Verwaltungsgericht Hannover
v. 15.11.2007, Az.: 13 A 4607/07

amtsärztliche Untersuchung; Anhörung; Beschwerde; Betriebsfrieden; Dienstunfähigkeit; formeller Fehler; Mobbing; mündliche Anhörung; Personalrat; Persönlichkeitsstörung; Ruhestand; Versetzung; Versetzung in den Ruhestand; Zurruhesetzungsverfahren; Zustimmung; Zwangspensionierung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
15.11.2007
Aktenzeichen
13 A 4607/07
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2007, 71731
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25.946,70 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

1

Die 1960 geborene Klägerin, eine Studienrätin, wendet sich gegen ihre Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit.

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Unter dem 20.12.2001 berichtete die Kollegin der Klägerin, Frau B., der Schulleitung der BBS C. über verschiedene Vorkommnisse im Zeitraum von Ende Juni 2001 bis Anfang Dezember 2001. Danach soll die Klägerin u.a. Ende Juni 2006 ihr den Ausgang von der Damentoilette versperrt und dabei Auskunft über die Dachdeckerausbildung gefordert, ihr Mobbing vorgeworfen und den Ausgang trotz mehrfacher Bitten nicht freigegeben haben. Auch in der Folgezeit will die Verfasserin des Berichtes von der Klägerin bedroht oder beschimpft bzw. angeschrien worden sein (Beiakte B Bl. 104 f.).

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In den Verwaltungsvorgängen befinden sich dann weitere Berichte von Kollegen der Klägerin, die ab der Zeit von Juni 2000 an über Beschimpfungen bzw. ungerechtfertigte Vorhaltungen seitens der Klägerin klagten, und zwar Frau D. (Beiakte B Bl. 106 f.) und Herr E. (Beiakte B Bl. 108 f.). In einem gemeinsamen Schreiben der Kollegen des Fachbereiches Bautechnik vom 10.12.2001 wurde ebenfalls Klage über die Klägerin geführt (Beiakte B Bl. 111). Wegen der Beschwerden suchte der Schulleiter ein Gespräch mit der Klägerin, wobei nach seinem Vermerk jedoch eine sachliche Unterhaltung wegen des Verhaltens der Klägerin nicht möglich gewesen sein soll. Ende Dezember 2001 gelang es dem Schulleiter nur unter Einschaltung der Polizei, die Klägerin aus seinem Büro, in dem sie unaufgefordert erschienen war, zu entfernen (Beiakte B Bl. 109 f.). Ein Gespräch mit der Klägerin bei der damaligen Bezirksregierung am 20.12.2001 konnte ebenfalls laut einem Vermerk nicht in sachlicher Form geführt werden (Beiakte B Bl. 112). Am 10. Januar 2002 soll die Klägerin wiederum andere Kollegen verbal angegriffen und beleidigt haben (Beiakte B Bl. 118). Nach dem Kurzprotokoll eines Gespräches mit dem Schulleiter und Vertretern der Bezirksregierung am 23.01.2002 (Beiakte B Bl. 120 f.) soll die Klägerin völlig ausfallend geworden sein, sie soll geschimpft und geschrien haben. Die Klägerin soll nur unter Androhung von Ordnungsmaßnahmen aus dem Zimmer hinauskomplimentiert worden sein.

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Zur Wahrung des Betriebsfriedens wurde die Klägerin mit Verfügung vom 29.01.2002 an die F. zunächst abgeordnet, später versetzt. Nach einem Bericht der Schulleitung vom 24.02.2004 soll jedenfalls zu diesem Zeitpunkt der Betriebsfrieden auch an dieser Schule aufgrund des Verhaltens der Klägerin erheblich gestört gewesen sein. Die Klägerin habe sich von allen verfolgt und gemobbt gefühlt, jedoch keine eigene Mitschuld an der Situation gesehen (Beiakte B Bl. 155 ff.). Dem Bericht war ein von Frau G. verfasstes „Protokoll“ vom 16.02.2004 beigefügt, in denen verschiedene Vorfälle - u.a. soll die Klägerin auch Schüler beschimpft und angeschrien haben, beschrieben werden (Beiakte B Bl. 160 ff.). In den Verwaltungsvorgängen befinden sich weitere Berichte, zum Teil von Kollegen, zum Teil von Schülern (Beiakte B Bl. 163 ff.), aber auch von Eltern (Beiakte B Bl. 199 ff.). Mit Schreiben vom 15.03.2005 wandte sich dann der Schulleitungskreis der F. an die Beklagte mit der Bitte um Hilfe wegen der Klägerin (Beiakte B Bl. 205 f.), dem Bericht waren Schreiben der Klasse H. und Schilderungen von anderen Lehrkräften der Schule (Beiakte B Bl. 208 ff.) sowie von Eltern (Beiakte B Bl. 221 ff.) beigefügt. Später gab es weitere Beschwerden aus der Schulklasse (Beiakte A Bl. 317, aber auch Bl. 342ff.).

