Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 26.01.2015, Az.: 13 A 10973/14
überzahlte Dienstbezüge; Entreicherung; Mitteilungspflicht; Schadenersatz
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 26.01.2015
- Aktenzeichen
- 13 A 10973/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 44805
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 12 BBesG
- § 48 BeamtStG
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
Der Kläger, ein Polizeibeamter im Rang eines Polizeikommissars, wendet sich gegen seine Inanspruchnahme auf Schadenersatz, weil er eine Änderung in seinen familiären Verhältnissen nicht rechtzeitig mitgeteilt hat.
Der Kläger ist verheiratet, seine Ehefrau ist ebenfalls im öffentlichen Dienst beschäftigt. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, für die dem Grunde nach beide Ehepartner hinsichtlich des Kindergeldes anspruchsberechtigt sind.
Der Kläger hat während des Zusammenlebens der Familie Kindergeld und den kinderbezogenen Familienzuschlag erhalten.
Seit Juli 2012 lebt der Kläger getrennt von Ehefrau und Kindern. Im hier streitigen Zeitraum vom 01.07.2012 bis 28.02.2013 bezog er jedoch weiterhin Kindergeld und den Kinderanteil im Familienzuschlag.
Erst am 21.01.2013 teilte der Kläger der OFD Niedersachsen mit, dass er getrennt lebe Beiakte A Bl. 2). Seine Ehefrau erklärte am 04.03.2013, dass sie am 18.02.2013 einen Antrag auf Kindergeld gestellt habe. Für den Zeitraum von Juli 2012 bis Februar 2013 sehe sie ihren Kindergeldanspruch als erfüllt an, weil ihr Ehemann das erhaltene Kindergeld an sie weitergeleitet habe. Die OFD Niedersachsen zahlte ihr im April 2013 rückwirkend ab Juli 2012 den Familienzuschlag für zwei Kinder aus.
Zunächst forderte die OFD Niedersachsen mit Bescheid vom 06.05.2013 nach § 12 Abs. 2 BBesG iVm. §§ 812 ff. BGB vom Kläger überzahlte Dienstbezüge (kinderbezogener Anteil im Familienzuschlag) für die Zeit vom Juli 2012 bis Februar 2013 iHv. von zunächst 2.039,82 €, später reduziert auf 1.839,84 € zurück. Den hiergegen erhobenen Widerspruch, indem sich der Kläger auf Entreicherung berief, gab die OFD statt und stellte für den hier strittigen Zeitraum die Entreicherung des Klägers fest.
Mit Schreiben vom 13.03.2014 hörte die Beklagte den Kläger zu einer geplanten Schadenersatzforderung an und wies auch auf das Recht hin, die Beteiligung des Personalrates zu beantragen. Der Kläger äußerte sich unter dem 02.04.2012. Eine Beteiligung des Personalrates beantragte er nicht.
Mit Bescheid vom 08.07.2014, zugestellt am 09.07.2014, forderte die Beklagte vom Kläger einen Betrag von 1.839,84 € als Schadenersatz. Der Kläger habe grob fahrlässig seine Pflicht zur Mitteilung zur Mitteilung seiner geänderten familiären Verhältnisse verletzt. Dadurch sei es zu einer Überzahlung der Dienstbezüge gekommen.
Der Kläger hat am 01.08.2014 Klage erhoben.
Er trägt vor, er habe nicht grob fahrlässig gehandelt und legt eine fachpsychiatrische Stellungnahme der Fachärztin S. ohne Datum (Bl. 13 GA), eine Bescheinigung des BTZ vom 15.08.2013 (Bl. 14 GA) und einen Befundbericht des Arztes Dr. L. vom 21.07.2014 (Bl. 26 GA) vor. Später trug er durch seine jetzigen Prozessbevollmächtigten weiter vor, die OFD habe den Mangel des rechtlichen Grundes als nicht offensichtlich iSd § 12 BBesG eingeschätzt. Entsprechend könne man auch keine grobe Fahrlässigkeit annehmen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 08.07.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Rechtsgrundlage ihres Bescheides sei § 48 BeamtStG. Der Kläger habe grob fahrlässig seine Mitteilungspflichten verletzt und dadurch den Schaden verursacht. Die Beklagte hält die vorgetragenen gesundheitlichen Gründe nicht für schuldmindernd.
Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage des Leistungsbescheides der Beklagten ist § 48 Satz 1 BeamtStG. Danach haben Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, ihrem Dienstherrn den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Verfahrensfehler sind nicht feststellbar. Eine Beteiligung des Personalrates konnte unterbleiben, weil der Kläger trotz entsprechenden Hinweises die Beteiligung nicht beantragte. Zur Rückforderung wurde er zuvor auch gehört.
Unstreitig ist ein Beamter verpflichtet, seinem Dienstherrn Mitteilung über familiäre Veränderungen zu machen, die Auswirkungen auf die Höhe der Amtsbezüge haben. Der Auszug des Klägers aus dem bisherigen gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern ist ein Umstand, der entsprechende Auswirkungen hatte. Das ergibt sich aus Folgendem:
Nach § 1 Abs. 2 NBesG i.V. m. § 40 Abs. 2 BBesG gehören zur Stufe 2 und den folgenden Stufen (kinderbezogene Anteile im Familienzuschlag) Beamte, denen Kindergeld zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder 65 des EStG zustehen würde. Hiernach ist der Kläger zwar dem Grunde nach auch für den kinderbezogenen Anteil im Familienzuschlag (Stufe 2 und folgende) anspruchsberechtigt. Jedoch bestimmt Abs. 5 der Vorschrift, dass, wenn neben dem Beamten einer anderen Person, die im öffentlichen Dienst steht, ebenfalls der Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen zustehen würde, der auf die Kinder entfallende Betrag des Familienzuschlages nur dann dem Beamten und nicht der anderen Person gewährt wird, wenn und soweit ihm, dem Beamten, das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz gewährt wird oder ohne Berücksichtigung des § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 4 des Bundeskindergeldgesetzes vorrangig zu gewähren wäre. Kindergeld stand hier aber nach § 64 Abs. 2 EStG ab Juli 2012 der Ehefrau des Klägers zu, weil nach dem Auszug des Klägers aus der bisherigen gemeinsamen Wohnung die Kinder nur noch im Haushalt der Ehefrau aufgenommen waren.
Unstreitig hat der Kläger die Mitteilung des Getrenntlebens nicht im engen zeitlichen Zusammenhang mit seinem Auszug gemacht, sondern erst Ende Januar 2013. Er hat damit seine Dienstpflicht verletzt.
Durch die verspätete Mitteilung des Klägers ist dem Dienstherrn ein Schaden entstanden. Denn der Kläger hat in der Zeit vom Juli 2012 bis einschließlich Februar 2013 den Familienzuschlag der Stufen 2 und 3 erhalten, obwohl dieser Zuschlag in dieser Zeit bereits seiner getrenntlebenden Ehefrau zustand, mithin wurden seine Amtsbezüge insoweit überzahlt. Gleichzeitig hat für denselben Zeitraum auch die Ehefrau des Klägers den kinderbezogenen Anteil im Familienzuschlag erhalten. Das Land Niedersachsen hat nach alledem den Familienzuschlag in diesem Zeitraum doppelt gezahlt, obwohl er nur einmal zu gewähren gewesen wäre. Eine Rückforderung der beim Kläger überzahlten Bezüge nach § 12 BBesG ist nicht möglich, weil durch Bescheid der OFD Niedersachsen vom 08.08.2013 bestandskräftig festgestellt ist, dass sich der Kläger insoweit auf Entreicherung berufen kann.
Die Höhe des Schadens wurde vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Ein Fehler in der Berechnung ist auch nicht ersichtlich.
