Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 30.11.2007, Az.: 11 A 4535/06

Ausgleichszahlung; Ermittlungshandlung; Flächenabweichung; Flächenangabe; Katasteramt; Kontrolle; Kulturpflanze; landwirtschaftliche Kulturpflanze; Liegenschaftsbuch; Rückforderung; Unterbrechung; Verjährung; Verjährungsfrist; Verjährungsunterbrechung; Vertrauensschutz

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
30.11.2007
Aktenzeichen
11 A 4535/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71879
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Eine Vor-Ort-Kontrolle unterbricht nicht die Verjährung nach Art. 3 Abs. 1 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95, wenn der Betroffene keine Kenntnis davon erlangen konnte, dass es sich nicht um eine bloße Kontrolle, sondern um eine Ermittlungshandlung handelt.
2. Ein Landwirt kann sich nicht auf Vertrauensschutz nach Art. 44 Abs. 1 VO (EG) Nr. 2419/2001 berufen, wenn er sich bei der Angabe der landwirtschaftlich genutzten Fläche im Antrag auf Ausgleichszahlungen für bestimmte Kulturpflanzen und Flächenstillegung auf die sich aus dem Liegenschaftsbuch ergebende Binnenaufteilung des betreffenden Flurstücks verlässt.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 27.06.2006 wird aufgehoben, soweit darin die Rückzahlung von mehr als 223,97 Euro vom Kläger gefordert wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Teilrückforderung der Ausgleichszahlungen aus den Jahren 1995 bis 1998 und 2001 bis 2003 in Höhe von insgesamt 4.257,04 Euro.

2

Der Kläger beantragte und erhielt für die streitgegenständlichen Jahre Ausgleichszahlungen nach der gemeinschaftsrechtlichen Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen. Er legte mit dem Antrag der Beklagten jeweils einen Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis vor. In diesen gab er in den Jahren 1996 bis 2001, zuletzt in dem Antrag vom 21.03.2001, u.a. den Schlag „D.“ (Flurstück 2 Flur 9 Gemarkung E.) mit einer für Kulturpflanzen genutzten bzw. teilweise stillgelegten Fläche von 7,5715 ha an. In den Anträgen für die Jahre 2002 und 2003 vom 04.03.2002 und 16.03.2003 gab der Kläger für den Schlag eine genutzte Fläche von 7,0177 ha an.

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Im Rahmen einer Vor-Ort-Kontrolle des Antrages zur Agrarförderung 2004 am 30.06.2004 maß das Amt für Agrarstruktur F., der Rechtsvorgänger der Beklagten, auf dem Schlag „D.“ eine landwirtschaftlich genutzte Fläche von 6,6661 ha. Eine Nutzung der Mehrfläche von 0,9054 ha gegenüber den Anträgen von 1996 bis 2001 und 0,3516 ha gegenüber den Anträgen von 2002 bis 2003 mit Ackerkulturen fand nach den örtlichen Feststellungen auch in den Jahren 1996 bis 2003 nicht statt. Aus der Anlage zum „Prüfbericht 2004 für die Vor-Ort-Kontrollen“ ergibt sich für den Schlag „D.“ die festgestellte Flächenabweichung. Diese wurde dem Kläger nach der Prüfung auch mündlich mitgeteilt. In dem formularmäßigen Prüfbericht gab der Prüfer unter Ziff. 4.1. an, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass gegen Prämienvoraussetzungen verstoßen worden sei. Der Kläger unterschrieb den Prüfbericht vom 30.06.2004 und erhielt ein Exemplar. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 12.06.2006 zu der festgestellten Flächenabweichung angehört.

