Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.11.1993, Az.: 2 L 19/90

Reichsfinanzverwaltung; Kriegsgefangenschaft; Beamtenverhältnis; Versorgungsbezüge; Erwerbsunfähigkeitsrente; Doppelanrechnung; Besoldungsgruppe

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
23.11.1993
Aktenzeichen
2 L 19/90
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1993, 13696
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1993:1123.2L19.90.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover 07.12.1989 - 2 A 224/88
nachfolgend
BVerwG - 30.03.1995 - AZ: BVerwG 2 C 11/94

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 2. Kammer Hannover - vom 7. Dezember 1989 geändert.

Die Beklagte wird verpflichtet, bei der Anrechnung der Rente des Klägers auf die Versorgungsbezüge die geleisteten Beiträge aus der Zeit vom 30. Juni 1947 bis 31. März 1951 als freiwillige Beiträge zu behandeln.

Die Bescheide vom 4. März 1983 und 5. August 1988 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zwei Drittel, der Beklagte ein Drittel.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Der im April 1915 geborene Kläger trat am 7. April 1936 in den Dienst der damaligen Reichsfinanzverwaltung ein und war in den folgenden Jahren bis April 1946 mit Unterbrechungen durch Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft als Steueranwärter, -Praktikant und -Inspektor bei den Finanzämtern in Aschersleben, Dessau und Schönbeck beschäftigt. Nach einer Angestelltentätigkeit als Bilanzbuchhalter und Steuerbearbeiter bei einer Firma in Magdeburg war er von Juni 1947 bis Oktober 1956 selbständig als Helfer in Steuersachen tätig.

2

Nach seiner Übersiedlung nach Niedersachsen war er zunächst als Angestellter in der Privatwirtschaft und ab Juni 1959 als Angestellter beim Finanzamt Hannover Süd tätig. Zum 1. Januar 1960 wurde er in das Beamtenverhältnis übernommen und zuletzt zum Steuerrat befördert. Mit Ablauf des 30. April 1977 ist er auf seinen Antrag in den Ruhestand versetzt worden.

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Seine Versorgungsbezüge sind nach der Endstufe der Besoldungsgruppe A 12 BBesO nach einem Ruhegehaltssatz von 75 % festgesetzt worden. Seit Juli 1978 erhielt der Kläger eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die mit Wirkung ab 1. Mai 1980 in ein Altersruhegeld umgewandelt worden ist.

