Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 19.01.2015, Az.: 10 A 13066/14

Bekanntgabe; Hundehaltung; Nachfolge; Polizeipflicht; Rechtsnachfolge; Zustandsverantwortlichkeit

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
19.01.2015
Aktenzeichen
10 A 13066/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 45213
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Eine durch bestandskräftigen Verwaltungsakt konkretisierte Polizeipflicht, die einem Hund als Sache anhaftet, geht bei einem Wechsel des Halters mit der Zustandsverantwortlichkeit auf den neuen Halter über.
2. Wird mittels Bekanntgabe des bestandskräftigen Verwaltungsakts gegenüber dem neuen Halter die Nachfolge in die Polizeipflicht durch Verwaltungsakt festgestellt, kann dieser Verwaltungsakt nur mit Einwendungen gegen die (Rechts-)Nachfolge in die Verantwortlichkeit angegriffen werden.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger ist seit dem 1. Mai 2012 Halter eines Boxer-Staffordshire-Mischlingsrüden mit dem Namen Whizzler (phonetisch). Zuvor war der Sohn des Klägers Halter dieses Hundes. Dem Sohn gab der damals zuständige Landkreis Schaumburg mit bestandskräftigem Bescheid vom 17. März 2011 gemäß § 13 des Niedersächsischen Gesetzes über das Halten von Hunden vom 12. Dezember 2002 (Nds. GVBl. 2003, 2), geändert durch Gesetz vom 30. Oktober 2003 (Nds. GVBl. S. 367) – NHundG a. F. –, unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, den Hund außerhalb nicht ausbruchsicher eingezäunter Grundstücke im öffentlichen Verkehrsraum ausschließlich mit Halsband, stabiler Leine von max. 2 Meter und mit Maulkorb zu führen (Anordnung zu 1.), und den Hund im öffentlichen Verkehrsraum nur von Personen führen zu lassen, die körperlich geeignet sind, das Tier, wie unter 1. ausgeführt, sicher zu beherrschen (Anordnung zu 2.). Zur Begründung der getroffenen Maßnahmen wurde darauf verwiesen, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehe. Es sei bereits zu mehreren Beißvorfällen zum Nachteil anderer Hundehalter und deren Tieren gekommen. Der Hund zeige zudem seinem Halter gegenüber keinerlei Unterordnung und Gehorsam. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 11. April 2012 untersagte die Stadt Bückeburg dem Sohn des Klägers die Haltung des Hundes.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. September 2012 teilte die Beklagte dem Kläger die Anordnungen zu 1. und zu 2. des Bescheides des Landkreises Schaumburg vom 17. März 2011 mit. Die Beklagte führte weiter aus, dass die Anordnungen dieses bestandskräftigen Bescheides auch von dem Kläger als neuem Hundehalter  zu befolgen seien.

Gegen den Bescheid vom 21. September 2012 hat der Kläger am 19. Oktober 2012 Klage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht – 10 B 6005/12 –.

Der Kläger hält den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig. In der Verfügung habe die Beklagte eine neue Sachentscheidung getroffen, die formal und inhaltlich voll überprüfbar sei. Durch die neuerliche Entscheidung sei die Bestandkraft der gegenüber seinem Sohn ergangenen Entscheidung durchbrochen worden. Die neuerliche Entscheidung sei auch materiell rechtswidrig.

Die bloße Bezugnahme auf einen früheren Bescheid sei nicht ausreichend. Soweit dieser frühere nach dem NHundG in der bis 30. Juni 2011 geltenden Fassung ergangen sei, fehle es dem nun streitgegenständlichen Bescheid schon an einer Rechtsgrundlage, weil diese Normen nicht mehr gälten.

Die Beklagte habe außerdem ihr Ermessen nicht ausgeübt. Schließlich seien auch die materiellen Voraussetzungen einer neuerlichen Anordnung nicht erfüllt. Der Landkreis habe ausdrücklich keine Feststellung getroffen, dass der Hund gefährlich sei. Der Kläger habe selbst zu keinem Zeitpunkt gegen Vorschriften des NHundG verstoßen. Für die Annahme, dass er körperlich nicht in der Lage sei, den Hund sicher zu führen, bestehe kein Anhalt. Er sei außerdem Besitzer eines Jagd- und Waffenscheins, was seine persönliche Zuverlässigkeit belege.

