Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 16.11.2007, Az.: 11 B 5555/07

Feststellung der Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ; Voraussetzungen für eine Untersagung eines Gewerbes

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
16.11.2007
Aktenzeichen
11 B 5555/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 54933
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2007:1116.11B5555.07.0A

Verfahrensgegenstand

Widerruf einer Gaststättenkonzession
Versiegelung
Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 11. Kammer -
am 16. November 2007
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,00 EURO festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG).

Gründe

1

Der am 09.11.2007 bei Gericht eingegangene Antrag des Antragstellers mit den Begehren,

  1. 1.

    die aufschiebende Wirkung der Klage (11 A 5554/07) wiederherzustellen,

  2. 2.

    die Aufhebung der Vollzugsmaßnahmen der Antragsgegnerin in Gestalt der Sicherstellung von 11 Schlüsseln und der vorgenommenen Versiegelung und Schließung der Diskothek vorläufig, bis zur Entscheidung über die Klage, anzuordnen,

2

ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber unbegründet.

3

Der vom Antragsteller erhobene Rechtsbehelf wird voraussichtlich erfolglos bleiben. Die zunächst am 04.11.2007 mündlich ergangene und mit Bescheid vom 13.11.2007 schriftlich bestätigte angefochtene Verfügung der Antragsgegnerin erweist sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Überwiegende persönliche Interessen des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage können nicht festgestellt werden.

4

Die Antragsgegnerin hat die dem Antragsteller unter dem 30.12.2004 erteilte Gaststättenerlaubnis zutreffend nach § 15 Abs. 2 Gaststättengesetz (GastG) widerrufen, weil nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die die Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG rechtfertigen würden bzw. ihm die selbständige Ausübung des Gewerbes "Diskothek" untersagt, weil er unzuverlässig i.S.d. Gaststätten- bzw. Gewerberechts ist.

5

Auch die bereits vollzogenen Vollstreckungsmaßnahmen sind nicht zu beanstanden.

6

Der Begriff der Unzuverlässigkeit i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG stimmt mit dem des § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO)überein.

7

Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schütze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Voraussetzungen für eine Untersagung eines Gewerbes nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO seit langem geklärt. Danach ist ein Gewerbetreibender unzuverlässig, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt (BVerwGE 65, 1[BVerwG 02.02.1982 - 1 C 146/80]<2>). Demzufolge muss die "Prognose" gestellt werden, ob der Gewerbetreibende künftig das Gewerbe ordnungsgemäß ausüben werde oder nicht (vgl. BVerwGE 24, 38[BVerwG 29.03.1966 - I C 62/65]<41>).

8

Ein Gastwirt bzw. Gewerbetreibender ist u.a. dann unzuverlässig, wenn er im Rahmen seines Betriebs selbst strafbare Handlungen begeht oder strafbare Handlungen anderer duldet, also notwendige Maßnahmen gegen solche Handlungen unterlässt. Das Ergreifen solcher Maßnahmen - z.B. Verhängung von Lokalverboten, intensive Zusammenarbeit mit der Polizei, erhebliche Umgestaltung der Betriebsräume, notfalls Schließung des Lokals - setzt voraus, dass der Gastwirt von den strafbaren Handlungen Kenntnis hat oder diese bei Beachtung der ihm obliegenden Aufsichtspflicht hätte haben müssen (vgl. Urt. d. BVerwG v. 13.12.1988 - 1 C 44/86 - veröffentl. u.a. in [...]; Beschl. d. Hamb. OVG v. 18.11.1993 - Bs VI 99/93 - veröffentl. u.a. in [...], Beschl. d. Kammer v. 14.11.2005 - 11 B 5026/05 - bestätigt durch Beschl. d. Nds. OVG v. 17.01.2006 - 7 ME 219/05 -). Werden die Gaststättenräume zu sozialwidrigen Handlungen missbraucht, muss dem Gastwirt nicht bewiesen werden, dass er Kenntnis von den betreffenden Vorgängen hatte; ausreichend ist vielmehr die Feststellung einer Aufsichtspflichtverletzung, die darauf gründet, dass er verpflichtet ist, der von ihm betriebenen Gaststätte die Attraktivität als Treffpunkt für Drogenkonsumenten und Drogenhändler zu nehmen (vgl. o.g. Beschl. d. Kammer v. 14.11.2005).

9

Hiervon ausgehend hat die Kammer nach summarischer Prüfung keine durchgreifenden Zweifel an der zutreffenden Annahme der Unzuverlässigkeit des Antragstellers, weil nicht ersichtlich ist, dass dieser notwendige Maßnahmen im o.g. Sinn ausreichend ergriffen hat und solche offenbar auch nicht für erforderlich hält.

10

Ausweislich des Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin hat es bereits am 17.09.2005 eine Razzia in der Diskothek des Antragstellers gegeben, bei der 20 Strafanzeigen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) gefertigt wurden. Eine grundsätzliche Drogenproblematik in seinen Betriebsräumen war dem Antragsteller daher bekannt.

11

Nach zahlreichen weiteren durch die Polizei festgestellten und verfolgten Drogenstraftaten in und um die Diskothek des Antragstellers im ersten Halbjahr 2007 wurde mit diesem von der Polizei am 14.08.2007 eine sog. Gefährdungsansprache mit Belehrung geführt.