Zu Recht wertet die Beklagte die o.a. Pflichtverletzung des Klägers als grob fahrlässig. Der Kläger ist Beamter des früheren gehobenen Dienstes. Bei einem Beamten mit diesem Status muss das Wissen, dass Änderungen der familiären Verhältnisse zu Veränderungen bei den Amtsbezügen führen können, vorausgesetzt werden. Immerhin werden Beamte regelmäßig belehrt, dass sie alle derartigen Umständen mitzuteilen haben. Im Zweifel hätte zumindest der Kläger nachfragen müssen. Dies hat er nicht getan.
Aus den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ergeben sich keine Anhaltspunkte für schuldausschließenden oder schuldmindernde Umstände.
Der Umstand, dass die OFD Niedersachsen bestandskräftig festgestellt hat, dass eine Rückforderung nach § 12 BBesG nicht möglich ist, steht einer Inanspruchnahme des Klägers nach § 48 BeamtStG nicht entgegen.
Schon mit Urteil vom 17.12.1963 - II C 24.62 - hat das BVerwG zu dieser Rechtsfrage unter Geltung der seinerzeitigen, aber vergleichbaren Vorschriften u.a. ausgeführt: „Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß in den Fällen, in denen die Überzahlung von Dienst- oder Versorgungsbezügen durch ein Verhalten des Empfängers verursacht worden ist, das sich als eine schuldhafte Verletzung seiner "Amtspflicht" darstellt, die Rückforderung des überzahlten Betrages -- ungeachtet des § 87 Abs. 2 BBG -- auf § 23 Abs. 1 DBG gestützt werden kann. Die Rückforderung auf Grund des § 23 Abs. 1 DBG könnte allerdings dann ausgeschlossen sein, wenn § 87 Abs. 2 BBG im Verhältnis zu der mit § 23 Abs. 1 DBG wörtlich übereinstimmenden Vorschrift des § 78 Abs. 1 BBG u.F. in Fällen der vorliegenden Art als eine die Anwendung des § 78 Abs. 1 BBG u.F. verdrängende Spezialvorschrift anzusehen wäre mit der Folge, dass die Rückforderung des überzahlten Betrages ausgeschlossen ist, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist, es sei denn, dass er den Mangel des rechtlichen Grundes kannte oder der Mangel so offensichtlich war, dass er ihn hätte erkennen müssen. § 87 Abs. 2 BBG ist aber in solchen Fällen nicht als eine -- § 78 Abs. 1 BBG u.F. (= § 23 Abs. 1 DBG) verdrängende -- Spezialvorschrift anzusehen. Die Vorschrift des § 87 Abs. 2 BBG geht von der Tatsache der Überzahlung von Dienstbezügen aus. Sie regelt nicht nur die Folgen einer Bösgläubigkeit des die Überzahlung empfangenden Beamten bei oder nach Empfang der zuviel gezahlten Bezüge, sondern -- in Erweiterung des § 819 BGB -- auch die Folgen einer Gutgläubigkeit des Beamten, die darauf beruht, daß er bei oder nach Empfang der zuviel gezahlten Bezüge die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in gröblicher Weise außer Acht gelassen hat ("wenn der Mangel (des rechtlichen Grundes) so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen"). § 87 Abs. 2 BBG kann somit schon deshalb, weil diese Vorschrift nur auf das Verhalten des Empfängers bei und nach Empfang des überzahlten Betrages abstellt, die Anwendung des § 78 Abs. 1 BBG u.F. (= § 23 Abs. 1 DBG) jedenfalls nicht in den Fällen ausschließen, in denen der Empfänger -- wie hier der Kläger -- die Überzahlung durch sein Verhalten vor dem Empfang des zu viel gezahlten Betrages verursacht hat. Der schon hiernach gerechtfertigten Auffassung, daß § 87 Abs. 2 BBG nicht eine die Anwendung des § 78 Abs. 1 BBG u.F. (= § 23 Abs. 1 DBG) stets ausschließende Spezialvorschrift