begründung führte er aus, bezüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung könne keine andere Entscheidung getroffen werden. Aufgrund der Neuermittlung der Mietobergrenzen zum 1.1.2016 sei der von den Klägern erwähnte Sicherheitsaufschlag in Höhe von 10 % entfallen. Eine höhere Gewährung von Heizkosten für die Beheizung mit Holz könne nicht erfolgen. Für Energieträger, die nicht gesondert im Heizkostenspiegel erfasst seien, seien die in diesem Spiegel genannten Energieträger vergleichend zu Grunde zu legen.
Eine Korrektur der Einkommensanrechnung entsprechend der tatsächlich erfolgten Einnahmen können erst nach Vorlage der Gehaltsnachweise für den Kläger zu 3) für den Monat August 2016 erfolgen.
Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein. Sie machten geltend, auch ab dem 1.1.2016 sei bei Zugrundelegung der Wohngeldtabelle ein Aufschlag von 10 % vorzunehmen. Auch die Ausführungen zum Heizkostenspiegel widersprächen dem Gesetz und der Rechtsprechung.
Mit „Änderungsbescheid“ vom 19.12.2016 setzte der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum von März bis August 2016 endgültig fest. Es erfolgte dabei eine Änderung der Anrechnung des Krankengeldes nach Vorlage von Kontoauszügen. Ferner nahm der Beklagte eine Änderung der Einkommensanrechnung für den Kläger zu 3) vor. Für den Monat April 2016 ermittelte der Beklagte eine Überzahlung in Höhe von 182,34 €, die mit einer Nachzahlung für den Monat August 2016 in Höhe von 390,17 € verrechnet wurde. Eine verbleibende Nachzahlung von 207,83 € werde, so der Beklagte in dem Bescheid weiter, in Kürze angewiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.2.2017 änderte der Beklagte den Bescheid vom 19.12.2016 ab, indem er Übergangsgeld in Höhe von 87,17 € im August 2016 und dafür nicht mehr im Juni 2016 anrechnete. Weiterhin erklärte er die Berücksichtigung von Heizkosten in Höhe von 144 €. Im Übrigen wies er den Widerspruch nach Erteilung des Bewilligungsbescheides vom 19.12.2016 zurück. Zur Begründung führte er aus, für die Stadt und den Landkreis Lüneburg liege kein qualifizierter Mietspiegel vor. Ein vom Landkreis Lüneburg erstelltes Konzept sei in zahlreichen sozialgerichtlichen Verfahren nicht anerkannt worden. Insoweit sei ein Festhalten an diesem Konzept nicht zu rechtfertigen. Ab dem 1.1.2016 würden der Auffassung des Sozialgerichts Lüneburg aus einem Urteil vom 20.4.2015 (Aktenzeichen: S 40 AS 81/14) folgend die Kappungsgrenzen des § 12 Wohngeldgesetz als Grenze für die abstrakt übernahmefähigen Kosten der Unterkunft zu Grunde gelegt. Damit seien für einen Dreipersonenhaushalt im Stadtgebiet von Lüneburg unter Zugrundelegung der Mietenstufe V 695 € als angemessen anzusehen. Die tatsächlichen Unterkunftskosten von 700 € überschritten diese Grenze.
Für die Heizkosten hätten die Kläger monatlich einen Betrag von 150 € aufzubringen. Für Energieträger, die im Bundesheizspiegel nicht gesondert aufgeführt seien, könne der jeweils kostenaufwändigste Energieträger des Heizspiegels vergleichend zu Grunde gelegt werden, wie das Bundessozialgericht bereits ausgeführt habe. Unter Zugrundelegung des Heizspiegels 2016 ergäben sich damit zu berücksichtigende Kosten in Höhe von 144 € monatlich.
Der Änderungsbescheid vom 26.8.2016, gegen welchen die Kläger Widerspruch eingelegt hätten, sei Teil des Überprüfungsantrages und damit Gegenstand des Widerspruchverfahrens geworden.
Mit Änderungsbescheid vom 20.2.2017 setzte der Beklagte die Leistungshöhe für den sechsmonatigen Zeitraum neu fest. Ab Juni 2016 berücksichtigte er nun monatliche Heizkosten von 144 €. Zudem rechnete er im Juni 2016 die Erstattung eines Rentenversicherungsträgers als Einkommen an. Im August 2016 rechnete er Übergangsgeld des Rentenversicherungsträgers auf die Leistungen an. Während für die Monate Juni und Juli höhere Leistungen bewilligt wurden, erfolgte hinsichtlich des Monats August eine Reduzierung der Leistungen von zuvor 651,54 € auf nun 580,86 €. Der Beklagte erklärte insoweit die Aufhebung des Bescheides vom 19.12.2016.
