Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 22.05.2012, Az.: 7 A 3069/12

Inanspruchnahme eines Eigentümers durch die Beschlagnahme seiner Wohnung für die Wiedereinweisung der bisherigen Mieter zur Vermeidung von deren Obdachlosigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
22.05.2012
Aktenzeichen
7 A 3069/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 17262
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2012:0522.7A3069.12.0A

Fundstellen

  • FStBay 2013, 310-314
  • NJW-Spezial 2012, 451

Redaktioneller Leitsatz

1.

Für das besondere Feststellungsinteresse genügt jedes nach vernünftigen Erwägungen und nach Lage des Einzelfalles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art. Die typischen Fälle eines solchen "Fortsetzungsfeststellungsinteresses" sind die Präjudiziarität der Klage für Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche, hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr und Aspekte der Rehabilitierung bei einem Verwaltungsakt diskriminierenden Charakters.

2.

Nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG kann von einer Anhörung insbesondere abgesehen werden, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheint. Gefahr im Verzug im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn durch eine vorherige Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass die durch den Verwaltungsakt zu treffende Regelung zu spät käme, um ihren Zweck zu erreichen, was in jedem Einzelfall "ex ante" zu beurteilen ist.

3.

Die Anhörung gemäß § 28 VwVfG kann ihren verfahrensrechtlichen Zweck regelmäßig nur dann vollständig erfüllen, wenn sie vor dem Erlass der Entscheidung stattfindet. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie in Niedersachsen gemäß § 8a Abs. 1 Nds. AGVwGO - ein Widerspruchsverfahren, in dessen Rahmen die unterbliebene Anhörung regelmäßig nachgeholt werden kann, nicht mehr stattfindet.

4.

Eine Nachholung der Anhörung im Gerichtsverfahren setzt ein formelles Verfahren neben dem bzw. außerhalb des gerichtlichen Verfahrens voraus, das ggf. vorübergehend ausgesetzt werden kann. Eine Heilung des Verfahrensmangels kann jedenfalls nur dann angenommen werden, wenn die Behörde dem Bürger im Klageverfahren eine vollwertige Gelegenheit zur Stellungnahme zum Erlass des Verwaltungsakts einräumt und danach klar zu erkennen gibt, ob und in welcher inhaltlichen Reichweite sie nach erneuter Prüfung weiter an dem Verwaltungsakt festhält.

5.

Es ist allgemein anerkannt, dass eine drohende unfreiwillige Obdachlosigkeit insbesondere für eine Familie mit einem kleinen Kind eine Störung der öffentlichen Sicherheit und daher eine gegenwärtige erhebliche Gefahr i.S.v. § 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 Nr. 1 Nds. SOG ist.

6.

Grundsätzlich muss die Ortspolizeibehörde bei der Inanspruchnahme privaten Eigentums zur Wiedereinweisung von Personen zur Abwendung von deren Obdachlosigkeit darlegen, dass sie im fraglichen Zeitpunkt keine freien gemeindeeigenen Unterkünfte zur Unterbringung Obdachloser hat und ihr auch die Beschaffung solcher Unterkünfte bei Dritten nicht rechtzeitig möglich ist.

7.

Da die Beschlagnahme der Wohnung des bisherigen Vermieters verbunden mit der Einweisung derjenigen Personen, die obdachlos zu werden drohen, dem Vermieter ein Sonderopfer auferlegt, gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich die zeitliche und sachliche Beschränkung dieser Maßnahmen. Dabei hängt insbesondere die Dauer der Wiedereinweisung von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Die Praxis der verwaltungsgerichtlichen Rechtssprechung ist insoweit uneinheitlich und schwankt zwischen zwei und sechs Monaten.

In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn D.,
Kläger,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Dr. Fenner und andere,
Wörde 11, 26789 Leer,
gegen
die Gemeinde Moormerland, vertreten durch den Bürgermeister,
Theodor-Heuss-Str. 12, 26802 Moormerland,
Beklagte,
Beigeladen:
1. Frau M.,
2. Herr M.,
Streitgegenstand: Beschlagnahme
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 7. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2012 durch ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die Bescheide der Beklagten vom 28. Februar 2012 und 30. März 2012 an den Kläger rechtswidrig gewesen sind.

