Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 14.12.2016, Az.: L 3 U 101/12

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
14.12.2016
Aktenzeichen
L 3 U 101/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 36297
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 13.04.2012 - AZ: S 60 U 326/09

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 13. April 2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Zugunstenverfahren die Anerkennung zusätzlicher Unfallfolgen.

Der 1955 geborene Kläger erlitt am 14. Oktober 2002 bei seiner Tätigkeit als Auslieferungsfahrer einen Unfall, bei dem er von der Ladebühne eines Lkws fiel. Er begab sich am nächsten Tag zum Durchgangsarzt Dr. E., der in seinem Bericht vom 16. Oktober 2002 angab, der Kläger sei auf Brustkorb und rechte Schulter bei anliegendem Arm gestürzt. Er habe über Schmerzen im Bereich des unteren Rippenbogens und der rechten Schulter geklagt; der rechte Arm sei nur eingeschränkt beweglich gewesen. In seinem Bericht vom 16. Oktober 2002 war als Diagnose angegeben: Prellung rechter Brustkorb und rechte Schulter.

Auch nach Ende der Arbeitsunfähigkeit am 22. Oktober 2002 brachte der Kläger weiterhin Beschwerden im Bereich der rechten Schulter vor. Der Radiologe Dr. F. diagnostizierte auf der Grundlage einer MRT-Aufnahme vom 7. November 2002 ua eine partielle Rotatorenmanschettenruptur bei Impingement und Arthrose des AC-Gelenkes, die nach Auffassung des beratenden Arztes der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen (als Rechtsvorgängerin der Beklagten; im Folgenden: BG) unfallunabhängig war. Mit Bescheid vom 25. November 2002 erkannte die BG daraufhin als Unfallfolge eine Prellung der Schulter rechts und eine Prellung des Brustkorbs an. Das Ereignis sei aber nicht geeignet gewesen, einen Riss bzw einen Teilriss der Rotatorenmanschette zu verursachen. Hiergegen legte der Kläger am 17. Dezember 2002 Widerspruch ein.

Im Januar 2003 begab er sich in die Behandlung des Neurologen Dr. G. und berichtete, er sei bei dem Sturz mit dem Kopf aufgeschlagen und ca 30 Sekunden bewusstlos gewesen; bei ihm liege eine geringe Belastbarkeit vor, er ermüde schnell, schlafe schnell ein und sei leicht reizbar geworden. Daraufhin wurde am 14. Januar 2003 eine MRT-Untersuchung des Schädels durchgeführt, die nach Angaben des Radiologen Dr. F. (Bericht vom selben Tag) keinen Anhalt für eine intrakranielle posttraumatische Läsion ergab; es bestehe eine Asymmetrie der Seitenventrikel bei zystischer Konfiguration des linken Vorderhornes im Sinne einer Anomalie als unfallunabhängige Veränderung.

Mit Schreiben vom 10. Februar 2003 schlug die BG dem Kläger zur Auswahl drei Gutachter zur Einholung eines Sachverständigengutachtens vor und beauftragte - nachdem der Kläger hierauf nicht eingegangen war - den Orthopäden Dr. H ... Dieser kam zum Ergebnis, durch das Ereignis vom 14. Oktober 2002 seien eine Prellung des Brustkorbs, des rechten Schultergelenks sowie eine folgenlos abgeheilte Schädelprellung verursacht worden. Letzteres ergab sich aus dem von Dr. H. eingeholten Zusatzgutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. I. vom 11. April 2003.

Die Beklagte wies den Widerspruch daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2003 zurück. Die hiergegen erhobene Klage, mit der der Kläger die Anerkennung einer Teilruptur der Rotatorenmanschette der rechten Schulter als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente begehrte, nahm er im April 2006 zurück.

Erstmals im Juli 2007 wurde der Kläger von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie J. wegen "deutlicher Verhaltensstörung" bei "Verdacht auf altes cerebrales Trauma" behandelt (Bericht vom 20. August 2007). Seit Februar 2008 befand er sich wiederholt wegen Merkfähigkeits- und Orientierungsstörungen, aggressivem Verhalten und starken Kopfschmerzen in stationärer neurologischer Behandlung. Unter Hinweis hierauf beantragte er im Juli 2008, die bisher ergangenen Bescheide gem § 44 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu ändern und ihm Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Zur Begründung berief er sich auf eine erneute MRT-Aufnahme des Schädels, die am 7. Mai 2008 vom Radiologen Dr. K. erstellt worden war. Während die Neurologen Prof. Dr. L. /Dr. M. diese Aufnahme zunächst iS eines organischen posttraumatischen Psychosyndroms interpretiert hatten (Bericht vom 15. Mai 2008), vertrat Dr. K. die Auffassung, aus radiologischer Sicht lägen keine traumabedingten bildmorphologisch fassbaren Verletzungen des Gehirns vor (Stellungnahme vom 20. März 2009). Mit Bescheid vom 12. Mai 2009 lehnte die BG die Rücknahme des Bescheids vom 25. November 2002 unter Hinweis hierauf ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2009).

Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2009 Klage zum Sozialgericht (SG) Hannover erhoben, die dort am 30. Dezember 2009 eingegangen ist. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, weil aufgrund des Unfalls vom 14. Oktober 2002 ein Schädelhirntrauma als Unfallfolge anzuerkennen und zu entschädigen sei. Dass seine Beschwerden mit einem stattgehabten Schädelhirntrauma in Einklang stehen, werde auch von Stellungnahmen des Durchgangsarztes Dr. N. und weiterer behandelnder Ärzte, ua der Neurologin und Psychiaterin J., bestätigt. Neben seiner Ehefrau könnten auch zahlreiche Bekannte bestätigen, dass sich sein Verhalten erst nach dem Unfall deutlich verändert habe. Bei einem Sturz von einer Lkw-Ladefläche mit angelegtem Arm auf die rechte Seite habe der Unfall auch nicht ohne Aufschlagen des Kopfes verlaufen können. Hierzu hat er ein unfallanalytisches Gutachten des Dipl.-Ing. O. vom 19. November 2010 vorgelegt.

Das SG hat ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. (vom 9. September 2010, ergänzt am 7. September 2011) eingeholt, der zum Ergebnis gekommen ist, ein am 14. Oktober 2002 erlittenes Schädelhirntrauma oder eine sonstige schwere Kopfverletzung lasse sich nicht eindeutig feststellen. Das beim Kläger vorliegende hirnorganische Psychosyndrom bzw die Verhaltensstörung mit kognitiven Defiziten könnten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückgeführt werden. Dem ist der Kläger unter Hinweis auf die Leitlinie "Begutachtung nach gedecktem Schädel-Hirntrauma" entgegen getreten, die im Auftrag der Kommission "Leitlinien" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie erstellt worden ist.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13. April 2012 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Feststellung eines organischen Psychosyndroms nach Schädelhirntrauma als weitere Unfallfolge. Auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. P., des Durchgangsarztberichts und weiterer ärztlicher Unterlagen bestünden bereits Zweifel am Vorliegen eines Schädelhirntraumas im Vollbeweis. Unabhängig hiervon sei der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der als zusätzliche Unfallfolge geltend gemachten Gesundheitsstörung zwar möglich, nicht aber wahrscheinlich. Dies ergebe sich schon daraus, dass in den erfolgten MRT- und EEG-Untersuchungen weder bildgebend noch elektroenzephalographisch ein morphologisches Substrat für ein tatsächlich abgelaufenes Schädelhirntrauma zu sichern gewesen sei. Vom Kläger übersandte Befundberichte könnten die Kammer nicht vom Gegenteil überzeugen, da sich die entsprechenden Psychologen bzw Ärzte nicht mit den Kausalitätsanforderungen der gesetzlichen Unfallversicherung beschäftigt hätten. Entgegen der Annahme des Klägers wäre ein gedecktes Schädelhirntrauma auch mittels EEG- und MRT-Untersuchung nachweisbar.

Gegen das ihm am 2. Mai 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 4. Juni 2012 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Er ist der Auffassung, das SG habe rechtsirrig angenommen, dass das Vorliegen eines Gesundheitserstschadens (hier: eines Schädelhirntraumas) nicht bewiesen sei. Er habe mindestens eine Schädelprellung davongetragen und es sei ihm nach dem Unfall sehr schlecht gegangen. Das SG habe die im Schrifttum gängige Auffassung übersehen, dass das Fehlen eines bildgebendes Nachweises nicht zwingend zur Verneinung eines Schädelhirntraumas führe. Fehlerhaft sei auch, dass das SG das vorgelegte Unfallrekonstruktionsgutachten nicht berücksichtigt habe. In diesem Zusammenhang legt der Kläger ergänzende Ausführungen von Dipl-Ing O. vom 13. November 2013 vor. Der erstinstanzlich gehörte Sachverständige Dr. P. sei - insbesondere was die graduelle Einteilung der Schädelhirntraumen angehe - nicht auf dem aktuellen Stand der Medizin. Das im Rahmen des Verwaltungsverfahrens eingeholte Zusatzgutachten von Dr. I. sei unter Verletzung seines Auswahlrechts eingeholt worden und deshalb aus den Akten zu entfernen. Zur Stützung seiner Auffassung beruft sich der Kläger schließlich auf gutachterliche Stellungnahmen des PD Dr. Q. (vom 19. November 2013, teilweise ergänzt unter dem 14. April 2014), der ua auf MRT- und PET-Aufnahmen des Schädels hinweist, die durch den Nuklearmediziner und Radiologen Dr. R. im Januar bzw April 2014 erstellt worden sind.

