Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 12.11.2007, Az.: 10 A 7143/05

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
12.11.2007
Aktenzeichen
10 A 7143/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 62114
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2007:1112.10A7143.05.0A

In der Verwaltungsrechtssache

...

Streitgegenstand: Erteilung eines Waffenscheins,

hat das Verwaltungsgericht Hannover - 10. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 12.11.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Reccius, die Richterin am Verwaltungsgericht Karst, die Richterin Dr. Emek sowie die ehrenamtlichen Richter (B) und (C) für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin einen Waffenschein, eine Waffenbesitzkarte sowie eine Munitionserwerbsberechtigung zu erteilen. Der Bescheid der Beklagten vom 20.09.2005 wird aufgehoben.

  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

  3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt zusammen mit ihrem Ehemann ein Schmuck- und Antiquitätengeschäft in der Innenstadt von Hannover.

2

Bereits mit einem Antrag vom 07.01.1995 hatte die Klägerin bei der damals zuständigen Polizeidirektion Hannover die Erteilung einer Waffenbesitzkarte sowie eines Waffenscheins und einer Munitionserwerbsberechtigung begehrt. Nach erfolglosem Klageverfahren war der ablehnende Bescheid der Polizeidirektion bestandskräftig geworden. Mit Bescheid vom 03.01.2000 war die Klägerin alsdann nach bestandener Sachkundeprüfung in den Waffenschein ihres Ehemanns als Mitberechtigte eingetragen worden. Der Waffenschein des Ehemanns war zuletzt bis zum 14.09.2004 verlängert worden.

3

Unter dem 06.12.2004 beantragte die Klägerin wiederum die Erteilung einer Waffenbesitzkarte, eines Waffenscheins sowie einer Munitionserwerbsberechtigung. Zur Begründung verwies sie zunächst auf ein paralleles Antragsverfahren ihres Ehemannes. In einem späteren Schreiben führte sie beispielhaft aus, es seien von ihr im Zeitraum vom 16.04.2004 bis 06.04.2005 wenigstens 130 Postpakete an Kunden versandt worden, welche sie transportiert habe. Hierzu legte die Klägerin entsprechend viele Einlieferungsbelege vor. Weiterhin trug sie vor, sie habe im Januar 2003 bis-Ende März 2005 in München und anderswo 50 Messetermine wahrgenommen, zu denen sie zwecks Ausstellung Schmuckwaren in erheblichem Wert transportiert habe. Die Fahrten habe sie entweder mit der Deutschen Bahn oder mit dem eigenen PKW vorgenommen. Hierzu legte die Klägerin eine handschriftliche Aufstellung der Messetermine und -orte vor. Außerdem gab sie an, beispielhaft im Zeitraum von April bis November 2004 allein 20 Transporte im wesentlichen zu einer Firma in Isernhagen vorgenommen zu haben. Hierzu legte die Klägerin entsprechende Rechnungen des Lieferanten vor. Schließlich trug sie vor, dass sie beispielhaft im Zeitraum von März 2004 bis Januar 2005 rund 50 Besuche bei Goldschmieden und Uhrmachern vorgenommen habe, wobei sie jeweils Schmuckwaren mit beachtlichem Wert mitgeführt habe. Die Geschäftspartner hätten ihre Firmensitze bis auf wenige Ausnahmen nicht im Innenstadtbereich von Hannover.

4

Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag der Klägerin ging zum 01.01.2005 auf die Beklagte über.

