Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.08.2009, Az.: 16 K 360/08
Umsatzsteuerfreiheit eines Handels mit unionsgeförderten Zahlungsansprüchen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 13.08.2009
- Aktenzeichen
- 16 K 360/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 25540
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2009:0813.16K360.08.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 30.03.2011 - AZ: XI R 19/10
Rechtsgrundlagen
- § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG
- § 24 UStG
- § 163 AO
Fundstellen
- AUR 2010, 179-180
- DStR 2010, 10
- DStRE 2010, 623
- EFG 2010, 363-364
Umsatzsteuer 2007
Handel mit Zahlungsansprüchen nach GAP-Reform ist nach § 4 Nr. 8 c) UStG steuerbefreit (gegen BMF BStBl. I 2007, 271)
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob die Veräußerung von Zahlungsansprüchen, die aus der Agrarförderung der Europäischen Union stammen, unter die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG fällt und - wenn nicht - nach § 4 Nr. 8 c) UStG steuerbefreit ist.
Der Kläger ist Landwirt und unterliegt mit seinen Umsätzen der Besteuerung nach Durchschnittsätzen gem.§ 24 UStG. Nach der EU-Agrarreform stehen ihm in Abhängigkeit der von ihm bewirtschafteten Flächen Agrarsubventionen in Gestalt sog. Zahlungsansprüche zu.
Mit Vertrag vom 10. Mai 2007 veräußerte der Kläger 18,58 Zahlungsansprüche auf landwirtschaftliche Subventionen zu je 350,- EUR, d.h. insgesamt 6.503,- EUR an A. Den Nettobetrag daraus, 5.464,- EUR, gab der Kläger in seiner Umsatzsteuererklärung für 2007 an, die der Beklagte ohne Abweichung verarbeitete. Gegen die Steuerfestsetzung legte der Kläger sodann Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 15. Oktober 2008 zurückwies.
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass es sich bei der Veräußerung der Zahlungsansprüche um Hilfsgeschäfte des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes handele. Hilfsumsätze seien solche, die zur unternehmerischen Tätigkeit gehörten, nicht aber den eigentlichen Gegenstand des Unternehmens bildeten. Die Veräußerung der Zahlungsansprüche stelle einen Hilfsumsatz in diesem Sinne dar.
Darüber hinaus sei der Umsatz nach § 4 Nr. 8 c) UStG steuerbefreit. Es sei das Recht, eine aufschiebend bedingte Forderung geltend zu machen, veräußert worden. Aufschiebende Bedingung sei die Erfüllung der Auflagen im Zeitpunkt der Bewirtschaftung der Flächen und die fristgerechte Antragstellung bei der Behörde.
Zudem würden entsprechende Umsätze in Dänemark, den Niederlanden und Belgien nach Art. 135 1 d Mehrwertsteuersystemrichtlinie als steuerfrei beurteilt. Insoweit würden die deutschen Landwirte im Verhältnis zu ihren europäischen Kollegen diskriminiert.
Hilfsweise sei im Billigkeitsweg nach § 163 AO keine Steuer festzusetzen.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuerfestsetzung 2007 vom 17. April 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 15. Oktober 2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Erlöse aus der Veräußerung der Zahlungsansprüche der Regelbesteuerung unterliegen würden.
Die EU habe ab 2005 ihre Gemeinsamte Agrarpolitik (GAP) mit der Verordnung 1782/2003 dahingehend umgestellt, dass nicht mehr Preisausgleichszahlungen geleistet würden, sondern eine produktionsunabhängige Förderung der Landwirte stattfinde. Die Direktzahlungen der EU seien deshalb unabhängig von der landwirtschaftlichen Produktion und würden nur noch an die Einhaltung bestimmter Anforderungen an den Tierschutz, die Tiergesundheit, den Umweltschutz, sowie die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit gebunden. Die EU habe den Mitgliedsländern zur Umsetzung der Agrarreform das sog. Betriebsprämienmodell und das Regionalmodell zur Auswahl gestellt. Deutschland habe sich für ein Kombinationsmodell entschieden.
§ 24 UStG komme nur bei landwirtschaftlichen Umsätzen zur Anwendung, die durch die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens und die Verwertung der dadurch gewonnenen Erzeugnisse sowie die Tierzucht gekennzeichnet seien. Zu den ebenfalls unter § 24 UStG fallenden Hilfsgeschäften gehörten nur solche, die die Haupttätigkeit mit sich bringe, die sie unterstützten und abrundeten, selbst aber nicht nachhaltig ausgeführt würden.
