Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 14.12.2016, Az.: L 3 U 22/13

Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit; Neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft; Aufnahme einer bestimmten Erkrankung in die BK-Liste; Maßgebender Zeitpunkt; Keine Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit in der gesetzlichen Unfallversicherung für Krebserkrankungen des Magens und der Speiseröhre in der Gummiindustrie

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
14.12.2016
Aktenzeichen
L 3 U 22/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 34846
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2016:1214.L3U22.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hildesheim - 20.12.2012 - AZ: S 21 U 92/08

Redaktioneller Leitsatz

1. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Wie-BK sind erfüllt, wenn eine bestimmte Personengruppe infolge der versicherten Tätigkeit nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII in erheblich höherem Maß als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, die nach den neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Erkrankung hervorrufen.

2. Dabei sind die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft nur dann als "neu" anzusehen, wenn sie erst nach dem Erlass der letzten BKV entstanden oder zu diesem Zeitpunkt zwar bereits im Ansatz vorhanden gewesen sind, aber trotz einer Nachprüfung als nicht ausreichend bewertet worden sind und sich erst anschließend zur "BK-Reife" verdichtet haben.

3. Hintergrund ist, dass durch den Versicherungsfall der Wie-BK nur solche durch die berufliche Tätigkeit verursachten Krankheiten wie eine BK entschädigt werden sollen, die allein deshalb nicht in die BK-Liste aufgenommen worden sind, weil neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen durch ihre jeweilige berufliche Tätigkeit bei der letzten Fassung der Liste noch nicht bestanden haben oder vom Verordnungsgeber nicht hinreichend berücksichtigt worden sind.

4. Im Ergebnis knüpft die Anerkennung einer Wie-BK damit an dieselben materiellen Voraussetzungen an, die der Verordnungsgeber nach § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII bei der Aufnahme einer bestimmten Erkrankung in die BK-Liste zu beachten hat.

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 20. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit (Wie-BK).

Die Kläger sind die Eltern (und Erben) des am 9. Juni 2009 verstorbenen F. (im Folgenden: der Versicherte), der von 1990 bis 2007 als Tauchmaschinen- bzw Kalanderführer in der Gummiindustrie tätig war. Im Februar 2007 wurde bei dem Versicherten ein Kardiakarzinom (Krebserkrankung im Bereich des Magens und der Speisröhre) diagnostiziert (Bericht der G. vom 12. März 2007), die er auf Expositionen zurückführte, denen er an seinem Arbeitsplatz ausgesetzt war.

Die Beklagte holte zunächst eine Tätigkeits- und Gefährdungsbeschreibung des Arbeitgebers, Messpläne über die Luftbelastung in der Raucher- und Pausenecke des Versicherten mit Nitrosaminen sowie eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) ein. Im Anschluss lehnte die Beklagte ua die Anerkennung der Krebserkrankung als Wie-BK nach § 9 Abs 2 S 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) ab. Zwar wiesen epidemiologische Studien aus dem Bereich der deutschen Gummiindustrie darauf hin, dass an Arbeitsplätzen mit einer hohen Nitrosaminkonzentration ein signifikanter Anstieg der Erkrankungen mit Speiseröhrenkrebs bestehe; derartige Expositionen entstünden aber erst nach der Vulkanisation und damit in einem Arbeitsbereich, in dem der Versicherte nicht eingesetzt war (Bescheid vom 6. Februar 2008). Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2008).

Der Versicherte hat am 24. Juli 2008 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben. Nach seinem Tod (am 9. Juni 2009) haben die Kläger geltend gemacht, dass am Arbeitsplatz des Versicherten keine Schadstoffmessungen durchgeführt worden seien. Außerdem habe der Versicherte auch im Bereich der Vulkanisation gearbeitet. Zudem sei unverständlich, weshalb die Beklagte in ihre Entscheidung neben den Nitrosaminen nicht auch die Expositionen gegenüber Zinkstearat, Toluol, Ethylacetat, Talkum, Ruß, Maisstärke und Asbest einbezogen habe, denen der Versicherte ebenfalls ausgesetzt gewesen sei.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 20. Dezember 2012 abgewiesen. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf die Anerkennung der Krebserkrankung des Versicherten als Wie-BK. Die individuellen Voraussetzungen einer solchen BK lägen nicht vor; insbesondere sei der Versicherte an seinem Arbeitsplatz keinen nennenswerten Belastungen mit Nitrosaminen ausgesetzt gewesen. Dies zeigten die vorgelegten Messergebnisse. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Versicherte geraucht und damit eine außerberufliche Konkurrenzursache gesetzt habe. Die übrigen Schadstoffbelastungen am Arbeitsplatz des Versicherten seien zumindest hinsichtlich des Magens und der Speiseröhre nicht krebserregend.