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Durch den Änderungsbescheid aufgrund des zweiten Haushaltsstrukturgesetzes für am 31. Dezember 1981 vorhandene Versorgungsempfänger mit Sozialversicherungsrenten bzw. Zusatzversorgung für den öffentlichen Dienst ab 1. Januar 1982 rechnete das beklagte Amt das Altersruhegeld mit einem Anteil von 80,7 % auf die Versorgungsbezüge des Klägers an. Das führte nach der letzten in den Verwaltungsvorgängen vorhandenen Versorgungsabrechnung für den Zahlmonat Juli 1988 dazu, daß von der Rente in Höhe von 1.430,80 DM 1.154,65 DM (80,7 %) auf die Höchstgrenze von 3.795,19 DM angerechnet wurden. Zuzüglich des Ausgleichs von 562,71 DM verblieb dem Kläger eine Versorgung von 3.203,25 DM. Daraus ergibt sich eine Kürzung gemäß § 55 BeamtVG (Rentenanrechnung) von 591,94 DM monatlich. Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, daß er als selbständiger Helfer in Steuersachen seine Versicherungsbeiträge an die Sozialversicherungskasse in der ehemaligen DDR in voller Höhe mit 14 % und ab 1956 mit 17 % allein getragen habe. Diese Beiträge seien als Eigenleistung anzusehen und die insoweit gewährte Rente sei von der Anrechnung auszunehmen. Es sei auch nicht beachtet worden, daß eine Doppelanrechnung nicht vorliege, weil die überwiegend mit Beiträgen belegten amtslosen Zeiten bei der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit nicht berücksichtigt worden seien. Rechtliche Bedenken bestünden auch an der Rechtmäßigkeit der Kürzung seiner Versorgungsbezüge in seinem speziellen Fall. Er sei bedingt durch die Verhältnisse nach dem Kriege im August 1946 aus der Finanzverwaltung der ehemaligen DDR entlassen worden und erst wieder am 1. Januar 1960 als Steuerinspektor in die Niedersächsische Finanzverwaltung eingetreten. Unter diesen Umständen sei seine Rente, die er in der Zwischenzeit mit ausschließlich eigenen Beiträgen teuer erkauft habe, ein Ausgleich für die beförderungslose Zeit von 24 Jahren. Dieser Beförderungsrückstand sei nicht mehr aufholbar gewesen. Es sei nicht einleuchtend, daß Kollegen seines Prüfungsjahrgangs aus dem Westen, die sich - nicht anders als er - von Beginn ihres Arbeitslebens an nur dem Beamtenberuf verschrieben hätten, um zwei bis drei Stufen höhere Versorgungsbezüge ungekürzt erhalten blieben. Von einer erheblich höheren Gesamtversorgung aus Ruhegehalt und Rente könne in seinem Falle nicht die Rede sein, weil sich erst durch diese Rente ein Versorgungsgleichstand mit den vorgenannten Kollegen ergebe. Es verletze auch den Gleichheitsgrundsatz, wenn Pflichtbeiträge, die nicht zu den gesetzlichen Rentenversicherungen im Geltungsbereich des G 131 geleistet worden seien, sondern z.B. zu einer Sozialversicherungseinrichtung der ehemaligen DDR, von vornherein für die Anwendung des § 55 Abs. 5 BeamtVG nicht in Betracht kämen. Diese ungleiche Behandlung werde den besonderen Verhältnissen der geflüchteten Beamten und der früheren versicherungspflichtigen Selbständigen in der ehemaligen DDR nicht gerecht. Ihnen werde ein Vermögensrecht ohne ausreichende sachliche Rechtfertigung entzogen. Nachdem das beklagte Amt die Bescheidung des Widerspruchs zunächst bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Vereinbarkeit der durch Art. 2 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes geänderten Regelung der Anrechnung von Renten auf die Versorgung mit dem Grundgesetz ausgesetzt hatte, wies es den Widerspruch durch Bescheid vom 5. August 1988 als unbegründet zurück.

5

Mit seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 30. September 1987 zu den Fragen der Eigenleistung (14 bzw. 17 % gegenüber dem halben Satz der Arbeitnehmer), der Heranziehung, auch wenn keine Doppelanrechnung vorliege, der Wegnahme des Lastenausgleichs und der Besonderheiten für ehemalige DDR-Beamte (Abschaffung des Beamtentums, Flucht- und Späteingliederungsfolgen, z.B. beförderungslose Zeiten, Nachteile aus Beförderungsrückstand gegenüber Einheimischen und gemäß G 131 eingegliederten Beamten) nicht Stellung genommen. Insofern sei die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts allein nicht geeignet, seinen Widerspruch als unbegründet zurückzuweisen. Aufgrund seines Dienstverhältnisses am 8. Mai 1945 bei der Finanzverwaltung, seines Flüchtlingsstatus und seiner Erlaubnis zum ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des G 131 seien die Bedingungen dieses Gesetzes für ihn erfüllt. Nach § 73 G 131 bestehe ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht von der Flucht an bis zur Wiederverwendung als Beamter, daher auch auf Beitragsrückforderung. Nicht zurückgeforderte und nicht zurückgezahlte Beiträge würden als freiwillig entrichtete Beiträge seit dem 9. Mai 1945 gelten.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid des beklagten Amtes vom 4. März 1983 und dessen Widerspruchsbescheid vom 5. August 1988 aufzuheben.