5

Das Landeskriminalamt Niedersachsen nahm unter dem 19.05.2005 zu dem Antrag der Klägerin und ihres Ehemanns dahingehend Stellung, dass die Anträge konkrete beurteilungsrelevante Fakten oder Hinweise auf eine indizierte aktuelle individuelle Gefährdungslage der Klägerin und ihres Mannes nicht erkennen ließe. Das ihm vorliegende Datenmaterial lasse in letzter Zeit keine Überfälle auf bzw. Gewalttaten gegen Schmuckhändler oder Schmucktransporteure erkennen. Die Polizeiinspektion Hannover-Mitte erklärte unter dem 12.07.2005, eine Gefährdungsanalyse der Klägerin und ihres Ehemannes könne nur aufgrund der polizeilichen Vorgänge gestellt werden. Aus diesen gehe hervor, dass die Klägerin im April 2002 Anzeige wegen Bedrohung erstattet habe, wobei diese ihre Ursache im privaten Bereich gehabt habe. Weitere Vorgänge habe es nicht gegeben.

6

Mit Schreiben vom 05.08.2005 hörte die Beklagte die Klägerin zu ihrer Absicht an, die Erteilung eines Waffenscheins, einer Waffenbesitzkarte sowie einer Munitionserwerbsberechtigung abzulehnen.

7

Die Klägerin nahm dahingehend Stellung, ihr sei bekannt, dass alle namhaften Juweliere und Inhaber von Schmuckgeschäften in Hannover Waffenscheininhaber seien. Wenn die Beklagte bei all denen bejahe, dass sie wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe auf Leib und Leben gefährdet seien, habe dies auch bei ihr zu gelten. Eine Ungleichbehandlung dürfe nicht hingenommen werden. Auch wenn in letzter Zeit keine Überfälle auf Schmuckhändler zu verzeichnen gewesen seien, lehre doch die Presse mit ihrer Berichterstattung über gut organisierte Großbanden, wie gefährdet die Branche in Hannover tatsächlich sei. Eine Ungleichbehandlung sei auch festzustellen gegenüber dem Gewerbe der Geldtransporteure. Wenn die Beklagten jenen die waffenrechtlichen Erlaubnisse zugestehe, müsse Gleiches auch für sie gelten. Insoweit bestehe auch die gleiche Gefährdungslage bei einem Waffengebrauch im Innenstadtbereich.

8

Mit Bescheid vom 20.09.2005 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Waffenscheins, einer Waffenbesitzkarte sowie einer Munitionserwerbsberechtigung ab. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe ein Bedürfnis zum Erwerb und Führen einer Schusswaffe nicht nachgewiesen. Zwar könne aufgrund der Tätigkeit der Klägerin eine gewisse Gefährdung ihrer Person bestehen. Jedoch seien keine Vorfälle bekannt, die auf eine wesentlich erhöhte Gefährdung schließen ließen. Weder das Landeskriminalamt Niedersachsen noch die Polizeidirektion Hannover-Mitte habe entsprechendes Datenmaterial. Im Übrigen handele es sich bei den transportierten Schmuckstücken überwiegend lediglich um Werte zwischen 100,00 € und 900,00 €. Der Anreiz für einen Überfall dürfte sich im Hinblick auf diese Werte als gering darstellen. Die aufgegebenen Postpakete könnten auch von Mitarbeitern der Postdienstleister abgeholt werden. Die handschriftliche Aufstellung der Messetermine sei nicht geeignet nachzuweisen, was wann in welchen Werten von der Klägerin auf den Messen ausgestellt würde. Eine eventuell vorliegende gewisse Gefährdung könne weiterhin mit der Beauftragung eines gewerblichen Bewachungsunternehmens für die Transporte ausgeschlossen werden, denn eine erlaubnispflichtige Waffe dürfe niemals nur als bequemste oder kostengünstigste Alternative einer Gefährdungsminderung angesehen werden. Schließlich sei im Falle der Klägerin eine Waffe nicht geeignet, die erhöhte Gefahr abzuwehren. Bei einem organisierten Überfall müsse mit einem Überraschungseffekt gerechnet werden, bei dem die Klägerin auch durch das Führen einer Waffe keinen erhöhten Schutz erreichen könne, wenn sie mit Waren im Arm unterwegs sei. Der Bescheid wurde am 27.09.2005 zugestellt.