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Mit Bescheid vom 27.06.2006, zugestellt am 28.06.2007, nahm die Beklagte die Bewilligungsbescheide vom 19.03.1997, 19.11.1997, 30.11.1998, 31.03.2000, 30.11.2000, 30.11.2001, 29.11.2002 und 15.12.2003 teilweise zurück und forderte die ausgezahlten Ausgleichszahlungen in Höhe von 1.453,13 Euro, 248,51 Euro, 247,08 Euro, 1.519,54 Euro, 273,81 Euro, 291,00 Euro, 113,14 Euro und 110,83 Euro, insgesamt 4.257,04 Euro vom Kläger zurück.

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Zur Begründung führte die Beklagte aus: Gemäß Art. 2 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1765/1992 bzw. Art. 2 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1251/1999 könne ein Erzeuger Ausgleichszahlungen für Flächen beantragen, die mit bestimmten landwirtschaftlichen Kulturpflanzen bestellt oder stillgelegt seien. Die Teilflächen seien jedoch weder mit den ausgleichsberechtigten Kulturen bestellt noch stillgelegt und damit auch nicht ausgleichsberechtigt, wie die Kontrollen am 17.06.2004 und 30.06.2004 gezeigt hätten. Die Zuwendungsbescheide seien hinsichtlich der überzahlten Beträge rechtswidrig, der überzahlte Betrag sei jeweils gem. § 10 MOG zurückzufordern. Vertrauensschutz gem. § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG, auf den § 10 Abs. 1 MOG verweise, könne nicht eingeräumt werden, da die EG mit Art. 14 Abs. 4, Abs. 5 VO (EWG) Nr. 3887/1992 bzw. Art. 49 Abs. 4 VO (EG) Nr. 2419/2001 eine eigene, abschließende Regelung getroffen habe. Die Voraussetzungen dieser Regelungen lägen jedoch nicht vor, da der Kläger die Überzahlung durch falsche Angabe in den jeweiligen Anträgen selbst verursacht habe.

6

Die Berechnung des zurückgeforderten Betrags in Anwendung von VO (EGW) Nr. 3887/1992 für die Jahre bis 2001 und VO (EG) Nr. 2419/2001 für das Jahr 2002 legte die Beklagten im Einzelnen dar. Dabei wandte sie die in den jeweiligen Verordnungen vorgesehenen Kürzungen nach dem Grad der prozentualen Flächenabweichung an.

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Der Kläger hat am 26.07.2006 Klage erhoben.

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Er trägt vor, er habe die in den Anträgen 1996 bis 2001 angegebene Nutzungsgröße des Flurstücks den topographischen Unterlagen entnommen und sich auf die entsprechenden Flächenangaben des vorherigen Bewirtschafters verlassen. Im Jahr 2001 sei die landwirtschaftliche Fläche durch das Katasteramt per Satellit neu vermessen worden; dabei sei Ackerland in der Größe von 7,0177 ha und Grünland in der Größe von 0,5538 ha festgestellt worden. Ab 2002 habe er daher diese Flächengrößen in seine Anträge aufgenommen. Er sei immer bemüht gewesen, die tatsächlich bewirtschaftete Fläche anzugeben; er habe daher in dem Jahr 1996 nur 7,0715 ha und im Jahr 1999 nur 6,3 ha angegeben, weil er in diesen Jahren nicht die gesamte Fläche des Flurstücks bewirtschaftet habe. Der streitgegenständliche Bescheid sei daher für die Jahre 1996 und 1999 schon fehlerhaft.

