Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 09.09.2003, Az.: 1 A 528/03
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 09.09.2003
- Aktenzeichen
- 1 A 528/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 40807
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2003:0909.1A528.03.0A
Tenor:
...
Tatbestand:
Der am C. geborene Kläger begehrt seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Der Kläger ist erstmalig am 02. Dezember 1991 nach Deutschland eingereist und hat am 13. Januar 1992 einen Asylantrag in Braunschweig gestellt, der am 22. Juni 1993 abgelehnt wurde. Die dagegen gerichtete Klage wurde als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Rechtsmittel und Folgeantrag hatten ebenfalls keinen Erfolg. Dem Kläger wurden verschiedene Duldungen erteilt.
Am 21. August 1998 heiratete der Kläger die A. geborene Deutsche D.. Am 12. November 1998 wurde dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zunächst befristet bis zum 11. November 2001 erteilt. Am 06. Dezember 2001 stellte der Beklagte fest, dass die Voraussetzungen für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis vorliegen.
Nachdem der Kläger seinen Einbürgerungsantrag gestellt hatte, teilte die Stadt E. dem Beklagten am 31. Mai 2002 mit, dass der Kläger innerhalb F. umgezogen sei. Die Ehefrau wohnt jedoch nach wie vor in der ehelichen Wohnung. Mit Schreiben vom 28. Mai 2002 teilte die Ehefrau des Klägers dem Beklagten Folgendes mit:
"Hinsichtlich der Einbürgerung meines Ehemannes G., den ich im August 1998 geheiratet habe, möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich in dem bisherigen Umfang nicht mehr für ihn aufkommen werde, da er von obiger Anschrift weggezogen ist und ich die Scheidung eingereicht habe. Seine jetzige Adresse ist "bei H.". Da mein Mann nicht arbeitet, konnte er die für die Einbürgerung notwendigen Voraussetzungen wie Einkommen und Mietvertrag nicht vorweisen. Deswegen wurde auf meine Einkünfte, meine Sozialversicherung und meinen Grundbucheintrag zurückgegriffen. Das kann nun nicht mehr in Frage kommen."
Mit Schreiben vom 15. April 2002 hatte sich bereits eine I., die in J. wohnt, an den Beklagten gewandt und mitgeteilt, sie sei Betreuerin des Klägers und bearbeite mit ihm seine Einbürgerung. Sie bitte um beschleunigte Bearbeitung des Verfahrens.
Mit Schreiben vom 24. Mai 2002 meldete sich sodann der Prozessbevollmächtigte des Klägers und legte eine ärztliche Bescheinigung vom 20. Mai 2002 vor. Danach beobachte die behandelnde Ärztin eine zunehmende Depression mit psychosomatischer Überlagerung, die bis zur Arbeitsunfähigkeit führe. Wesentliche Ursache dieser Krankheitsentwicklung liege auch in der Rechtsunsicherheit, in der sich der Kläger bisher befinde. Die deutsche Staatsbürgerschaft wäre für ihn eine eindeutige Beruhigung und lasse nachfolgend psychosomatische Stabilisierung erwarten.
Mit Schreiben vom 15. August 2002 teilte der Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass er beabsichtige, den Antrag auf Einbürgerung zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen nicht gegeben seien. Der Kläger halte sich erst seit dem 12. November 1998 rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Ehefrau habe die Scheidung eingereicht und die Eheleute lebten tatsächlich getrennt, so dass die Einbürgerungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt seien. Mit Schreiben vom 19. August 2002 stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers dar, dass die Scheidungsklage keinen Erfolg haben dürfte, weil die Ehefrau dem Gericht gegenüber falsche Angaben gemacht habe. Der Kläger sei auch bereit, die eheliche Lebensgemeinschaft fortzusetzen, wenn die Ehefrau ihr Verhalten ändern würde. Sie sei oft unter starkem Alkoholeinfluss gewalttätig gegenüber dem Kläger geworden. Der Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die Ehe jedenfalls tatsächlich derzeit nicht fortgesetzt werde, weil nicht einmal eine gemeinsame Wohnung bestehe. Daher müsse insoweit von der Richtigkeit der Angaben der Ehefrau ausgegangen werden.
