Verwaltungsgericht Hannover
v. 26.01.2015, Az.: 10 A 5224/14

Altersgemäße Sprachentwicklung; Einbürgerung; Einbürgerung Minderjähriger; Einbürgerungszusicherung; Sprachkenntnisse

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
26.01.2015
Aktenzeichen
10 A 5224/14
Entscheidungsform
Teilurteil
Referenz
WKRS 2015, 45218
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Anforderung von Unterlagen durch die Behörde im Einbürgerungsverfahren steht grundsätzlich im Ermessen der Behörde.
2. Fordert die Behörde in Ausübung dieses Ermessens Unterlagen an, die für die Beurteilung des Einbürgerungsanspruchs nicht erforderlich sind, steht es dem Einbürgerungsanspruch nicht entgegen, diese Unterlagen nicht vorzulegen.
3. Kann ein Einbürgerungsbewerber, der bis auf die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt, nur aufgrund der Entlassungspraxis seines Herkunftsstaats die Einbürgerung nicht vor Vollendung des 16. Lebensjahrs erreichen, kann das Ermessen der Einbürgerungsbehörde dahingehend reduziert sein, dem Einbürgerungsbewerber schon beim Nachweis einer altersgemäßen Sprachentwicklung im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 2 StAG eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen.

Tenor:

Dem Kläger wird für das Verfahren im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt.

Ihm wird zur Vertretung in diesem Verfahren Rechtsanwalt G. in H. mit der Maßgabe beigeordnet, dass die Vergütung nur in dem Umfang erstattungsfähig ist, wie sie bei einem im Bezirk des erkennenden Gerichts oder am Wohnort des Klägers ortsansässigen Anwalt anfallen würde.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Gründe

Der Antrag ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Prozesskostenhilfe erhält gemäß § 166 VwGO, § 114 Satz 1 ZPO ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Nach dem gegenwärtigen Sachstand fehlt es der beabsichtigten Rechtsverfolgung zwar an hinreichenden Erfolgsaussichten, soweit der Kläger mit der Klage einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten geltend macht, ihn in den deutschen Staatsverband einzubürgern. Erfolgsaussichten hat die Klage indes mit dem Hilfsantrag, der sich auf die Verpflichtung zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung richtet. Weil die Streitgegenstände von Haupt- und Hilfsantrag hinsichtlich der Wertfestsetzung und der daran anknüpfenden Gerichtskosten und Anwaltsvergütung nicht quantitativ abgrenzbar sind, erfolgt die Bewilligung insofern uneingeschränkt.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Untätigkeitsklage zulässig, weil sie erst nach Ablauf von drei Monaten nach Antragstellung erhoben worden ist und die Beklagte keinen hinreichenden Grund für die verzögerte Entscheidung dargelegt hat.

Insofern stellt die mangelnde Mitwirkung zwar grundsätzlich einen hinreichenden Grund dar, über den Antrag nicht umgehend zu entscheiden. Diese Annahme rechtfertigt jedoch keine dauerhafte Untätigkeit der Behörde. Insbesondere wenn der Kläger geltend macht, seiner Auffassung nach habe er seine Mitwirkungspflicht nicht verletzt, hat die Behörde unverzüglich zu entscheiden (vgl. OVG Münster, Urteil vom 29.6.2009 – 12 A 1638/07 –, juris Rn. 43; Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 5. Aufl. 2011, Rn. 13 zu § 75). So liegen die Dinge hier, weil der Kläger schon im Verwaltungsverfahren und zuletzt mit Schriftsatz vom 13. Juni 2014 die Auffassung vertreten hat, die Anforderung der folgenden Unterlagen durch die Beklagte sei rechtswidrig:

- ein Nachweis über den Besitz oder Nichtbesitz der serbischen und kosovarischen Staatsangehörigkeit

- ein gültigen Aufenthaltstitel mit Kopien

- eine Heiratsurkunde (der Eltern des Klägers) mit Kopien

- Aktuelle Nachweise über das Gesamteinkommen mit Kopien

- eine aktuelle Haushaltsbescheinigung

- sämtliche Schulzeugnisse des Klägers mit Kopien

Unabhängig davon, ob diese Auffassung hinsichtlich aller angeforderten Unterlagen zutrifft, besteht angesichts des offenen Dissens zwischen den Beteiligten über den Umfang der Amtsermittlung kein Grund für die Beklagte, weiter zuzuwarten. Vielmehr hat sie über den Antrag zu entscheiden und damit dem Kläger Gelegenheit zu geben, die Auffassung der Beklagten gerichtlich prüfen zu lassen.

2. Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung und damit für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist indes nicht die Frage, ob die Untätigkeitsklage zulässig ist, sondern die Frage, ob der mit der Klage geltend gemachte materielle Anspruch voraussichtlich besteht (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO; 3. Aufl. 2010, Rn. 75 zu § 166). Nach diesem Maßstab hat die Klage zumindest mit dem gegenwärtigen Vorbringen in dem erwähnten Umfange hinreichende Erfolgsaussichten.

Gem. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist die Verpflichtungsklage begründet, wenn die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig, der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt und die Sache spruchreif ist.

a. Im Hinblick auf den mit der Klage geltend gemachten Einbürgerungsanspruch steht der Spruchreife und damit dem Erfolg der Klage entgegen, dass die staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse des Klägers nicht geklärt sind und deshalb auch keine abschließende Beurteilung möglich ist, ob er die Anforderungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG erfüllt oder gegebenenfalls Einbürgerungserleichterungen nach § 12 StAG in Anspruch nehmen kann.

Der Einwand des Klägers, der Nachweis der serbischen Staatsangehörigkeit könne von ihm nicht verlangt werden, weil er durch das Erfordernis eines solchen Nachweises aufgrund seiner Ethnie gegenüber serbischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit diskriminiert werden, greift nicht durch.

Der Verzicht auf den Nachweis der serbischen Staatsangehörigkeit bei albanischen Volkszugehörigen beruht auf dem Umstand, dass eine etwaige Staatsangehörigkeit der Einbürgerung voraussichtlich nicht entgegenstünde und die Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit erfolgen würde. Dass die Beklagte von Roma aus dem Kosovo dagegen verlangt, dass sie sich auch aus der serbischen Staatsangehörigkeit entlassen lassen, während sie Kosovaren mit albanischen Wurzeln ungeachtet einer etwaigen serbischen Staatsangehörigkeit unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit einbürgert, begründet angesichts dessen keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - BVerwG 5 C 3.06 -, juris Rn. 18). Dass Kosovaren mit albanischen Wurzeln ungeachtet einer etwaigen serbischen Staatsangehörigkeit unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert werden, beruht auf § 12 Abs. 1 Nr. 2 StAG und knüpft unmittelbar an die Behandlung von Entlassungsgesuchen von Staatsbürgern albanischer Ethnie durch die serbischen Behörden an. Erstreckt sich diese  (Nicht-)bearbeitungspraxis nicht auch auf serbische Staatsangehörige vom Volk der Roma, liegen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Nr. 2 StAG nicht vor.

b. Im Hinblick auf die mit dem Hilfsantrag begehrte Verpflichtung zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung ist die Klage dagegen spruchreif und hat hinreichende Erfolgsaussichten.

aa. Die Kammer geht davon aus, dass einem Anspruch auf Einbürgerungszusicherung zunächst nicht entgegensteht, dass eine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit voraussichtlich erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres erfolgen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.2.2013 – BVerwG 5 C 9.12 –, juris Rn. 8).

bb. Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 7. Januar 2015 auf einen Gebührenvorschuss verzichtet hat, steht es dem Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung nicht mehr entgegen, dass der Kläger bisher keinen Gebührenvorschuss entrichtet hat.

Ohne diese Entscheidung hätte die Beklagte die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung indes von der Leistung eines Gebührenvorschusses abhängig machen dürfen. Die Einbürgerung ist gem. § 1 Abs. 1 der Staatsangehörigkeits-Gebührenverordnung vom 24. 9.1991 (BGBl. I 1915, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 1 G v. 7.8.2013, BGBl. I 3154) – StAngGebV – eine gebührenpflichtige Amtshandlung.

Die Entstehung und die Beitreibung der Gebührenschuld richten sich in Ermangelung spezieller Regelungen in der StAngGebV nach dem Verwaltungskostengesetz des Bundes – VwKostG –, das bis zum 14. August 2013 und damit bei Stellung des Einbürgerungsantrags am 27. Mai 2013 noch in Kraft war.

