Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 12.12.2016, Az.: L 8 AY 51/16 B ER

Einstweiliger Rechtsschutz gegen eine Anspruchseinschränkung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG); Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes bei der Bewilligung von laufenden lebensunterhaltssichernden Leistungen geht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes; Weigerung einer freiwilligen Ausreise von Inhabern einer Duldung; Rechtmäßigkeit einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG; Einstweiliger Rechtsschutz; Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung; Ausreisepflichtiger Ausländer; Inhaber einer Duldung; Anspruch auf Asylbewerberleistungen; Keine Anspruchseinschränkung gemäß § 1a Abs. 2 S. 1 AsylbLG für Inhaber einer Duldung; Ermittlung des Beschwerdewertes im sozialgerichtlichen Verfahren bei der Bewilligung von laufenden lebensunterhaltssichernden Leistungen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
12.12.2016
Aktenzeichen
L 8 AY 51/16 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 34871
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2016:1212.L8AY51.16B.ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Stade - 04.10.2016 - AZ: S 33 AY 8/16 ER

Fundstellen

  • FEVS 68, 561 - 564
  • FEVS 2017, 561-564

Redaktioneller Leitsatz

1. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund).

2. Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

3. Wenngleich Inhaber einer Duldung nach § 60a AufenthG im Regelfall auch vollziehbar ausreisepflichtig sind, weil die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, nach § 60a Abs. 3 AufenthG unberührt bleibt, ist die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG auf diese zugleich nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG leistungsberechtigte Personengruppe nicht anwendbar.

4. Für diese am Wortlaut der Norm orientierte Auslegung spricht grundlegend die vom Gesetzgeber im Regelungsgefüge des § 1a AsylbLG vorgenommene Differenzierung nach der Leistungsberechtigung i.S. des § 1 Abs. 1 AsylbLG, auf die in den einzelnen Einschränkungstatbeständen des § 1a Abs. 1 bis 5 AsylbLG ausdrücklich abgestellt wird.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Stade vom 4. Oktober 2016 aufgehoben.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 1. Oktober 2016 bis zur Entscheidung über dessen Widerspruch vom 10. November 2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 12. Oktober 2016 vorläufig Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in monatlicher Höhe von 494,00 EUR zu gewähren.

Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Rechtmäßigkeit einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG.

Der 1983 geborene Antragsteller ist Volkszugehöriger der Roma, mazedonischer Staatsangehörigkeit, und hielt sich bereits im Kindes- und Jugendlichenalter in Deutschland auf. Nach Ablehnung seines damaligen Asylantrags reiste er in sein Heimatland aus. Seinen unmittelbar nach der erneuten Einreise in das Bundesgebiet im Dezember 2013 gestellten Asylfolgeantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durch Bescheid vom 18. Januar 2016 als offensichtlich unbegründet (ebenfalls) ab. Ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren blieb insoweit ohne Erfolg. Wegen noch anhängiger Asyl- bzw. Asylfolgeverfahrens seiner Ehefrau und von zwei gemeinsamen minderjährigen Kinder, mit denen er in einer Wohnung lebt, für die monatlich eine Grundmiete von 350,00 EUR und Vorauszahlungen für Neben- und Heizkosten von 80,00 EUR bzw. 90,00 EUR anfallen, verfügt der Antragsteller derzeit über eine bis zum 17. Januar 2017 befristete Duldung.

Leistungen nach § 3 AsylbLG erhielt der Antragsteller vom Antragsgegner von Januar 2014 bis Mai 2015. Anschließend bezog er sog. Analog-Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG von Juni 2015 bis März 2016. Durch (bestandskräftige) Bescheide vom 21. März 2016 stellte der Antragsteller die Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG mit Ablauf des 31. März 2016 ein und bewilligte dem Antragsteller unter Hinweis auf seine vollziehbare Ausreisepflicht Leistungen nach § 1a Abs. 2 AsylbLG "ab dem 01.04.2016" und wies die Leistungshöhe "für den Monat 4/2016" mit 306,12 EUR aus (davon 130,00 EUR anteilige Unterkunfts- und Heizkosten). Durch weiteren Bescheid vom 30. Mai 2016 bewilligte er dem Antragsteller "für den Monat 5/2016" wiederum Leistungen nach § 1a Abs. 2 AsylbLG in Höhe von 306,12 EUR. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 12. September 2016 als unbegründet zurück. Diese Entscheidung ist Gegenstand eines beim Sozialgericht (SG) Stade anhängigen Klageverfahrens (- S 33 AY 16/16 -).