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 13. April 2012 und den Bescheid vom 12. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2009 aufzuheben,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 25. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2003 teilweise zurückzunehmen und sein Schädelhirntrauma als Folge des Arbeitsunfalls vom 14. Oktober 2002 anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das SG habe unter Berücksichtigung der Hergangsschilderungen des Klägers und der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätstheorie der rechtlich wesentlichen Ursache bzw der insoweit maßgeblichen Beweisanforderungen auf der Grundlage des schlüssigen Sachverständigengutachtens von Dr. P. zutreffend festgestellt, dass der Kläger beim Arbeitsunfall vom 14. Oktober 2002 kein Schädelhirntrauma vom Grad II erlitten habe und demnach kein Anspruch auf die Feststellung eines organischen Psychosyndroms nach Schädelhirntrauma als Unfallfolge bestehe.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein neurologisch-neuropsychologisches Gutachten von Prof. Dr. S. (vom 25. August 2014, ergänzt am 19. Januar 2016) eingeholt. Dieser ist zum Ergebnis gekommen, dass beim Kläger ein hirnorganisches Syndrom mit deutlichen Verhaltensstörungen, affektiven Störungen und Störungen der kognitiven Leistungen im Bereich der Aufmerksamkeitsfunktionen und der Exekutivfunktionen vorliege. Diese Gesundheitsstörungen könnten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis vom 14. Oktober 2002 zurückgeführt werden.

In der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2016 hat der Kläger außerdem beantragt, den Sachverständigen Prof. Dr. S. zur Erläuterung seines Gutachtens in der mündlichen Verhandlung zu laden und die Ehefrau des Klägers als Zeugin zum Beweis der Tatsache zu hören, dass bei ihm kurz nach dem Unfall Wesensveränderungen aufgetreten seien. Schließlich hat er beantragt, nach § 109 SGG ein Gutachten des Chirurgen/Orthopäden PD Dr. T. zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass aus den Verletzungen der Schulter Rückschlüsse darauf gezogen werden können, dass bei dem Sturz ein Zusammentreffen des Schädels mit dem Boden eingetreten ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die 2009 erhobene Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gem § 54 Abs 1 SGG statthaft (zur Klageart bei Anträgen im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X: Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-2700 § 200 Nr 4; zur Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage beim Streit über das Vorliegen von Unfallfolgen: BSG SozR 4-2700 § 11 Nr 1) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den bestandskräftigen Bescheid vom 25. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2003 aufzuheben.

1. In diesen Bescheiden hat die BG zunächst anerkannt, dass es sich bei dem Unfall des Klägers vom 14. Oktober 2002 um einen Arbeitsunfall iSv § 8 Abs 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) gehandelt hat und dass dieser zu einer Prellung der rechten Schulter und des Brustkorbs geführt hat. Der Wortlaut des Verwaltungsakts enthält zwar nicht den Begriff "Arbeitsunfall"; aus der Anerkennung von "Unfallfolgen" folgt aber in der Sache, dass damit auch das Vorliegen eines Versicherungsfalls festgestellt wird, der die Voraussetzung für die weitere Feststellung von Gesundheitsstörungen als unfallbedingt ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten in diesem Zusammenhang aber nicht anerkannt, dass der Arbeitsunfall vom 14. Oktober 2002 auch zu einer Schädelprellung geführt hat. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben vom 23. Juni 2003, mit dem die BG mitgeteilt hat, dass das Unfallereignis nach dem im Widerspruchsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. H. als Unfallfolgen Prellungen des Brustkorbs bzw des rechten Schultergelenks und eine folgenlos ausgeheilte Schädelprellung verursacht habe. Hiermit sollte der Kläger ersichtlich nur zusammenfassend über das Gutachtenergebnis informiert werden. Eine rechtsverbindliche Feststellung weiterer Unfallfolgen ergibt sich hieraus schon deshalb nicht, weil die BG den Kläger gleichzeitig aufgefordert hat, seinen Widerspruch zurückzunehmen. Wäre demgegenüber die Anerkennung weiterer Unfallfolgen beabsichtigt gewesen, hätte es aber nahe gelegen, insoweit einen Teilabhilfebescheid zu erlassen. Auch daraus, dass in der Begründung des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2003 vermerkt ist, die "unfallbedingten Prellungen" seien folgenlos ausgeheilt, lässt sich nicht ableiten, nunmehr werde auch eine Schädelprellung als Unfallfolge anerkannt, zumal sich diese Formulierung auch allein auf die - unstreitig als Unfallfolgen anerkannten - Schulter- bzw Brustkorbprellungen beziehen lässt.