9

Die Klägerin hat am 25.10.2005 Klage erhoben.

10

Sie trägt vor, sie sei wesentlich mehr gefährdet als der Durchschnitt der Bevölkerung. Dies ergebe sich nicht allein aus ihrer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Berufsstand, sondern aus den besonderen Umständen ihrer Unternehmensstruktur. Zu den Messebesuchen sei beispielhaft vorgetragen, dass sie mit ihrem Ehemann zusammen im Jahre 2003 zu 22 Terminen in allen Großstädten der Bundesrepublik Deutschland Messen besucht habe. Für das Kalenderjahr 2004 seien es 23 Termine und im Jahr 2005 seien es nochmals 15 Termine gewesen. Der Wert der präsentierten Schmuckstücke und Uhren habe sich in jedem Einzelfall auf 6- bis 7-stellige Eurobeträge belaufen. Ihre Überfallgefahr erhöhe sich dadurch, dass sie bei ihrem Aufbruch zu solchen Reisen von ihrer Wohnung und von ihrem Ladengeschäft aus leicht auszuspähen sei. Noch einfacher sei eine Ausspähung möglich, wenn sie für jedermann sichtbar am Ende einer Messe ihre Ware wieder einpacke und die Messeräumlichkeiten verlasse. Dabei würden die einschlägigen Fachmessen und deren Aussteller in der Regel bereits am Jahresanfang in Messekalendern bekannt gegeben, so dass keine besonderen Schwierigkeiten bestünden, in Erfahrung zu bringen, welche Orte ein Schmuckhändler aufsuche. Soweit sie in den vergangenen Jahren die Reisen zu den Fachmessen regelmäßig mit ihrem Ehemann, der ebenfalls eine waffenrechtliche Erlaubnis gehabt habe, als Begleitperson gesichert habe, hätten sie im Jahre 2005 ihre Reise- und Ausstellungstätigkeit einstellen müssen. Da die Mannheimer Versicherung AG ihnen zur Auflage gemacht habe, dass die mitgeführten Waren von zwei bewaffneten Personen begleitet werden müssten, hätten sie diese versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr einhalten können. Dies habe zu einem Umsatzrückgang in bestürzendem Umfang geführt, da der erheblichere Teil des Umsatzes sich gerade aus der geschilderten Reisetätigkeit und weniger aus den Geschäftsumsätzen im Ladengeschäft in Hannover ergebe. Soweit die Beklagte die Erforderlichkeit einer Schusswaffe für nicht gegeben halte, weil sie ihren Betrieb umstellen und ein Transportunternehmen beauftragen könnten, um das Gefährdungsrisiko zu mindern, überschreite sie die Grenzen der Zumutbarkeit einer Änderung betrieblicher Abläufe. Ein derartiger Vorschlag würde bedeuten, ihren Geschäftsgewinn um wenigstens 50 % durch Kosten zu reduzieren. Dieser Vorschlag offenbare, dass der Beklagten jedes kaufmännische Verständnis fehle.

11

Die Klägerin hat ein Schreiben der Firma (D) vom 03.04.2006 vorgelegt, in dem ihrem Ehemann bestätigt wird, dass er zusammen mit der GmbH seit Jahren als Aussteller auf Messen einen Gemeinschaftstand betreibe, auf dem Schmuck und Uhren präsentiert würden. In dem Schreiben ist weiter ausgeführt, dass der genaue Wert der von der Klägerin und ihrem Mann präsentierten Waren nicht bekannt sei, sich aber in jedem Fall im 6- bis 7-stelligen Bereich bewege. Angefügt ist dem Schreiben eine Liste der in den Jahren 2003 bis 2005 besuchten Messen. Insgesamt sind 60 Termine notiert.

12

Weiterhin hat die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann aufgrund eines Auflagenbeschlusses der Kammer mehrere Kostenvoranschläge zu bewaffnetem Begleitschutz und Werttransporten und Unterlagen ihres Steuerberaters zu ihren Einnahmen in den Jahren 2003 und 2004 vorgelegt.