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Das beklagte Amt hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Es hat vorgetragen, daß die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien. Die freiwilligen Beiträge, zu denen ein Arbeitgeber nicht beigetragen habe, seien unberücksichtigt gelassen worden. Darauf beruhe auch, daß der in die Rentenanrechnung einbezogene Rentenanteil nur 80,7 % der Gesamtrente betrage. Alle anderen Rentenanteile seien in die Rentenanrechnung einzubeziehen, da sie auf Pflichtbeiträgen zur Rentenversicherung beruhten. Das betreffe auch die Beiträge, die der Kläger als Selbständiger in der ehemaligen DDR geleistet habe. Denn Pflichtbeiträge, die z.B. zu einer Sozialversicherungseinrichtung der früheren DDR geleistet worden seien, würden von den §§ 73, 74 G 131 nicht erfaßt und könnten daher von vornherein für die Anwendung des § 55 Abs. 4 BeamtVG nicht in Betracht kommen. Das bedeute, daß auch die auf diesen Beiträgen beruhenden Rentenanteile anzurechnen seien. Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, daß auch besonders gelagerte beamtenrechtliche Einzelfälle jedweder Art von der Rentenanrechnung nicht ausgenommen werden könnten. An der Berücksichtigung der Versicherungsbeiträge ändere sich nichts dadurch, daß der Kläger in der ehemaligen DDR sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmeranteile der Rentenbeiträge getragen habe. Sie seien im Rentenbescheid als Pflichtbeiträge ausgewiesen und beruhten auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteilen. Es sei unerheblich, daß der Kläger sie als Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer Person allein getragen habe.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 7. Dezember 1989 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 30. September 1987 (ZBR 1988, 23 ff.) sei von der Rechtsgültigkeit des § 55 BeamtVG auszugehen. Die vom Kläger vorgetragenen Besonderheiten seines Einzelfalles ergäben nicht, daß die angefochtenen Bescheide rechtswidrig seien. Der Einwand des Klägers, daß die überwiegend mit Beiträgen belegten und bei der Rente berücksichtigen amtslosen Zeiten (Februar 1947 bis Oktober 1956) bei der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit nicht berücksichtigt worden seien, sei nur zum Teil richtig. Denn aus der Ruhensberechnung ergebe sich, daß die Zeit von April 1946 bis März 1951 als amtslose Zeit gemäß § 81 BeamtVG berücksichtigt worden sei. Abgesehen davon habe das Bundesverfassungsgericht (vgl. C II 5 e aaO) ausgeführt, daß die Rentenanrechnung gemäß § 55 Abs. 1 BeamtVG auch in den Fällen nicht sachwidrig sei, in denen die der Rente zugrunde liegenden Zeiten bei der Bemessung des Ruhegehalts keine Berücksichtigung gefunden hätten. Es gehe nicht bloß um die Beseitigung der unerwünschten Folgen von Doppelbemessungszeiten, sondern darum, eine nicht gerechtfertigte Überversorgung von Mischlaufbahn-Beamten im Vergleich zu Nur-Beamten aus der Welt zu schaffen. Die Frage der amtsangemessenen Alimentierung müsse insgesamt betrachtet werden, weil der Staat nur einmal verpflichtet sein könne, den Ruhestandsbeamten aus öffentlichen Kassen amtsangemessen zu versorgen. Auch der Einwand des Klägers, eine Kürzung müsse unterbleiben, weil er im Verhältnis zu seinen Kollegen, die Nur-Beamte gewesen seien, von Beförderungen ausgeschlossen gewesen sei, greife nicht zu seinen Gunsten durch. Es sei nicht zu beanstanden, daß mögliche Beförderungen im Wege einer fiktiven Laufbahnnachzeichnung nicht berücksichtigt würden. Das Bundesverfassungsgericht (vgl. C II 7 a aaO) habe es als Abweichung von den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums angesehen, wenn bei einem Beamten, der nur einen Teil seines Arbeitslebens im Beamtenverhältnis verbracht habe, Beförderungen, die er als Nur-Beamter wahrscheinlich erreicht hätte, im Rahmen der Höchstgrenzenregelung zwingend berücksichtigt worden wären. Der Kläger habe im übrigen als Beamter des gehobenen Dienstes mit der Beförderung zum Steuerrat der Besoldungsgruppe A 12 BBesO eine Dienststellung erreicht, die dem Normalfalle entspreche. Zwar sei die Möglichkeit weiterer Beförderungen gegeben gewesen; diese Möglichkeit stehe in der Praxis jedoch nur ganz wenigen Spitzenkräften offen. Die Behauptung des Klägers, er sei gegenüber den Nur-Beamten benachteiligt, greife deshalb nicht durch. Der Kläger könne auch nicht damit gehört werden, daß die Rentenanteile, die auf seiner selbständigen Tätigkeit als Steuerberater beruhten, nicht auf die Versorgungsbezüge hätten angerechnet werden können. Dazu habe das Bundesverfassungsgericht (vgl. C III 3 aaO) dargelegt, daß eine willkürliche Benachteiligung nicht darin liege, daß die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch insoweit auf die Versorgungsbezüge angerechnet werde, als sie auf eigenen Beitragsleistungen des Pflichtversicherten beruhten. Es sei danach zu unterscheiden, ob eine Rente ihre Grundlage tatsächlich im Arbeitsleben habe oder ob ihr keine Arbeitsleistung zugrundeliege. Nur in diesem letzteren Fall solle eine Rentenanrechnung nicht stattfinden. Die Rentenanteile, die auf den Pflichtbeiträgen des Klägers als selbständiger Steuerberater beruhten, hätten ihren Ursprung im Arbeitsleben. Sie seien im Rahmen einer konkreten Arbeitsleistung erwirtschaftet, seien nicht freiwillig, sondern als Pflichtbeiträge geleistet worden und daher bei der Ruhensberechnung mit anzusetzen. In diesen Zusammenhang habe das Bundesverfassungsgericht (vgl. C III 3 aaO) auch dargelegt, daß der Gesetzgeber nicht gehalten gewesen sei, für die Pflichtversicherung auf Antrag eine Ausnahmeregelung zu treffen, wie in § 55 Abs. 4 BeamtVG für die dort behandelten Versicherungsarten. Gesichtspunkte, nach denen die Behandlung der Pflichtversicherung auf Antrag im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG anders hätte geregelt werden müssen, seien nicht ersichtlich, insbesondere nicht in der Tatsache zu sehen, daß auf Antrag pflichtversicherte Selbständige ihre Pflichtbeiträge sogar in voller Höhe selbst hätten tragen müssen. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers bilde der Gesichtspunkt, ob der Versicherte für die Beiträge ganz oder überwiegend selbst habe aufkommen müssen, nicht den letzten entscheidenden Differenzierungsmaßstab hinsichtlich der Anrechenbarkeit von Renten. Die Regelung in § 55 Abs. 4 Satz 4 BeamtVG diene lediglich als Anhaltspunkt für das ausschlaggebende Kriterium, ob die Rente aus einem Arbeitsverhältnis erwachsen sei oder nicht. Bei der Rente aufgrund einer Pflichtversicherung auf Antrag stehe von vornherein fest, daß die Rente aus der Tätigkeit als Selbständiger herrühre. Das Bundesverfassungsgericht habe ausgeführt, daß der Selbständige, der auf Antrag pflichtversichert sei, nicht erwarten könne, im Hinblick auf seine Altersversorgung grundsätzlich besser gestellt zu werden als der aufgrund einer abhängigen Beschäftigung Pflichtversicherte. Das gelte erst recht für den Fall des Klägers, der als Selbständiger pflichtversichert gewesen sei. Schließlich könne sich der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß er gegenüber den G 131-Beamten benachteiligt sei. Aus den §§ 73, 74 G 131 könne nicht der Schluß gezogen werden, daß die in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. März 1951 nicht zurückgeforderten Arbeitnehmeranteile auf jeden Fall als freiwillige Weiterversicherung im Sinne des § 55 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG anzusehen seien. Denn da bis zum 1. Juli 1965 der Arbeitgeberanteil auf jeden Fall hätte gezahlt werden müssen, sei § 55 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG für alle die Fälle einschlägig, in denen der Arbeitgeberanteil nicht erstattet worden sei. Abgesehen davon, daß der Kläger bei der Aufnahme seiner freiberuflichen Tätigkeit in der ehemaligen DDR nicht als Angehöriger des Personenkreises des G 131 anerkannt gewesen sei, erhalte er anders als diese Personen für seine Tätigkeit als Freiberufler Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung für diesen Zeitraum, so daß diese Zeiten nicht als freiwillige Zeiten im Sinne des § 55 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG berücksichtigt werden könnten. Es sei danach nicht zu beanstanden, daß Pflichtbeiträge, die nicht zu den gesetzlichen Rentenversicherungen im Geltungsbereich des G 131, sondern z.B. zu einer Sozialversicherungseinrichtung der DDR geleistet worden seien, nicht von den §§ 73, 74 G 131 erfaßt werden würden und daher von vornherein für die Anwendung des § 55 Abs. 4 BeamtVG nicht in Betracht kämen.