Der Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2012 an den Kläger wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Tatbestand

1

Die J.H. ... (im Folgenden: J.H.) in B. schloss unter dem 5. August 2009 mit den Beigeladenen einen Mietvertrag über die Wohnung im Obergeschoss des Hauses H. Straße 28 b (3 Zimmer, Küche, Flur und Bad mit einer Wohnfläche von 65 m2 sowie Fahrradschuppen und Kfz-Stellplatz) in M. auf unbestimmte Zeit und Beginn am 1. Oktober 2009 zu einer Monatsmiete von 330 Euro zuzüglich einer Vorauszahlung für Nebenkosten von monatlich 60 Euro. J.H. kündigte den vorbezeichneten Mietvertrag unter dem 17. April 2011 fristlos, da die Beigeladenen mittlerweile mit Mietzahlungen von 790,02 Euro in Rückstand seien. Zugleich gab J.H. den Beigeladenen bis zum 30. April 2011 Zeit die Wohnung zu räumen; Zeitpunkt der Schlüsselübergabe sollte der 2. Mai 2011, 17.30 Uhr sein.

2

J.H. erteilte dem Kläger unter dem 27. April 2011 für das "Grundstück/Gebäude H. Straße 28, 2... M. E Verwalter-Vollmacht". Diese Vollmacht "berechtigt den Kläger zur Vertretung der Eigentümerin gegenüber Mietern, Handwerkern, behördlichen Stellen usw., einschließlich Finanzamt und Grundbuchamt."

3

Das Amtsgericht Leer verurteilte die Beigeladenen durch rechtskräftiges Versäumnisurteil vom 16. Juni 2011 auf die Klage von J.H. vom 12. Mai 2011, die im Obergeschoss gelegene Wohnung bestehend aus 3 Zimmern, Küche, Bad, Flur des Hauses H. Str. 28 b, 2... M. sowie den Fahrradschuppen und Kfz-Stellplatz geräumt an J.H. herauszugeben.

4

Der Obergerichtsvollzieher V. teilte dem Kläger mit Schreiben vom 29. Juli 2011 mit, dass er die Wohnung der Beigeladenen am 26. August 2011 um 11 Uhr zwangsweise räumen werde.

5

Die Beklagte beschlagnahmte durch Bescheid vom 26. August 2011 (gerichtet an den Kläger) die bisher an die Beigeladenen vermietete Wohnung H. Str. 28 b in 2... M. befristet bis zum 31. Dezember 2011 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung. Die Beklagte begründete die Maßnahme damit, dass der Beigeladene zu 2 beim Räumungstermin schlüssig dargelegt habe, dass der Familie derzeit kein anderer Wohnraum zur Verfügung stehe. Aufgrund der drohenden Obdachlosigkeit sei es erforderlich, unmittelbar Maßnahmen zur Abwehr der damit verbundenen Gefahren für die Familie zu treffen. Sie hätte derzeit keine geeigneten Wohnräume zur Verfügung, und auch andere Möglichkeiten der Unterbringung (z.B. in Hotelzimmern) kämen auch nicht in Betracht. Der örtliche Hotelier habe erklärt, dass ihm Umsatzeinbußen drohten, wenn Hotelzimmer als Obdachlosenunterkünfte genutzt werden sollten. Außerdem sei ein Hotelbetrieb wegen des wechselnden Publikums kein geeigneter Aufenthaltsort für eine Familie mit kleinen Kindern über mehrere Monate. Mithin sei die Beschlagnahme der bisherigen Wohnung das einzige und letzte Mittel, die drohende Obdachlosigkeit der Beigeladenen und ihres Sohnes abzuwenden.

6

Die Beklagte wies die Beigeladenen gemeinsam mit ihrem Sohn J. durch weiteren Bescheid vom 26. August 2011 mit Wirkung vom 26. August 2011 in die bisherige Wohnung der Familie in der H. Str. 28 b befristet bis zum 31. Oktober 2011 als Unterkunft zur Abwendung ihrer Obdachlosigkeit ein. Zugleich wies die Beklagte die Beigeladenen darauf hin, dass die Inanspruchnahme dieser Unterkunft jederzeit aufgehoben werden könne, wenn sich eine andere geeignete Unterbringungsmöglichkeit biete oder eine andere Unterbringung notwendig werde. Weiter forderte die Beklagte die Beigeladenen auf, sich intensiv um die Anmietung einer anderen Wohnung zu bemühen und dies wöchentlich bis freitags 12 Uhr schriftlich mit Angabe der angesprochenen Vermieter nachzuweisen. Die Nichtbeachtung dieser Anweisung könne nach § 7 der Satzung über die Unterbringung Obdachloser in der Gemeinde M. mit einer Geldbuße bis zu 2.500 Euro geahndet werden.