Mit Bescheid vom 09. Januar 2003 lehnte der Beklagte den Antrag auf Einbürgerung des Klägers ab. Die eheliche Lebensgemeinschaft müsse zum Zeitpunkt der Einbürgerung noch bestehen. Das sei im Falle des Klägers nicht der Fall, so dass die Einbürgerungsvoraussetzungen nicht gegeben seien. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger durch Schreiben seines Bevollmächtigten vom 14. Januar 2003 Widerspruch ein. Die Einbürgerungsvoraussetzungen seien gegeben, der Beklagte habe von seinem Ermessensspielraum fehlerhaft Gebrauch gemacht.
Mit Bescheid vom 19. März 2003 wies die Bezirksregierung Lüneburg den Widerspruch zurück. Nach dem Zweck der Regelungen über die Einbürgerung von Ehepartnern von Deutschen müssten die Einbürgerungsvoraussetzungen noch im Zeitpunkt der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde vorliegen. Auch eine Ehe müsse zu diesem Zeitpunkt noch tatsächlich als Lebensgemeinschaft geführt werden. Der Kläger lebe seit seinem Auszug aus der Wohnung im Mai 2002 von seiner Ehefrau getrennt. Es bestehe nur noch das formale Band der Ehe, nicht jedoch eine tatsächlich geführte Lebensgemeinschaft. Danach könne eine Einbürgerung derzeit nicht erfolgen. Der Kläger halte sich auch erst seit dem 12. November 1998 aufgrund der Eheschließung rechtmäßig in der Bundesrepublik auf, weil er zuvor lediglich Duldungen erhalten hatte. Die Einbürgerungsvoraussetzungen nach § 85 AuslG lägen daher ebenfalls nicht vor.
Am 01. April 2003 hat der Kläger Klage erhoben. Der Kläger habe einen Anspruch auf Einbürgerung, weil er sich seit 8 Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhalte. Darüber hinaus sei er mit einer deutschen Ehefrau verheiratet. Die Ehe bestehe nach wie vor. Der Beklagte habe von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht, weil er dem Einbürgerungsantrag bei Berücksichtigung aller Umstände hätte stattgeben müssen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 09. Januar 2003 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Einbürgerungsantrag vom 20. Dezember 2001 stattzugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dem Kläger stehe ein Einbürgerungsanspruch nicht zu, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Der Kläger halte sich nicht seit 8 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Für die Annahme eines rechtmäßigen Aufenthalts genüge es nicht, Inhaber einer Duldung gewesen zu sein. Die Zeiten könnten nicht mit angerechnet werden. Der Kläger habe eine befristete Aufenthaltserlaubnis erstmalig am 12. November 1998 erhalten, so dass er sich noch keine 8 Jahre rechtmäßig in Deutschland aufhalte. Die tatsächlich bestehende Ehe könne ebenfalls einen Einbürgerungsanspruch nicht begründen, weil die eheliche Lebensgemeinschaft tatsächlich nicht mehr bestehe. Der Kläger sei tatsächlich auch heute noch in einer anderen Wohnung gemeldet, so dass an den Äußerungen seiner Ehefrau kein Zweifel bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der Bezirksregierung Lüneburg Bezug genommen.
Gründe
II.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg, weil die von dem Kläger betriebene Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von §§ 166 VwGO, 114 ZPO verspricht. Die ergangenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat den Anspruch auf Einbürgerung zu Recht abgelehnt. Zur Begründung kann im Wesentlichen auf den Inhalt der ergangenen Bescheide sowie auf die mit Schriftsatz vom 30. April 2003 in diesem Verfahren von dem Beklagten abgegebene Stellungnahme Bezug genommen werden. Die von dem Kläger vorgebrachten Argumente vermögen eine andere Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Eine Einbürgerung des Klägers nach § 8 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) oder nach § 85 des Gesetzes über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet (AuslG) kommt nicht in Betracht, weil der Kläger entgegen seinen Ausführungen nicht seit 8 Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Der Kläger war bis zu seiner Eheschließung im November 1998 im Bundesgebiet lediglich geduldet. Erst am 12. November 1998 erhielt er aufgrund der Eheschließung eine zunächst befristete Aufenthaltserlaubnis. Danach hält sich der Kläger offenkundig nicht seit 8 Jahren rechtmäßig in der Bundesrepublik auf. Im Übrigen setzen beide Vorschriften voraus, dass der Einbürgerungsbewerber seinen Lebensunterhalt und den seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe bestreiten kann. Der Kläger hat seinen Lebensunterhalt während seines gesamten Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland nicht durch eigene Mittel oder durch eigene Arbeit bestreiten können und lebt auch derzeit von Sozialhilfe.