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Der Bescheid vom 27.06.2006 sei rechtswidrig, weil die Beklagte nicht geprüft habe, ob den Kläger gem. Art. 44 Abs. 1 VO (EG) Nr. 2419/20001 bei seinen Angaben eine Schuld treffe. Dabei sei die topographische Lage des Grundstücks entlang der Weser zu berücksichtigen, die eine tatsächliche Feststellung der Fläche durch Abschreiten nahezu unmöglich mache. Auf der topographischen Karte zur Weser sei außerdem eine Linie eingezeichnet, die das Grünland kennzeichne, so dass der Kläger davon ausgegangen sei, dass bei seinen Angaben bis zum Jahr 2001 in der von ihm übernommenen Anbaufläche das Grünland bereits enthalten sei. Soweit der Kläger ab dem Jahr 2002 die Angaben des Katasteramtes zugrunde gelegt habe, treffe ihn auch keine Schuld. Hilfsweise macht der Kläger geltend, dass der Rückforderungsanspruch der Beklagten überwiegend verjährt sei. Vorliegend sei aufgrund der Gutgläubigkeit des Klägers die kurze Verjährungsfrist von vier Jahren des Art. 49 Abs. 5 Satz 2 VO (EG) Nr. 2419/2001 anwendbar und nicht die von der Beklagten angenommene 10-jährige Verjährungsfrist. Hilfsweise macht der Kläger weiter geltend, dass gem. Art. 49 Abs. 6 VO (EG) Nr. 2419/2001 die von der Beklagten festgesetzte Sanktion durch Verdopplung der Rückerstattungsbeträge bereits nach vier Jahren verjährten.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 27.06.2006 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und bezieht sich im Wesentlichen auf den angefochtenen Bescheid. Vertiefend trägt sie vor, dass sich aus den jeweiligen GFN ergeben, dass der Kläger auch in den Jahren 1996 und 1999 die Fläche von 7,5715 ha angegeben habe. Im Übrigen sei er nicht gutgläubig hinsichtlich der Jahre 1996 bis 2001, weil er ungeprüft die Angaben des früheren Bewirtschafters zur Flächengröße übernommen habe. Er habe es an der gebotenen Überprüfungs- und Sorgfaltspflicht mangeln lassen. Er könne sich auch nicht auf die Größenangaben im Katasterauszug zur „tatsächlichen Nutzung“ berufen. Auch für die Jahre 2002 und 2003 könne sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen, da die Auszahlungen für die entsprechenden Jahre nicht auf einen Irrtum der Beklagten zurückzuführen seien. Der Rückforderungsanspruch sei auch nicht verjährt, da der Kläger bis zur Vor-Ort-Kontrolle im Jahr 2004 durchgehend die gleichen unrichtigen Angaben zur Nutzung der Flurstücke gemacht habe.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet, soweit sie sich gegen die Teilaufhebung der Zuwendungsbescheide vom 19.03.1997, 19.11.1997, 30.11.1998, 31.03.2000, 30.11.2000 und 30.11.2001 und die entsprechende Rückforderung von Ausgleichszahlungen richtet. Der Teilrücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 04.05.2006 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

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Für die Wirtschaftsjahre 1996 bis 2001 sind die Zuwendungsbescheide zwar teilrechtswidrig. Der Kläger kann sich jedoch auf Verjährung berufen.

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Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide ist § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation und der Direktzahlung (MOG). Danach sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8 MOG, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen. Bei den vom Amt für Agrarstruktur F. für die Wirtschaftsjahre 1995 bis 1998 und 2001 bis 2002 bewilligten Ausgleichszahlungen für Getreide und Ölsaaten sowie Eiweißpflanzen, Öllein und Stilllegung handelt es sich um Beihilfen für Marktordnungswaren i.S.d. § 6 MOG.

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Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1795/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen konnten Erzeuger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen eine Ausgleichszahlung beantragen. Die Zahlung wurde gemäß Art. 2 Abs. 2 dieser Verordnung flächenbezogen nach Hektaren gewährt, und zwar für mit Kulturpflanzen bebaute oder stillgelegte Flächen. Die ab dem Wirtschaftsjahr 2000/2001 geltende Verordnung (EG) Nr. 1251/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen enthält in Art. 2 entsprechende Regelungen.