2. Gem § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Die Vorschrift ist auch Rechtsgrundlage für die Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, mit dem lediglich die Anerkennung eines Versicherungsfalls oder von Unfallfolgen abgelehnt worden ist, ohne dass zugleich über Sozialleistungsansprüche entschieden worden wäre (Senatsurteil vom 13. Mai 2015 - L 3 U 58/11; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. September 2014 - L 10 U 1507/12 - ).

Bei Erlass des Bescheids vom 25. November 2002 bzw des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2003 ist die Rechtsvorgängerin der Beklagten aber weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht in einer Weise unrichtig angewandt, dass hierauf gestützt die Rücknahme der Verwaltungsakte verlangt werden kann.

a) Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat es 2002 bzw 2003 nicht zu Unrecht unterlassen, ein Schädelhirntrauma als Folge des Arbeitsunfalls vom 14. Oktober 2002 anzuerkennen. Denn es ist nicht erwiesen, dass beim Kläger eine organische Persönlichkeitsstörung vorliegt, die durch diesen Unfall verursacht worden ist. Dabei genügt für den Nachweis eines solchen Ursachenzusammenhangs die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit -, die zu bejahen ist, wenn mehr für als gegen die Annahme des Ursachenzusammenhangs spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (vgl hierzu BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 67 mwN). Sind - wie häufig - mehrere Bedingungen für den Eintritt des Schadens ursächlich im naturwissenschaftlichen Sinn gewesen, gilt die Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung. Danach sind nur die Ursachen rechtserheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl hierzu BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 15 und Nr 17). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands zu erfolgen (vgl hierzu BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 17). Maßgeblich sind demnach die Erkenntnisse, die von der Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 44).

aa) Der Senat entscheidet über diese Frage nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG). Dabei waren auch das in dem anfänglichen Verwaltungsverfahren eingeholte neurologische Zusatzgutachten von Dr. I. vom 11. April 2003 und spätere hierauf Bezug nehmende Gutachten zu verwerten. Allerdings ist der BG im Rahmen der Einholung dieses Gutachtens ein Verfahrensfehler unterlaufen. Gem § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII soll der Unfallversicherungsträger vor Erteilung eines Gutachtenauftrags dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen. Dies hat die BG nur in Hinblick auf das im Jahr 2003 in Auftrag gegebene Hauptgutachten beachtet, indem sie den Kläger mit Schreiben vom 10. Februar 2003 drei Chirurgen zur Auswahl benannt hat. Die Veranlassung evtl erforderlicher Zusatzbegutachtungen hat sie dem Hauptgutachter überlassen. Das Auswahlrecht der Versicherten nach § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII umfasst aber grundsätzlich auch die Beauftragung eines Zusatzgutachters (BSG SozR 4-2700 § 200 Nr 3; Burchardt in: SGB VII-Komm, Stand: März 2016, § 200 Rn 17). Zu einem Verbot, das gleichwohl eingeholte Gutachten bzw evtl darauf bezogene Erkenntnisse späterer Sachverständiger zu verwerten, führt dies aber nur dann, wenn der Versicherte die Verletzung des § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII zeitnah gerügt hat; dies muss spätestens im Verlauf des Widerspruchsverfahrens erfolgen (BSG SozR 4-2700 § 200 Nr 2). Eine derartige Rüge des Klägers, die spätestens bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2003 hätte erhoben werden müssen, liegt jedoch nicht vor. Vielmehr hat sich der Kläger erstmals im vorliegenden Berufungsverfahren - mit Schriftsatz vom 10. Januar 2014 - auf eine Verletzung des § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII berufen.

War somit das Zusatzgutachten von Dr. I. verwertbar, kommt es auf einen insoweit ggf bestehenden Löschungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte (nach § 84 SGB X) nicht an. Von einer hierauf gestützten Aussetzung des Verfahrens hat der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG (aaO) deshalb absehen können, wie bereits in dem unanfechtbaren (im vorliegenden Verfahren ergangenen) Beschluss vom 12. Juni 2014 dargelegt worden ist.

bb) Ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 14. Oktober 2002 und den jetzigen hirnorganischen Ausfallerscheinungen des Klägers ist nicht wahrscheinlich. Dies folgt aus den überzeugenden gerichtlichen Sachverständigengutachten von Dr. P. und Prof. Dr. S ...