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Gegen dieses ihm am 15. Januar 1990 zugestellte Urteil führt der Kläger seine am 13. Februar 1990 eingelegte Berufung zu deren Begründung er vorträgt: Die Abschaffung des Beamtentums in der sowjetisch besetzten Zone/ehemaligen DDR habe er nicht zu vertreten. Die sich daraus ergebenden Folgen, wie z.B. die insgesamt 14jährige amtslose Zeit von April 1946 bis zum 1. Januar 1960, wirkten sich wie weggenommene Versorgungsjahre aus. Kein Nur-Beamter im Westen habe solche Versorgungslücken. Auch die 24jährige beförderungslose Zeit von 1938 bis 1962 bedeute einen ganz erheblichen Nachteil gegenüber den Nur-Beamten. Dieser Beförderungsrückstand hätte in der verbleibenden Zeit nicht aufgeholt werden können. Außerdem sei ihm auch die Möglichkeit entgangen, in den höheren Dienst (Besoldungsgruppe A 13, A 14 BBesO) aufzusteigen. Seine Rente sei, soweit sie auf den verlorenen Beiträgen beruhe, als Lastenausgleich anzusehen. Es könne nicht Rechtens sein, wenn ihm der Lastenausgleich auf dem Umweg über § 55 BeamtVG wieder weggenommen werde.