13

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

  1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.09.2005 zu verpflichten, ihr einen Waffenschein, eine Waffenbesitzkarte sowie eine Munitionserwerbsberechtigung zu erteilen.

14

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

15

Sie nimmt im Wesentlichen Bezug auf die Gründe des angefochtenen Bescheides und das frühere Klageverfahren der Klägerin. Ergänzend trägt sie vor, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung in erhöhtem Maße der Gefahr von Überfällen ausgesetzt sei, könne allein nicht ausschlaggebend sein. Der Klägerin und ihrem Ehemann sei es zuzumuten, ein Werttransportunternehmen zu beauftragen. Dies gelte vor allem für die besonders kostengünstige Möglichkeit eines Warentransports ausschließlich durch bewaffnete Dritte. Sofern sich die Klägerin darauf berufen wolle, die auf und in Zusammenhang mit den Messebesuchen erzielten Einnahmen genügten nicht zur Deckung der Transportkosten, stützten die als Rohgewinne bezeichneten Summen eine solche Behauptung nicht. Hinsichtlich der als Reingewinne von der Klägerin und ihrem Mann angegebenen Beträge fehle es an einer nachvollziehbaren Berechnung. Soweit die Klägerin Messe- oder Kundenbesuche getrennt von ihrem Ehemann durchführe, habe sie nach den Bestimmungen der Versicherung sowieso eine zweite bewaffnete Person mitzunehmen. Im Übrigen sei eine Waffe zur Minderung der Gefährdung auch nicht geeignet. Bei einem Überfall sei von einer für die Klägerin unvorhersehbaren Situation auszugehen, weshalb eine große Wahrscheinlichkeit bestehe, dass die Klägerin zu einer effektiven Verteidigung nicht in der Lage wäre.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zu diesem sowie dem Verfahren des Ehemannes der Klägerin 10 A 1773/06 und der von der Beklagten in beiden Verfahren vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig und begründet.

18

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung eines Waffenscheins (1.) sowie einer Waffenbesitzkarte und einer Munitionserwerbsberechtigung (2.). Die Ablehnung der waffenrechtlichen Erlaubnisse stellt sich als rechtswidrig und die Klägerin in ihren Rechten verletzend dar. Der Bescheid der Beklagten vom 20.09.2005 ist aufzuheben, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.

19

(1.) Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis zum Führen von Schusswaffen im Sinne des § 10 Abs. 4 WaffG.

20

Voraussetzung für die Erteilung eines Waffenscheins, der gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 WaffG das Führen einer Waffe erlaubt, ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG unter anderem - und nur diese Voraussetzung ist zwischen den Beteiligten streitig -, dass dafür ein Bedürfnis im Sinne des § 8 WaffG nachgewiesen wird. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 WaffG kann ein solches Bedürfnis unter anderem von gefährdeten Personen - und nur diese Personengruppe kommt vorliegend in Betracht - erbracht werden. Allerdings wird gemäß § 19 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 WaffG ein Bedürfnis insoweit nur dann anerkannt, wenn die Person glaubhaft macht, dass sie wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe auf Leib oder Leben gefährdet ist (Abs. 1 Nr. 1), der Erwerb der Schusswaffe und der Munition geeignet und erforderlich ist, diese Gefährdung zu mindern (Abs. 1 Nr. 2) und die vorgenannten Voraussetzungen auch außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume oder des eigenen befriedeten Besitztums vorliegen (Abs. 2).

21

Die Klägerin hat ein solches Bedürfnis glaubhaft machen können.