(1) Zutreffend legen beide Sachverständige ihren Ausführungen zugrunde, dass schon nicht erwiesen ist, dass sich der Kläger am 14. Oktober 2002 eine Verletzung des Kopfes zugezogen hat. Vielmehr ergibt sich sowohl aus dem am Tag nach dem Unfall erstellten Durchgangsarztbericht von Dr. E. als auch aus der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 20. Oktober 2002, dass der Kläger von der Hebebühne seines Lkw gefallen und dabei auf die rechte Schulter gestürzt ist. Der Kläger selbst hat noch am 20. November 2002 - auf entsprechende Nachfragen der BG - bestätigt, auf den (anliegenden) Arm gefallen zu sein, ohne dass er von einem Sturz auf den Kopf oder eine anschließende Bewusstlosigkeit berichtet hätte. Auf die Frage der BG, wie er sich direkt nach dem Unfallereignis verhalten habe, hat er vielmehr angegeben, nach dem Unfall habe er seinen Chef davon in Kenntnis gesetzt und unter starken Schmerzen die Tour beendet.

In Übereinstimmung hiermit steht, dass die Ärzte, die den Kläger unmittelbar nach dem Unfall untersucht haben, keine Anzeichen einer Schädelverletzung - etwa: einer Schädelprellung - festgestellt haben. Wie Prof. Dr. S. plausibel dargelegt hat, hätten in diesem Fall aber eine Hautschürfung, eine offene Wunde, eine Beule oder ein Hämatom an der Aufprallstelle festgestellt werden müssen. Weder der Hausarzt Dr. U. (vgl dessen Bericht vom 15. Oktober 2002) noch der Durchgangsarzt Dr. E. (Bericht vom 16. Oktober 2002) haben über derartige Verletzungszeichen berichtet. Auf Nachfrage der BG hat Dr. U. am 22. Januar 2003 nochmals bestätigt, dass der Kläger bei seiner dortigen Erstuntersuchung am Tag nach dem Unfall auch nicht über Beschwerden geklagt hat, die auf eine Commotio (Gehirnerschütterung) hingedeutet hätten. Auch Dr. E. hat in seinem Bericht vom 22. Oktober 2003 bestätigt, dass er keinerlei Anhaltspunkte für ein begleitendes Schädel-Hirn-Trauma gehabt habe.

Wenn der Kläger erstmals im Widerspruchsverfahren vorgebracht hat, er sei nach dem Sturz einen Moment bewusstlos gewesen (Schreiben vom 4. Februar 2003), ist dies nicht nachvollziehbar, weil es - wie dargelegt - seinen Erstangaben widerspricht und nachgewiesene Verletzungszeichen im Bereich des Kopfes fehlen. Es trifft auch nicht zu, dass er - wie am 4. Februar 2003 behauptet - im Unfallfragebogen beschrieben habe, er sei "auf dem Arm liegend wieder aufgewacht". Schließlich ist es nicht maßgeblich, wenn er darlegt, er habe im Zusammenhang mit seiner kurzen Bewusstlosigkeit vergessen, wie sich sein Sturz in Wirklichkeit abgespielt habe, bzw er leide nunmehr unter Gedächtnisstörungen. Denn der Durchgangsarzt Dr. E. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22. Januar 2003 ausdrücklich bestätigt, dass der Kläger einen Tag nach dem Unfall präzise über den Unfallhergang Auskunft hat geben können. Ärzte, die den Kläger später untersucht und angegeben haben, dieser sei kurzfristig ohne Bewusstsein gewesen (Dr. N. am 7. Januar 2003), er sei mit dem rechten Kopf aufgeschlagen und ca 30 Sekunden bewusstlos gewesen (Dr. G. am 9. Januar 2003) bzw er sei ca 1 bis 2 Minuten bewusstlos gewesen (Dr. I. im Gutachten vom 11. April 2003), können sich insoweit nur auf die weniger verlässlichen späteren Angaben des Klägers stützen, ohne dass sie sich dabei selbst einen Eindruck vom körperlichen und geistigen Zustand des Klägers verschafft haben, wie er sich unmittelbar im Anschluss an den Arbeitsunfall dargestellt hat. Ihre Angaben sind daher ebenso wenig beweiskräftig wie die allein auf anamnestischen Angaben des Klägers fußende Diagnose einer "Schädelprellung", wie sie Dr. I. vorgenommen hat.

