Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.07.2007, Az.: 10 ME 130/07
Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis; Berücksichtigung von familiären Bindungen eines Ausländers an sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhaltende Personen bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen; Anspruch eines Ausländers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unabhängig von der Einhaltung des Visumverfahrens aus Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a der Richtlinie 2003/86 des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 11.07.2007
- Aktenzeichen
- 10 ME 130/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 40081
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2007:0711.10ME130.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 14.05.2007 - AZ: 2 B 447/07
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 2 S. 1 AufenthG
- § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG
- Art. 6 Abs. 1 GG
- Art. 4 RL 2003/86/EG
- Art. 5 Abs. 3 RL 2003/86/EG
- § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG
- § 30 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG
Fundstelle
- ZAR 2007, 366-368 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
Amtlicher Leitsatz
Zur Ausübung des Ermessens der Ausländerbehörde nach § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG bei bewusst unerlaubter Einreise.
Die Ausländerbehörde hat bei ihrer Ermessensentscheidung nach § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art. 6 GG und damit die familiären Bindungen - im Sinne der tatsächlichen Verbundenheit der Familienmitglieder - zu berücksichtigen.
Auch bei intensiven familiären Bindungen eines ausländischen Elternteils zu seinem Kleinkind kann eine vorübergehende Trennung zumutbar sein, damit der unerlaubt eingereiste Ausländer das Visumsverfahren nachholt.
Zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der Familienzusammenführungsrichtlinie (Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003).
Kapitel III der Familienzusammenführungsrichtlinie mit Regelungen über das Verfahren zur Erlangung der Gestattung zur Einreise und Aufenthalt eines Familienangehörigen gilt auch für Gestattungen nach Art. 4 der Richtlinie.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade vom 14. Mai 2007 hat keinen Erfolg.
I.
Der im Oktober 1973 geborene Antragsteller ist serbischer Staatsangehöriger. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Roma und hielt sich mit Unterbrechungen bereits von 1990 bis zum 2. Juli 2004 im Bundesgebiet auf. Nach rechtskräftigem erfolglosem Abschluss seines Asylverfahrens war er zunächst geduldet worden. Die Freie und Hansestadt Hamburg wies den Antragsteller auf Grund zahlreicher Straftaten mit bestandskräftiger Verfügung vom 17. September 2001 aus und schob ihn am 2. Juli 2004 nach Serbien ab. Am 26. November 2004 schlossen der Antragsteller und Frau D. B. in E. (Serbien) die Ehe. Die Ehefrau des Antragstellers ist im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Am 18. Februar 2005 wurde der gemeinsame Sohn F. B. geboren, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Die Freie und Hansestadt Hamburg befristete mit Bescheid vom 29. April 2005 die Sperrwirkungen der Ausweisung und der vollzogenen Abschiebung nachträglich auf den 1. Juli 2006; die dagegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 9. Januar 2006 - 21 K 2696/05 -).
Nach eigenen Angaben reiste der Antragsteller am 10. Februar 2007 ohne Visum erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er beantragte am 14. Februar 2007 eine Aufenthaltserlaubnis und berief sich darauf, Vater eines deutschen Kindes zu sein. Den Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 28. März 2007 ab. Zur Begründung führte er an: Der Antragsteller sei ohne gültigen Aufenthaltstitel bzw. ohne gültiges Visum ins Bundesgebiet eingereist. Er sehe von der Einhaltung der Visumspflicht nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ab. Zunächst sei der Antragsteller bewusst unter Verstoß gegen die Einreisebestimmungen eingereist. Weiter sei eine vorübergehende Trennung von seinem Sohn, die mit dem Nachholen des Visumverfahrens verbunden sei, nicht unangemessen, weil die Wiedereinreisesperre bereits am 1. Juli 2006 abgelaufen sei und er dennoch eine monatelange Trennung freiwillig hingenommen habe. Das Verhalten des Antragstellers sei darauf gerichtet, vollendete Tatsachen zu schaffen. Ein künftiger Anspruch des Antragstellers auf eine Aufenthaltserlaubnis werde nicht angezweifelt.