22

Bei Personen, die als Juwelengroßhändler, reisende Juweliere oder Schmuckvertreter tätig sind, spricht vieles für die Annahme, dass sie bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten einer überdurchschnittlichen Gefährdung ausgesetzt sind. Eine solche überdurchschnittliche Gefährdung kann beim Transport von großen Werten bereits aufgrund lebensgerechter Betrachtung angenommen werden (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 29.09.2004 - 18 K 7576/03 -, juris, mit Hinweis auf weitere Rechtsprechung, BVerwG, Urteil vom 18.12.1979 - 1 C 38.77 -, DVBl. 1980 S. 1044). Allerdings beruht diese Annahme der besonderen Gefährdung auf der weiteren Annahme, dass es potentiellen Straftätern gelingen kann, die transportierten Werte auszuspähen und den Transport als lohnend einzuschätzen. Dabei lässt sich eine besondere Gefährdung eines Schmuckhändlers nicht für jeden Gang begründen, den er außerhalb seiner Geschäftsräume tätigt. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass potentielle Straftäter das Risiko einer Ergreifung und Verurteilung nicht für einen Überfall auf einen Juwelier eingehen, wenn sie keinerlei Anhalt dafür haben, dass der Überfall überhaupt lohnt.

23

Für die Klägerin bedeutet dies zunächst, dass sie eine besondere Gefährdung hinsichtlich der von ihr angeführten Gänge zur Post, zu anderen Juwelieren und Goldschmieden und ihrer Fahrten zu denn Großhändler in Isernhagen nicht glaubhaft gemacht hat. Eine besondere Gefährdung lässt sich nicht erkennen, wenn sich die Klägerin lediglich mit einzelnen reparaturbedürftigen Schmuckstücken zu Fuß auf den Weg macht, denn in diesen Fällen kann es potentiellen Straftätern gelingen, die transportierten Werte zu erkennen und als lohnend für einen Überfall einzuschätzen. Wie aus den vorgelegten Rechnungen ersichtlich ist, wird die Klägerin für diese Transporte keine größeren Behältnisse mit sich führen. Gleiches gilt für die Gänge zur Post, da aus den vorgelegten Einlieferungsscheinen erkennbar ist, dass die in der Vergangenheit abgegebenen Pakete kaum ein größeres Gewicht aufgewiesen haben. Schließlich ist aus den Rechnungen des Großhändlers aus Isernhagen zu entnehmen, dass die Klägerin dort eher kleine Einkäufe tätigt, die von ihren Werten her die Annahme eines besonderen Risikos für sie, auf dem Weg von Isernhagen in ihr Geschäft überfallen zu werden, ausschließen.

24

Etwas anderes gilt allerdings für ihre Reisetätigkeit zu den Messen und Ausstellungen (vgl. dazu VGH Ba.-Wü., Urteil vom 11.04.1989 - 10 S 902/88 -, GewArch 1989 S. 245). Insoweit hat die Klägerin eine gegenüber der Allgemeinheit wesentlich höhere Gefährdung glaubhaft gemacht. Es ist dem nachvollziehbaren Vortrag der Klägerin und ihres Ehemanns Rechnung zu tragen, dass die von ihnen beschickten Messen aufgrund von Werbung und entsprechender Ankündigung in Katalogen lange im voraus terminiert sind und außer potentiellen Käufern auch potentiellen Straftätern bekannt werden. Insoweit ist grundsätzlich eine besondere Gefährdung all derjenigen anzunehmen, die mit hohen Werten zu diesen Messen und Ausstellungen als Aussteller anreisen. Denkbar ist, dass sie auf ihrem Weg zu einer Ausstellung oder auch von dort kommend in den Blick potentieller Täter gelangen, wenn sie ihren Schmuck oder ihre sonstige Ausstellungsware eigenhändig transportieren. Eben solche Transporte hat auch die Klägerin für sich ins Feld geführt.

25

Das von der Klägerin angestrebte Führen einer Schusswaffe ist auch geeignet und erforderlich, um die dargestellte Gefährdung zu mindern.