Die geltende Rechtslage lasse im Übrigen nicht zu, das Tragen eines Halsbandes und die Länge der zu verwendenden Leine durch Anordnung zu regeln.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 21. September 2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die gegenüber dem Sohn des Klägers ergangene Anordnung sei durch die Bezugnahme Bestandteil der angefochtenen Verfügung. Sie sei auch inhaltlich gegenüber dem Kläger weiter erforderlich und angemessen, weil sie sich auf den Hund und nicht ausschließlich auf den Halter oder die Hund-/Halterkombination beziehe. Dem Kläger sei angeboten worden, durch eine Begleithundeprüfung nachzuweisen, dass von dem Hund keine Gefahr mehr ausgehe. Dies habe er aber abgelehnt.

Den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht mit Beschluss vom 28. Dezember 2012 abgelehnt; die dagegen eingelegte Beschwerde des Klägers wies das Nds. Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. März 2013 – 11 ME 34/13 – zurück. Der Antrag sei unzulässig, weil bereits die Klage aufschiebende Wirkung entfalte. Mit der aufschiebenden Wirkung der Klage sei allerdings nicht die Rechtsfolge verbunden, dass der Kläger nunmehr vorläufig die ursprünglich seinem Sohn aufgegebenen Pflichten nicht mehr zu befolgen habe. Ein Verwaltungsakt, mit dem eine bestandskräftig konkretisierte Pflicht, die aus der Zustandsverantwortlichkeit herrührt, dem Rechtsnachfolger bekanntgegeben wird, sei nur hinsichtlich des Überganges dieser Pflicht anfechtbar und deshalb beispielsweise mit dem Einwand fehlender Rechtsnachfolge angreifbar. Den dem Rechtsvorgänger aufgegebenen Pflichten sei uneingeschränkt nachzukommen. Der Kläger sei deshalb verpflichtet, den Hund außerhalb ausbruchsicher eingezäunter Grundstücke im öffentlichen Verkehrsraum ausschließlich mit Halsband, stabiler Leine mit einer Länge von max. 2 Meter und mit Maulkorb zu führen.

Unter dem 21. Mai 2013 teilte der Kläger mit, er beabsichtige mit dem Hund einen Wesenstest durchzuführen und beantragte das Ruhen des Verfahrens. Die Beklagte schloss sich dem Ruhensantrag an. Mit Schriftsatz vom 17. November 2014 beantragte die Beklagte die Wiederaufnahme des Verfahrens, nachdem der Kläger bis dahin weder das Ergebnis eines erfolgreich abgelegten Wesenstests, noch das Ergebnis einer erfolgreichen Sachkundeprüfung vorgelegt hatte.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben, aus Kostengründen von einer Begleithundeprüfung abgesehen zu haben. Sein Jagdschein und Waffenschein seien ihm Zuverlässigkeitsnachweis genug.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt der Gerichtsakte war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem die Kammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21. Dezember 2012 zur Entscheidung übertragen hat (§ 6 Abs. 1 VwGO).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21. September 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 des Niedersächsischen Gesetzes über das Halten von Hunden vom 26. Mai 2011 (Nds. GVBl. S. 130) – NHundG –. Danach überwacht die Gemeinde die Einhaltung der §§ 2 bis 6 und 14 NHundG und kann die zur Einhaltung des Gesetzes erforderlichen Maßnahmen treffen, insbesondere dem Halter aufgeben, den Hund außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke anzuleinen oder mit einem Beißkorb zu versehen.

Aus der Pflicht der Gemeinde zur Überwachung der Einhaltung insbesondere von § 2 NHundG folgt auch die Befugnis, bei einem Wechsel des Hundehalters sicherzustellen, dass Anordnungen nach § 17 Abs. 4 NHundG weiter befolgt werden.

Der Hund des Klägers war Gegenstand der – auf Grundlage von § 13 des Niedersächsischen Gesetzes über das Halten von Hunden vom 12. Dezember 2002 (Nds. VBl. 2003, 2), geändert durch Gesetz vom 30. Oktober 2003 (Nds. GVBl. S. 367) – NHundG a. F. –, ergangenen Ordnungsverfügung des Landkreises Schaumburg vom 17. März 2011, die sich gegen den Sohn des Klägers als damaligem Hundehalter richtete. Mit dieser Verfügung ist dem Sohn des Klägers gegenüber eine Polizeipflicht konkretisiert worden, die ihre Grundlage in einer dem Hund anhaftenden Gefahr im polizeirechtlichen Sinne hatte.