Nach § 11 Abs. 1 VwKostG entsteht die Gebührenschuld mit der Antragstellung. Nach § 16 VwKostG konnte eine Amtshandlung, die wie die Einbürgerung auf Antrag vorzunehmen ist, von der Zahlung eines angemessenen Vorschusses oder von einer angemessenen Sicherheitsleistung bis zur Höhe der voraussichtlich entstehenden Kosten abhängig gemacht werden.

cc. Ebenso wenig setzt die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung voraus, dass der Kläger noch eine Heiratsurkunde seiner Eltern mit Kopien, aktuelle Einkommensnachweise, eine aktuelle Bescheinigung über die bestehende Haushaltsgemeinschaft mit Angabe der Staatsangehörigkeit und sämtliche Schulzeugnisse im Original mit Kopien vorlegt.

Es steht gem. § 26 Abs. 1 VwVfG grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, sich der Beweismittel zu bedienen, die sie zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält und dabei Auskünfte jeder Art einzuholen, die Beteiligten anzuhören, Zeugen und Sachverständige zu vernehmen oder sonstige Äußerung von ihnen einzuholen und Urkunden und Akten beizuziehen.

Bei der Ausübung ihres Ermessens hat die Beklagte, die die Aufgaben nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz aufgrund von § 2 Nr. 2 der Allgemeinen Zuständigkeitsverordnung für die Gemeinden und Landkreise zur Ausführung von Bundesrecht (AllgZustVO-Kom) im übertragenen Wirkungskreis wahrnimmt und deshalb nach § 6 Abs. 2 Satz 1 NKomVG hinsichtlich ihrer Ermessensausübung an die Weisungen übergeordneter Behörden gebunden ist, die Vorläufigen Anwendungsbestimmungen zum Staatsangehörigkeitsgesetz des Bundesministeriums des Innern (VAH-BMI) und die Niedersächsischen Durchführungsbestimmungen zum Staatsangehörigkeitsrecht (Nds. VV-StAR) zu beachten, die das Nds. Ministerium für Inneres, Sport und Integration mit Runderlass vom 10. Juni 2008 erlassen hat.

Diese ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften modifizieren indes weder die tatbestandlichen Anforderungen des Einbürgerungsanspruchs, noch sind sie maßgeblich für die Überzeugungsbildung des Gerichts. Nichts anderes gilt für Anforderungen, die die Verwaltungsvorschriften an die Darlegung der Einbürgerungsvoraussetzungen stellen.

Die Kammer geht davon aus, dass die vorstehend aufgeführten Unterlagen für die Beurteilung der Einbürgerungsvoraussetzungen entbehrlich sind. Im Einzelnen:

Eine Kopie seines Aufenthaltstitels hat der Kläger bereits mit dem Einbürgerungsantrag vorgelegt (Bl. 10 des Verwaltungsvorgangs). Die aus der Kopie hervorgehenden Daten kann die Beklagte mit den Daten aus der Ausländerakte des Klägers abgleichen und, soweit der Abgleich Widersprüche aufweist oder anderweitige Zweifel aufwirft, diesen Zweifeln weiter nachgehen. Nachdem der Aufenthaltstitel am 21. September 2014 abgelaufen und die Beklagte keine Umstände mitgeteilt hat, die einer Verlängerung entgegengestanden haben, besteht für eine Vorlage des Originals und einer neuerlichen Kopie kein erkennbarer Anlass, zumal die Beklagte selbst Ausländerbehörde ist und über die Erteilung des Titels entschieden hat.

Daran, dass der Kläger im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG durch seine Eltern gesetzlich vertreten ist, besteht kein ernsthafter Zweifel, nachdem er mit Schriftsatz vom 29. November 2013 einen Einbürgerungsantrag auf dem dafür vorgesehen Formularvordruck eingereicht hat und darin angegeben hat, durch seine beiden Eltern vertreten zu werden, und zugleich eine Geburtsurkunde vorgelegt hat, in der seine beiden Eltern bezeichnet und die Eheschließung vor dem Standesamt I. am 18. Januar 1990 vermerkt ist. Entsprechend ist kein Anlass ersichtlich, über die vorgelegten Erklärungen und Nachweise hinaus eine Heiratsurkunde der Eltern anzufordern, soweit nicht begründete Zweifel an ihrer Identität oder der Eheschließung bestehen.

Auch das Fehlen der Unterschriften beider Erziehungsberechtigter auf dem eingereichten Einbürgerungsantrag ist unschädlich, weil bereits aus der (zuvor) von dem Bevollmächtigten der Kläger vorgelegten Prozessvollmacht hervorgeht, dass sie den Bevollmächtigen des Klägers gerade mit dem Betrieb des Einbürgerungsverfahrens beauftragt haben.