Die Kläger haben am 1.3.2017 Klage erhoben. Sie tragen vor, die Entscheidungen des Beklagten seien immer noch rechtswidrig, da der Beklagte nach wie vor zu Unrecht die tatsächlichen Kosten der Unterkunft nicht bewillige. Der Fehler, den der Beklagte mache, sei, dass kein Aufschlag von 10 % auf die Wohngeldtabelle ab dem 1.1.2016 vorgenommen werde. Sie zahlten eine Miete von 900 €, wobei 50 € Strom enthalten seien, sodass eine Gesamtmiete einschließlich Heizungskosten (150 €) von 850 € bestehe. Da der Beklagte einen Betrag von 695,01 € für die Grundmiete übernehme, fehle für den streitigen Zeitraum noch ein Betrag von 4,99 € bei den Kosten der Unterkunft. Ab Juni 2016 gewähre der Beklagte nur noch Heizkosten in Höhe von 127,50 €. Auch hier seien die tatsächlichen Kosten zu übernehmen, da bei der Berücksichtigung der Gesamtangemessenheitsgrenze dann die Kosten der Unterkunft immer noch, auch bei etwas zu hohen Heizkosten, angemessen wären, da diese unter Berücksichtigung des zehnprozentigen Aufschlags auf die Wohngeldtabelle nicht erreicht werde.
Sie beantragen schriftsätzlich,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 29.9.2016 und des Änderungsbescheides vom 19.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.2.2017 zu verurteilen, ihnen unter Abänderung des Bescheides vom 11.5.2016 höhere Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.3.2016 bis zum 31.8.2016, insbesondere unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft, zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Der Antrag der Kläger ist dahingehend auszulegen, dass, wie sich auch aus der Klagebegründung ergibt, nicht nur höhere Unterkunftskosten, sondern auch höhere Heizkosten begehrt werden.
Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
Den Gegenstand des Verfahrens bildet allein der Änderungsbescheid vom 20.2.2017.
Gegenstand des Verwaltungsverfahrens war zunächst die Überprüfung des Änderungsbescheides vom 11.5.2016 und der bis zum Antrag auf Überprüfung ergangenen Änderungsbescheide (vom 29.6.2016 und 4.8.2016)
Gegen den den Monat August betreffenden Änderungsbescheid vom 26.8.2016 legten die Kläger noch innerhalb der gesetzlichen Frist Widerspruch ein. Entgegen der Darstellung im Widerspruchsbescheid erfolgte die Überprüfung dieses Bescheides damit nicht im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Die vorläufigen Bewilligungen wurden allerdings durch die endgültige Festsetzung im Bescheid vom 19.12.2016 erledigt und ersetzt (Bundessozialgericht, Urteil v. 10.5.2011, Az.: B 4 AS 139/10 R; Urteil v. 22.8.2012, Az.: B 14 AS 13/12 R).
Unerheblich ist insoweit, dass der Beklagte den Bescheid vom 19.12.2016 als „Änderungsbescheid“ bezeichnete. Grundsätzlich genügt ein Änderungsbescheid als endgültige Entscheidung nicht. Anders ist es jedoch dann, wenn ein Hinweis auf eine Endgültigkeit erfolgt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil v. 29.4.2015, Az.: B 14 AS 31/14 R). So lag es auch hier. Der Beklagte erklärte in dem Bescheid, dass eine endgültige Festsetzung erfolge. Darüber hinaus nannte der Beklagte insbesondere auch nicht die (nur bei einer Änderung einschlägige und daher für eine endgültige Festsetzung nicht heranzuziehende) Anspruchsgrundlage des § 48 SGB X.
Grundsätzlich ist zwar Gegenstand eines Überprüfungsverfahrens allein der zur Überprüfung gestellte Bescheid und maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Entscheidung deshalb der Erlass dieses Bescheides. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beklagte im Laufe des Widerspruchverfahrens zunächst die endgültige Festsetzung durch den Bescheid vom 19.12.2016 vornahm und mit dem Widerspruchsbescheid vom 10.2.2017 nicht nur über den Ablehnungsbescheid vom 29.9.2016, sondern auch über den Bewilligungsbescheid vom 19.12.2016 entschied. Damit eröffnete der Beklagte eine Überprüfung auch der endgültigen Festsetzung.
Infolge dessen wurde der Änderungsbescheid vom 20.2.2017, der den Änderungsbescheid vom 19.12.2016 bzw. den Widerspruchsbescheid ersetzte, Gegenstand des Verfahrens (§ 96 SGG). Deshalb bildet letztlich allein dieser Bescheid vom 20.2.2017, der auch den vorangegangenen Bescheid vom 19.12.2016 erledigte, den Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung (vergleiche Bundessozialgericht, Urteil vom 4.8.2014, Az.: B 14 AS 2/13 R).
Die Kläger sind hinsichtlich des Monats August 2016 durch den Bescheid vom 20.2.2017 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Der Bescheid ist insoweit rechtswidrig. Im Übrigen haben die Kläger jedoch keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II.
Der Bedarf der Kläger setzte sich aus den Regelbedarfen sowie den Kosten für Unterkunft und Heizung zusammen.
Für die Kosten für Unterkunft und Heizung waren ab dem 1.3.2016 keine höheren als die vom Beklagten berücksichtigten Aufwendungen in Ansatz zu bringen.