Auch der Versuch, mit Hilfe des unfallanalytischen Gutachtens von Dipl.-Ing. O. vom 19. November 2010 zu beweisen, dass der Kläger bei seinem acht Jahre zurückliegenden Arbeitsunfall auf den Kopf gefallen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Selbst wenn der Kopf des Klägers auf dem Boden aufgekommen wäre, ändert dies nichts daran, dass eine Verletzung des Schädels nicht nachgewiesen werden kann. Im Übrigen bleibt die in dem Gutachten angestellte Rekonstruktion des Unfallhergangs - ungeachtet ihrer technisch-sachverständigen Elemente - schon deshalb subjektiv geprägt, weil sie im Wesentlichen auf den Angaben des Klägers selbst beruht, obwohl dieser nunmehr über Gedächtnisstörungen klagt. Außerdem setzt das Gutachten Gegebenheiten voraus, die es erst beweisen soll, wenn es zB als erwiesen ansieht, dass es ohne Vorliegen eines Schädelbruchs zu einer Schädigung des Gehirns gekommen sei, woraus geschlossen wird, dass der "Aufprall" des Schädels im Schläfenbereich gedämpft gewesen sei (S 13 des Gutachtens). Im Übrigen hat der Sachverständige Prof. Dr. S. überzeugend darauf hingewiesen, dass bei jeder wachen und bei Bewusstsein befindlichen Person bei einem Sturz Schutz- und Abwehrreflexe ausgelöst werden, die zum Ziel haben, den Kopf zu schützen, sodass sich eine solche Person zusammenkrümmen und den Aufprallimpuls durch Abrollen des Rumpfes abmindern würde. Die gleichwohl von Dipl.-Ing. O. vorgenommene Schlussfolgerung, der Körper des Klägers habe sich "verkrampft", sein Kopf sei aber trotzdem "aufgeprallt", kann deshalb nur auf Spekulationen beruhen.

(2) Die Sachverständigen haben ferner überzeugend dargelegt, dass sich auch aus den bildgebenden Befunden, die nach dem Arbeitsunfall erhoben worden sind, keine Hinweise ergeben, die für eine am 14. Oktober 2002 erlittene Schädelverletzung sprechen. Die noch relativ kurz nach dem Unfall erstellte MRT-Aufnahme des Radiologen Dr. F. (vom 14. Januar 2003) hat keinen Anhalt für eine intrakranielle posttraumatische Schädigung ergeben, sondern eine Asymmetrie der Seitenventrikel mit zystischer Konfiguration des linken Vorderhornes im Sinne einer Anomalie als unfallunabhängige Veränderung. Der Befundbericht zu der späteren MRT-Aufnahme Dr. V. vom 4. März 2008 lässt die Frage nach einem möglichen alten Hirninfarkt oder einem posttraumatischen Hirnsubstanzdefekt offen. Eine weitere kernspintomographische Aufnahme vom 6. Mai 2008 kommt ebenfalls zum Ergebnis, dass die erkennbare linksseitig betonte Erweiterung nicht unfallinduziert ist, sondern eine Anomalie darstellt, die kongenitaler oder perinataler Natur ist (Bericht von Dr. K. vom 20. März 2009).

Schließlich ist die erneute MRT-Untersuchung, die der vom Kläger beauftragte private Gutachter PD Dr. Q. für erforderlich gehalten hat (Stellungnahme vom 19. November 2013), am 30. Januar 2014 durch Dr. R. durchgeführt worden. In dem hierzu erstellten Bericht vom selben Tag wird wiederum ausgeführt, dass beim Kläger eine strukturelle Schädigung des linken Frontalhirns iS einer sog Porenzephalie vorliegt, die unterschiedliche Ursachen haben kann. Die Festlegung auf ein eindeutiges schädigendes Ereignis sei anhand der reinen Bildmorphologie nicht möglich. Ebenso wie in den vorangegangenen MRT-Untersuchungen haben die von Dr. R. gefertigten MRT-Dünnschichtaufnahmen keinen Nachweis von Blutabbauprodukten im Gehirn als Indizien für eine frühere Hirnverletzung ergeben. Auch nach Fertigung einer PET-Aufnahme im April 2014 ist Dr. R. bei seinem Ergebnis geblieben, das Aussagen zum Entstehungszeitpunkt der Porenzephalie nicht möglich sind. Der Auffassung Dr. W., die hirnorganische Erkrankung des Klägers sei auf den Sturz vom 14. Oktober 2002 zurückzuführen, wird hierdurch der Boden entzogen.

