Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 04.12.2007, Az.: 3 A 2168/04

Anrechnung; Asylbewerber; Asylbewerberleistung; Bundesrechtsvorrang; Erstattungsanspruch; Kostenerstattung; Leistungsträger

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
04.12.2007
Aktenzeichen
3 A 2168/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 72002
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der bundesrechtliche Erstattungsanspruch nach § 10 b Abs. 2 AsylbLG geht landesrechtlichen Erstattungsregelungen vor.
2. Keine Anrechnung pauschaler Kostenerstattung nach Landesrecht auf den Erstattungsanspruch nach § 10 b Abs. 2 AsylbLG.

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 10.052,52 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens haben der Kläger 2/5 und die Beklagte 3/5 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages. Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf 16.122,93 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

1

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen geltend, die ihm auf Grund der Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz an Frau C. und deren Kinder D. und E. entstanden sind.

2

Frau F. und ihre Kindern sind bosnische Staatsangehörige, die nach ihrer Einreise nicht als Asylberechtigte anerkannt worden waren. Da eine Abschiebung nicht erfolgen konnte, wurden sie geduldet und hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt zunächst im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, von der sie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhielten.

3

Frau G. befand sich vom 02.05.2001 bis zum 01.05.2002 im Rahmen einer stationären Drogentherapie in der Einrichtung „Projekt H. e.V.“ in I. am Elm. Während dieser Zeit waren die Kinder in Hannover untergebracht. Nach ihrer Entlassung aus der stationären Therapie verblieb Frau G. zur ambulanten Nachsorge in I. am Elm. Sie bezog eine Mietwohnung der Einrichtung und meldete sich um. Die Kinder D. und E. zogen mit Billigung der zuständigen Ausländerbehörde zu ihr. Auf ihren Antrag vom 02.05.2002 gewährte die Stadt I. am Elm Namens und im Auftrage des Klägers Frau G. und den Kindern ab Mai 2002 Leistungen nach § 2 AsylbLG. Weil Frau G. ab Dezember 2003 in einem Arbeitsverhältnis mit der Einrichtung „H.“ stand, erhielten sie und die Kinder ab Januar 2004 keine Leistungen nach dem AsylbLG mehr.

4

Unter dem 10.07.2002 stellte die Stadt I. am Elm bei der Beklagten in Bezug auf Frau G. und die Kinder einen formularmäßigen „Antrag auf Anerkennung Ihrer Verpflichtung zur Kostenerstattung gemäß § 10 b Abs. 2 Asylbewerberleistungsgesetz“. Eine nähere Darstellung des Sachverhalts, die auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 10b Abs. 2 und Abs. 3 AsylbLG a.F Bezug nähme, enthält das Schreiben nicht. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 05.08.2002 unter Hinweis auf das Gesetz zur Neuregelung der Kostenabgeltung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und zur Änderung des Niedersächsischen Finanzverteilungsgesetzes und des Niedersächsischen Gesetzes über den Finanzausgleich vom 22.06.2000 (Nds. GVBl. S. 138) ab. Danach bestünden landesrechtliche Spezialregelungen, wonach die Kosten für Leistungen nach dem AsylbLG pauschal vom Land erstattet würden. Diese Regelungen gingen denjenigen des AsylbLG vor.