Für die Kosten der Unterkunft ist auf die sich aus dem Wohngeldgesetz ergebenden Werte – und zwar ohne einen Zuschlag von 10 % – abzustellen.
Leistungen für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Satz 3 der Vorschrift als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Angemessenheit von Unterkunftskosten in mehreren Schritten zu prüfen (s. nur Bundessozialgericht, Urteile v. 17.12.2009, Az.: B 4 AS 27/09 R, B 4 AS 50/09 R, B 4 AS 19/09 R): Zunächst ist danach in einer ab strakten Angemessenheitsprüfung die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. Anschließend ist der nach den örtlichen Verhältnissen angemessene Mietzins je Quadratmeter zu ermitteln. Die Prüfung der abstrakten Angemessenheit muss die örtlichen Verhältnisse erfassen und beurteilen, damit auf dieser tatsächlichen Grundlage eine Mietpreisspanne für die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten festgesetzt werden kann.
Sofern örtliche Mietspiegel oder andere Mietdatenbanken für den zugrunde zu legenden Vergleichsraum nicht existieren, hat der Grundsicherungsträger nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Zwecke der Ermittlung der abstrakt angemessenen Wohnkosten ein schlüssiges Konzept einschließlich entsprechender Tabellen mit grundsicherungsrelevanten Daten zu erstellen. Diese dürfen auf einer schwächeren Datenbasis als ein Mietspiegel nach § 558 d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beruhen. Gleichwohl müssen sie den maßgeblichen örtlichen Wohnungsmarkt nachvollziehbar abbilden. Die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage muss auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiederzugeben. Folgende Anforderungen an die Schlüssigkeit sind dabei nach Auffassung des Bundessozialgerichts einzuhalten (s. Urteil v. 22.9.2009, Az.: B 4 AS 18/09 R; Urteil v. 17.12.2009, Az.: B 4 AS 50/09 R):
· Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
· es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z. B. welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
· Angaben über den Beobachtungszeitraum,
· Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z. B. Mietspiegel),
· Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
· Validität der Datenerhebung,
· Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung,
· Angaben über die gezogenen Schlüsse (z. B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Die Erstellung eines schlüssigen Konzepts soll dabei dem Grundsicherungsträger obliegen, welcher dem Sozialgericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und gegebenenfalls noch notwendige Ermittlungen nachzuholen hat (Bundessozialgericht, Urteil v. 20.12.2011, Az.: B 4 AS 19/11 R). Unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume sind dabei allerdings nicht erforderlich. Gleichwohl ist dann vom Sozialgericht darzulegen, weshalb ein schlüssiges Konzept mit den vorhandenen Daten nicht möglich ist (Bundessozialgericht, Urteil v. 11.12.2012, Az.: B 4 AS 44/12 R; Urteil v. 12.12.2013, Az.: B 4 AS 87/12 R; Urteil v. 14.02.2013, Az.: B 14 AS 61/12 R). Nach einer anderen Formulierung des Bundessozialgerichts besteht bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts aufgrund eines “Notfalles” gegebenenfalls eine Begrenzung der Amtsermittlungspflicht des Sozialgerichts (Bundessozialgericht, Urteil v. 17.12.2009, Az.: B 4 AS 27/09 R). Sofern sich ein schlüssiges Konzept trotz weiterer Ermittlungen nicht aufstellen lässt, sind die tatsächlichen Unterkunftskosten zu übernehmen, jedoch begrenzt auf die Kappungsgrenzen des § 12 Wohngeldgesetz (WoGG), welche noch um einen Sicherheitszuschlag von 10 % zu erhöhen sein sollen (Bundessozialgericht, Urteil v. 12.12.2013, Az.: B 4 AS 87/12 R; Urteil v. 10.09.2013, Az.: B 4 AS 3/13 R; für die Werte nach § 8 WoGG a. F.: Urteil v. 20.08.2009, Az.: B 14 AS 41/08 R; Urteil v. 16.04.2013, Az.: B 14 AS 28/12 R).
Ermöglicht wird dem Grundsicherungsträger eine Begrenzung der Leistungen für die Unterkunft erst, wenn der Leistungsempfänger auf die Unangemessenheit der Unterkunftskosten hingewiesen wurde. Bei dieser Aufforderung zur Senkung der Aufwendungen handelt es sich nach Ansicht jedenfalls des 4. Senates des Bundessozialgerichts um ein Angebot, in einen Dialog über die angemessenen Unterkunftskosten einzutreten (Bundessozialgericht, Urteil v. 19.02.2009, Az.: B 4 AS 30/08 R; Urteil v. 10.09.2013, Az.: B 4 AS 77/12 R).
Die skizzierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erscheint der Kammer nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (Az.: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) in wesentlichen Teilen nicht tragfähig. Letzteres führte aus, die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums müsse durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein. Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkomme, sei das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig. Der Umfang des Anspruchs sei danach vom Gesetzgeber konkret zu bestimmen. Ihm obliege es, den Leistungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge zu konkretisieren. Schon nach früheren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist der Gesetzgeber verpflichtet, in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (s. nur Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 08.08.1978, Az.: 2 BvL 8/77).