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Die Bewilligungsbescheide für die Jahre 1996 bis 2001 sind teilrechtswidrig, weil sie auf falschen Flächenangaben beruhten und bei Ansatz der zutreffenden Flächen nur eine geringere Förderung gewährt worden wäre. Dies gilt auch für die Wirtschaftsjahre 1996 und 1999, weil der Kläger in diesen Jahren ebenfalls eine förderungsfähige Fläche von insgesamt 7,5715 ha angegeben hat, wenn auch in Teilen ausgewiesen für unterschiedliche Kulturpflanzen bzw. als Stillegungsfläche.

21

Auch der Umfang der vom Kläger zurückgeforderten Ausgleichszahlungen hält sich in dem vorgegebenen rechtlichen Rahmen. Maßgeblich ist die Verordnung (EWG) Nr. 3887/1992 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen. Die von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen nach Art. 9 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3887/92 begegnen keinen rechtlichen Zweifeln. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Flächen ins Verhältnis zu den vom Kläger mit der selben Kulturpflanze - im vorliegenden Fall Raps - und nicht ins Verhältnis zu der von ihm bewirtschafteten Gesamtfläche gesetzt hat (vgl. EuGH, Urt. v. 04.10.2007, Rs. C-192/06, R. 36 f., noch nicht in amtl. Slg.). Auch kann sich der Kläger nicht auf Art. 9 Abs. 2 Satz 5 VO (EWG) Nr. 3887/92 berufen. Danach kommen die Kürzungen nicht zur Anwendung, wenn der Betriebsinhaber den Nachweis erbringt, dass er sich bei der Flächenbestimmung korrekt auf von der zuständigen Behörde anerkannte Angaben gestützt hat. Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger hat in seinen Anträgen für die Wirtschaftsjahre 1996 bis 2001 nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung die Gesamtgröße des Schlags „D.“, wie sie sich aus dem Liegenschaftsbuch 1993 ergab, angegeben, weil er davon ausging, dass er das gesamte Flurstück beackere. Von der Beklagten werden die Angaben aus dem Liegenschaftskataster zwar anerkannt, allerdings nur hinsichtlich der Flurbezeichnung und der Gesamtgröße des Flurstücks.

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Der Erstattungsanspruch der Beklagten ist indes verjährt.

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Maßgeblich für die Verjährung der Erstattungsansprüche der Beklagten ist die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18.12.1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften. Die VO (EWG) Nr. 3887/92 enthält keine eigene Verjährungsvorschrift. Auch Art. 49 Abs. 5, 6 VO (EG) Nr. 2419/2001, die die VO (EWG) Nr. 3887/92 ersetzt hat, ist nicht anwendbar. Gem. Art. 53 Abs. 1, Art. 54 Abs. 2 VO (EG) Nr. 2419/2001 gilt die VO (EWG) Nr. 3887/92 nämlich weiter für bis zum 01.01.2002 abgeschlossene Prämienzeiträume und Wirtschaftsjahre.

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Art. 3 Abs. 1 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 enthält folgende Regelungen für die Verjährung der Verfolgung von Unregelmäßigkeiten i.S.d. Art. 1 Abs. 1 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95: Die Verjährungsfrist für die Verfolgung beträgt vier Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit. Bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten beginnt die Verjährungsfrist an dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird. Die Verjährung wird unterbrochen durch jede der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde. Nach jeder eine Unterbrechung bewirkenden Handlung beginnt die Verjährungsfrist von neuem. Die Verjährung tritt jedoch spätestens zu dem Zeitpunkt ein, zu dem eine Frist, die doppelt so lang ist wie die Verjährungsfrist, abläuft, ohne dass die zuständige Behörde eine Sanktion verhängt hat.