Auch die (neuerliche) Anforderung von Einkommensnachweisen der Eltern des Klägers ist nicht nachvollziehbar. Es ist zum einen nicht ohne weiteres ersichtlich, weshalb sich die tatsächlichen Verhältnisse – mit Ausnahme des formalen Ablaufs des Bewilligungszeitraums für die gewährten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – geändert haben. Selbst wenn insoweit eine Änderung eingetreten wäre, wäre diese für die Einbürgerung des Klägers ohne Belang. Schon der gegenwärtige Leistungsbezug steht gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG nicht entgegen, weil der Bezug staatlicher Leistungen während der Schulzeit, der Ausbildung und des Studiums vom Einbürgerungsbewerber regelmäßig ebenso wenig zu vertreten ist wie die Inanspruchnahme staatlicher Leistungen durch die unterhaltspflichtigen Eltern dem jugendlichen Einbürgerungsbewerber zugerechnet werden. Soweit die Beklagte geltend macht, ihr sei hinsichtlich des Vertretenmüssens ein Ermessen eröffnet, trifft dies nicht zu. Der Begriff des Vertretenmüssens ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Auslegung der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Im Übrigen hätte die Beklagte bei der Ausübung eines etwaigen Ermessens nicht weniger als bei der einfachen Rechtsauslegung im Lichte des Gleichbehandlungsgebots die VAH-BMI zu beachten, nach denen der Leistungsbezug eines Schülers oder seiner Eltern nicht zu vertreten ist (vgl. dort Nr. 10.1.1.3 a. E.).

Nachdem ausweislich der bereits vorliegenden Bescheide Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für den Kläger und seine Eltern und Geschwister in Bedarfsgemeinschaft gewährt werden und keine Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse ersichtlich sind, besteht auch kein Anhalt, eine Bescheinigung der Wohnortgemeinde über die (fort-)bestehende Haushaltsgemeinschaft zu verlangen.

Die Kammer geht sodann davon aus, dass das von dem Kläger vorgelegte Versetzungszeugnis jedenfalls hinreichend ist, um eine altersgemäße Sprachentwicklung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 4 Satz 2 StAG zu belegen. Der Kläger ist in Deutsch mit „befriedigend“ benotet worden; weiter ist ausgeführt, dass er mündlich zufriedenstellende Vorgangsbeschreibungen und Inhalte abgebe und seine Erläuterungen und Erklärungen sprachlich in überwiegend richtigen grammatikalischen Sätzen ausdrücke. Seine Beschreibungen im Schriftlichen fielen mittlerweile detailliert und präzise aus. Er könne aus einem Gespräch, einem gelesenen Text oder einem Vortrag Informationen entnehmen, wesentliche Inhalte wiedergeben und eigene Fragen entwickeln. Jedenfalls für den Maßstab einer altersgemäßen Sprachentwicklung misst die Kammer den geforderten Schulzeugnissen aus früheren Jahren keinen entscheidungserheblichen Erkenntniswert bei.

Der Kläger wird allerdings bei der Einbürgerung voraussichtlich älter als 16 Jahre alt sein, denn er kann die kosovarische Staatsangehörigkeit vor dem Eintritt der Volljährigkeit nur gemeinsam mit einem Elternteil aufgeben und hat dahingehende Absichten nicht vorgetragen. Ob angesichts dessen der Einbürgerungsanspruch nach § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG voraussetzt, dass der Kläger die Anforderungen der Sprachprüfung zum Zertifikat Deutsch (B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen) in mündlicher und schriftlicher Form erfüllt oder der Kläger in entsprechender Anwendung von § 10 Abs. 4 Satz 2 StAG oder im Wege der Ermessenseinbürgerung in Anspruch nehmen kann, dass hinreichende Sprachkenntnisse schon bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung angenommen werden, erachtet die Kammer jedoch als offen.

Mit der Regelung in § 10 Abs. 4 Satz 2 StAG ist die Bundesrepublik Deutschland ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung aus Art. 6 Abs. 4 lit. e des Abkommens über die Staatsangehörigkeit vom 06.11.1997 (Zustimmungsgesetz vom 13.05.2004, BGBl II, 578) nachgekommen, Personen, die in ihrem Hoheitsgebiet geboren sind und dort rechtmäßig ihren Aufenthalt haben, den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu erleichtern (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Abgeordneten Sevin Dagdelen u.a., BT-Drucks. 16/13321, Seite 3).