Der vor diesem Hintergrund in der Vergangenheit von der Kammer geäußerten Kritik an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 20.4.2015, Az.: S 40 AS 81/14) ist durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts teilweise der Boden entzogen worden.
Das Bundesverfassungsgericht führte in seinem Beschluss vom 10.10.2017 (Az.: 1 BvR 617/14) aus, die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sei hinreichend bestimmt. Es sei der konkrete Bedarf der Leistungsberechtigten einzelfallbezogen zu ermitteln. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II verfolge damit im Ausgangspunkt einen Individualisierungsgrundsatz. Der hierzu ordnende Lebenssachverhalt sei von so unterschiedlichen Faktoren bestimmt, dass die Vorgabe angemessener Kostenerstattung als hinreichend bestimmt anzusehen sei. Dabei sei die Heterogenität des jeweils lokal unterschiedlichen Wohnungsmarktes ebenso zu beachten wie die Tatsache, dass zu den Kosten der Unterkunft regional in unterschiedlichem Maße belastbare Informationen vorlägen. Dies stelle auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum schlüssigen Konzept in Rechnung, die zudem den erheblichen Ermittlungsaufwand und die praktischen Probleme bei der Ermittlung der marktüblichen Wohnungsmieten verdeutliche.
Das Bundesverfassungsgericht ließ in dieser Entscheidung somit die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum schlüssigen Konzept zwar unangetastet. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass in dem dort zu entscheidenden Fall die angemessenen Unterkunftskosten in der Tat auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts, nämlich eines qualifizierten Mietspiegels, bestimmt worden waren.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfte dahingehend zu verstehen sein, dass es das Gericht für zulässig hält, dass
· die Angemessenheit der Unterkunftskosten durch ein schlüssiges Konzept (“oder eine andere Methode zur Bestimmung der Höhe der Bedarfe für Unterkunft und Heizung”) bestimmt wird und
· die Ermittlung der Angemessenheit durch den Grundsicherungsträger und durch das Gericht erfolgt.
Das Bundesverfassungsgericht äußerte sich hingegen nicht zu den Äußerungen des Bundessozialgerichts, nach welchen ein Angebot des Grundsicherungsträgers zum Dialog erfolge und hilfsweise auf die Werte nach dem Wohngeldgesetz zuzüglich eines geschätzten Sicherheitszuschlages zurückzugreifen sei. Es erfolgte damit gerade keine Beleuchtung dieser Aspekte der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vor verfassungsrechtlichem Hintergrund. Insbesondere die hilfsweise vorgenommene Addition eines Sicherheitszuschlages zu den Werten nach dem Wohngeldgesetz, die nur ein Hilfskonstrukt bei fehlender Aufklärbarkeit des Sachverhaltes darstellen soll, lässt sich nicht mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts vereinbaren, nach welchen der konkrete Bedarf nun einzelfallbezogen und unter Berücksichtigung unterschiedlichster Faktoren zu ermitteln ist. Auch eine Betrachtung der durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entstehenden Unterschiede zwischen Empfängern von Leistungen nach dem SGB II und Wohngeldbeziehern erfolgte nicht.
Vor diesem Hintergrund steht eine abschließende, vollständige Würdigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts noch aus.
Der hier vertretenen Auffassung steht auch nicht der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6.10.2017 (Az.: 1 BvL 2/15 und 1 BvL 5/15) entgegen. Darin führte das Gericht aus, durch die Regelungen der §§ 22 a bis c SGB II habe der Gesetzgeber die Auslegung des § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II durch das Bundessozialgericht gesetzlich nachvollzogen; damit blieben Behörden und Gerichten durchaus Entscheidungsspielräume insbesondere mit Blick auf das schlüssige Konzept, doch die Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sei gesetzlich begrenzt.
Auch in dieser Entscheidung erfolgte keine Auseinandersetzung mit den oben genannten weiteren Teilen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Auch die §§ 22 a bis c SGB II geben keine Hinweise darauf, wie bei nicht erfolgter bzw. nicht mehr möglicher Ermittlung der individuellen Angemessenheitswerte anhand eines schlüssigen Konzepts zu verfahren ist. Nach § 22 a ff. SGB II besteht die Möglichkeit, dass die Grundsicherungsträger – im Voraus – ein schlüssiges Konzept erstellen, auf dessen Grundlage sie in die Angemessenheit der Unterkunftskosten bestimmen. Für eine nachträgliche Bestimmung der Angemessenheit durch Erstellung eines schlüssigen Konzepts bietet das Gesetz hingegen keine Grundlage.
Ein Konzept liegt auch im hier zu entscheidenden Fall nicht vor. Angesichts der auch vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Schwierigkeiten bei der Ermittlung dieses komplexen Sachverhalts erscheint die Erstellung eines Konzepts für die Vergangenheit nicht möglich.