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Unter Anwendung dieser Grundsätze beginnt die Verjährungsfrist für die Verfolgung der Falschangabe zur Größe des Schlages „D.“ am 21.03.2001. Abzustellen ist hier auf den letzten Antrag, in dem der Kläger für die landwirtschaftlich genutzte Fläche eine Größe von 7,5715 ha angegeben hat. In den darauf folgenden Anträgen vom 04.03.2002 und 16.03.2003 hat der Kläger die Flächenangabe von nunmehr 7,0177 ha nicht mehr dem Liegenschaftsbuch von 1993 und den Angaben seines Vorbewirtschafters entnommen, sondern dem Liegenschaftsbuch, wie es 2001 erstellt wurde. Die Unregelmäßigkeit ist damit nicht mehr dieselbe wie die in den Jahren 1996 bis 2001, mithin keine wiederholte Unregelmäßigkeit i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Satz 3 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95. Die Unregelmäßigkeit konnte nach Ablauf der Vier-Jahres-Frist am 21.03.2005 nicht mehr verfolgt werden.

26

Die Verjährung wurde nicht unterbrochen durch die Vor-Ort-Kontrollen am 17.06.2004 und 30.06.2004. Aus den Verwaltungsvorgängen ergibt sich zunächst nur, dass am 30.06.2004 eine derartige Kontrolle stattfand; die Kontrolle am 17.06.2004 ist nicht dokumentiert. Die Vor-Ort-Kontrolle führt im vorliegenden Einzelfall indes nicht zu einer Verjährungsunterbrechung.

27

Zunächst ist festzuhalten, dass zwischen einer Kontrolle und einer Ermittlungs- und Verfolgungshandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 schon begrifflich ein Unterschied besteht. Nach Art. 8 Abs. 1 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 handelt es sich bei einer Kontrolle um eine Maßnahme, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, sich zu vergewissern, dass die Transaktionen, die die finanziellen Interessen der Gemeinschaften berühren, rechtmäßig sind und auch effektiv durchgeführt werden. Demgegenüber setzt eine Ermittlungs- und Verfolgungshandlung begrifflich Anhaltspunkte für eine Unregelmäßigkeit voraus, ist also qualitativ etwas anderes als eine bloße Kontrolle. Nicht jede Kontrolle und die Kenntnisnahme des Betroffenen davon führt damit zu einer Verfolgungsunterbrechung.

28

Geht eine Kontrolle in eine Ermittlungshandlung über, etwa weil sich Anhaltspunkte für eine Unregelmäßigkeit ergeben, verlangt schon der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 VO (EG; Euratom) Nr. 2988/95, dass der Betroffene Kenntnis nimmt, dass die zuständige Behörde nicht eine bloße Kontrolle, sondern eine Ermittlungshandlung vornimmt. Dies ist nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar hat der Kläger von dem Prüfer mündlich erfahren und konnte dies auch der Anlage zum Protokoll der Vor-Ort-Kontrolle entnehmen, dass der Prüfer bezüglich des Schlages „D.“ eine Flächenabweisung festgestellt hat. In dem vom Prüfer unterschriebenen und dem Kläger ausgehändigten Protokoll findet sich allerdings auch die Erklärung des Prüfers, es gebe keine Hinweise darauf, dass gegen Prämienvoraussetzungen verstoßen worden sei. Geht man von dem die Verjährbarkeit öffentlich-rechtlicher Ansprüche rechtfertigenden Grundsatz des Vertrauensschutzes aus, ist die Vor-Ort-Kontrolle wegen dieser Erklärung nicht geeignet, die Verjährung der Verfolgung der Falschangabe des Klägers zur bewirtschafteten Fläche des Schlages „D.“ zu unterbrechen. Der Kläger konnte und musste nicht erkennen, dass die festgestellte Flächenabweichung für ihn irgendwelche Folgen zeitigen würde. Sein durch die Verjährungsregelung geschütztes Vertrauen in den Bestand der Zuwendungsbescheide war damit nicht beseitigt.

29

Weitere verjährungsunterbrechende Handlungen sind weder aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlich noch vorgetragen. Insbesondere kommen die Anhörung des Klägers vom 12.06.2006 und der Rückforderungsbescheid vom 27.06.2006 nicht in Betracht, weil sie nach Ablauf der Vier-Jahres-Frist dem Kläger bekannt gemacht wurden.