5

Daraufhin wandte sich der Kläger mit weiterem Schreiben vom 30.08.2002 unter dem Betreff „Kostenerstattung nach § 10 b Abs. 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG); C. und 2 Kinder...“ an die Beklagte und vertrat sinngemäß die Auffassung, dass von der pauschalierten Abgeltung von Kosten nach Landesrecht nur diejenigen Aufwendungen erfasst würden, die die jeweils zur Durchführung des AsylbLG zuständige Behörde selbst und endgültig zu tragen habe. Nicht erfasst seien dagegen Aufwendungen, die letztlich nach den Regelungen des AsylbLG von einer anderen Behörde zu tragen seien. Auf dieses Schreiben antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 28.10.2002. Für den Personenkreis der geduldeten Flüchtlinge nach § 3 Abs. 6 Aufnahmegesetz (vom 12. Juni 1997, Nds. GVBl. S. 264, in der Fassung des Artikels 2 des Gesetzes vom 22.06.2000; im Folgenden AufnG a.F.) leiste das Land an den zuständigen Träger der Sozialhilfe eine Pauschalabgeltung nach § 2 der „Verordnung über die Zuständigkeiten und Kostenträgerschaft nach dem Asylbewerberleistungsgesetz“ (vom 09.11.1993, Nds. GVBl. S. 545, in der Fassung des Artikel 1 des Gesetzes vom 22.06.2000; im Folgenden Zust-VO AsylbLG). Eine darüber hinausgehende Kostenerstattung komme auch nach Auffassung des insoweit weisungsberechtigten Landes nicht in Betracht. Hierzu nahm der Beklagte nochmals Stellung mit Schreiben vom 22.01.2004 unter dem Betreff „Kostenerstattung nach § 10 b Abs. 2 AsylbLG“, mit dem er die Auffassung vertrat, die kostenerstattungsrechtlichen Regelungen des AsylbLG und diejenigen des Aufnahmegesetzes schlössen sich nicht aus. Erstere beträfen die Beziehungen zwischen den Leistungsträgern, letztere diejenigen zwischen dem Land und den ausführenden kommunalen Körperschaften. Hierauf antwortete die Beklagte abschließend mit Schreiben vom 27.02.2004, mit dem sie den Antrag auf Kostenerstattung unter Berufung auf die vom Land Niedersachsen im Rahmen der Sozialamtsleitertagungen vertretene Auffassung, wonach eine über die pauschale Erstattung nach § 3 Abs. 6 AufnG a.F. und § 2 Zust-VO AsylbLG hinausgehende Kostenerstattung nicht in Betracht komme, weiterhin ablehnte.

6

Der Kläger hat am 29.04.2004 Klage erhoben, mit der er ursprünglich die Feststellung begehrt hat, dass die Beklagte gemäß § 10b AsylbLG dem Grunde nach zur Erstattung der von ihm für Frau G. und deren Kinder aufgewendeten Kosten verpflichtet sei. Mit Schriftsätzen vom 30.06.2004 und 09.07.2004 hat der Kläger seine Klage auf eine allgemeine Leistungsklage umgestellt und verlangt nunmehr für die Kinder eine Erstattung in Höhe von insgesamt 6.072,41 EUR für den Zeitraum Mai 2002 bis April 2003 und für Frau G. in Höhe von 10.050,52 EUR.

7

Zur Begründung seiner Klage beruft sich der Kläger hinsichtlich der Kinder erstmals mit Schriftsatz vom 30.06.2004 auf § 10b Abs. 3 AsylbLG ( in der Fassung vom 05.08.1997; im Folgenden AsylbLG a.F.). Bezüglich der Kinder sei er bisher versehentlich davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 10b Abs. 2 AsylbLG a.F. in Verbindung mit § 10a Abs. 2 AsylbLG a.F. vorlägen. Tatsächlich seien die Kinder aber nur im Sinne von § 10b Abs. 3 AsylbLG a.F. „verzogen“. Er habe seinen Kostenerstattungsanspruch auch für die Kinder fristgerecht gemäß § 111 SBG X gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Aus dem Antrag vom 10.07.2002 und seinem vorprozessualen Schreiben vom 30.08.2002 ergebe sich eindeutig, dass sich das Erstattungsverlangen auch auf die Kinder beziehe.

8

Im Übrigen wiederholt der Kläger im Wesentlichen seine Argumentation aus dem vorprozessualen Schriftverkehr und verweist ergänzend auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.10.2003 (5 C 4.03; DÖV 2004, S. 6199 ff), wonach sich die jeweiligen Belastungsausgleiche nicht ausschlössen.

9

Der Kläger beantragt,

10

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 16.122,93 EUR zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

13

Sie meint unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (Urt. vom 06.11.1991; - 8 C 10.90 -, FEVS 42, 221), die Klage sei mangels Rechtschutzbedürfnisses bereits unzulässig. Es sei für den Kläger möglich, zunächst eine verwaltungsinterne Klärung des Rechtsstreites herbeizuführen, indem er sich an das sowohl nach dem Aufnahmegesetz als auch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz weisungsberechtigte Land Niedersachsen mit der Bitte um Entscheidung wende.