Der Kammer erscheint indes im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und aufgrund eines Vergleichs mit dem Wohngeld ein weiterer Aspekt bedeutsam, welcher bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts den Weg zu einer Bestimmung der Angemessenheitsgrenze aufzeigt:
Auch wenn Wohngeld und Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II unterschiedlichen Regelungskomplexen unterfallen, besteht doch eine wesentliche Gemeinsamkeit in ihrer grundsätzlichen Zielrichtung: Das Wohngeld soll Haushalten mit niedrigem Einkommen einen angemessenen, also einen einem Mindestwohnstandard entsprechenden Wohnraum wirtschaftlich ermöglichen und auf Dauer sichern (Zimmermann, Wohngeldgesetz, § 1, Rn. 3). Vergleichbares gilt für Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (vgl. Berlit, in: Münder, SGB II, 5. Aufl., § 22, Rn. 44).
Von Bedeutung ist dabei auch das gesetzliche Zusammenwirken beider Leistungsregime: Wer Leistungen nach dem SGB II bezieht, ist vom Wohngeldbezug grundsätzlich ausgeschlossen, wenn bei der Leistungsberechnung Kosten der Unterkunft berücksichtigt wurden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WoGG). Der Ausschluss kann jedoch unter anderem dann entfallen, wenn durch Wohngeld die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermieden bzw. beseitigt werden kann (s. § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WoGG). Wenn sich der gesamte Bedarf einer Bedarfsgemeinschaft mit Wohngeld (und Kinderzuschlag) decken lässt, sind diese vorrangigen Leistungen zu beantragen (vgl. Geiger, in: Münder, SGB II, 5. Aufl., § 12 a, Rn. 8).
Insoweit hängt auch das Wohngeld von der Frage ab, ob eine Hilfebedürftigkeit im Sinne des Grundsicherungsrechts besteht. Während also Leistungen nach dem SGB II für Hilfebedürftige gewährt werden, kommt die Gewährung von Wohngeld für solche Personen in Betracht, deren wirtschaftliche Situation – im Vergleich zu Beziehern von Arbeitslosengeld II – ähnlich ist bzw. sich nur in geringem Maße besser darstellt.
Dieser letztgenannte Aspekt schließt es nach Auffassung der Kammer aus, für Bezieher von Arbeitslosengeld II einerseits und Wohngeldempfänger andererseits unterschiedlich hohe Kappungsgrenzen bei den grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten zu ziehen.
Zwar wirken sich die tatsächlichen Aufwendungen im Bereich des SGB II (bis zur Angemessenheitsgrenze) unmittelbar und in unveränderter Höhe auf den Leistungsanspruch aus, während Miete bzw. Belastung nur einen von mehreren Faktoren bei der Wohngeldberechnung darstellen (§ 19 WoGG). Gleichwohl beeinflussen die Unterkunftskosten auch im Wohngeldrecht die Höhe des Leistungsanspruchs auf maßgebliche Weise.
Geht man beispielsweise von einem Zwei-Personen-Haushalt mit einem nach den §§ 13 ff. WoGG bereinigten Gesamteinkommen von 800,00 und einer berücksichtigungsfähigen Miete von 350,00 Euro aus, ergibt sich nach der Formel des § 19 WoGG (i. V. m. Anlage 1) ein Wohngeldanspruch von 110,00 Euro. Erhöht sich die berücksichtigungsfähige Miete um 100,00 Euro auf 450,00 Euro, erhöht sich der Wohngeldanspruch immerhin um 58,00 Euro auf 168,00 Euro. Für einen Ein-Personen-Haushalt mit einem bereinigten Gesamteinkommen von 600,00 Euro und einer Miete von 280,00 Euro errechnet sich ein Wohngeldanspruch von 82,00 Euro, bei einer um 100,00 Euro höheren Miete ein um 56,00 Euro erhöhter Anspruch.
Die Auswirkungen der Wohnkosten auf den Wohngeldanspruch sind damit grundsätzlich geeignet, Bezieher von Wohngeld zur Suche nach einer günstigeren Wohnung zu veranlassen, wenn ihre Unterkunftskosten aufgrund der Kappungsgrenzen des § 12 WoGG nur in vermindertem Maße berücksichtigt werden. Sie befinden sich dann in der gleichen Situation wie Bezieher von Arbeitslosengeld II, die sich nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II um eine Senkung ihrer Unterkunftskosten bemühen müssen.
Die Kappungsgrenzen des § 12 WoGG dienen unter anderem der Wahrung von Gleichheit unter den Wohngeldempfängern (Stadler u. a., Wohngeldgesetz, § 12, Lfg. 65, Rn. 1). In gleicher Weise erscheint es der Kammer nicht zulässig, Wohngeldempfänger und Bezieher von Arbeitslosengeld II in Bezug auf die maximal berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten unterschiedlich zu behandeln.