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Soweit sich der Kläger gegen die Teilaufhebung der Bescheide vom 29.11.2002 und 15.12.2003 und die Rückforderung von 113,14 Euro und 110,83 Euro gewandt hat, ist die Klage hingegen unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 27.06.2006 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Die Bescheide sind im Umfang der Flächenabweichung zwischen der angegebenen bewirtschafteten Fläche von 7,0177 ha und der ermittelten Fläche von 6,6661 ha teilrechtswidrig.

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Der Umfang der Teilrückforderung der Ausgleichszahlungen für die Wirtschaftsjahre 2002 und 2003 ist nicht zu beanstanden. Es kann dahinstehen, ob den Kläger bei der Falschangabe eine Schuld i.S.d. Art. 44 Abs. 1 VO (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 mit Durchführungsbestimmungen zum mit der Verordnung (EWG) Nr. 3508/1992 des Rates eingeführten integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen trifft, obgleich er dem Liegenschaftsbuch den Anteil der Ackerfläche am Schlag „D.“ entnommen hat. Art. 44 Abs.1 VO (EG) Nr. 2419/2001 ist nicht auf Maßnahmen, sondern nur auf Sanktionen - Kürzungen und Ausschlüsse - nach Art. 32 Abs. 1 VO (EG) Nr. 2419/2001 anzuwenden. Diese wurden vorliegend für die Jahre 2002 und 2003 nicht verhängt.

33

Der Kläger kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen.

34

Gem. Art. 49 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 VO (EG) Nr. 2419/2001 gilt die Verpflichtung zur Rückzahlung nicht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde selbst oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber, der seinerseits in gutem Glauben gehandelt und alle Bestimmungen der geltenden Verordnung eingehalten hat, billigerweise nicht erkannt werden konnte. Die Überzahlung der Ausgleichszahlungen in den Wirtschaftsjahren 2002 und 2003 ist nicht auf einen Irrtum der zuständigen Behörde oder einer anderen Behörde zurückzuführen. Insbesondere beruht sie nicht auf einem Irrtum des Katasteramtes F.. Der Kläger hat zwar die Ackerfläche dem Liegenschaftsbuch entnommen. Die Angaben im Liegenschaftsbuch zur Binnenaufteilung des entsprechenden Flurstücks zwischen Grünland und Ackerland stellen jedoch - anders als die Gesamtfläche des Flurstücks - eine Momentaufnahme im Zeitpunkt der Vermessung im Jahr 2001 dar. Wenn der Kläger sich gleichwohl auf die Angaben des Liegenschaftsbuchs zur Binnenaufteilung des Schlages „D.“ verlassen hat, ist dies seinem eigenen Verantwortungsbereich zuzurechnen.

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Da Art. 49 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 VO (EG) Nr. 2419/2001 abschließend ist (BVerwG, Beschl. v. 29.03.2005, 3 B 117/04, AUR 2005, 301 - noch zur Vorgängervorschrift Art. 14 Abs. 4 und 55 VO (EWG) 3887/92), kann sich der Kläger auch nicht auf die dem Gemeinschaftsrecht subsidiären Vertrauensschutzregelungen des nationalen Rechts nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 VwVfG berufen.

36

Die Verpflichtung zur Erstattung zu Unrecht bezahlter Beträge nebst Zinsen ergibt sich aus Art. 49 Abs. 1 und Abs. 3 VO (EG) Nr. 2419/2001 i.V.m. § 49 a Abs. 3 VwVfG.

37

Da § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG zwingendes Recht darstellt, stand der Beklagten bei der Entscheidung über die teilweise Rücknahme der Förderbescheide kein Ermessen zu.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Kläger ist im Verhältnis von etwa 5 Prozent und damit zu einem geringen Teil im Sinn des § 115 Abs. 1 Satz 3 VwGO unterlegen.

39

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.