Aufgrund dieser unklaren bildgebenden Befunde kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass beim Kläger das Krankheitsbild einer sog "diffusen axonalen Schädigung" nach einem "milden Schädelhirntrauma" vorliegt, was dieser bereits erstinstanzlich unter Bezugnahme auf die Leitlinie "Begutachtung nach gedecktem Schädel-Hirntrauma" geltend gemacht hat (vgl hierzu auch: Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl, S 181f). Nach dieser Leitlinie rechtfertigt das Fehlen klinischer Befunde, auf die früher die Diagnose einer substantiellen Hirnschädigung gestützt worden ist - zB längere Bewusstlosigkeit, Amnesie, Verwirrtheit, Bildgebungs-Darstellung von Substanzschäden oder EEG-Veränderungen - nicht die Ablehnung eines Unfallzusammenhangs. Die Arbeitsgruppe, die die Leitlinie herausgegeben hat, hält vielmehr die Durchführung oder Heranziehung einer MR-Bildgebung für notwendig, die T2. gewichtete Sequenzen enthalten sollte. Entsprechende Aufnahmen sind im Fall des Klägers gefertigt worden, haben aber - wie dargelegt - keine Ergebnisse erbracht, die die Kausalitätsvermutung des Klägers stützen. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist der Sachverständige Prof. Dr. S. - der Mitautor der Leitlinie ist - zum Ergebnis gekommen, dass sich ein Zusammenhang des jetzigen Krankheitsbildes des Klägers mit dem Arbeitsunfall nicht wahrscheinlich machen lässt.

(3) Demgegenüber beruft sich der Kläger ohne Erfolg darauf, er sei vor dem Unfall gesund gewesen und es sei erst danach zu Symptomen wie Gedächtnislücken, Störungen des kognitiven Leistungsvermögens oder Verhaltensauffälligkeiten gekommen. Denn allein aus dem Vergleich der gesundheitlichen Verhältnisse vor und nach dem Unfall kann nicht abgeleitet werden, dass die Veränderung des Gesundheitszustandes durch den Unfall verursacht worden ist. Es wäre ein logischer Fehlschluss, von der zeitlichen Abfolge zweier Ereignisse auf einen Kausalzusammenhang zwischen ihnen zu schließen (post hoc ergo propter hoc, vgl Sächsisches LSG, Urteil vom 20. Mai 2009 - L 6 U 172/06 - ). Dementsprechend ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die zeitliche Nähe zwischen dem Unfallereignis und der Entstehung der Beschwerden und die daran anknüpfende "gefühlsmäßige" Wertung, beider Ereignisse müssten irgendwie in Zusammenhang stehen, zum Nachweis der Kausalität nicht ausreicht (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03 - NJW 2004, 777 (778); ähnlich BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 17). Dem Beweisantritt, die Ehefrau des Klägers zu laden, damit sie als Zeugin den gesundheitlichen Zustand ihres Ehemanns vor und nach dem Unfall vergleichend darstellen bzw von kurz nach dem Unfall aufgetretenen Wesensveränderungen berichten kann, war deshalb nicht nachzugehen, weil die bereits schriftsätzlich vorgetragenen Änderungen als wahr unterstellt werden können.

(4) Die beim Kläger vorliegenden hirnorganischen Gesundheitsstörungen sind nach alledem nicht als organisches Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma (ICD-Diagnose F07.2), sondern als sonstige organische Persönlichkeits- und Verhaltensstörung aufgrund einer Krankheitsschädigung oder Funktionsstörung des Gehirns (F07.8) zu bezeichnen, die auf eine Porenzephalie längsfrontal (Q04.6) zurückzuführen ist. Dies ergibt sich aus den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. S ... Dieser hat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass der bei MRT-Untersuchungen erhobene Befund von allen radiologischen Untersuchern als Porenzephalie eingeordnet wird und dieses Krankheitsbild typischerweise Folge einer intrauterinen oder perinatalen Schädigung des Gehirns ist. Hierzu hat der Sachverständige ergänzend ausgeführt, dass in der klinischen Praxis derartige Porenzephalien häufig unentdeckt bleiben können - gelegentlich lebenslang -, aber auch klinisch symptomatisch werden. Hierdurch wird erklärbar, dass von den Angehörigen des Klägers jedenfalls anfängliche Krankheitssymptome vor dem Arbeitsunfall nicht wahrgenommen worden sind. Ob eine Schädelprellung und ein damit verbundenes "mildes" Schädelhirntrauma für das Auftreten der jetzigen Ausfallerscheinungen mitursächlich sein könnten, indem sie die bisherigen Kompensationsmechanismen, die die Porenzephalie bislang klinisch stumm gehalten haben, aufheben - dies diskutiert Prof. Dr. S. auf S 43 seines Gutachtens - kann dabei offen bleiben. Denn wie dargelegt kann eine Schädelprellung nicht nachgewiesen werden.