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Der Kläger beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.

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Das beklagte Amt beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Es trägt vor, daß das angefochtene Urteil auch die Besonderheiten des Falles des Klägers berücksichtigt habe und zu Recht zu dem Ergebnis gekommen sei, daß die angefochtenen Bescheide auch unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten nicht rechtswidrig seien.

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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des beklagten Amtes (Beiakten A) Bezug genommen.

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II.

Die Berufung ist in dem im Entscheidungsausspruch bezeichneten Umfang begründet; im übrigen ist sie unbegründet.

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Gemäß § 55 Abs. 4 BeamtVG bleibt bei Anwendung der die Anrechnung von Renten regelnden Vorschriften der Absätze 1 und 2 der Teil der Rente außer Ansatz, der dem Verhältnis der Versicherungsjahre aufgrund freiwilliger Weiterversicherung oder Selbstversicherung zu den gesamten Versicherungsjahren oder, wenn sich die Rente nach Werteinheiten berechnet, dem Verhältnis der Werteinheiten für freiwillige Beiträge zu der Summe der Werteinheiten für freiwillige Beiträge, Pflichtbeiträge, Ersatzzeiten und Ausfallzeiten entspricht. Zwar hat der Kläger in der Zeit vom 30. Juni 1947 bis zum 12. Oktober 1956 als selbständiger Helfer in Steuersachen in der ehemaligen DDR Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Nach § 74 Abs. 3 G 131 gelten jedoch die in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. März 1951 entrichteten Beiträge als freiwillige Beiträge, wenn ein Antrag nach Abs. 1 auf Erstattung der Arbeitnehmeranteile aus diesen Beiträgen sowie etwaiger freiwillig entrichteter Beiträge nicht gestellt worden ist. Der Kläger, der nach der von ihm vorgelegten Bescheinigung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 17. Juni 1964 kraft Gesetzes zu dem Personenkreis des G 131 gehört, hat einen derartigen Antrag hinsichtlich der von ihm in der Zeit seit dem 30. Juni 1947 geleisteten Beiträge nicht gestellt, so daß zu seinen Gunsten für die Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. März 1951 die Fiktion des § 74 Abs. 3 G 131 eingreift. Bei der Anwendung der das Zusammentreffen von Versorungsbezügen mit Renten regelnden Vorschriften des § 55 Abs. 1, 2 BeamtVG bleiben demgemäß die Teile der Rente, die auf den als freiwillig geltenden Beiträgen beruhen, außer Ansatz. Danach war das beklagte Amt zu verpflichten, die vom Kläger in der Zeit vom 30. Juni 1947 bis zum 31. März 1951 geleisteten Beiträge bei der Anrechnung der Rente auf die Versorgungsbezüge als freiwillige Beiträge zu behandeln.