26

Die Kammer geht davon aus, dass es der Klägerin zumindest in zahlreichen - wenn auch nicht allen - Situationen eines Überfalls auf ihren Reisewegen möglich sein wird, sich mit Hilfe einer Waffe zu verteidigen. Anhaltspunkte dafür, dass Überfälle auf Schmucktransporteure ausschließlich in einer Form erfolgen, welche den Einsatz einer Schusswaffe als taugliches Verteidigungsmittel nicht zulassen, sind nicht ersichtlich (vgl. VGH Ba.-Wü. a.a.O.; VG Düsseldorf a.a.O.). Genügend für die Annahme der Geeignetheit des Führens einer Schusswaffe ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Angegriffene in der Lage sein wird, durch die mitgeführte Schusswaffe seine Gefährdung bei Überfällen zu verringern (VGH Ba.-Wü. a.a.O.).

27

Das Führen einer Schusswaffe ist im Falle der Klägerin auch erforderlich zur Minderung der dargestellten Gefährdung. Zwar liegt ein waffenrechtliches Bedürfnis dann nicht vor, wenn sich eine Gefährdung auf zumutbare andere Weise verhindern oder wenigstens ebenso mindern lässt wie durch den erstrebten Besitz einer Schusswaffe (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 12.05.1999 - 11 L 724/98 -, Datenbank des OVG; VG Düsseldorf a.a.O.), jedoch kann die Klägerin auf andere Möglichkeiten der Gefährdungsminderung nicht verwiesen werden. Sie stellen sich gleichermaßen als unpraktikabel und wirtschaftlich unzumutbar dar.

28

So kann die Klägerin zunächst nicht auf die Möglichkeit eines bewaffneten Begleitschutzes auf den Fahrten zu den Messen und von den Messen zurück verwiesen werden. Die Kosten für einen solchen Schutz durch bewaffnete Begleiter stehen ersichtlich nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den auf den Messen für die Klägerin und ihren Ehemann zu erzielenden Gewinnen. Da die Versicherung der Eheleute zwei bewaffnete Begleiter fordert und nach den von der Klägerin vorgelegten 3 Angeboten aus dem Bewachungsgewerbe pro Person und Tag mindestens 450,00 € an Kosten ((E), 480,00 € laut Angebot der Firma (F)GmbH bzw. 36,00 € Stundensatz laut Angebot der Firma (G) bei zusätzlicher An- und Abfahrtspauschale von 200,00 €) - zuzüglich Verpflegungspauschalen - anfallen, liegen die pro Messe zu erwartenden Kosten für den Begleitschutz von etwa 2 000,00 € über den von der Klägerin und ihrem Ehemann auf den Messen in der Vergangenheit durchschnittlich erzielten Rohgewinnen - Gewinn vor Abzug der betrieblichen Kosten -. Berechnet anhand der Angaben des Steuerberaters der Eheleute für 2004 ergab sich ein durchschnittlicher Rohgewinn von 1 875,29 € pro Messe bei angenommenen 21 Messeterminen - die Einzelaufstellung für April 2004 fehlt -. Damit kommt es auf die vom Steuerberater weiterhin ausgewiesenen Reingewinne - Rohgewinne abzüglich Kosten - und der insoweit auffälligen Differenz zwischen den Jahren 2003 und 2004 nicht mehr an.