darstellt, könnte nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, der durch § 87 Abs. 2 BBG bestimmten Ausweitung der in § 819 Abs. 1 BGB vorgesehenen Herausgabepflicht auf den Fall grobfahrlässiger Unkenntnis des Beamten vom Mangel des rechtlichen Grundes für die Überzahlung hätte es nicht bedurft, wenn der Gesetzgeber dem Dienstherrn daneben noch einen Schadensersatzanspruch nach § 78 Abs. 1 BBG u.F. (= § 23 Abs. 1 DBG) wegen leicht fahrlässiger Amtspflichtverletzung gegen den Beamten hätte gewähren wollen. Bei einem solchen Einwand würde zunächst übersehen, daß diese Ausweitung der Herausgabepflicht durch § 87 Abs. 2 BBG auch Fälle betrifft, in denen der Beamte die an ihn geleistete Überzahlung nicht selbst schuldhaft verursacht hat und schon deshalb dem Dienstherrn nicht nach § 78 Abs. 1 BBG u.F. (= § 23 Abs. 1 DBG) ersatzpflichtig sein kann. Gerade und in erster Linie für diese Fälle musste der Gesetzgeber anlässlich der Beseitigung der die Einrede des Wegfalls der Bereicherung schlechthin ausschließenden Regelung des § 39 des Besoldungsgesetzes vom 16. Dezember 1927 die Ausweitung der Herausgabepflicht im Hinblick auf das Gebot sparsamer Verwaltung öffentlicher Mittel für gerechtfertigt erachten. Dieses Gebot spricht zudem unmittelbar und mit besonderer Überzeugungskraft gegen die Ansicht, der Gesetzgeber habe in Fällen der vorliegenden Art die öffentlichrechtlichen Dienstherren auf den Bereicherungsanspruch nach § 87 Abs. 2 BBG beschränken wollen. Ferner ließe der oben erwähnte Einwand außer Betracht, dass ein Beamter zwar die Überzahlung durch ein grobfahrlässiges Verhalten verursacht haben kann, aber gleichwohl später -- bei dem Verbrauch des überzahlten Betrages -- den Mangel des rechtlichen Grundes für die Zahlung nicht erkennen muß. Dies könnte beispielsweise eintreten, wenn der Beamte seinen Dienstherrn durch falsche Angaben täuscht, um eine Leistung zu erlangen, auf die er im Gegensatz zu der Auffassung des Dienstherrn angesichts höchstrichterlich ungeklärter Rechtslage mit guten Gründen einen Anspruch zu haben meint. In einem solchen Falle wird der Dienstherr die Überzahlung in der Regel nicht nach § 87 Abs. 2 BBG zurückfordern können, weil bis zur Klärung der Rechtslage der Mangel des rechtlichen Grundes nicht bekannt und auch nicht so "offensichtlich" ist, "daß der Empfänger ihn hätte erkennen müssen". Schlösse § 87 Abs. 2 BBG als eine Spezialvorschrift die Anwendung des § 78 Abs. 1 BBG u.F. (= § 23 Abs. 1 DBG) stets aus, so wäre es dem Dienstherrn verwehrt, den überzahlten Betrag von dem Empfänger zurückzufordern, selbst wenn dieser die Überzahlung schuldhaft verursacht hat. Das kann nicht Rechtens sein; denn dann würde der Beamte, der eine Überzahlung an sich selbst schuldhaft verursacht hat, ohne ersichtlichen Grund besser gestellt sein als der Beamte, der die Überzahlung, ohne Empfänger zu sein, verschuldet hat und deshalb nach § 78 Abs. 1 BBG u.F. (= § 23 Abs. 1 DBG) dem Dienstherrn schadensersatzpflichtig ist.“ (zit. n. juris, Rdnr. 15 ff.). An dieser Rechtsprechung hat das BVerwG im Weiteren festgehalten und sie bestätigt (vgl. Urteil vom 31.01.68 - VI C 49.67 - sowie Urt. vom 14.07.1971 - VI C 114.67; s.a. Urteil vom 10.02.1972 - II C 9.72). Dem schließt sich das erkennende Gericht hinsichtlich der jetzigen Vorschrift des § 48 BeamtStG an.
Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.