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Der erkennende Senat ist der in dem angefochtenen Urteil bestätigten Auffassung des beklagten Amtes, daß Pflichtbeiträge, die nicht zu den gesetzlichen Rentenversicherungen im Geltungsbereich des G 131, sondern zu einer Sozialversicherungseinrichtung der ehemaligen DDR geleistet wurden, nicht von der Regelung des § 74 G 131 erfaßt werden und demgemäß für die Anwendung des § 55 Abs. 4 BeamtVG nicht in Betracht kommen (RdErl. v. 1. 10. 1982, Nds. MBl S. 1841, Nr. 3.2), nicht gefolgt. § 74 Abs. 3 G 131 stellt lediglich darauf ab, daß ein Antrag nach Absatz 1 nicht gestellt wurde. Der Anspruch nach § 74 Abs. 1 G 131 ist ein solcher auf Erstattung der Arbeitnehmeranteile aus den in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. März 1951 zu den gesetzlichen Rentenversicherungen entrichteten Beiträge. Diese Voraussetzungen hat der Senat nach dem Wortlaut der genannten Vorschrift als erfüllt angesehen. Maßgebend ist danach, daß ein Antrag auf Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht gestellt worden ist. Das ist hier der Fall. § 74 Abs. 1 G 131 ist nicht zu entnehmen, daß zu den gesetzlichen Rentenversicherungen nur solche der (ehemaligen) Bundesrepublik Deutschland, dagegen nicht die Sozialversicherungseinrichtungen der ehemaligen SBZ und DDR gehören (anderer Auffassung BVerwGE 62, 185, wonach es sich bei den in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. März 1951 zu den Sozialversicherungseinrichtungen der SBZ und der DDR entrichteten Beiträgen nicht um "freiwillige Beiträge" im Sinne des § 74 Abs. 3 G 131 handelt). Die wortgetreue Anwendung der - in ihrer Bedeutung durch die Regelung des § 55 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG reduzierten - Vorschrift des § 74 Abs. 3 G 131 führt zu einer angemessenen Berücksichtigung des Nachteils, der darin lag, daß der Kläger unter den Bedingungen der Nachkriegszeit seit Juni 1947 nur durch die ihm abverlangte Übernahme seiner gesamten Alterssicherung (im Umfang der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge) einen seinem Beamtenberuf entsprechenden Erwerb finden konnte.

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Die weitergehende Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat insoweit im einzelnen dargelegt, daß der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 4. März 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 1988 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Insoweit tritt der Senat der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschl. v. 30. 9. 1987, ZBR 1988, 23 ff) in Übereinstimmung steht, bei und weist demgemäß die weitergehende Berufung des Klägers aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück. Die rechtlichen Angriffe, die der Kläger insoweit gegen das angefochtene Urteil wiederholt, geben keine Veranlassung, die Entscheidungsgründe zu ergänzen.

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Die Entscheidungen über die Kosten und deren vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 155 Abs. 1, 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

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Die Revision ist zugelassen worden, weil es, auch im Hinblick auf die Unanwendbarkeit des Art. 131 GG für die Gebiete im Sinne der Art. 3 des Einigungsvertrages (vgl. dessen Art. 6), von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wie die dort erworbenen Rentenanwartschaften bei Nichtzahlung von Arbeitgeberbeiträgen nach § 55 BeamtVG zu berücksichtigen sind.

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Sommer

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Dr. Berkenbusch

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Dehnbostel