Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.07.2007, Az.: 12 ME 252/07

Prüfung der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet; Frage der Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung bei fehlender Sicherstellung des Lebensunterhalts aus eigenen Mitteln; Frage der entsprechenden Anwendung des § 10 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im Rahmen des § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.07.2007
Aktenzeichen
12 ME 252/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 40205
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2007:0726.12ME252.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 11.06.2007 - AZ: 5 B 55/07

Fundstelle

  • ZAR 2008, 69 (red. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

Zur Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet.

Gründe

1

Die am 28. Dezember 1985 geborene Antragstellerin ist pakistanische Staatsangehörige. Sie reiste im Mai 2002 mit einem Visum zur Familienzusammenführung zu ihrer in der Bundesrepublik Deutschland seit dem Jahre 1994 wohnhaften Mutter ein. Von der seinerzeit zuständigen Ausländerbehörde wurde ihr eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die zuletzt bis zum 13. Januar 2006 verlängert worden war. Eine weitere Verlängerung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 23. November 2006 ab, weil die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln sicherstellen könne und ihr Aufenthalt noch nicht derart verfestigt sei, dass ihr eine Rückkehr in ihr Heimatland unzumutbar wäre. Den Antrag der Antragstellerin, ihr vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. Januar 2007 (5 B 138/06) ab; die dagegen erhobene Beschwerde blieb erfolglos (Senat, Beschluss v. 21.2.2007 - 12 ME 115/07, 12 PA 117/07). Mit einem weiteren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes machte die Antragstellerin geltend, sie habe inzwischen einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen, wonach sie eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 800,-- EUR erhalte. Ferner stellte sie im Februar 2007 aus der Abschiebehaft heraus einen Asylantrag. Das Verwaltungsgericht lehnte durch Beschluss vom 21. Februar 2007 (5 B 19/07) den Antrag der Antragstellerin auf Abänderung des Beschlusses vom 10. Januar 2007 ab. Auf die Beschwerde der Antragstellerin änderte der Senat die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts vom 21. Februar und 10. Januar 2007 teilweise und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23. November 2006 an, weil eine gesicherte Prognose über die zukünftige wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin im Bundesgebiet derzeit nicht möglich sei, an der Rechtmäßigkeit der die Aufenthaltserlaubnis ablehnenden Entscheidung indes inzwischen so erhebliche Zweifel bestünden, dass das Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung ihrer Ausreisepflicht das entgegenstehende öffentliche Vollzugsinteresse überwiege (Beschl. v. 14.3.2007 - 12 ME 143/07). Mit Bescheid vom 1. März 2007 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag der Antragstellerin gemäß § 30 Abs. 3 AsylVfG als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AsylVfG offensichtlich nicht und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen, setzte eine Ausreisefrist und drohte die Abschiebung nach Pakistan an. Die dagegen erhobene Klage nahm die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 21. März 2007 zurück. Im Anschluss daran wies das Verwaltungsgericht darauf hin, dass nach Bestandskraft des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nunmehr die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegenstehen dürfte.

2

Der Antragsgegner hat am 9. Mai 2007 gestützt auf § 80 Abs. 7 VwGO beantragt, unter Abänderung des Beschlusses des Senats vom 14. März 2007 den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen seinen Bescheid vom 23. November 2006 abzulehnen, weil sich neue Umstände ergeben hätten und im Hinblick auf den inzwischen rechtskräftig abgelehnten Asylantrag eine Aufenthaltserlaubnis nicht mehr erteilt werden könne. Das Verwaltungsgericht hat daraufhin seine Beschlüsse vom 21. Februar 2007 und 10. Januar 2007 in der Gestalt des Beschlusses des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. März 2007 gemäß § 80 Abs. 7 VwGO teilweise geändert und die Anträge der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung heißt es: Da der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 1. März 2007 infolge Klagerücknahme der Antragstellerin bestandskräftig geworden sei, hätten sich die maßgeblichen Umstände nach dem Beschluss des Senats vom 14. März 2007 entscheidungserheblich geändert. § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sehe in den Fällen, in denen wie hier ein Asylantrag bestandskräftig gemäß § 30 Abs. 3 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sei, vor, dass vor der Ausreise des Ausländers kein Aufenthaltstitel erteilt werden dürfe. Demgegenüber betreffe § 10 Abs. 2 AufenthG ein anhängiges, nicht aber wie § 10 Abs. 3 AufenthG ein abgeschlossenes Asylverfahren. Das Gesetz sehe in diesen Fällen ein so erhöhtes Interesse an der Aufenthaltsbeendigung, dass es überhaupt keine Möglichkeit zur Legalisierung des Aufenthaltes mehr geben solle, weil vermutet werde, dass das Asylverfahren missbräuchlich in Anspruch genommen werde. Die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG finde nur im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG keine Anwendung. Dabei setze diese Vorschrift einen sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Anspruch voraus, so dass ein Anspruch auf Grund einer sog. Ermessensreduzierung auf null nicht genüge. Bei den für die Antragstellerin allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen des § 34 Abs. 3 und § 25 Abs. 5 AufenthG sei die Entscheidung des Antragsgegners aber jeweils in das pflichtgemäße Ermessen gestellt. Unabhängig davon seien auch keine Gesichtspunkte zu erkennen, die eine Ermessensreduzierung auf null rechtfertigen könnten. Auch bei einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts stehe die Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im Ermessen des Antragsgegners.

3

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

4

Die dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen die Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses nicht.