14

Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet. Den auf die Leistungen an die Kinder bezogenen Erstattungsanspruch habe der Kläger nicht innerhalb der Jahresfrist des über § 9 Abs. 3 AsylbLG entsprechend anwendbaren § 111 SGB X geltend gemacht. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, den geltend gemachten Anspruch auch in rechtlicher Hinsicht hinreichend zu konkretisieren. Das sei erstmals mit Schriftsatz vom 30.06.2004 geschehen. Im Übrigen seien die dem Kläger entstandenen Aufwendungen mit der ihm gewährten pauschalen Kostenerstattung nach § 3 Abs. 6 AufnG a.F. in Verbindung mit § 2 ZustVO-AsylbLG vollständig abgegolten. Denn diese werde zur Abgeltung aller dem jeweiligen Leistungsträger entstehenden Kosten gezahlt. Dieser landesrechtliche Erstattungsanspruch habe dem Kläger zugestanden, denn er sei im fraglichen Leistungszeitraum der örtlich zuständige Träger im Sinne von § 10a AsylbLG gewesen. Der landesrechtliche Erstattungsanspruch gehe dem Kostenerstattungsanspruch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vor.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere hat der Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses wäre nur dann zu verneinen, wenn dem Kläger ein einfacherer, effektiverer Weg zur Durchsetzung seines Klagebegehrens zu Verfügung stünde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, vor § 40 Rn. 48, m.w.N.). Das ist nicht der Fall.

17

Die von der Beklagten genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gibt dafür nichts her. Ihr lag ein sog. In-sich-Prozess zu Grunde, bei dem der Rechtsträger sowohl auf der Kläger- als auch auf der Beklagtenseite identisch war. Beteiligte waren rechtlich unselbständige Organisationseinheiten dieses Rechtsträgers, die der Weisungsgewalt der einheitlichen Verwaltungsspitze (Landrat) unterstanden. Eine derartige Konstellation besteht im vorliegenden Fall nicht.

18

Die von der Beklagten angesprochene Möglichkeit, sich mit der Bitte um Weisung gegenüber der Beklagten an die übergeordnete Fachaufsichtsbehörde zu wenden, dürfte zwar bestehen. Allerdings hat der Kläger gegenüber der Fachaufsichtsbehörde keinen subjektiv - rechtlichen Anspruch darauf, eine entsprechende Entscheidung zu treffen. Zudem beruft sich die Beklagte selbst darauf, dass der geltend gemachte Anspruch nach Auffassung der übergeordneten Behörde nicht bestehe. Es ist deshalb aus Sicht des Klägers nicht zu erwarten, dass er mit seinem Anliegen bei der Fachaufsichtsbehörde Erfolg hätte.

19

2. Die Klage ist nur zum Teil begründet.

20

a) Soweit der Kläger die Erstattung der ihm hinsichtlich der Kinder D. und E. entstandenen Aufwendungen begehrt, ist die Klage unbegründet. Der Anspruch kann insoweit, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, nur auf § 10b Abs. 3 AsylbLG a.F. gestützt sein. Dieser Anspruch ist aber, unabhängig von der Frage, ob er dem Grunde oder der Höhe nach bestanden hat, jedenfalls untergegangen. Das ergibt sich aus § 9 Abs. 3 AsylbLG a.F. in Verbindung mit § 111 SGB X.

21

Nach § 9 Abs. 3 AsylbLG a.F. sind auf Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander u.a. die Regelungen der §§ 102 bis 114 SGB X entsprechend anwendbar. Das betrifft auch die Erstattungsansprüche nach § 10b Abs. 2 und 3 AsylbLG a.F.. Nach dem danach entsprechend anwendbaren § 111 Satz 1 SGB X ist ein Erstattungsanspruch ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Das ist im vorliegenden Fall nicht geschehen.

22

aa) Die maßgebliche Frist, um den Erstattungsanspruch hinsichtlich der für die Kinder getätigten Aufwendungen geltend zu machen, lief am 30.04.2004 ab. Anknüpfungspunkt für die rechtzeitige Anmeldung des Anspruchs war nicht der Ablauf des letzten Tages der tatsächlichen Leistungserbringung, sondern der letzte Tag, für den ein Erstattungsanspruch in Betracht kommen konnte. Das war im vorliegenden Fall der 30.04.2003, da der allein in Betracht kommende Erstattungsanspruch nach § 10b Abs. 3 AsylbLG a.F. auf einen Zeitraum von einem Jahr seit Leistungsbeginn begrenzt war und der Leistungsbezug Anfang Mai 2002 begonnen hatte.