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Unter dem 11.05.2005 erhob die Klägerin eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den kommissarischen Schulleiter der I.. Er habe sie körperlich bedrängt und beleidigt (Beiakte A Bl. 289 f.).

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Die Beklagte ordnete eine amtsärztliche Untersuchung an. Die begutachtende Amtsärztin kam in ihrer Stellungnahme vom 08.02.2007 zu der Diagnose, dass bei der Klägerin eine Persönlichkeitsstörung mit querulatorischen, paranoiden Anteilen und berufsassoziierten Größenideen vorliege, zudem der Verdacht auf wahnhafte Störung bestehe und als psychosomatische Begleiterkrankungen eine arterielle Hypertonie sowie Kopfschmerzen und Ohrensausen vorliegt. Die Amtsärztin kommt zu den Schluss, dass die Klägerin dienstunfähig ist, auch eine Teildienstfähigkeit iSd. § 56 NBG ist nicht gegeben. Der amtsärztlichen Stellungnahme lag ein fachpsychiatrisches Gutachten vom 22.03.2007 des Facharztes für Psychiatrie Dr. J. zu Grunde (Beiakte A Bl. 414). Daraufhin stellte die Beklagte die Dienstunfähigkeit der Klägerin fest (Beiakte A Bl. 415) und gab der Klägerin mit Schreiben vom 30.04.2007 an den damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand zu äußern (Beiakte A Bl. 417).

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Die Klägerin ließ durch ihren damaligen Verfahrensbevollmächtigten mitteilen, sie erhebe Einwendungen (Beiakte A Bl. 421), begründete diese jedoch trotz Erinnerungen durch die Beklagte nicht weiter. Außerdem beantragte sie die Beteiligung des Personalrates. Nach Zustimmung des Personalrates (Beiakte A Bl. 448) versetzte die Beklagte die Klägerin mit Verfügung vom 20.08.2007, zugestellt am 22.08.2007, mit Ablauf des 31.08.2007 in den Ruhestand.

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Die Klägerin hat am 22.09.2007 Klage erhoben.

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Sie trägt vor: Seit über zehn Jahren sei sie permanent einem Dauermobbingprozess ausgesetzt gewesen, verbunden mit einer Dauerrufmordkampagne mit übelster Nachrede, Verleumdungen, unwahren Tatsachenbehauptungen, tätlichen Angriffen. Begonnen habe alles, als eine Kollegin, Frau K., eine von ihr, der Klägerin erstellte Lehrprobe im Schuljahr 1996/97 als eigene Arbeit ausgegeben habe. Seither sei sie, die Klägerin, von dieser Kollegin bekämpft worden. Der vorerst letzte Fall habe sich im Mai 2007 ereignet, als der Dezernatsleiter bei der Beklagten L. sie, die Klägerin, tätlich angegriffen habe. Die anwesenden Zeuginnen und die herbeigerufene Polizei hätten versucht, diesen Vorfall zu vertuschen. Das Zurruhesetzungsverfahren sei auch formell rechtswidrig abgelaufen. Sie sei nicht mündlich angehört worden und auch der Personalrat sei dementsprechend nicht bei der mündlichen Anhörung dabei gewesen.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid vom 20.08.2007 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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Sie tritt der Klage entgegen. Die Klägerin sei dienstunfähig. Auch eine andere Verwendung komme bei dem gegebenen Sachverhalt derzeit nicht in Betracht.

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Zu der Entscheidungsform Gerichtsbescheid wurden die Beteiligten gehört.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Voraussetzungen zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid liegen vor, § 84 VwGO. Das Einverständnis der Klägerin ist nicht erforderlich.