Ein Einbürgerungsanspruch des Klägers kam daher allein nach § 9 StAG in Betracht. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift sollen Ehegatten oder Lebenspartner Deutscher unter den Voraussetzungen des § 8 StAG eingebürgert werden, wenn sie ihre bisherige Staatsangehörigkeit verlieren oder aufgeben oder ein Grund für Mehrstaatigkeit nach Maßgabe von § 12 StAG vorliegt und gewährleistet ist, dass sie sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordnen, es sei denn, dass der Einbürgerung erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere solche der äußeren oder inneren Sicherheit oder zwischenstaatliche Beziehungen entgegenstehen. Ein Einbürgerungsanspruch kommt auch nach dieser Vorschrift nicht in Betracht. Zum einen erfordert auch eine Anwendung des § 9 StAG, dass die Voraussetzungen des § 8 von dem Einbürgerungsbewerber erfüllt werden müssen (vgl. insoweit die mit dem Wortlaut des Gesetzes in Einklang stehenden Verwaltungsvorschriften zu § 9 Nr. 9.1 Abs. 2 StAR-VwV). Darüber hinaus ist der Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass ein Einbürgerungsanspruch auch insoweit nicht in Betracht kommt, als der Kläger den sich aus § 9 StAG ergebenden besonderen Schutz für sich nicht in Anspruch nehmen kann. Der Kläger ist zwar noch mit einer Deutschen verheiratet, tatsächlich besteht die eheliche Gemeinschaft jedoch seit Mai 2002 nicht mehr und besteht auch derzeit tatsächlich nicht. Nr. 9.0 Buchst. b der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht - StAR-VwV - vom 13. Dezember 2000 (BAnz. 2001, S. 1418) sieht vor, dass es einen atypischen Fall darstelle, in dem aus besonderen Gründen der Regelungszweck des § 9 StAG verfehlt würde, wenn die Ehe nur formal besteht und eine eheliche Gemeinschaft nicht oder nicht mehr geführt wird (gescheiterte Ehe), sofern nicht § 9 Abs. 2 StAG entsprechend anzuwenden ist. Diese in der Verwaltungsvorschrift getroffene Regelung befindet sich in Einklang mit der gesetzlichen Regelung, weil diese insbesondere den Zweck verfolgt, dem Artikel 6 GG gerecht zu werden, weil die gemeinsame Staatsbürgerschaft einer Familie durch die Privilegierung des Staatsangehörigenstatus des ausländischen Ehepartners erleichtert werden soll, um insbesondere auch das Wohl der Kinder zu fördern, wie sich aus der in Abs. 2 des § 9 StAG getroffenen Regelung ergibt. Im Falle der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft wegen einer bevorstehenden Scheidung bereits zum Zeitpunkt der beabsichtigten Einbürgerung würde eine derartige Privilegierung ihren Sinn zweifellos verfehlen. Der Beklagte durfte daher die Ablehnung der Einbürgerung im vorliegenden Fall auch darauf stützen, dass die eheliche Gemeinschaft des Klägers mit seiner Ehefrau aufgelöst war. Die Zweifel an dem Bestehen der ehelichen Gemeinschaft gründeten sich im vorliegenden Fall darauf, dass die Ehefrau eine zweifelsfreie Erklärung darüber abgegeben hatte, dass sie nicht mehr bereit sei, den Kläger bei sich aufzunehmen. In der Folge war es dem Beklagten gestattet, Ermittlungen auch durch Einholung von Auskünften von dem Einwohnermeldeamt zu führen. Diese haben die Aussage der Ehefrau bestätigt. Der Kläger wohnte zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides bereits so lange von seiner Ehefrau getrennt, dass die Annahme kaum gerechtfertigt war, dass die eheliche Gemeinschaft wiederhergestellt werden würde. Es sind im vorliegenden Fall keine Gründe ersichtlich, die ausnahmsweise eine Einbürgerung des Klägers rechtfertigen würden.
Die Klage wird daher voraussichtlich keinen Erfolg haben. Für den Fall, dass der Kläger tatsächlich die eheliche Gemeinschaft wiederherstellen würde, könnte er erneut einen Antrag auf Einbürgerung stellen. Dabei wird jedoch auch zu berücksichtigen sein, dass die Voraussetzungen des § 8 StAG auch im Rahmen des § 9 StAG vorliegen müssen.
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