23

bb) Für die Einhaltung der Frist des § 111 SGB VIII ist es erforderlich, dass der Erstattungsberechtigte gegenüber dem Erstattungsverpflichteten sein Erstattungsbegehren unmissverständlich zum Ausdruck bringt. Dazu muss der Erstattungsberechtigte den geltend gemachten Anspruch inhaltlich mittels Darlegung der wesentlichen Einzelheiten des zu Grunde liegenden Sachverhalts oder zumindest konkreter Benennung der einschlägigen Anspruchsgrundlage so klar umschreiben, dass der in Anspruch genommene Leistungsträger ohne weitere Nachforschungen beurteilen kann, ob die erhobene Forderung jedenfalls im Grundsatz besteht oder ausgeschlossen ist. Das ergibt sich aus dem Zweck des § 111 SGB X, möglichst rasch klare Verhältnisse darüber zu schaffen, ob eine Erstattungspflicht gegeben ist (vgl. allgemein zum Zweck des § 111 SGB X: BSG, Urt. vom 22.08.2000, FEVS 52, 145 ff; zu den Darlegungserfordernissen im Einzelfall vgl. VG Weimar, Urt. v. 21.08.2003, 5 K 209/00, EuG 58, S. 159 ff).

24

Einen diesen Erfordernissen genügenden Erstattungsanspruch hat der Kläger hinsichtlich seiner auf die Kinder bezogenen Aufwendungen erstmals mit seinem Schriftsatz vom 30.06.2004 und damit nach Ablauf der Einjahresfrist des § 111 Satz 1 SGB X gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Denn erst mit diesem Schriftsatz hat er sich - materiell- rechtlich zutreffend - auf § 10b Abs. 3 AsylbLG als Anspruchsgrundlage gestützt. Sowohl in dem „Antrag“ auf Anerkennung der Erstattungspflicht vom 10.07.2002 als auch in den weiteren vorprozessualen Schreiben des Klägers an die Beklagte wird demgegenüber zwar der Erstattungsanspruch auch auf die hinsichtlich der Kinder entstandenen Aufwendungen erstreckt, dieser aber auch insoweit ausdrücklich auf § 10b Abs. 2 AsylbLG a.F. gestützt. Dieses geschah, wie der Kläger eingeräumt hat, weil er bis dahin selbst davon ausging, dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorlagen, was aber unstreitig nicht der Fall war. Die fristgerechte Anmeldung eines unstreitig insoweit nicht existierenden Anspruchs nach § 10b Abs. 2 AsylbLG a.F. war aber nicht geeignet, die Frist des § 111 SGB X zur Anmeldung des allein in Betracht kommenden Anspruchs nach Absatz 3 der Norm zu wahren.

25

Es lag auch kein Fall einer bloßen „falsa demonstratia“ hinsichtlich der einschlägigen Anspruchsgrundlage vor. Abgesehen davon, dass der Kläger zunächst selbst davon ausging, auch hinsichtlich der Kinder lägen die Voraussetzungen des § 10b Abs. 2 AsylbLG a.F. vor, war ein bloßer Bezeichnungsfehler auch aus Sicht der Beklagten nicht ohne Weiteres erkennbar. Denn der Kläger hatte der Beklagten die für eine zutreffende rechtliche Beurteilung maßgebenden Einzelheiten des Sachverhaltes nicht innerhalb der Jahresfrist mitgeteilt. Allein aus der Benennung der Personen, hinsichtlich derer Erstattungsansprüche geltend gemacht werden, sowie der Nennung einer - hinsichtlich der Kinder falschen - Anspruchsgrundlage konnte die Beklagte die für ihre Prüfung, ob sie zur Kostenerstattung hinsichtlich der Kinder verpflichtet ist, maßgebenden Informationen nicht gewinnen. Denn es handelt sich bei den in Absatz 2 und 3 dieser Vorschrift geregelten Ansprüchen um solche, die hinsichtlich ihrer Tatbestandsvoraussetzungen und ihrer Rechtsfolgen erhebliche Unterschiede aufweisen. So bezieht sich der in Absatz 2 geregelte Anspruch speziell auf nach dem Gesetz Leistungsberechtigte, die zuvor in einer Einrichtung im Sinne des § 10a Abs. 2 AsylbLG untergebracht waren und sich im Anschluss weiterhin im Zuständigkeitsbereich derjenigen Behörde aufhalten, die auch für die Einrichtung zuständig ist. Der Erstattungsanspruch ist zeitlich unbeschränkt. Demgegenüber knüpft(e) der Anspruch nach Absatz 3 lediglich daran an, dass ein nach dem Gesetz Leistungsberechtigter zulässigerweise seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort wechselt. Dieser Erstattungsanspruch ist allerdings auf ein Jahr beschränkt.