Der Antragsteller hat mit Klageerhebung am 25. September 2016 zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und zur Begründung ausgeführt, ihm könne eine Weigerung der freiwilligen Ausreise aus Deutschland nicht vorgeworfen werden. Das SG hat den Eilantrag durch Beschluss vom 4. Oktober 2016 abgelehnt und zur Begründung u.a. ausgeführt, der Besitz einer Duldung ändere an der bestehenden Ausreisepflicht des Antragstellers nichts. Nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Antragsgegner dem Antragsteller durch Bescheid vom 12. Oktober 2016 Leistungen nach § 1a Abs. 2 AsylbLG "für den Monat 10/2016" in Höhe von 306,12 EUR gewährt. Das insoweit mit Widerspruch vom 10. November 2016 eingeleitete Vorverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Gegen den Eilbeschluss des SG richtet sich die vom Antragsteller am 2. November 2016 eingelegte Beschwerde. Er macht u.a. geltend, das SG habe die Voraussetzungen der maßgeblichen Tatbestände des § 1a AsylbLG verkannt. Insbesondere sei § 1a Abs. 2 AsylbLG (Weigerung der freiwilligen Ausreise) nicht einschlägig, weil diese Anspruchseinschränkung nach dem Wortlaut der Norm nur für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG (vollziehbar Ausreisepflichtige) gelte, nicht aber für Inhaber einer Duldung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG). Zudem sei ihm eine freiwillige Ausreise während der noch anhängigen Asyl- und Asylfolgeverfahren seiner Familienangehörigen nicht zumutbar. Auch stehe ein konkreter Ausreisetermin i.S. des § 1a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG nicht fest. Schließlich verstoße der Umfang der nach § 1a Abs. 2 AsylbLG zu gewährenden Leistungen gegen den grundrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1 GG i.V. mit Art. 20 Abs. 1 GG.

Der Antragsgegner hält die Entscheidung des SG für zutreffend ...

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Leistungsakten des Antragsgegners verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft nach § 173 Abs. 3 Nr. 1 SGG, weil der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstands von 750,00 EUR überschritten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei der Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes, soweit es um die Bewilligung von laufenden lebensunterhaltssichernden Leistungen geht, jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich von einer Leistungsdauer von (maximal) zwölf Monaten auszugehen. Insoweit ist auf den Rechtsgedanken des § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII (Regelbewilligungszeitraum bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) sowie des § 41 Abs. 3 Satz 1 SGB II (bei Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld) abzustellen. Eine Leistungsgewährung für einen darüber hinausgehenden Zeitraum kommt im Hinblick auf die Aufgabe des Eilrechtsschutzes, eine gegenwärtige Notlage abzuwenden, in aller Regel nicht in Betracht (vgl. etwa jüngst Senatsbeschluss vom 22. September 2016 - L 8 SO 275/16 B ER -). Nach diesen Maßgaben liegt die Beschwer des Antragstellers, der im Streit um die vorläufige Bewilligung von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in monatlicher Höhe von 494,00 EUR (s.u.) derzeit lediglich laufende Leistungen von 306,12 EUR erhält (monatliche Differenz: 187,88 EUR), deutlich oberhalb des Betrags von 750,00 EUR.

Die Beschwerde ist auch begründet. Das SG hat den Eilantrag des Antragstellers zu Unrecht abgelehnt.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG statthaft, weil ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, kann der Kläger sein Rechtsschutzziel, die Gewährung von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, in der Hauptsache nicht mit einer isolierten Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2016 erreichen, weil mit dieser Entscheidung keine Leistungsbewilligung nach § 2 Abs. 1 AsylbLG aufgehoben worden ist, die auch den streitigen Zeitraum erfasst. Ungeachtet des Umstands, dass für die Leistungsbewilligung nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in der Zeit von Juni 2015 bis März 2016 keine schriftlichen Leistungsbescheide in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners enthalten sind, ist eine Aufhebung der Bewilligungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG bereits durch den bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 21. März 2016 geschehen. Aus diesem Grund kommt eine Rechtsschutzgewährung auch nicht durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 12. Oktober 2016 in Betracht, der nach der seit 6. August 2016 geltenden Fassung des § 11 Abs. 4 Nr. 1 AsylbLG (sog. Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016, BGBl. I 2016, 1939) keine aufschiebende Wirkung entfaltet.

Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung ist auch im Übrigen zulässig. Das einer einstweiligen Anordnung zugängliche streitige Rechtsverhältnis i.S. des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG betrifft den Bescheid des Antragsgegners über die Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG "für den Monat 10/2016" vom 12. Oktober 2016, der vom Antragsteller fristgerecht mit dem bisher nicht beschiedenen Widerspruch vom 10. November 2016 angegriffen worden ist. Die einstweilige Anordnung bezieht sich nicht auf das beim SG anhängige Klageverfahren der Beteiligten (- S 33 AY 16/16 -), weil dieses Verfahren einen abgeschlossenen Zeitraum betrifft und der Leistungsbescheid vom 12. Oktober 2016 nicht nach § 96 Abs. 1 SGG in das Verfahren einzubeziehen ist. Gegenstand des Klageverfahrens ist der Bescheid vom 30. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2016 und damit die Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG in der Zeit vom 1. Mai bis 30. September 2016. Nach der Rechtsprechung des BSG zur Einbeziehung nachfolgender (konkludenter oder ausdrücklicher) Bewilligungsentscheidungen in das Vorverfahren (§ 86 SGG analog), wenn Gegenstand des Widerspruchverfahrens - wie hier "für den Monat 5/2016" - eine Leistungsbewilligung nur für einen Monat ist (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 11/07 R - Rn. 10), war auch hier die Leistungsbewilligung nach dem AsylbLG bis zum Erlass des Widerspruchsbescheid im September 2016 der Prüfung im Vorverfahren zu unterziehen. Entsprechende Maßgaben gelten für das noch anhängige Vorverfahren betreffend den Leistungsbescheid vom 12. Oktober 2016.

Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Dies zu Grunde gelegt, hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch die besondere Eilbedürftigkeit der Sache glaubhaft gemacht. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Antragsteller derzeit gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf lebensunterhaltssichernde Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG (in der ab dem 6. August 2016 geltenden Fassung, BGBl I 2016, 1939). Nach dieser Vorschrift ist das SGB XII abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil sich der Antragsteller nach seiner Einreise in das Bundesgebiet im Dezember 2013 schon seit fast drei Jahren in Deutschland aufhält und die Weigerung einer freiwilligen Ausreise von Inhabern einer Duldung keine rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer i.S. des § 2 Abs. 1 AsylbLG darstellt (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - Rn. 31). Der Antragsteller hat seinen Aufenthalt in Deutschland auch nicht aus anderen Gründen rechtsmissbräuchlich beeinflusst (vgl. auch den Aktenvermerk des Antragsgegners vom 1. Juni 2015, Bl. 132 f. d. VA).