Die Entkoppelung der landwirtschaftlichen Beihilfen von der Produktion und die Verknüpfung mit Standards des Umwelt- und Tierschutzes bringe es mit sich, dass die Zahlungsansprüche nicht mehr mit der landwirtschaftlichen Urproduktion in Zusammenhang stünden. Dies zeige sich auch daran, dass die Zahlungsansprüche getrennt handelbar seien.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Veräußerung der Zahlungsansprüche nicht als Hilfsumsatz beurteilt werden könnte, weil es sich weder um eine Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse nach Anhang VII der Mehrwertsteuersystemrichtlinie handele, noch um eine landwirtschaftliche Dienstleistung nach Anhang VIIII Mehrwertsteuersystemrichtlinie.
Es handele sich hier auch um keinen nach § 4 Nr. 8 c) UStG steuerbefreiten Umsatz im Geschäft mit Forderungen. Der Zahlungsanspruch stelle im Zeitpunkt der Übertragung keine aufschiebend bedingte Forderung dar, sondern das Recht, bei Erfüllung der Bedingungen einen Anspruch auf Direktzahlung geltend machen zu können. Im Zeitpunkt der Übertragung sei die spätere Auszahlung der Direktzahlung davon abhängig, ob durch die noch ausstehende Bewirtschaftung und die Art und Weise der Bewirtschaftung die Voraussetzungen für die Auszahlung dem Grunde und der Höhe nach erfüllt würden.
Der Beklagte sieht auch keine Grundlage für eine abweichende Steuerfestsetzung im Billigkeitswege. Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen käme in Betracht, wenn die Einziehung der Steuer im Einzelfall nicht zu rechtfertigen sei um ein zwar vom Gesetz gedecktes, aber nicht vom Gesetzgeber gewolltes Ergebnis zu vermeiden. Da aber die Wertungen des Gesetzgebers schon bei der Gesetzesauslegung zu berücksichtigen seien, müssten bei der Billigkeitsprüfung solche Erwägungen unbeachtet bleiben, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringe. Das sei hier der Fall. Anhaltspunkte für eine Unbilligkeit der Steuerfestsetzung aus persönlichen Gründen seien nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden.
Die Verfahrensbeteiligten haben mit Schriftsätzen vom 11. Dezember 2008 (Kläger) und 19. Juni 2009 (Beklagter) auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Allerdings folgt der Senat dem Kläger nicht darin, dass der Umsatz aus der Veräußerung der Zahlungsansprüche ein Hilfsgeschäft zu den landwirtschaftlichen Umsätzen nach § 24 UStG darstellt. Landwirtschaftliche Hilfsumsätze sind Umsätze, die die übrigen Umsätze im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterstützen und abrunden, selbst aber nicht nachhaltig ausgeführt werden (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1994 V R 24/92, BFH/NV 1995, 928). Die durch die EU-Agrarreform bewirkte Entkoppelung der landwirtschaftlichen Beihilfen von der Produktion und die Verknüpfung mit Standards des Umwelt- und Tierschutzes bewirkt, dass die Zahlungsansprüche nicht mehr mit der landwirtschaftlichen Urproduktion in einem inneren Zusammenhang stehen. Der Handel mit Zahlungsansprüchen stellt keinen der Urproduktion dienenden Umsatz dar.
Der Umsatz ist jedoch nach § 4 Nr. 8 c) UStG steuerbefreit. Nach dieser Rechtsnorm sind steuerbefreit die Umsätze im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren. Steuerfrei sind alle Umsätze, die die Abtretung oder eine andere Übertragung von Forderungen gegen Entgelt zum Gegenstand haben (Sölch/Ringleb, § 4 Nr. 8 Rz. 33). Der Umsatzsteuerfreiheit steht nicht entgegen, dass die Forderung aufschiebend bedingt ist (BFH Urteil vom 12. Dezember 1963 V R 60/61 U BStBl. III 1964, 109).
Im Streitfall hat der Kläger einen noch von der Bewirtschaftung seiner Flächen und der Erfüllung bestimmter Auflagen abhängigen Zahlungsanspruch übertragen. Dies stellt der Sache nach die Abtretung einer aufschiebend bedingten Forderung dar. Der Senat kann die Differenzierung des Beklagten zwischen der Abtretung einer aufschiebend bedingten Forderung und dem "Recht, bei Erfüllung der Bedingungen einen Anspruch auf Direktzahlung geltend machen zu können", nicht nachvollziehen. Im Übrigen stellt die Abtretung des Zahlungsanspruchs gegen Zahlung eines Geldbetrages - d.h. beide miteinander verknüpfte Leistungen sind letztendlich jeweils auf die Zahlung ein Geldbetrages gerichtet - ein typisches Geldgeschäft dar, das nach der Regelung des § 4 Nr. 8 UStG von der Umsatzsteuer befreit sein soll.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).