Der Antragsteller hat am 5. April 2007 Klage erhoben, mit der er die Verpflichtung des Antragsgegners auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis begehrt. Zugleich hat er beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. März 2007 anzuordnen.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 14. Mai 2007 abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage des Antragstellers auf Verpflichtung des Antragsgegners, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, werde voraussichtlich ohne Erfolg bleiben. Der Antragsteller könne eine Aufenthaltserlaubnis ohne Einhaltung des Visumverfahrens nicht beanspruchen. Die Ermessensentscheidung des Antragsgegners, nicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auf die vorherige Einholung eines Visums zu verzichten, sondern den Antragsteller darauf zu verweisen, zuvor das Bundesgebiet vorübergehend wieder zu verlassen, um von Serbien aus die ordnungsgemäße Einreise zu betreiben, sei nicht zu beanstanden. Zwar lägen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG vor, so dass der Antragsgegner nach pflichtgemäßem Ermessen von der Einhaltung des Visumverfahrens habe absehen können. Dass der Antragsgegner dennoch hierauf bestehe, sei nicht zu beanstanden. Zu Recht habe der Antragsgegner bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass der Antragsteller unerlaubt eingereist sei und zwischen dem Ablauf der Wiedereinreisesperre und der tatsächlichen Wiedereinreise ca. sechs Monate vergangen seien, in denen er sich ohne Weiteres um die Einholung des erforderlichen Visums hätte kümmern können. Da der Antragsteller mehr als sechs Monate nach Ablauf der Wiedereinreisesperre gewartet habe und ein Vater-Sohn-Verhältnis aufgrund seiner mehrjährigen Abwesenheit zu keinem Zeitpunkt bestanden habe, erscheine ein vorübergehendes Verlassen des Bundesgebietes zumutbar.
II.
Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich die Entscheidung des Senats zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht eine Änderung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Der Antragsteller macht geltend, es habe bereits vor der Einreise eine Vater-Sohn-Beziehung bestanden. Seine Ehefrau habe ihn mit dem gemeinsamen Sohn wiederholt in Serbien besucht. Nach der Einreise habe sich seine intensive Beziehung zu seinem Sohn verfestigt. Eine Trennung bedeute angesichts der Ungewissheit über den Trennungszeitraum für seinen Sohn eine starke psychische und physische Belastung. Zur Glaubhaftmachung beziehe er sich auf die Versicherung an Eides statt seiner Ehefrau sowie auf die Bescheinigung des Kinderarztes. Der Antragsgegner habe bei seiner Ermessensentscheidung die Schutzwirkungen des Art. 6 GG nicht wie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (u.a. Beschluss der 2. Kammer des 2. Senatsvom 8. Dezember 2005 - 2 BvR 10001/04 -, ZAR 2006, 28 [BVerfG 08.12.2005 - 2 BvR 1001/04]) vorgegeben angemessen entsprechend ihrem Gewicht berücksichtigt. Weder aus dem Bescheid noch aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts lasse sich entnehmen, inwieweit auch auf die Sicht des Kindes abgestellt worden sei. Soweit das Verwaltungsgericht darauf abstelle, der Antragsteller hätte in den ca. sechs Monaten nach Ablauf der Wiedereinreisesperre das Visumverfahren betreiben können, sei dem entgegenzuhalten, dass er sich entsprechend der Information des zuständigen Sachbearbeiters des Antragsgegners verhalten habe, dessen Auskunft jedoch unrichtig gewesen sei. Weiter sei nicht berücksichtigt worden, dass er mit seiner Ehefrau in ehelicher Lebensgemeinschaft lebe, die eine Niederlassungserlaubnis besitze, so dass ihm auch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen sei.
Die angeführten Einwände des Antragstellers greifen jedoch nicht durch. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beschwerde ist nicht davon auszugehen, dass das Begehren des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 30 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfolgreich sein wird. Unstreitig liegt die Regelerteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht vor. Zwar liegt es im Ermessen des Antragsgegners, von der Einhaltung dieser Bestimmung abzusehen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG), weil der Antragsteller die übrigen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis - hier nach §§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 30 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG - erfüllt.