Im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) erscheint es ausgeschlossen, für Bezieher von Arbeitslosengeld II höhere Unterkunftskosten als die Werte nach § 12 WoGG als abstrakt berücksichtigungsfähig anzusehen. Die Leistungen nach dem SGB II sollen lediglich einen Mindeststandard gewährleisten und die bestehende Hilfebedürftigkeit ausgleichen. Wenn nun Wohngeldbezieher nur weniger teure Wohnungen als Bezieher von Arbeitslosengeld II nutzen dürften, obwohl sie wirtschaftlich doch nicht schlechter als diese stehen sollen, ließe sich das Gefälle im Wohnkomfort nur erreichen, indem Wohngeldbezieher einen größeren Anteil ihres Einkommens für ihre Unterkunft aufwenden, welcher dann für ihren sonstigen Lebensunterhalt nicht mehr zur Verfügung stünde. Dies liefe jedoch dem Ziel des Gesetzgebers zuwider, mit dem Wohngeld eine Hilfebedürftigkeit zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund findet ein “Sicherheitszuschlag” von 10 % auf die Werte des § 12 WoGG für Bezieher von Arbeitslosengeld II keine Berechtigung. Dessen ungeachtet ist freilich zu berücksichtigen, dass eine vom Bundessozialgericht frei gewählte, einer konkreten Grundlage entbehrende Größe von 10 % mit der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts nicht in Einklang zu bringen ist.
Im Übrigen lässt sich ohnehin eine gewisse, sachlich jedoch gerechtfertigte Besserstellung für Empfänger von Arbeitslosengeld II nicht gänzlich vermeiden, da bei ihnen im Sinne einer konkreten Angemessenheit zu prüfen ist, ob ihnen ein Wohnungswechsel möglich und zumutbar ist. Während die Wohngeldbehörden durch die gesetzlichen Vorgaben des § 12 WoGG auch in Härtefällen gebunden sind (vgl. Stadler u. a., Wohngeldgesetz, Lfg. 71, § 12, Rn. 15; Zimmermann, Wohngeldgesetz, § 1, Rn. 3), kann sich im Bereich des SGB II ein Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten ergeben (s. für einem Umzug entgegenstehende persönliche Umstände etwa Bundessozialgericht, Urteil v. 22.08.2012, Az.: B 14 AS 13/12 R). Wäre dies nicht möglich, könnte es zu einer dauerhaften Bedarfsunterdeckung kommen, welche im Grundsicherungsrecht im Hinblick auf die sicherzustellende Menschenwürde nicht zulässig wäre.
Im Hinblick auf diesen wesentlichen Unterschied der konkreten Betrachtung des Einzelfalls erscheint es der Kammer erst recht nicht geboten bzw. möglich, die abstrakt berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten für Bezieher von Arbeitslosengeld II höher als für Wohngeldbezieher anzusetzen.
Auf der anderen Seite hält die Kammer aber auch eine Besserstellung der letztgenannten Gruppe nicht für gerechtfertigt. Wie bereits ausgeführt, können sich Angehörige beider Personengruppen durch eine Kappung der berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten zu einem Wohnungswechsel veranlasst sehen, da sie zu den finanziell schwächsten Teilen der Bevölkerung gehören. Weshalb aber Beziehern von Arbeitslosengeld II der Verlust der Unterkunft und damit ihres Lebensmittelpunktes schon ab einer geringeren Schwelle drohen soll als Wohngeldempfängern, leuchtet der Kammer nicht ein. Auch das Bundessozialgericht selbst hat bereits erwogen, dass für Empfänger von Arbeitslosengeld II bei der Frage, ob dem Umzug in eine günstigere Wohnung ausreichende Gründe entgegenstehen, die gleichen Überlegungen gelten können wie bei den übrigen Angehörigen unterer Einkommensschichten (Urteil v. 22.08.2012, Az.: B 14 AS 13/12 R).
Infolge dessen erscheint es geboten, für die Bestimmung der nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II abstrakt angemessenen Unterkunftskosten auf die Werte des § 12 WoGG abzustellen. Diese beruhen auf dem Prinzip rechtlicher Gleichheit (vgl. Stadler u. a., Wohngeldgesetz, Lfg. 65, § 12, Rn. 7), in welches die Empfänger von Arbeitslosengeld II nach dem Gesagten einzubeziehen sind. Die Ermittlung der im Einzelfall als abstrakt angemessen anzusehenden Kappungsgrenzen beruht im Gegensatz zur Beurteilung anhand eines schlüssigen Konzepts im oben genannten Sinne auch auf einem formellen Gesetz. Der Gesetzgeber hat dabei auch bezüglich der nach § 12 Abs. 1 WoGG maßgebenden Mietenstufen die wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen: In § 12 Abs. 2 bis 5 WoGG ist die Art und Weise der Ermittlung dieser Stufen vorgegeben. Danach richten sich die einzelnen Mietenstufen nach dem Mietenniveau von Wohnraum und dem gleichzustellenden Nutzungsverhältnissen (Abs. 2). Das jeweilige Mietenniveau richtet sich nach der vom statistischen Bundesamt jeweils für die Gemeinden bis 10.000 Einwohnern gesondert ermittelten Miethöhe; bei kleineren Gemeinden erfolgt eine Ermittlung des Mietenverhältnisses jeweils für die Landkreise (Abs. 3). Die Wohngeldanpassung erfolgt nur aufgrund einer Gesetzesänderung, nämlich aufgrund einer Änderung des WoGG (Zimmermann, Wohngeldgesetz, § 12, Rn. 5). Den oben dargestellten Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie ist damit genügt.