26

b) Die Klage ist begründet, soweit der Kläger Kostenerstattung für die ihm entstandenen Aufwendungen für Frau G. begehrt.

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aa) Der Anspruch auf Kostenerstattung ergibt sich aus § 10b Abs. 2 AsylbLG a.F.. Danach hat, wenn der nach dem AsylbLG Leistungsberechtigte in den Fällen des § 10a Abs. 2 AsylbLG a.F. die Einrichtung verlässt und er im Zuständigkeitsbereich der Behörde, in der die Einrichtung liegt, innerhalb von einem Monat einer Leistung nach dem AsylbLG bedarf, die Behörde, in deren Bereich der Leistungsberechtigte zuvor seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 10a Abs. 1 AsylbLG hatte, die von der anderen Behörde zur Deckung dieses Bedarfs aufgewendeten Kosten zu erstatten.

28

(1) Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm liegen - unstreitig - vor. Frau G. hatte vor der Aufnahme in der stationären Einrichtung „H.“, in der sie bis zum 01.05.2002 Leistungen im Sinne des § 10a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG a.F. erhielt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 10a Abs. 1 AsylbLG a.F. im Bereich der Beklagten. Nach ihrer Entlassung aus der stationären Therapie in der Einrichtung begründete Frau G. ihren neuen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich des Klägers, in dem auch die Einrichtung liegt. Der Leistungsbedarf nach dem AsylbLG ist unmittelbar nach der Entlassung aus der Einrichtung entstanden.

29

(2) Der Kläger hat mit dem ihm zuzurechnenden Schreiben der Stadt I. am Elm vom 10.07.2002 den Anspruch auch rechtzeitig und hinreichend substantiiert innerhalb der Frist gemäß § 9 Abs. 3 AsylbLG a.F. in Verbindung mit § 111 SGB X gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Das ist ebenfalls unstreitig.

30

(3) Der Anspruch wird schließlich nicht dem Grunde nach von landesrechtlichen Erstattungsregelungen, namentlich nicht von § 3 Abs. 6 AufnG a.F. in Verbindung mit § 2 Zust-VO AsylbLG verdrängt.

31

Das ergibt sich bereits aus Art. 31 GG, wonach Bundesrecht Landesrecht, das denselben Sachverhalt regelt, bricht. In diesen Fällen ist der bundesrechtlichen Regelung ein Geltungsvorrang eingeräumt (vgl. speziell zum Verhältnis des § 10b AsylbLG zu landesrechtlichen Erstattungsregelungen GK-AsylbLG, Losebl. Stand Nov. 2005; zu § 10b, Rn. 28). Soweit sich die Beklagte für ihre gegenteilige Auffassung auf den Schiedsspruch der Zentralen Spruchstelle für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10.10.1991 (B 96/87, ZfF 1992, S. 156 ff) beruft, folgt dem die Kammer nicht. Die Entscheidung ist zum einen nicht zu dem hier interessierenden Verhältnis von Landesrecht zu § 10b Abs. 2 AsylbLG ergangen und setzt sich zum anderen mit der zwingenden Vorrangregelung des Art. 31 GG nicht auseinander.