Es spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass die Entscheidung des Antragsgegners, von der Einhaltung des Visumverfahrens nicht abzusehen, Bestand haben wird. Der Antragsgegner hat als zuständige Ausländerbehörde in Abwägung mit den schützenswerten Belangen des Antragstellers und seiner Familienangehörigen zu beurteilen, ob eine Ausnahme von der Einhaltung des Visumverfahrens vertretbar und angemessen ist. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Regelung als Ausnahmeentscheidung grundsätzlich eng auszulegen ist und dies zu einer restriktiven Anwendung führt (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht - Stand: Jan. 2005 -, § 5 Rdnr. 67). Dementsprechend soll die Durchführung des Visumverfahrens auch bei Vorliegen eines gesetzlichen Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als auch in allen anderen Fällen die Regel bleiben. Hierdurch soll einerseits sichergestellt werden, dass die Steuerungsmechanismen des Aufenthaltsgesetzes nicht umgangen und die dort vorgesehenen Zugangskontrollen hinsichtlich eines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland nicht unterlaufen werden. Andererseits soll die Einhaltung des Visumverfahrens kein Selbstzweck sein (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. April 2007 - 18 B 303/07 -, [...] mit weiteren Nachweisen und Beschluss vom 5. Oktober 2006 - 18 B 1767/06 -, ZAR 2006, 413; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. Juli 2006 - 2 O 210/06 -, [...]; Renner, Ausländerrecht - 8. Auflage 2005 -, § 5 AufenthG Rdnr. 59).
Im Rahmen der zu treffenden Güterabwägung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit darf die Ausländerbehörde als beachtlichen öffentlichen Belang mit in ihre Erwägungen einstellen, dass die Einhaltung des Visumverfahrens der Regelfall bleiben soll und dass die Verpflichtung, auch im Falle der Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet vor der Einreise ein Visum einzuholen, Art. 6 GG nicht verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1997 - BVerwG 1 C 19.96 -, BVerwGE 106, 13; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. April 2007, a.a.O.; Bay. VGH, Beschluss vom 19. Oktober 2006 - 24 CE 06.2757 -, [...] und Beschluss vom 31. März 2006 - 24 C 06.402 -, [...]). Weiter durfte der Antragsgegner bei seiner Entscheidung die Erwägung zugrunde legen, einem Ausländer, der bewusst die Visum-Regeln missachtet und unerlaubt einreist, nicht ohne Weiteres zu gestatten, trotz seines rechtswidriges Verhaltens seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu begründen. Insoweit ist ein beachtlicher öffentlicher Belang, dem Eindruck bei anderen Ausländern entgegenzuwirken, man könne durch eine Einreise stets vollendete Tatsachsen schaffen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. April 2007, a.a.O.).
Auch angesichts der schützenswerten Belange des Antragstellers und seiner Familienangehörigen aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK erachtet der Senat die angefochtene Entscheidung des Antragsgegners mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für vereinbar. Der grundrechtliche Schutz von Familie und Ehe gewährt unmittelbar keinen Anspruch auf einen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die Ausländerbehörde hat indessen bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen die familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, u.a. bei Ermessensentscheidungen, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz von Ehe und Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über den Aufenthalt seine Bindungen an im Bundesgebiet berechtigterweise lebende Familienangehörige und Ehepartner angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 2. Senatsvom 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1001/04 -, DVBl. 2006, 247; Beschlüsse der 1. Kammer des 2. Senatsvom 5. Mai 2003 - 2 BvR 2042/02 -, DVBl. 2003, 1260, vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, NVwZ 2000, 59 undvom 1. August 1996 - 2 BvR 1119/96 -, NVwZ 1997, 479; BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1997, a.a.O.). Für die ausländerrechtlichen Schutzwirkungen aus Art. 6 GG ist die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern entscheidend, wobei eine Betrachtung des Einzelfalles geboten ist. Im Hinblick auf die schutzwürdigen Bindungen des Antragstellers zu seinem Sohn sind diese auch maßgeblich aus Sicht des Kindes zu betrachten, wobei dem Kindeswohl eine besondere Bedeutung zukommt. Besteht eine Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen dem Ausländer und seinem Kind und kann diese Gemeinschaft nur im Bundesgebiet verwirklicht werden, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, ausländerrechtliche Belange regelmäßig zurück (zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2005, a.a.O.).
Andererseits drängt im Rahmen der ausländerbehördlichen Entscheidung die Pflicht des Staates, Ehe und Familie zu schützen, ausländerpolitische Belange nicht schon generell zurück. So ist eine zeitweise Trennung von der Familie grundsätzlich mit dem Schutzgedanken des Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 1984 - 2 BvR 1299/84 -, NVwZ 1985, 260;Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. -, BVerfGE 76, 1, 41 ff.; BVerwG, Beschluss vom 19. März 1990 - BVerwG 1 B 32.90 -, [...];Beschluss vom 6. August 1993 - BVerwG 1 B 113.93 -, Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 1 m.w.N.).