(5) Weitergehende Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts waren nicht veranlasst. Soweit der Kläger beantragt hat, von Amts wegen - hilfsweise nach § 109 SGG - ein orthopädisches Gutachten einzuholen, um die unmittelbaren und mittelbaren Folgen des Unfalls unter Berücksichtigung der Schulterprellung, Brustprellung, Schmerzen linker unterer Rippenbogen und Schmerzen beim Atmen festzustellen, betrifft dies nicht den vorliegenden Streitgegenstand. Denn mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 12. Mai 2009 (bzw dem Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2009) hat die BG ersichtlich nur geprüft, ob die auf psychiatrischem Gebiet geltend gemachten Gesundheitsstörungen - zunehmende Merkfähigkeits- und Orientierungsstörungen sowie aggressives Verhalten - unter Korrektur des vorangegangen bestandskräftigen Bescheids vom 25. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2009 als Unfallfolgen anerkannt werden müssen. Nur hierauf hatte sich der Überprüfungsantrag des Klägers von Juli 2008 bezogen. Auch mit der im Dezember 2009 erhobenen Klage hat der Kläger ausdrücklich nur das Ziel angestrebt, ein Schädelhirntrauma als Unfallfolge anzuerkennen. Für die Klärung weiterer orthopädischer Unfallfolgen besteht vor dem Hintergrund des bestandskräftigen Bescheids vom 25. November 2002 deshalb kein Anlass. Auch wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG durch PD Dr. T. beantragt hat, um zu klären, ob aus den Verletzungen der Schulter Rückschlüsse darauf gezogen werden können, dass bei dem Sturz ein Zusammentreffen des Schädels mit dem Boden eingetreten ist, war dem nicht nachzugehen. Es kann als wahr unterstellt werden, dass der Schädel des Klägers bei seinem Unfall vom 14. Oktober 2002 mit dem Boden "zusammengetroffen" ist, weil sich daraus noch nicht der Nachweis ergibt, dass er dabei auch eine Schädelverletzung erlitten hat.

Der vom Kläger ebenfalls beantragten Ladung des Sachverständigen Prof. Dr. S. war nicht nachzukommen, weil dieser vom Senat bereits zu den vom Kläger geäußerten Einwendungen in Hinblick auf sein Gutachten ergänzend gehört worden ist (Stellungnahme vom 19. Januar 2016); weitere Fragen sind vom Kläger insoweit nicht aufgeworfen worden. Auch aus dem schriftsätzlich gestellten Antrag, den PD Dr. Q. zu laden, damit dieser seine Stellungnahme vom 14. April 2014 mündlich erläutern und gegenüber Prof. Dr. S. verteidigen kann, ergeben sich keine konkreten Fragen, die vom Senat noch zu klären wären. Im Übrigen ist schon keine Rechtsgrundlage dafür ersichtlich, einen vom Gericht weder nach § 103 SGG noch nach § 109 SGG beauftragten Arzt in der mündlichen Verhandlung anzuhören.

b) Der Bescheid vom 25. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2003 war auch nicht deshalb aufzuheben, weil die BG ihre Entscheidung im Widerspruchsbescheid ua auf das Zusatzgutachten von Dr. I. gestützt hat, das - wie dargelegt - unter Verletzung des Auswahlrechts des Klägers nach § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII eingeholt worden ist. Ein solcher Verfahrensfehler kann im Rahmen des § 42 S 1 SGB X zur Aufhebung des verfahrensabschließenden Verwaltungsakts führen, wenn nicht offensichtlich ist, dass die Auswahlrechtsverletzung die Entscheidung der Verwaltung in der Sache nicht beeinflusst hat (BSG SozR 4-2700 § 200 Nr 2). Die Offensichtlichkeit des fehlenden Einflusses auf die Verwaltungsentscheidung muss aber angenommen werden, wenn aufgrund der Sachlage davon auszugehen ist, dass die Behörde nach Aufhebung des Bescheids dieselbe Entscheidung nochmals treffen müsste (vgl LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Februar 2013 - L 10 U 3750/12; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 6. April 2011 - L 10 U 164/05 - beide ). Das wäre hier aber der Fall, weil nach den Ausführungen unter a) nicht festgestellt werden kann, dass auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet Folgen des Arbeitsunfalls vom 14. Oktober 2002 vorliegen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.