29

Nach den von der Klägerin vorgelegten Angeboten zweier Werttransportunternehmen ist es aber gleichermaßen unpraktikabel und finanziell unzumutbar, dass sich die Klägerin der Hilfe Dritter beim Transport ihrer Waren zu den verschiedenen Ausstellungen bedient. Die zunächst von der Kammer in Betracht gezogene Alternative, dass die Klägerin den für eine Messe vorgesehenen Schmuck einen Tag vor ihrer Abreise bereits verpackt und einem Werttransport übergibt und auch den Rücktransport des Schmucks von einer Messe nach Hannover durch einen Werttransport entsprechend gestaltet, ist für die Klägerin nicht in zumutbarer Weise zu handhaben. Der Ehemann der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft darauf hingewiesen, dass sie notwendig den gesamten Schmuck selbst transportieren müssten, da sie die Anreisen zu den Messen sowie die Rückreisen von den Messen für Kundenbesuche nutzten. Sie könnten dabei nicht absehen, welchen Schmuck sie für welchen Kunden mitführen müssten. Zeitweilig komme es vor, dass sie gerade erst auf einer Messe erworbenen Schmuck bereits auf der Rückreise bei einem Kundenbesuch wieder veräußerten. Außerdem ist es der Klägerin nicht zuzumuten, am Tag nach einem Messebesuch auf die Anlieferung des ausgestellten und erworbenen Schmucks warten zu müssen. Da die Transportunternehmen die Ware nicht in jedem Fall am nächsten Tag bereits frühmorgens auslieferten, bestünde für die Klägerin die Gefahr, einen Geschäftstag ohne die noch auf dem Transportweg befindliche Ware bestreiten zu müssen.

30

Neben der fehlenden Praktikabilität stellt es sich auch als wirtschaftlich nicht zumutbar dar, den Schmuck zu den Messen und von den Messen nach Hannover zurück transportieren zu lassen. Die Klägerin müsste notwendigerweise mehrere Sendungen aufgeben, da die einzelnen Sendungen nur bis 125 000,00 € bzw. 250 000,00 € (je nach Unternehmen verschieden) versichert sind, sie aber nach ihrem für das Gericht glaubhaften Vortrag Schmuck zu höherem Wert transportiert. Jede einzelne Sendung kostet jedoch mindestens 50,00 € (35,00 € plus 15,00 € bei Zustellung am nächsten Tag laut Angebot der Firma (H)bzw. 50,00 € pauschal laut Angebot der Firma (I)). Auch wenn weitere Kosten nicht entstehen, da die Eheleute nach ihren eigenen Angaben für solche Transporte versichert sind, sind Kosten von etwa 400,00 € (bei einem angenommenen Wert des zu transportierenden Schmucks von 1 000 000,00 €) pro Messe zu kalkulieren, welche bereits bei dem vom Steuerberater ausgewiesenen durchschnittlichen Rohgewinn eines Messebesuchs als unwirtschaftlich anzusehen sind.

31

(2.) Die Klägerin hat weiterhin einen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Waffen im Sinne des § 10 Abs. 1 WaffG sowie einer Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Munition im Sinne des § 10 Abs. 3 WaffG.

32

Den obigen Ausführungen zum Waffenschein entsprechend ist Voraussetzung auch für die Erteilung einer Waffenbesitzkarte als Erlaubnis für den Erwerb und Besitz von Waffen und für die Erteilung einer Munitionserwerbsberechtigung als Erlaubnis für den Erwerb und Besitz von Munition, dass die Klägerin ein Bedürfnis im Sinne der § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1 WaffG glaubhaft macht. Ebenfalls den obigen Ausführungen entsprechend hat die Klägerin glaubhaft gemacht, dass sie wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe auf Leib und Leben gefährdet ist und der Erwerb einer Schusswaffe und von Munition geeignet und erforderlich ist, diese Gefährdung zu mindern.

33

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 ZPO. Gründe, die Berufung gemäß § 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7 500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des festgesetzten Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 1 GKG und entspricht - in Anlehnung an II. Nr. 50.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 07./08.07.2004 (DVBl. 2004, S. 1525) - der ständigen Rechtsprechung der Kammer bei die Erteilung eines Waffenscheins betreffenden Streitverfahren. Der Streit um die Erteilung der Waffenbesitzkarte und der Munitionserwerbsberechtigung wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus, da die Erteilung eines Waffenscheins das Vorhandensein einer Erlaubnis zum Erwerb von Waffen und Munition voraussetzt.

Reccius
Karst
Dr. Emek