Bei der gebotenen Betrachtung des Einzelfalles ist im Hinblick auf die familiäre Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit seiner Ehefrau und seinem Sohn festzustellen, dass nach der Heirat im November 2004 auf Grund der räumlichen Trennung eine eheliche Lebensgemeinschaft zunächst nicht begründet werden konnte. Auch nach der Geburt des Sohnes des Antragstellers im Februar 2005 sind die Bindungen zunächst auf Besuchskontakte beschränkt gewesen, wobei diesen Bindungen eine beachtliche Bedeutung zukommt. Allerdings hat der Antragsteller erst nach der unerlaubten Einreise des Antragstellers am 10. Februar 2007 und damit für einen kurzen Zeitraum den Kontakt zu seinem Sohn sowie zu seiner Ehefrau intensivieren und festigen können. Angesichts dessen erachtet der Senat eine für einen kurzen Zeitraum andauernde Trennung des Antragstellers von seiner Ehefrau und seinem Sohn für noch zumutbar. Dabei geht der Senat davon aus, dass das Visumverfahren deshalb in einem überschaubaren Zeitraum entschieden werden wird, weil der Antragsgegner als zuständige Ausländerbehörde den gesetzlichen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bereits geprüft und bejaht hat. Da diese ansonsten erforderliche Prüfung der Ausländerbehörde nach § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthV bereits abgeschlossen ist, kann das Zustimmungsverfahren nicht mehr zu Verzögerungen führen. Weiter ist der Antragsgegner im Hinblick auf die angeführten schützenswerten Belange des Antragstellers gehalten, die Entscheidung unverzüglich zu treffen. Weder hat der Antragsteller konkret dargelegt noch ist anderweitig ersichtlich, dass sich das Verfahren auf Erteilung eines Visums über einen nicht mehr hinnehmbaren Zeitraum erstrecken wird. Zudem kann der Antragsteller sich um eine Vorabzustimmung des Antragsgegners nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AufenthV bemühen.
Eine Unzumutbarkeit einer vorübergehenden Trennung des Antragstellers von seinem Sohn kann auch nicht der Bescheinigung des Kinderarztes Dipl. med. G., H., vom 20. März 2007 entnommen werden. Aus dieser Bescheinigung, die wenige Wochen nach der Einreise des Antragstellers erstellt worden ist, können konkrete Gefährdungen des Sohnes des Antragstellers im Falle einer kurzzeitigen Trennung nicht abgeleitet werden. Die Ausführungen des Arztes beziehen sich allgemein auf die eigenständige Bedeutung des Erziehungsbeitrages eines Vaters und gelte für den Fall, dass der Antragsteller nicht in Deutschland bleiben kann.
Ebenso greift der Einwand des Antragstellers, es lägen die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach Art. 4 der Richtlinie 2003/86 auch ohne Einhaltung der Visa-Vorschriften vor, nicht durch. Er macht im Hinblick hierauf geltend, diesem Anspruch stehe ein Verstoß gegen die Visa-Vorschriften nicht entgegen, weil Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie (Kapitel III der Richtlinie), der die Einhaltung der Visa-Bestimmungen vorsehe, nicht eingreife. Denn Art. 4 der Richtlinie verweise ausdrücklich auf Kapitel IV, nicht aber auf Kapitel III der Richtlinie, so dass der Verstoß gegen Visa-Vorschriften nicht zu seinen Lasten zu berücksichtigen sei.