Der Kläger fällt in den Kreis der durch diese völkerrechtliche Verpflichtung Begünstigten. Von der innerstaatlichen Umsetzung dieser Verpflichtung in § 10 Abs. 4 Satz 2 StAG kann er jedoch nicht profitieren, wenn die Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit als einzige noch unerfüllte Einbürgerungsvoraussetzung erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres erfolgen kann. Da dieses Einbürgerungshindernis außerhalb der Sphäre des Klägers liegt, kommt im Lichte einer völkerrechtskonformen Auslegung einerseits eine entsprechende Anwendung des § 10 Abs. 4 Satz 2 StAG in Betracht, andererseits eine Verdichtung des in § 8 StAG eröffneten Einbürgerungsermessens auf einen Anspruch auf Erteilung der Einbürgerungszusicherung.

In § 8 Abs. 1 StAG hat der Gesetzgeber keine konkreten Anforderungen hinsichtlich der erforderlichen Sprachkenntnisse eines Einbürgerungsbewerbers formuliert. Soweit die Verwaltungsvorschriften – insbesondere die VAH-BMI – dahingehende Vorgaben enthalten, entsprechen diese im Anforderungsniveau und hinsichtlich der erforderlichen Nachweise den Anforderungen an die Sprachkenntnisse im Rahmen einer Anspruchseinbürgerung (vgl. Nrn. 8.1.2.1.1 und 8.1.2.1.2 VwV-StAR). Dagegen ist grundsätzlich von Rechts wegen nichts einzuwenden, zumal nach den VAH-BMI Befreiungen von diesen Anforderungen gewährt werden sollen, wenn der Einbürgerungsbewerber sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder altersbedingt nicht erfüllen kann. Weitere Ausnahmen können im Rahmen des Ermessens gewährt werden, wenn der Einbürgerungsbewerber z. B. Analphabet oder älter als 60 Jahre ist. Eine Befreiung von strengeren sprachlichen Anforderungen, die ein durch völkerrechtliche Vorschriften grundsätzlich begünstigter Einbürgerungsbewerber einzig aufgrund der Entlassungsbedingungen seines Heimatstaates erfüllen müsste, sehen die VAH-BMI dagegen nicht vor.

Ob das Gebot der völkerrechtsfreundlichen Rechtsauslegung insofern den Ermessensspielraum der Behörde über die Vorgaben des Ministeriums hinaus verfahrensseitig erweitert und zugleich materiell bis auf einen Einbürgerungs(zusicherungs)anspruch verengt oder die bloße Erleichterung der Einbürgerung für einen Teil dieser Gruppe der völkerrechtlichen Verpflichtung genügt, bedarf der Klärung in einem Hauptsacheverfahren. Freilich spricht schon das vorgelegte Zeugnis dafür, dass der Kläger auch den Maßstab des § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG wird erfüllen können; insofern hat er es in der Hand, durch die Vorlage der Zeugnisse den Fortgang des Einbürgerungsverfahrens zu beschleunigen.

3. Die aus dem Tenor ersichtliche Beschränkung der Bewilligung beruht auf § 166 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 3 ZPO. Danach kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Aus dem Regelungszusammenhang mit § 121 Abs. 4 ZPO ergibt sich allerdings, dass auch ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt ausnahmsweise beigeordnet werden kann, wenn besondere Umstände dies erfordern. Besondere Umstände i. S. d. § 121 Abs. 4 ZPO sind regelmäßig anzunehmen, wenn die Beiziehung eines Verkehrsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO "notwendig" ist – das ist insbesondere dann der Fall, wenn einer auswärts wohnenden Partei wegen weiter Entfernung zur Kanzlei eines am Prozessgericht ansässigen Prozessbevollmächtigten ein zur Verfolgung ihrer Interessen notwendiges persönliches Beratungsgespräch nicht zumutbar ist und auch eine vermögende Partei die Mehrkosten eines Verkehrsanwalts aufbringen würde.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, weil der Kläger seinen Wohnsitz in relativer Nähe zum Sitz des Gerichts hat und auch einen am Ort des Gerichts ansässigen Bevollmächtigten mit zumutbarem Aufwand erreichen könnte.