32

Es kommt auch nicht in Betracht, die landesrechtlichen Erstattungsregelungen als das Bundesrecht ergänzende oder ausfüllende Regelungen zu verstehen. Das Bundesrecht räumt dem Landesgesetz- bzw. -verordnungsgeber insoweit keine ergänzende Rechtssetzungsbefugnis ein. Eine solche Befugnis lässt sich insbesondere nicht aus der Verordnungsermächtigung in § 10 AsylbLG ableiten. Denn diese bezieht sich nicht auf den in § 10b Abs. 2 AsylbLG geregelten Anspruch, sondern ermöglicht lediglich landesrechtliche Regelungen zur Durchführungszuständigkeit und zum Verfahren. Die Erstattungsregelung in § 10b Abs. 2 AsylbLG a.F. lässt zudem für eine landesrechtliche Ergänzung oder Ausfüllung auch inhaltlich keinen Raum. Sie ist vielmehr sowohl hinsichtlich des Tatbestandes als auch hinsichtlich der Rechtsfolge eindeutig und abschließend.

33

bb) Der Anspruch besteht auch in der geltend gemachten Höhe.

34

(1) Dass die geltend gemachten Aufwendungen dem Kläger in dieser Höhe entstanden sind, ist unstreitig.

35

(2) Zu Unrecht macht die Beklagte zur Abwehr des Erstattungsanspruchs unter Hinweis auf das Urteil des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 25.07.2007 (4 LC 87/07, veröffentl. in der Rechtsprechungsdatenbank des OVG) geltend, der Kläger müsse sich eine vollständige anderweitige Erstattung der aufgewendeten Kosten auf Grund der pauschalen landesrechtlichen Mittelzuweisung anrechnen lassen. Abgesehen davon, dass es in dem vom Oberverwaltungsgericht entschiedenen Fall um einen Erstattungsanspruch aus § 107 BSHG ging, hat im vorliegenden Fall der Kläger keine anderweitige Erstattung erhalten, die ggf. in Abzug zu bringen wäre. Insbesondere ist dem Kläger insoweit keine anrechnungsfähige Kostenerstattung im vertikalen Kostenerstattungsverfahren von Seiten des Landes Niedersachsen auf der Grundlage des § 3 Abs. 6 AufnG a.F. in Verbindung mit § 2 Zust-VO AsylbLG zugeflossen.

36

(a) Eine Anrechnung scheitert bereits daran, dass sich aus den Mitteln, die dem Kläger im vertikalen Erstattungsverfahren zugeflossen sind, Teilbeträge, die konkret den Leistungsfall der Frau G. betrafen, nicht zuordnen lassen. Die Regelungen zur Berechnung des pauschalen Kostenausgleichs lassen eine Zuordnung nicht zu, da die Berechnung auf nicht auf den Einzelfall bezogene Parameter gestützt wird.

37

Einen personalen Bezugspunkt weist die Mittelzuweisung seitens des Landes nur insoweit auf, als zu deren Berechnung gemäß § 2 Zust-VO AsylbLG ein bestimmter Bestandszahlenkoeffizient bezogen auf das der jeweiligen vertikalen Kostenerstattung vorvergangene Jahr zu Grunde gelegt wird. Diese Anknüpfung an Bestandszahlen aus der Vergangenheit macht deutlich, dass die jährlich erfolgende Mittelzuweisung betragsmäßig gerade nicht an diejenigen Leistungsfälle anknüpft, die in demselben Jahr zu bedienen sind.

38

Frau G. ist als personale Bezugsgröße bei der Berechnung der Zuweisung von Landesmitteln an den Kläger erstmals im Jahr 2004 berücksichtigt worden. Die im Jahr 2004 dem Kläger zugeflossenen Mittel dienten aber nicht dazu, dem Kläger die für Frau G. in den Jahren 2002 und 2003 aufgewendeten Kosten zu erstatten. Vielmehr hatte der Kläger daraus die im Jahr 2004 entstehenden Kosten für die Durchführung des AsylbLG zu bestreiten.

39

(b) Abgesehen davon war der Leistungsfall der Frau G. nach den landesrechtlichen Erstattungsregelungen auch von den pauschalen Mittelzuweisungen des Landes an den Kläger gemäß § 3 Abs. 6 AufnG in Verbindung mit § 2 Zust-VO AsylbLG für die Jahre 2002 und 2003 schon im Grundsatz nicht erfasst.