Gegen das Urteil (zugestellt am 10. Januar 2013) wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung vom 25. Januar 2013 und machen im Wesentlichen eine unvollständige Amtsermittlung und Beweiswürdigung durch das SG geltend.

Die Kläger beantragen,

1. das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 20. Dezember 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 9. Juli 2008 aufzuheben,

2. festzustellen, dass das Kardiakarzinom des Versicherten eine Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs 2 S 1 SGB VII gewesen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Sachaufklärung hat der erkennende Senat zunächst den beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales angesiedelten Ärztlichen Sachverständigenbeirat für Bken um Mitteilung des Sachstands zur Einführung einer BK "Krebserkrankung in der Gummiindustrie (Nitrosamine)" gebeten. Anschließend hat das Ministerium mitgeteilt, dass der Beirat zunächst bis Mai 1998 die Thematik eingehend beraten und anschließend die weitere Beratung eingestellt habe, da alle verfügbaren Studien nicht für eine Empfehlung an den Verordnungsgeber zur Aufnahme einer entsprechenden BK ausgereicht hätten. In den Jahren 2003/2004 sei das Thema erneut aufgegriffen und dann wieder ruhend gestellt worden, weil in der Zwischenzeit keine neuen epidemiologischen Studien über die Thematik publiziert worden seien (Schreiben vom 28. Oktober 2015).

Ferner hat der erkennende Senat gemäß § 103 SGG den Sachverständigen Dr. H. gehört. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass unter Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse weder die allgemeinen noch - im Fall des Versicherten - die individuellen Voraussetzungen für die Anerkennung der hier maßgeblichen Krebserkrankung als Wie-BK vorlägen (Gutachten vom 27. Juni 2016).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen Bezug genommen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Kläger ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat ihre Klage im Ergebnis zutreffend abgewiesen.

1. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren der Kläger, die Krebserkrankung des Versicherten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Beklagten als eine Wie-BK feststellen zu lassen. Dazu ist in der Rechtsprechung der Sozialgerichte anerkannt, dass das Vorliegen einer (Wie-)Berufskrankheit auch im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungs- oder Feststellungsklage geklärt werden kann (vgl hierzu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15. September 2011 - B 2 U 22/10 R - juris mwN).

2. Die insoweit statthafte und auch im Übrigen zulässige Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 iVm § 55 Abs 1 Nr 1 SGG) der Kläger kann in der Sache aber keinen Erfolg haben. Es besteht kein Anspruch auf die Feststellung, dass die Krebserkrankung des Versicherten eine Wie-BK gewesen ist.

3. Nach § 9 Abs 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs 1 S 2 SGB VII erfüllt sind (sogenannte Öffnungsklausel für Wie-BKen). Die sich aus dieser Vorschrift ergebenden Tatbestandsmerkmale für die Feststellung einer Wie-BK bei einem Versicherten sind (1.) das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichneten Krankheit, (2.) das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach § 9 Abs 1 S 2 SGB VII - (3.) nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen - sowie (4.) die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als Wie-BK im Einzelfall bei dem Versicherten. Nach der mittlerweile stRspr des BSG enthält diese Vorschrift demnach keine "Härtefallklausel", gemäß der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als Wie-BK anzuerkennen wäre (vgl zu alledem BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 18 mwN).

