Sozialgericht Stade
Beschl. v. 20.06.2006, Az.: S 8 AS 289/06 ER
Berücksichtigung aller Nutzräume für die Beurteilung der Angemessenheit der Gesamtfläche eines Hauses; Berücksichtigung von verwertbaren Vermögen beim Antrag auf Arbeitslosengeld II
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 20.06.2006
- Aktenzeichen
- S 8 AS 289/06 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 21564
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2006:0620.S8AS289.06ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs. 4 SGB II
- § 12 Abs. 3 SGB II
In dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren
hat die 8. Kammer des Sozialgericht Stade
am 20. Juni 2006
durch
den Direktor des Sozialgerichts Mittenzwei
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag vom 10. Mai 2006 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der ... geborene Antragsteller (AS) bewohnt ein Eigenheim mit einer Gesamtwohnfläche von 145 qm, das Grundstück hat 732 qm. Der Antragsgegner (AG) zahlte seit Januar 2005 Alg II (Regelleistung 345,- EUR und als Kosten der Unterkunft die Neben- und Betriebskosten von 134,66 EUR, Zinsbelastungen wurden nicht geltend gemacht). Bei den Leistungsbewilligungen wurden laufende monatliche Heizungskoten nicht berücksichtigt, weil diese nur bei konkretem Bedarf bewilligt würden. Gegen die Bewilligungsbescheide vom 14. Februar 2005 (Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2005) und vom 21. April 2005 (Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2006) ist Klage erhoben worden mit dem Begehren, dem Beklagten zur Zahlung eines monatlichen Heizkostenbetrages zu verurteilen (S 8 AS 105/05). Über den gegen den Bewilligungsbescheid vom 14. Oktober 2005 erhobenen Widerspruch (Bewilligungsabschnitt November 2005 bis April 2006) ist bislang noch nicht entschieden. Mit Bescheid vom 23. November 2005 bewilligte der AG 500,- EUR für den Kauf von Heizöl; über den dagegen ohne Begründung erhobenen Widerspruch vom 23. Dezember 2005 ist bislang nicht entschieden.
Auf den Leistungsfolgeantrag vom 28. März 2006 für den Bewilligungsabschnitt ab Mai 2006 teilte der AG mit Schreiben vom 3. Mai 2006 dem AS mit, er halte das Hausgrundstück für unangemessen groß, so dass es als Vermögensgegenstand nicht nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II von der Verwertung ausgeschlossen sei. Er werde daher zukünftig Alg II nur noch als Darlehen gewähren, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der AS seine grundsätzliche Bereitschaft zur Verwertung des Hausgrundstückes erkläre und in die Eintragung einer Sicherungshypothek einwillige. Werde dies abgelehnt, werde ab Mai 2006 kein Alg II mehr gezahlt.
Demgegenüber ist der AS der Auffassung, das Eigenheim sei von angemessener Größe, weil bei der Bestimmung der Quadratmeterzahl lediglich die Wohn- und Schlafräume berücksichtigt werden dürften. Das Wohneigentum sei daher nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II geschützt, sodass seine Verwertung nicht verlangt werden dürfe. Er beantragt deshalb den AG im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Zahlung von Alg II ab Mai 2006 verpflichten.
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG ist das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs i.S. eines materiellrechtlichen Anspruches und eines Anordnungsgrundes i.S. einer besonderen Eilbedürftigkeit und die Glaubhaftmachung der dafür maßgeblichen Tatsachen. Der Antrag ist unbegründet, denn ein Anordnungsanspruch besteht nicht. Der Anspruch des AS auf Alg II ab Mai 2006 scheitert an seiner fehlenden Bedürftigkeit, denn er hat verwertbares Vermögen (vgl § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II) in Gestalt seines Hausgrundstücks, das als unangemessen groß nicht durch § 12 Abs. 3 S 1 Nr. 4 SGB II vor der Verwertung geschützt ist. Die Gesamtfläche des Hauses von etwa 145 qm geht über die Wohnfläche, die die Vorschrift einer Einzelperson zubilligt, weit hinaus, wie der AG in seinem Schriftsatz vom 22. Mai 2006 zutreffend dargelegt hat; insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Ausführungen verwiesen. Unabhängig davon, welche der beiden in dem Schriftsatz erwähnten Berechnungsmethoden man zu Grunde legt, ergibt sich allein aus der Betrachtung der Quadratmeterzahl der Gesamtfläche, dass das Haus unangemessen groß ist, denn nach § 12 Abs. 3 S 2 SGB II sind für die Beurteilung der Angemessenheit die Lebensumstände während des Bezugs der Leistung zur Grundsicherung für Arbeit Suchende maßgebend. Dass ein Haus mit einer Wohnfläche von etwa 145 qm für einen Empfänger staatlicher Transferleistungen ohne Familie auf Dauer nicht angemessen ist, bedarf keiner näheren Begründung. Entgegen der Berechnung der Prozessbevollmächtigten ist bei der Prüfung der Angemessenheit die Gesamtfläche einschließlich aller Nutzräume und nicht nur die Fläche der reinen Wohn- und Schlafräume zu Grunde zu legen (Hengelhaupt in Hauk/ Noftz SGB II § 12 Anm 209, Mecke in Eicher/Spellbrink SGB II § 12 Anm 72).
Da bereits das Haus selbst unangemessen groß ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob auch das Grundstück mit 732 qm unangemessen groß ist.
Da eine sofortige Verwertung des Hausgrundstückes nicht möglich ist, bestünde für die Zwischenzeit grundsätzlich ein Anspruch auf Leistungsgewährung als Darlehen nach § 9 Abs. 4 SGB II. Voraussetzung wäre allerdings, dass der AS, worauf der AG unter Bezugnahme auf die Rechtssprechung des LSG Niedersachsen-Bremen zutreffend hingewiesen hat, zu einer Verwertung grundsätzlich auch bereit wäre. Da der AS auf Anfrage des Gerichts dies ausdrücklich verneint hat, besteht auch kein Anspruch auf darlehensweise Gewährung.
Die Kostenentscheidung beruht auf 193 SGG.