40

Nach § 3 Abs. 6 AufnG in der hier maßgeblichen Fassung des Artikels 2 des Gesetzes vom 22.06.2000 wird in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 5 sowie Abs. 2 AufnG a.F. die Abgeltung der den kommunalen Körperschaften entstehenden Kosten durch die u.a. nach § 10 AsylbLG zu erlassende Verordnung (Zust-VO AsylbLG) geregelt. Diese wiederum bestimmt in ihrem § 2 Satz 1 in der Fassung, die er auf Grund des Artikels 1 des Gesetzes vom 22.06.2000 erhalten hat, dass das Land den Landkreisen und kreisfreien Städten zur Abgeltung der Kosten, die ihnen für die Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes entstehen, Pauschalen zahlt.

41

Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Leistungsfall von Frau G. im Grundsatz diesem Regelungsregime unterfiel, d.h., dass auf sie die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 oder 5 oder des Abs. 2 AufnG a.F. anwendbar war.

42

Die für den Leistungsfall angefallenen Kosten sind jedoch im Sinne der Erstattungsregelungen nicht dem Kläger, sondern der Beklagten entstanden. Das ergibt sich aus der Auslegung dieser Regelungen.

43

Weder die Regelung in § 2 Zust-VO AsylbLG noch eine andere Norm der VO oder des AufnG treffen eine Bestimmung darüber, wann bestimmte Kosten einem der genannten Kostenträger als „entstanden“ zuzurechnen sind. Die Regelung setzt vielmehr die Entstehung der Kosten und ihre Zurechnung zu einem bestimmten Kostenträger voraus.

44

Das Landesrecht ist im Zweifel in Ansehung des Art. 31 GG bundesrechtskonform auszulegen, d.h. es ist möglichst eine Auslegung vorzunehmen, die mit den bundesgesetzlichen Vorgaben in Einklang zu bringen ist. Davon ausgehend ist die Regelung des § 2 Zust-VO AsylbLG so zu verstehen, dass sie im vertikalen Kostenerstattungsverhältnis zwischen dem Land und den genannten kommunalen Körperschaften diejenigen Kosten einer pauschalen Abgeltung zuführt, die diesen Körperschaften im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach dem AsylbLG endgültig, d.h. nach der Durchführung horizontaler Kostenerstattungen auf bundesrechtlicher Grundlage, entstehen. Nur auf diese Weise kann dem eindeutigen Willen des Bundesgesetzgebers, auch im Rahmen der Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes über die Regelung des § 10b Abs. 2 AsylbLG a.F. einen wirksamen Schutz der Einrichtungsorte zu etablieren, Rechnung getragen werden. Der Bundesgesetzgeber hat zur Umsetzung dieses Ziels eine Kostenerstattung auf der Grundlage einer Abrechnung der tatsächlichen Kosten des Einzelfalles normiert. Diese bundesgesetzliche Vorgabe würde unterlaufen, wenn auch diese Fälle landesrechtlich in eine pauschale Abgeltung auf der Basis einer zeitraumbezogenen Mischkalkulation einbezogen würden, wie sie in Niedersachsen nach § 3 AufnG a.F. vorgesehen ist.

45

Diese Auslegung benachteiligt die Beklagte und begünstigt den Kläger auch nicht unangemessen. Sie führt vielmehr zu einer konsequenten Umsetzung der bundesrechtlich abschließend getroffenen Entscheidung, dass die Kosten in Fällen der in § 10b Abs. 2 AsylbLG a.F. beschriebenen Art letztlich von dem vormals zuständigen Leistungsträger zu tragen sind und der nunmehr zuständige Leistungsträger einen Anspruch auf vollständige Kostenerstattung hat. Damit hat der Bundesgesetzgeber zugleich eine Wertung darüber vorgenommen, bei wem die Kosten letztlich im Sinne einer endgültigen Kostenträgerschaft entstehen und welcher Leistungsträger damit das Risiko der Refinanzierung dieser Kosten mittels Zuweisung von entsprechenden Landesmitteln tragen soll. Nach dem Willen des Bundesgesetzgebers ist das im vorliegenden Fall die Beklagte. Die ihr dadurch gemäß § 10b Abs. 2 AsylbLG entstehenden Kosten sind wiederum über die ihr gemäß § 3 Abs. 6 AufnG a.F. in Verbindung mit § 2 Zust-VO AsylbLG zugewiesenen Finanzmittel des Landes abgegolten.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich, soweit die Klage erfolgreich ist, aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 ZPO im Übrigen aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F.. Die Höhe des festgesetzten Streitwertes folgt aus § 13 Abs. 2 GKG a.F..