7

Nachdem die Beklagte den Beigeladenen unter dem 15. September 2011 eine Geldbuße in Höhe von 100 Euro angedroht hatte, weil sie - die Beigeladenen - ihr weder am 2. September 2011 noch am 16. September 2011 Nachweise über die Bemühungen zur Anmietung einer anderen Wohnung vorgelegt hätte, legten die Beigeladenen am 19. September 2011 der Beklagten folgende Liste vor:

"M. Hausbesichtigungen Hausanrufe

R. Immobilien 04.../...

F. 04.../...

G. U. 04.../...

G. B. privat 04.../...

Zeitungsangebote jede Woche angeschaut haben wir"

8

Die Beklagte setzte - jeweils nach vorheriger Anhörung - durch Bescheide vom 7. November 2011 und 28. November 2011 eine Geldbuße in Höhe von 100 Euro gegen die Beigeladenen fest, da diese einen Nachweis über ihre Bemühungen zur Anmietung einer anderen Wohnung am 23. September, 30. September, 7. Oktober und 14. Oktober 2011 bzw. 21. Oktober, 28. Oktober und 4. November 2011 nicht vorgelegt hätten.

9

Die Beklagte verlängerte durch Bescheid vom 29. Dezember 2011 (an den Kläger) unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Beschlagnahme der Wohnung H. Straße 28 b bis zum 31. Januar 2012 unter Wiederholung der Begründung aus dem Bescheid vom 26. August 2011.

10

Mit weiterem Bescheid vom 29. Dezember 2011 hob die Beklagte gegenüber den Beigeladenen die Zuweisung dieser Unterkunft zur Beseitigung ihrer Obdachlosigkeit zum 1. Februar 2012 auf. Zugleich wies die Beklagte den Beigeladenen ab diesem Zeitpunkt eine andere Unterkunft in dem Gebäude Am B. 17 in M.-O. zu. Die Beklagte begründete die Maßnahme gegenüber den Beigeladenen damit, dass keine Veranlassung mehr bestehe, die von ihnen derzeit genutzte Wohnung weiter zu beschlagnahmen, da die o.g. gemeindeeigene Wohnung frei geworden sei. Zugleich wies die Beklagte die Beigeladenen erneut darauf hin, dass sie verpflichtet seien, sich selbst fortgesetzt um eine angemessene Wohnung zu bemühen und diese Bemühungen der Gemeinde nachzuweisen. Dieser Bescheid kam an die Beklagte zurück, da der Empfänger unbekannt verzogen sei (Vermerk des Zustellers vom 30. Dezember 2011 - B. 36 f. Beiakte A.) Daraufhin wiederholte die Beklagte unter dem 5. Januar 2012 diese Verfügung gegenüber den Beigeladenen; der Sachbearbeiter warf diesen Bescheid vom 5. Januar 2012 persönlich am 6. Januar 2012 in den Briefkasten der Beigeladenen im Hause H. Straße 28 b ein. Zugleich wurde dieser Bescheid den Beigeladenen am 6. Januar 2012 zugestellt.

11

Die Beklagte brach am 31. Januar 2012 nachmittags die Zwangsräumung der Wohnung der Beigeladenen H. Straße 28 b in M. ab. Der Kläger habe seinerzeit keinen Schlüssel zur Verfügung stellen können, und die Wohnungstür sei nach mehrmaligem Klingeln nicht geöffnet worden. Ein Schlüsseldienst habe nicht erreicht werden können. Der Beigeladene zu 2 sei seinerzeit wohl nicht zu Hause gewesen, da sein Fahrzeug nicht vor Ort gewesen sei. Auch Klingeln bei der Nachbarin sei erfolglos geblieben.