Der Kammer ist durchaus bewusst, dass fraglich ist, ob auf der Grundlage der pauschalierenden Regelung des § 12 WoGG die realen Verhältnisse des Wohnungsmarktes zutreffend abgebildet werden (s. Stadler u. a., Wohngeldgesetz, Lfg. 65, § 12, Rn. 14). Zu bedenken ist indes auch, dass sich der Wohnungsmarkt auf Dauer an konkrete Werte, die mit dem WoGG auch für das SGB II vorgegeben sind, anpasst. Dementsprechend erscheint es nachvollziehbar, dass auch bei den Überlegungen zur Änderung des SGB II im Jahre 2010 auch im Gesetzgebungsverfahren erwogen wurde, bezüglich der Angemessenheit im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ausdrücklich auf die Werte nach § 12 WoGG zu verweisen (s. Bundestags-Drucksache 17/3958, S. 14).
Ist damit auf § 12 Wohngeldgesetz zurückzugreifen, ergibt sich für einen dreiköpfigen Haushalt in Lüneburg, welches der Mietensstufe V zuzuordnen ist, eine Angemessenheitsgrenze von 695 €. Diesen Grenzwert überschritten die Aufwendungen der Kläger für ihre Unterkunft im hier maßgeblichen Zeitraum. Eine eindeutige Aufteilung der von den Klägern an den Vermieter entrichteten Zahlungen in Unterkunfts- und Heizkosten erscheint nicht möglich, so das die Kammer mangels anderer Anhaltspunkte auf die Schätzung des Vermieters zurückgreift. Damit ergaben sich tatsächliche Unterkunftskosten in Höhe von 700 €, welche über der genannten Grenze von 695 € liegen.
Heizkosten sind nicht in größerer Höhe als 144 € zu übernehmen. Auch insoweit geht die Kammer mit den Angaben des Vermieters davon aus, dass Heizkosten von mindestens 150 € anfielen.
Grundsätzlich sind die tatsächlichen Heizkosten zu übernehmen. Eklatant kostspieliges oder unwirtschaftliches Verhalten ist jedoch, wie auch das Bundessozialgericht bereits ausgeführt hat, vom Grundsicherungsträger nicht zu finanzieren. Auch insoweit ist daher eine Obergrenze zu ziehen. Sofern – wie hier – ein kommunaler Heizspiegel nicht vorhanden ist, kann auf den “Bundesweiten Heizspiegel” zurückgegriffen werden. Der zugrunde zu legende Grenzwert ist das Produkt aus dem Wert, der auf “extrem hohe” Heizkosten bezogen auf den jeweiligen Energieträger und die Größe der Wohnanlage hindeutet (rechte Spalte), und dem Wert, der sich für den Haushalt des Hilfebedürftigen als abstrakt angemessene Wohnfläche nach den Ausführungsbestimmungen der Länder zu § 10 Abs. 1 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) bzw. § 5 Abs. 2 Wohnungsbindungsgesetz a. F. (WoBindG) ergibt. Ein Grenzwert auf Grundlage der ungünstigsten Verbrauchskategorie trägt dabei dem Gesichtspunkt Rechnung, dass die im Einzelfall entstehenden Heizkosten von Faktoren abhängen, die dem Einfluss des Hilfesuchenden weitgehend entzogen sind. Empfänger von Arbeitslosengeld II, deren angemessene Aufwendungen für die Unterkunft sich an Wohnungen des unteren Marktsegments orientieren, dürften dabei typischerweise älteren Wohnraum mit einem unterdurchschnittlichen Energiestandard nutzen. Soweit jedoch der genannte Grenzwert erreicht ist, sind auch von einem Hilfebedürftigen Maßnahmen zu erwarten, die zur Senkung der Heizkosten führen (Bundessozialgericht, Urteile v. 2.7.2009, Az.: B 14 AS 33/08 R und B 14 AS 36/08 R).
Zu berücksichtigen ist dabei, dass derjenige Bundesheizspiegel heranzuziehen ist, der zur Zeit der Behördenentscheidung veröffentlicht war. Soweit eine Beheizung mit anderen als den vom Bundesheizspiegel unmittelbar berücksichtigten Heizträgern erfolgt, ist für die Beurteilung der Angemessenheit der teuerste Energieträger des Heizspiegels vergleichend zu Grunde zu legen (Bundessozialgericht, Urteil vom 12.6.2013, Aktenzeichen: B 14 AS 60/12 R).
Der Beklagte traf seine Entscheidung im Februar 2017. Zu diesem Zeitpunkt war der Bundesheizspiegel 2016 mit den Vergleichswerten für 2015 veröffentlicht. Teuerster Energieträger war dabei die Fernwärme mit 23,00 € pro Quadratmeter und Jahr.