Der Antragsteller kann jedoch aus Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a der Richtlinie 2003/86 des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. Nr. L 251 S. 12) nicht einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unabhängig von der Einhaltung des Visumverfahrens ableiten. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Bundesrepublik Deutschland als Adressat der Richtlinie ihrer Pflicht zur Umsetzung dieser Richtlinie bis zum 3. Oktober 2005 (Art. 20 Unterabs. 1 der Richtlinie) nicht vollständig nachgekommen ist, so dass eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie zugunsten von Familienangehörigen eines sich in der Bundesrepublik Deutschland rechtmäßig aufhaltenden Drittstaatsangehörigen (Zusammenführender, Art. 2 lit. c der Richtlinie) in Betracht kommt. Im Hinblick hierauf ist weiter davon auszugehen, dass die Regelung über die Gestattung der Einreise und des Aufenthalts eines Familienangehörigen des Zusammenführenden nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist. Eine unmittelbare Anwendung einzelner Richtlinienbestimmungen ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Richtlinie den Mitgliedsstaaten die Wahl hinsichtlich der Mittel zur Erreichung der Ziele der Richtlinie belässt (vgl. zu den Anforderungen einer unmittelbaren Anwendung einer nicht fristgerecht umgesetzten Richtlinie: Beschluss des Senats vom 18. Januar 2007 - 10 ME 44/07 -, NVwZ-RR 2007, 348; Schmidt, in: von der Groeben/Schwarze, Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - 6. Auflage 2004 -, Art. 249 Rdnr. 42; Ruffert, in: Callies/Ruffert, Kommentar zum EU-Vertrag und EG-Vertrag - 2. Auflage 2002 -, Art. 249 Rdnr. 73 ff.; Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag - 4. Auflage 2006 -, Art. 249 Rdnr. 13 mit weiteren Nachweisen; zur Richtlinie 2003/109/EG vgl. Hailbronner, a.a.O., § 53 Rdnr. 50). Ferner steht der unmittelbaren Anwendung bestimmter Regelungen einer gemeinschaftsrechtlichen Richtlinie, die nach Ablauf der Umsetzungsfrist nicht in nationales Recht umgesetzt worden ist, nicht entgegen, dass die Richtlinie den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit einräumt, die Begünstigung von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen (vgl. Kapitel IV der Richtlinie, das den Mitgliedsstaaten ermöglicht, die Einreise und den Aufenthalt des Familienangehörigen von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen). Insoweit kann ein Mitgliedsstaat, der seine Verpflichtung zur Umsetzung einer Richtlinie verletzt hat, nicht die durch die Richtlinie begründeten Rechte des Einzelnen unter Berufung darauf abwehren, dass er von der in der Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit einer einschränkenden oder versagenden Regelung im Falle der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht Gebrauch gemacht hätte (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - C 6/90 -, [...];Urteil vom 29. April 2004 - C 102/02 -, [...]; Urteile vom 14. Juli 2005 - C 42/04 und C 141/04 -; Beschluss des Senats vom 18. Januar 2007, a.a.O.).
Jedoch sieht Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie zwingend vor, dass der Antrag auf Einreise und Aufenthalt des Familienangehörigen zu stellen ist, wenn er sich noch außerhalb des Hoheitsgebiets des Mitgliedsstaats der Europäischen Union aufhält, in dem der Zusammenführende sich aufhält. Dies entspricht dem in § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG bestimmten Erfordernis, dass der Ausländer mit dem notwendigen Visum in das Bundesgebiet eingereist ist, mithin das Verfahren auf Erteilung der Einreisegenehmigung vom Ausland aus betrieben hat. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die in Kapitel III der Richtlinie aufgenommene Regelung des Art. 5 Abs. 3 auch in Fällen der Familienzusammenführung nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie anzuwenden. Aus der Regelung in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie, dass die Gestattung vorbehaltlich der in Kapitel IV sowie in Art. 16 genannten Bedingungen zu erteilen ist, kann nicht geschlossen werden, dass die Bestimmungen des Kapitels III der Richtlinie unbeachtlich wären. Insoweit ist festzustellen, dass die Regelungen in Kapitel IV und Art. 16 der Richtlinie es den Mitgliedsstaaten eröffnen, die Gestattung zur Einreise und zum Aufenthalt von Familienangehörigen im Mitgliedsstaat in materieller Hinsicht von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen und Versagungsgründe vorzusehen. Demgegenüber regelt Kapitel III das Verfahren für die Erteilung der Gestattung. Die hierin bestimmten Anforderungen sind auch in den Fällen der Familienzusammenführung nach Art. 4 der Richtlinie stets zu beachten. Dies wird durch die Regelung in Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie bestätigt, die ausdrücklich die Anwendbarkeit des Art. 5 in Fällen der Familienzusammenführung von Flüchtlingen (Kapitel V der Richtlinie) bestimmt. Hieraus ist zu folgern, dass sich das Kapitel III gerade auf die Gestattungen von Einreise und Aufenthalt für Familienangehörige von Drittstaatsangehörigen, die nicht Flüchtlinge im Sinne des Art. 2 lit. b der Richtlinie sind, bezieht; einen anderen Anwendungsbereich eröffnet die Richtlinie nicht. Daneben ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie, dass die Genehmigung der Einreise des Familienangehörigen stets die vorherige Durchführung eines Antragsverfahrens voraussetzt, wobei der Familienangehörige sich noch im Ausland aufgehalten hat.