Nach diesen Maßgaben kann die Krebserkrankung des Versicherten nicht als eine Wie-BK angesehen werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und ggf in welchem Umfang der Versicherte während seiner beruflichen Tätigkeit bestimmten Expositionen (Nitrosaminen, Zinkstearat, Toluol, Ethylacetat, Talkum, Ruß, Maisstärke und Asbest) ausgesetzt gewesen ist, die die Kläger als Ursache für dessen Erkrankung ansehen. Denn es liegen hier bereits die allgemeinen Voraussetzungen dafür, Krebserkrankungen des Magens und der Speiseröhre für in der Gummiindustrie tätige Versicherte als BK nach § 9 Abs 1 S 2 SGB VII zu bezeichnen, nicht vor.

4. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Wie-BK sind erfüllt, wenn eine bestimmte Personengruppe infolge der versicherten Tätigkeit nach den §§ 2,3 oder 6 SGB VII in erheblich höherem Maß als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, die nach den neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Erkrankung hervorrufen (vgl hierzu BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 22). Dabei sind die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft nur dann als "neu" anzusehen, wenn sie erst nach dem Erlass der letzten BKV entstanden oder zu diesem Zeitpunkt zwar bereits im Ansatz vorhanden gewesen sind, aber trotz einer Nachprüfung als nicht ausreichend bewertet worden sind und sich erst anschließend zur "BK-Reife" verdichtet haben. Hintergrund ist, dass durch den Versicherungsfall der Wie-BK nur solche durch die berufliche Tätigkeit verursachten Krankheiten wie eine BK entschädigt werden sollen, die allein deshalb nicht in die BK-Liste aufgenommen worden sind, weil neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen durch ihre jeweilige berufliche Tätigkeit bei der letzten Fassung der Liste noch nicht bestanden haben oder vom Verordnungsgeber nicht hinreichend berücksichtigt worden sind. Im Ergebnis knüpft die Anerkennung einer Wie-BK damit an dieselben materiellen Voraussetzungen an, die der Verordnungsgeber nach § 9 Abs 1 S 2 SGB VII bei der Aufnahme einer bestimmten Erkrankung in die BK-Liste zu beachten hat (vgl zu alledem BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 22).

a) Die Expositionen, denen der Versicherte während seiner beruflichen Tätigkeit in der Gummiindustrie ausgesetzt gewesen ist, können nach den neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft aber keine Krebserkrankung des Magens und der Speiseröhre hervorrufen. Entweder geht von den Expositionen keine krebserzeugende Wirkung aus (Zinkstearat, Toluol, Ethylacetat, Talkum und Maisstärke) oder deren Wirkung bezieht sich auf andere Zielorgane (Ruß und Asbest). Ferner gibt es zur krebserzeugenden Wirkung von Nitrosaminen keine neuen medizinischen Erkenntnisse.

b) Bei dieser Bewertung stützt sich der erkennende Senat auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. I. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten dazu dargelegt, dass nach dem derzeitigen gesicherten medizinischen Wissensstand von den hier in Betracht kommenden Expositionen im Wesentlichen keine krebserzeugende Wirkung ausgeht. Das gilt für mögliche Einwirkungen von Zinkstearat, Toluol, Ethylacetat, Talkum und Maisstärke. Demgegenüber geht zwar von Ruß und Asbest nachgewiesenermaßen eine krebserzeugende Wirkung aus; als Zielorgan daraus resultierender Krebserkrankungen kommen nach den Darlegungen des Sachverständigen aber nicht der Magen und die Speiseröhre in Betracht, sondern die Lunge, die Pleura (Lungenfell) oder das Perikard (Herzbeutel). Hieraus schließt der Sachverständige nachvollziehbar, dass im Fall des Versicherten deshalb auch eine sogenannte Synkanzerogenese (Verstärkung der Tumorauslösung durch die Einwirkung von zwei oder mehr krebserregenden Stoffen) nicht angenommen werden kann, da sich die krebserzeugende Wirkung der gemischten Einwirkungen dabei auf dasselbe Zielorgan (hier: Magen und Speiseröhre) beziehen müsste (vgl hierzu auch Schönfelder/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 68/69). Hieran fehlt es vorliegend.