Die angemessene Größe der Wohnung eines Hilfebedürftigen bestimmt sich nach den vom niedersächsischen Sozialministerium erlassenen Wohnraumförderungsbestimmungen (WFB 2003, vgl. Nieders. Ministerialblatt 2003, S. 580 ff.). Die angemessene Wohnungsgröße eines dreiköpfigen Haushalts beträgt nach dieser Verwaltungsvorschrift i. V. m. § 7 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.09.2001 (WoFG, BGBl. I 2376) 75 qm.
Unter Zugrundelegung dieser Wohnfläche von 75 m² errechnet sich eine Angemessenheitsgrenze von (23,00 / 12 x 75 =) 143,75 €, welche der Beklagte mit den übernommenen 144,00 € sogar überschritt.
Die Kläger waren vor Bezug der Wohnung über die Angemessenheitsgrenzen informiert worden. Eine Zusicherung des Beklagten hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für die neue Wohnung, welche nach § 22 Abs. 4 SGB II von den Klägern einzuholen gewesen wäre, lag nicht vor. Der Beklagte war deshalb berechtigt, nur gekürzte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen.
Dem stand auch nicht die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II entgegen. Diese bestimmt, dass eine Absenkung der unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden muss, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Schon aus dem Wortlaut dieser Norm ergibt sich, dass die Entscheidung über den Erlass einer Senkungsaufforderung allein in die Entscheidungsmacht des Grundsicherungsträgers gestellt ist, ein Anspruch des Hilfebedürftigen auf Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte hingegen nicht besteht. Soweit das Bundessozialgericht in einem Urteil vom 15.6.2016 (Aktenzeichen: B 4 AS 36/15 R) ausführt, die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II verlange einen Wirtschaftlichkeitsvergleich, ist festzustellen, dass das Gericht aus nicht nachvollziehbaren Gründen den Gesetzestext in unzutreffender und sinnverkehrender Weise zitiert (“darf eine Absenkung [...] nicht gefordert werden") und die Entscheidung damit als dem Gesetz widersprechend außer Acht zu lassen ist.
Auf den sich somit ergebenden Bedarf war das Einkommen der Kläger anzurechnen (§ 11 SGB II). Dabei handelte es sich um Krankengeld, Kindergeld sowie um Übergangsgeld im August 2016. Insoweit sind Rechtsfehler nicht geltend gemacht und auch nicht erkennbar. Der Beklagte berücksichtigte insbesondere auch neben einer Versicherungspauschale von 30 € (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung) die Kfz-Haftpflichtversicherung als gesetzlich vorgeschriebene Versicherung (§ 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II).
Aufzuheben war der Bescheid vom 20.2.2017 gleichwohl hinsichtlich des Monats August 2016, da für diesen eine Reduzierung der Leistungen gegenüber dem Bescheid vom 19.12.2016 erfolgte. Der Beklagte erklärte insoweit die Aufhebung des Bescheides vom 19.12.2016 und stützte sich dabei auf die Vorschrift des § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) welcher die Aufhebung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung nach wesentlicher Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse regelt. Der Bescheid vom 19.12.2016 hätte jedoch nur nach der Vorschrift des § 45 SGB X aufgehoben werden können, da er angesichts der nicht berücksichtigten Übergangsgeldzahlung im August 2016 bereits bei seinem Erlass rechtswidrig war.
Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Absatz 2 der Vorschrift darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.
Nach der Regelung des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Sie ist zu bejahen, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 45 SGB X, Rn. 39 m. w. N.).
Diese Voraussetzungen waren nach Ansicht der Kammer nicht erfüllt. Im Bescheid vom 19.12.2016 hatte der Beklagte für den Monat April 2016 eine Überzahlung in Höhe von 182,34 € ermittelt, die mit einer Nachzahlung für den Monat August 2016 in Höhe von 390,17 € verrechnet werden sollte. Eine verbleibende Nachzahlung von 207,83 € werde, so der Beklagte in dem Bescheid weiter, in Kürze angewiesen. Der Beklagte tauschte später im Widerspruchsbescheid die Anrechnung von Übergangsgeld für die Monate Juni und August 2016 aus. Angesichts dieser wiederholten und nicht ohne Weiteres nachvollziehbaren Änderung in der Einkommensanrechnung erscheint es für die Kammer ausgeschlossen, dass den Klägern die unzutreffende Anspruchsberechnung durch den Bescheid vom 19.12.2016 hinsichtlich des Monates August 2016 bewusst gewesen sein musste. Aufgrund dessen war die betreffende Aufhebungsentscheidung im Bescheid vom 20.2.2017 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Kammer hat im Hinblick auf die Ausführungen zu den Unterkunftskosten wegen grundsätzlicher Bedeutung und wegen der Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Berufung - zugunsten der insoweit beschwerten Kläger - zugelassen (§ 144 Abs. 2 SGG). Für den Beklagten war die Berufung hingegen nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Gründe hierfür nicht erfüllt waren.