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

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Formelle Fehler, die bereits zu der begehrten Aufhebung der Verfügung führen müssen, sind nicht festzustellen. Der Klägerin wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben, und die Personalvertretung wurde entsprechend dem Antrag der Klägerin beteiligt. Zwar wurde die Klägerin nicht mündlich angehört. § 55 Abs. 2 NBG schreibt indes aber auch nur vor, dass im sogenannten „Zwangspensionierungsverfahren“ dem Beamten Gelegenheit zu geben ist, sich innerhalb eines Monats mündlich zu äußern. Im Schreiben vom 30.04.2007 der Beklagten heißt es wörtlich: „Erheben Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Mitteilung ... keine Einwendungen bei mir ...“ Sicherlich ist die Formulierung etwas unglücklich. Die Beklagte dürfte gut beraten sein, in Zukunft in Fällen der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand gegen den Willen des Beamten diesen ausdrücklich auf die Möglichkeit der mündlichen Anhörung besonders hinzuweisen. Die Kammer sieht hier aber davon ab, allein deshalb die angefochtene Verfügung aufzuheben, weil im vorliegenden Fall der fehlende Hinweis auf die Möglichkeit der mündlichen Anhörung keine Auswirkungen hatte.

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Die Klägerin war seinerzeit zum Einen anwaltlich von einer in beamtenrechtlichen Streitigkeiten erfahrenen Kanzlei vertreten. Ihrem Verfahrensbevollmächtigten war, davon ist auszugehen, die Möglichkeit der mündlichen Äußerung bekannt. Wie die Rüge der Klägerin, sie sei nicht mündlich angehört worden, zeigt, war auch ihr selbst diese Möglichkeit bekannt. Wenn es denn im Schreiben des damaligen Bevollmächtigten vom 14.05.2007 nur heißt, es würden Einwendungen erhoben und diese später noch spezifiziert werden, ohne dass der Wunsch geäußert wird, mündlich angehört zu werden, so muss davon ausgegangen werden, dass die Klägerin sich seinerzeit auch nur schriftlich äußern wollte.

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Entsprechend § 55 Abs. 2 NBG war der Klägerin Gelegenheit zu geben, sich innerhalb eines Monats zu äußern. Diese Frist hat die Beklagte nicht nur nicht eingehalten, sondern großzügig erweitert. Obwohl am 14.06.2007 telefonisch und am 02.08.2007 und 14.08.2007 schriftlich erinnert, bat der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin lediglich um weitere Fristverlängerung, ohne die Einwendungen weiter zu spezifizieren. Die Beklagte war nicht verpflichtet, dieser Bitte um Fristverlängerung zu entsprechend und die Versetzung in den Ruhestand noch weiter hinauszuzögern, nicht nur im Hinblick auf die sparsame Verwendung von Haushaltsmitteln, sondern auch zum Schutz von Schülern, Kollegen und letztendlich auch der Klägerin selbst, deren Dienstunfähigkeit die Beklagte festgestellt hatte.

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Materiell erweist sich der angefochtene Bescheid ebenfalls als rechtmäßig.

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Gemäß § 55 Abs. 1 NBG ist ein Beamter auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dienstunfähig ist. Die Dienstunfähigkeit ist dabei in der Regel aufgrund eines ärztlichen Gutachtens festzustellen

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Ein Beamter ist nach § 54 Abs. 1 NBG dienstunfähig, wenn er infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauern unfähig ist. Diese Voraussetzung ist in der Person der Klägerin gegeben. Dies hat die Beklagte zu recht aufgrund von ärztlichen Gutachten festgestellt. Nach den vorliegenden amtsärztlichen und dem diesem zu Grunde liegenden fachpsychiatrischen Zusatzgutachten ist die Klägerin dauerhaft zumindest für die nächsten Jahre dienstunfähig. Sie leidet danach u.a. an einer Persönlichkeitsstörung mit querulatorischen, paranoiden Anteilen und berufsassoziierten Größenideen. An den Gutachten hegt das Gericht keine Zweifel. Auch der Klägerin ist es nicht gelungen, diese Gutachten zu entkräften.

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Nach den vorliegenden Gutachten ist auch eine anderweitige Verwendung der Klägerin iSd § 55 Abs. 4 NBG nicht möglich.

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Nach alledem wurde die Klägerin zu Recht in den Ruhestand versetzt, die Klage war abzuweisen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG n.F.. Die Höhe des festgesetzten Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 1 GKG n.F. in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichte. Nach Ziff. 10.2 dieses Streitwertkatalogs ist entsprechend § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG bei Streitigkeiten über den Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand die Hälfte des 13fachen Monatsbetrages des Endgrundgehaltes einschließlich der ruhegehaltsfähigen Zulagen anzusetzen.