5

Soweit das Verwaltungsgericht die zuvor ergangenen Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO teilweise geändert und der Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz nunmehr versagt hat, beruht die Entscheidung auf § 80 Abs. 7 VwGO. Danach kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach Abs. 5 jederzeit ändern oder aufheben und jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter Umstände beantragen. Einen solchen Antrag hatte der Antragsgegner im Hinblick auf die seit der Entscheidung des Senats vom 14. März 2007 veränderten Umstände mit der Folge gestellt, dass im Fall der Aufhebung oder Änderung erneut über den Aussetzungsantrag der Antragstellerin zu entscheiden war.

6

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (nunmehr) die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegensteht. § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bestimmt zunächst, dass einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden darf. Sofern der Asylantrag - wie hier - nach § 30 Abs. 3 AsylVfG, also als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden (§ 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG).

7

Die Antragstellerin meint, die Anwendung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erscheine auf den vorliegenden Fall sinnwidrig; insbesondere gehe es hier nicht darum, einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden sei, anschließend einen Aufenthaltstitel zu erteilen, sondern um die Frage, ob die bereits vor der Asylantragstellung vorhandene Aufenthaltserlaubnis zu verlängern sei. Danach unterscheidet das Gesetz indes nicht. Es stellt allein darauf ab, dass der Asylantrag als offensichtlich unbegründet unanfechtbar abgelehnt worden ist. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass in diesen Fällen ein gesteigertes Interesse an der Aufenthaltsbeendigung besteht, weil eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Asylverfahrens vermutet wird. Demgegenüber kann sich die Antragstellerin nicht auf § 10 Abs. 2 AufenthG berufen. Diese Vorschrift stellt eine Sonderregelung zu § 10 Abs. 1 AufenthG dar. Danach kann ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat. Eine Verlängerung ist mithin ungeachtet des eingeleiteten und noch nicht bestandskräftig beendeten Asylverfahrens möglich (vgl. Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Zimmermann-Kreher, Kommentar zum Zuwanderungsgesetz, § 10 Rn. 5; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 10 AufenthG Rn. 8). Während also Abs. 2 sicherstellen will, dass auch die Verlängerung während des Asylverfahrens statthaft bleibt, ist diese Vergünstigung nicht mehr gerechtfertigt, wenn bereits feststeht, dass es für die Inanspruchnahme des Asylverfahrens an jeglicher Grundlage fehlt. Darin liegt zugleich der Grund dafür, dass der Asylbewerber nach Abschluss des Asylverfahrens schlechter gestellt wird als vor diesem Zeitpunkt. Deshalb scheidet auch eine entsprechende Anwendung des § 10 Abs. 2 AufenthG im Rahmen des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aus (a.A. offenbar Discher in: GK-AufenthG, Bd. 1, § 10 Rn. 89). Gegen eine solche Anwendung spricht auch die systematische Stellung, in der die Absätze 1 bis 3 des § 10 AufenthG stehen. Soweit die Antragstellerin unter Bezugnahme auf eine Äußerung in der Literatur (Marx, Ausländer- und Aufenthaltsrecht, 2. Aufl., § 10 Rn. 110, S. 120) darauf verweist, dass der nachträglich gestellte Asylantrag die Verlängerung des Aufenthaltstitels nicht sperre, wenn der Antragsteller mit einem mit Zustimmung der Ausländerbehörde erteilten Visum einreise, so kann sie daraus zu ihren Gunsten nichts herleiten. Diese Ausführungen betreffen - wie der Zusammenhang ergibt - einen gestellten Asylantrag und das noch anhängige Asylverfahren. Darum geht es hier - wie ausgeführt - jedoch nicht.

8

Allerdings finden die Sätze 1 und 2 des § 10 Abs. 3 AufenthG im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung (§ 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG). Nach ganz herrschender Auffassung (vgl. dazu nur Nds. OVG, Beschl. v. 17.11.2006 - 11 LA 135/06 - m.w.N., V.n.b.; Discher, a.a.O., Rn. 171 ff.) setzt § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG aber einen sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Anspruch voraus, so dass ein Anspruch auf Grund einer sog. Ermessensreduzierung auf Null nicht genügt. Mit dieser ebenfalls vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung setzt sich die Beschwerde nicht substantiiert auseinander. Dies gilt gleichermaßen für die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass keine Gesichtspunkte erkennbar seien, die eine Ermessensreduzierung auf Null rechtfertigen könnten. Insoweit ist im Übrigen ergänzend anzumerken, dass die Antragstellerin eine eigenständige Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht widerspruchsfrei nachgewiesen hat. Zwar hat sie mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 14. Mai 2007 eine Abrechnung ihrer Bezüge für April 2007 vorgelegt, allein damit kann aber die Sicherung ihres Lebensunterhalts für die Zukunft nicht ausreichend belegt werden. Zudem lautet die Abrechnung - anders als zuvor vorgetragen - nicht auf eine Vergütung von 800,- EUR brutto, sondern von 1.033,36 EUR brutto (= 800,- EUR netto). Ob dies bei kostenfreier Wohnung und Verpflegung - wie sie die Antragstellerin nach Erklärung ihres Arbeitgebers erhält - eine angemessene Vergütung für eine Tätigkeit als Küchenhilfe darstellt, erscheint ebenfalls zweifelhaft. Die damit verbundenen Unklarheiten gehen zu Lasten der Antragstellerin.

9

Da aus den vorgenannten Gründen und unter den nunmehr gegebenen Umständen das öffentliche Vollzugsinteresse das gegenläufige Interesse der Antragstellerin überwiegt, war auch die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten zurückzuweisen (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).