Nachdem dem Sohn des Klägers das weitere Halten des Hundes verboten worden war, hat der Kläger den Hund übernommen und ist als dessen Halter nun zustandsverantwortlich im Sinne des § 7 Abs. 1 Nds. SOG. Denn eine durch bestandskräftigen Verwaltungsakt konkretisierte Polizeipflicht geht wie die Zustandsverantwortlichkeit für die Sache bei einem Eigentumswechsel oder einer Übertragung der Sachgewalt auf den Rechtsnachfolger über (Denninger, in: Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Buchst. D, Rn. 125; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl. 2012, § 9, Rn. 53 ff.; Stadie, DVBl. 1990, 501, 507; BVerwG, Urt. v. 22.1.1971 - IV C 62.66 -, NJW 1971, 1624, juris, Rn. 18, zur Wirksamkeit einer Beseitigungsanordnung gegenüber dem Gesamtrechtsnachfolger im Bauordnungsrecht, vgl. auch § 79 Abs. 1 Satz 5 NBauO).

Ob dieser Pflichtenübergang bereits mit dem Halterwechsel am 1. Mai 2012 eingetreten ist oder erst durch die Bekanntgabe dieser Pflichten gegenüber dem Kläger begründet wird, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Bekanntgabe ist durch den hier streitgegenständlichen Bescheid erfolgt. Dem steht auch die aufschiebende Wirkung der Klage nicht entgegen, weil die Bekanntgabe ein tatsächlicher Vorgang ist, der von der aufschiebenden Wirkung nicht betroffen ist. Zugleich gelten die mit dem Bescheid vom 17. März 2011 angeordneten Pflichten schon aufgrund von Nr. 2 der Verfügung gegenüber jedermann und damit auch gegenüber dem Kläger.

Die materiellen Einwände des Klägers gegen die angefochtene Verfügung greifen nicht durch. Ein Verwaltungsakt, mit dem eine bestandskräftig konkretisierte Pflicht, die aus der Zustandsverantwortlichkeit herrührt, dem Rechtsnachfolger bekanntgegeben wird, ist nur hinsichtlich des Überganges dieser Pflicht anfechtbar und deshalb beispielsweise mit dem Einwand fehlender Rechtsnachfolge angreifbar (Gusy, Polizeirecht, 8. Aufl. 2011, Rn. 364; Denninger, a.a.O., Buchst. D, Rn. 124). Einwände gegen seine Zustandsverantwortlichkeit und die damit einhergehende Rechtsnachfolge in die konkrete Polizeipflicht hat der Kläger nicht geltend gemacht.

Seine Einwände sind auch im Übrigen nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung in Frage zu stellen; insbesondere ist es unbeachtlich, dass der Landkreis Schaumburg nicht die Gefährlichkeit des Hundes festgestellt hat.

Das folgt schon aus dem Regelungszusammenhang des NHundG sowohl in der bis zum 30. Juni 2011 geltenden Fassung als auch nach dem gegenwärtig geltenden Recht. Denn polizeiliche Anordnungen setzen danach nicht die Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes voraus; insofern ist die Gefährlichkeit eines Hundes im Sinne des § 7 NHundG etwas anderes als eine durch einen Hund verursachte Gefahr im polizeirechtlichen Sinne. Das zeigen schon die unterschiedlichen Rechtsfolgen, die § 7 NHundG an die Feststellung der Gefährlichkeit und § 17 Abs. 4 NHundG an das Vorliegen einer polizeirechtlichen Gefahr knüpfen.

Im Übrigen ist die dem Kläger gegenüber verbindliche Feststellung der durch den Landkreis Schaumburg gegenüber dem ursprünglichen Hundehalter getroffenen Anordnungen entgegen seiner Auffassung keine neue Sachentscheidung (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 22.3.2013 – 11 ME 34/13 –). Dass die Verfügung des Landkreises Schaumburg auf einer zwischenzeitlich neugefassten Rechtsgrundlage ergangen ist, steht ihrer Bestandskraft nicht entgegen; auch eine (ohnehin nicht erforderliche) Gefährlichkeit des Hundes oder Fragen der Sachkunde (§ 3 NHundG) und der persönlichen Zuverlässigkeit (§ 11 NHundG) hatte die Beklagte nicht zu prüfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Gründe, gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4, § 124 a Abs. 1 VwGO die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Weder hat der Rechtsstreit über den konkreten Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung, noch weicht das Gericht von der Rechtsprechung der dort genannten Obergerichte ab.