12

Ausweislich des darüber von der Polizei gefertigten Reports wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass in der letzten Zeit bei Kontrollen von Gästen seiner Lokalität Betäubungsmittel festgestellt und beschlagnahmt worden seien. Der Antragsteller sei eingehend hinsichtlich seiner Garantenstellung nach dem Gaststättengesetz und dem BtMG belehrt worden und darauf hingewiesen worden, dass er Maßnahmen zur Minimierung solcher Vorfälle zu ergreifen habe.

13

Danach kam es ausweislich des Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin im September und Oktober 2007 noch zu zwei Telefonaten des Antragstellers mit der Polizei, in welchen sich dieser im wesentlichen über die Polizeikontrollen in seinem Betrieb beklagte und vortrug, er würde im Vergleich zu anderen Gaststättenbetrieben ungleich behandelt.

14

Bei der unmittelbar zu der angefochtenen Verfügung Anlass gebenden Razzia am 04.11.2007 wurde bei 25 Gästen Drogen in der Kleidung oder am Körper gefunden (13,5 Gramm Marihuana, 4 Gramm Haschisch, 10,8 Gramm Amphetamine, 36 Ecstasytabletten) sowie 150 Euro in szenetypischer Stückelung, sog. "Dealgeld". Darüber hinaus wurde innerhalb des Betriebes auf dem Fußboden oder sonstigen schnell erreichbaren Versteckmöglichkeiten 57 Gramm Kokain, 26 Gramm Marihuana, 46 Gramm Amphetamine, 158 Ecstasytabletten sowie Morphiumtabletten gefunden. An einem Spiegel in einem verschlossenen, d.h. den Gästen nicht zugänglichen Raum ergab ein sog. Drug-Wipe-Test ein positives Ergebnis hinsichtlich Kokains.

15

Angesichts dieses Ergebnisses der Razzia vom 04.11.2007 und unter Berücksichtigung der Vorgeschichte, insbesondere der Gefährdungsansprache aus dem August diesen Jahres, die vom Antragsteller nicht bestritten wird, hätte es diesem oblegen, wirkungsvollere Maßnahmen gegen den Drogenhandel und -konsum in seiner Diskothek zu ergreifen als die vorgetragenen Hinweise an die Beschäftigten und einzelne Hausverbote. Diese waren angesichts der Erkenntnisse vom 04.11.2007 offenbar nicht ausreichend. Eine wirkungsvolle Zusammenarbeit mit der Polizei hat es nach den Akten nicht gegeben und ist nach dem bisher bekannten Sachverhalt auch nicht gesucht worden. Auch bauliche Maßnahmen im Betrieb, z.B. die Installation von Überwachungskameras, sind vom Antragsteller nicht vorgenommen worden. Eine nach der o.g. Rechtsprechung ebenfalls in Erwägung zu ziehende (vorübergehende) Betriebsschließung, um die Diskothek für die Drogenszene unattraktiv zu machen, kam für den Antragsteller nach dem Vortrag im vorliegenden Verfahren offenbar nicht in Frage.

16

Dass die Strafverfahren gegen den Antragsteller und seine Angestellten gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sind, ändert nichts an der zutreffenden Feststellung seiner Unzuverlässigkeit, denn eigene nachgewiesene strafbare Handlungen des Gastwirts selbst oder seiner Beschäftigten sind nach dem oben Gesagten nicht Voraussetzung für die Feststellung seiner Unzuverlässigkeit. Im Übrigen spricht nach der Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft Hannover vom 13.11.2007 "viel für ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln durch einzelne Personen des Personals aufgrund der durch PK'in D. und PK E. gemachten Beobachtungen, letztlich wird aber keine konkrete Tat nachzuweisen bzw. zuzuordnen sein". Dieses Ermittlungsergebnis entkräftet den Unzuverlässigkeitsvorwurf jedenfalls nicht.

17

Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist gemäß § 80 Abs. 3 VwGO nicht zu beanstanden. Bei der mündlichen Anordnung am 04.11.2007 war eine Begründung entbehrlich, da die Antragsgegnerin bei Gefahr im Verzug, hier aufgrund der Drogenfunde insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben und Gesundheit eine Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse getroffen hat (§ 80 Abs. 3 S. 2 VwGO). In der nachgeschobenen Verfügung vom 13.11.2007 ist schließlich auch eine ausreichende Begründung des besonderen öffentlichen Interesses i.S.v. § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO erfolgt.

18

Die Sicherstellung der Schlüssel erfolgte zutreffend gemäß § 26 Nr. 1 Nds. SOG zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr, da die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hatte (§ 2 Nr. 1 b) Nds. SOG).

19

Betriebsschließung und Versiegelung der Diskothek beruhen auf § 64 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Nds. SOG, zur weiteren Begründung wird wie auch im Übrigen entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen der Antragsgegnerin in der angefochtenen Verfügung vom 13.11.2007 verwiesen.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 52 Abs. 1 GKG n.F. und folgt dem Vortrag des Antragstellers.

Niewisch-Lennartz
Dr. Killinger
Peters