Der Leistungsanspruch bemisst sich nicht nach § 1a AsylbLG. Die hier allein in Betracht kommende Anspruchseinschränkung gemäß § 1a Abs. 2 AsylbLG (in der seit dem 24. Oktober 2015 geltenden Fassung, BGBl. I. 2015, 1722) - für eine Einreise nach Deutschland, um Leistungen nach dem AsylbLG zu erlangen (vgl. § 1a Abs. 1 AsylbLG), bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte liegt schon tatbestandlich nicht vor. Nach Satz 1 der Vorschrift haben Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG, für die ein Ausreisetermin und eine Ausreisemöglichkeit feststehen, ab dem auf den Ausreisetermin folgenden Tag keinen Anspruch auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6 AsylbLG, es sei denn, die Ausreise konnte aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht durchgeführt werden. Inhaber einer Duldung sind als Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG nicht vom persönlichen Anwendungsbereich des § 1a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG erfasst. Wenngleich Inhaber einer Duldung nach § 60a AufenthG im Regelfall auch vollziehbar ausreisepflichtig sind, weil die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, nach § 60a Abs. 3 AufenthG unberührt bleibt, ist die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG auf diese zugleich nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG leistungsberechtigte Personengruppe nicht anwendbar. Für diese am Wortlaut der Norm orientierte Auslegung spricht grundlegend die vom Gesetzgeber im Regelungsgefüge des § 1a AsylbLG vorgenommene Differenzierung nach der Leistungsberechtigung i.S. des § 1 Abs. 1 AsylbLG, auf die in den einzelnen Einschränkungstatbeständen des § 1a Abs. 1 bis 5 AsylbLG ausdrücklich abgestellt wird. Anders als in § 1a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG betreffen etwa die Anspruchseinschränkungen nach § 1a Abs. 1 und 3 Satz 1 AsylbLG Leistungsberechtigte sowohl nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG als auch nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG. Im Umkehrschluss setzt § 1a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG also voraus, dass sich die Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG ausschließlich aus § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG ergeben muss und die Norm nicht anwendbar ist, wenn der Betroffene (zugleich) im Besitz einer Duldung ist. Diese Auslegung wird nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass der Begriff der Ausreise sowohl die freiwillige Ausreise als auch die zwangsweise Abschiebung umfasst (BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 19/08 - Rn. 12) und nach den Gesetzesmaterialien von einer nicht zu vertretenen Unmöglichkeit der Ausreise i.S. des § 1a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG (auch) dann auszugehen ist, wenn aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen "aufenthaltsbeendende Maßnahmen" ausgeschlossen sind (vgl. BT-Drs. 18/6185, S. 44). Ebendies, die Aussetzung der Abschiebung, weil diese aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG), wird durch die Ausstellung einer Duldung i.S. des § 60a AufenthG dokumentiert. § 1a Abs. 2 AsylbLG gilt nach Sinn und Zweck der Vorschrift aber (nur) "für vollziehbar Ausreisepflichtige, die unter keinen Umständen für ein Bleiberecht in Betracht kommen und deren Ausreisedatum und Reisemöglichkeit feststehen" (BT-Drs. 18/6386, S. 14), nicht aber für Inhaber einer Duldung. Auf die vom Antragsteller im Übrigen geltend gemachten Einwände gegen die Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG kommt es nicht entscheidungserheblich an.

Die Höhe der dem Antragsteller nach § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. §§ 27 ff. SGB XII vorläufig zu erbringenden Leistungen beträgt 494,00 EUR je Monat. Sie setzen sich aus dem Regelbedarf (§ 2 Abs. 1 AsylbLG i.V. mit § 27a Abs. 3 Satz 1 SGB XII und der Anlage zu § 28 SGB XII) nach der Regelbedarfsstufe 2 in der für das Jahr 2016 geltenden Höhe von 364,00 EUR und kopfteiligen Unterkunfts- und Heizkosten von 130,00 EUR zusammen. Bei einer Differenz von etwa 190,00 EUR zu den dem Antragsteller derzeit vom Antragsgegner gewährten Leistungen ist die Eilbedürftigkeit der Sache (Anordnungsgrund) ohne weiteres zu bejahen.

Die gerichtliche Regelungsanordnung erstreckt sich in zeitlicher Hinsicht bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens betreffend den Bescheid des Antragsgegners vom 12. Oktober 2016. Der Antragsgegner hat es insoweit selbst in der Hand, sich der Verpflichtung durch Erlass des Widerspruchsbescheids zu entziehen. Im Rahmen dieser Prüfung bleibt es ihm benommen, die der Ehefrau des Antragstellers u.a. durch Bescheide vom 7. März, 30. Mai und 12. Oktober 2016 bewilligten Leistungen - ggf. von Amts wegen - nach § 9 Abs. 4 AsylbLG (in der Fassung vom 10. Dezember 2014, BGBl I 2014, 2187) i.V. mit § 44 SGB X zu korrigieren, weil auch sie einen Anspruch auf den Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 2 hat und nicht nur nach der Regelbedarfsstufe 3. Der Leistungsanspruch der Ehefrau des Antragstellers ist indes nicht Gegenstand des gerichtlichen Eilverfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens ist abzulehnen, weil der Antragsgegner die ihm durch das Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat und es insoweit an dem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers an einer gerichtlichen Bewilligungsentscheidung fehlt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.