Daneben hat der Sachverständige Dr. H. in dem Gutachten dargelegt, dass es seit der letzten Nachprüfung durch den Verordnungsgeber 2003/2004 (vgl hierzu das Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 28. Oktober 2015 auf Blatt 193/194 der Gerichtsakte) keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber gibt, ob von Nitrosaminen eine krebserzeugende Wirkung (für die Zielorgane Magen und/oder Speiseröhre) ausgeht. Den Ausführungen des Sachverständigen folgend hat sich der Verordnungsgeber mit dieser Problematik erstmals 1998 auseinandergesetzt, nachdem sich bei einer Kohortenstudie zur Mortalität bei Arbeitern in der deutschen Kautschukindustrie für die Jahre 1991 bis 1998 für Speiseröhrenkrebs (nicht aber für Magenkrebs) in der Gruppe mit hohen Nitrosaminexpositionen (über 15 &956;g/m3) ein statistisch signifikant erhöhtes Erkrankungsrisiko aufzeigen ließ. Der Ärztliche Sachverständigenbeirat für Berufskrankheiten hat aber die Aufnahme einer entsprechenden BK ("Krebserkrankungen in der Gummiindustrie durch Nitrosamine") abgelehnt, weil aus seiner Sicht die damals vorliegende Studienlage für eine Empfehlung an den Verordnungsgeber zur Aufnahme einer neuen BK (noch) nicht ausgereicht hat. Zu einem vergleichbaren Ergebnis ist der Beirat 2004 gekommen, da sich insoweit die wissenschaftliche Erkenntnislage gegenüber 1998 nicht verändert hat. Neue (und statistisch belastbare) wissenschaftliche Erkenntnisse - so der Sachverständige - haben sich seitdem nicht ergeben. Zwar haben verschiedene Wissenschaftler zwischen 2004 und 2016 insgesamt 14 epidemiologische Studien zu einer möglichen Risikoerhöhung für Krebserkrankungen bei Beschäftigten aus der Gummiindustrie durchgeführt; eine konsistente bzw relevante Risikoerhöhung hat dabei aber nicht festgestellt werden können. Außerdem sind die Studienergebnisse nach den Darlegungen des Sachverständigen häufig nicht signifikant gewesen, sodass die dabei vereinzelt (und nur in sehr geringem Umfang) aufgetretenen Risikoerhöhungen zufällig entstanden sein können und sich daraus keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer BK-Reife ergeben. Teilweise haben sich die durchgeführten Studien auch nicht speziell auf berufliche Tätigkeiten in der Gummiindustrie bezogen (Jansson et al 2004, Jansson et al 2005a bis c, Santibanez et al 2016).

c) Damit kann insgesamt nicht davon ausgegangen werden, dass der Versicherte während seiner beruflichen Tätigkeit in der Gummiindustrie Expositionen ausgesetzt gewesen ist, die nach den (neuen) Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet gewesen sind, eine Krebserkrankung des Magens und/oder der Speiseröhre hervorzurufen. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass sich mittlerweile die Anhaltspunkte dafür, dass durch die Einwirkungen von Nitrosaminen eine entsprechende Erkrankung entstehen kann, im Anschluss an die letzte Nachprüfung durch den Verordnungsgeber 2004 und damit auch nicht nach der letzten Änderung der BKV zum 1. Januar 2015 zur BK-Reife verdichtet haben.

Vor diesem Hintergrund hat der erkennende Senat auch davon absehen können, die von den Klägern in der mündlichen Verhandlung am 30. September 2015 beantragten Beweiserhebungen noch durchzuführen. Die Beweisanträge (vgl hierzu Blatt 190 der Gerichtsakte) haben sich ausschließlich auf Tatsachen im Zusammenhang mit den individuellen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Erkrankung als Wie-BK bezogen. So hat durch die Beweiserhebung noch geklärt werden sollen, in welchem Umfang der Versicherte an seinem Arbeitsplatz bestimmten Expositionen (gegenüber Nitrosaminen, Zinkstearat, Toluol, Ethylacetat, Talkum, Ruß, Maisstärke und Asbest) ausgesetzt gewesen ist. Da hier aber - wie vorangestellt dargelegt - bereits die allgemeinen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Wie-BK nicht vorliegen, kommt es auf die aus Sicht der Kläger insoweit ungeklärten Tatsachen im Ergebnis nicht an (vgl hierzu als Ablehnungsgrund entsprechender Beweisanträge Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 103 SGG Rn 8 mwN).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen; Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 SGG liegen nicht vor.