12

Die Beklagte versuchte Ende Januar 2012 zweimal vergeblich, für die Folgezeit eine Wohnung für die Beigeladenen anzumieten (Absagen der Vermieter Bl. 49 f Kopien mit den Anzeigen für Wohnungsvermietungen der O.-zeitung vom 21. März 2012), nachdem sie festgestellt hatte, das auch die Beigeladene zu 1 und der Sohn der Beigeladenen sich wieder in der Unterkunft H. Straße 28 b Obergeschoss aufhielten.

13

Die Beklagte brach am 14. Februar 2012 erneut die Zwangsräumung der o.g. Wohnung ab. Der Beigeladene zu 2 habe sich mit der beabsichtigten Umsetzung in die Wohnung Am B. 17 in O. nicht einverstanden erklärt, da sein Kind krank und daher die Unterkunft nicht zumutbar sei. Nach einem Gespräch des Beigeladenen zu 2 mit dem Bürgermeister der Beklagten entschied dieser, dass Familien mit Kindern ab sofort nicht mehr in die gemeindlichen Unterkünfte in O. eingewiesen würden. Bis zum Neubau von Obdachlosenunterkünften wolle die Beklagte daher geeigneten Wohnraum auf Dauer anmieten. Eine erste diesbezügliche Nachfrage der Beklagten bei dem Makler F. wurde für den damaligen Zeitpunkt abschlägig beschieden (Vermerk Bl. 54 Beiakte A).

14

Die Beklagte verlängerte die Beschlagnahme der Unterkunft der Beigeladenen im Hause H. Straße 28 b durch Bescheid vom 15. Februar 2012 gegenüber dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung bis zum 29. Februar 2012. Zur Begründung dieser Maßnahme wiederholte die Beklagte die Erwägungen aus den Bescheiden vom 26. August 2011 und 29. Dezember 2011. Durch weiteren Bescheid vom 15. Februar 2012 wies die Beklagte die Beigeladenen gemeinsam mit deren Sohn J. mit Wirkung vom 1. Februar 2012 und befristet bis zum 29. Februar 2012 erneut die Unterkunft H. Straße 28 b zu. Zugleich hob die Beklagte ihre Verfügung vom 5. Januar 2012 (Zuweisung einer anderen Unterkunft in M.-O., Am B. 17) auf. Weiter wies die Beklagte die Beigeladenen darauf hin, dass die Inanspruchnahme dieser Unterkunft jederzeit aufgehoben werden könne, wenn sich eine andere Unterkunftsmöglichkeit biete oder eine andere Unterbringung notwendig werde, dass sie sich intensiv um die Anmietung einer anderen Wohnung zu bemühen und dies wöchentlich bis freitags 12 Uhr schriftlich mit Angabe der angesprochenen Vermieter nachzuweisen hätten.

15

Die Beklagte verlängerte durch Bescheid vom 28. Februar 2012 an den Kläger die Beschlagnahme der Unterkunft der Beigeladenen in der H. Straße 28 b in M. unter Anordnung der sofortigen Vollziehung bis zum 31. März 2012. Zur Begründung wiederholte die Beklagte die Erwägungen aus den vorangegangenen Beschlagnahmebescheiden. Die Beklagte wies den Beigeladenen gemeinsam mit deren Sohn J. zur Abwendung ihrer Obdachlosigkeit durch weiteren Bescheid vom 28. Februar 2012 erneut die Unterkunft H. Straße 28 b mit Wirkung zum 1. Februar 2012 und befristet bis zum 31. März 2012 zu. Die Beklagte hob zugleich ihre Verfügung vom 29. Dezember 2011 bzw. 5. Januar 2012 (Zuweisung einer anderen Unterkunft in M., Am B. 17) auf. Zugleich wies die Beklagte die Beigeladenen darauf hin, dass die Inanspruchnahme dieser Unterkunft jederzeit aufgehoben werde könne, wenn sie eine andere geeignete Unterbringungsmöglichkeit biete oder eine andere Unterbringung notwendig werde, dass sie sich intensiv um die Anmietung einer anderen Wohnung zu bemühen und dies wöchentlich bis freitags 12 Uhr schriftlich mit Angabe der angesprochenen Vermieter nachzuweisen hätten. Eine solche Liste mit der Bezeichnung von vier Wohnungen mit Telefonnummern der Anbieter gaben die Beigeladenen am 8. März 2012 bei der Beklagten ab.

16

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers teilten der Beklagten unter dem 20. März 2012 mit, dass die wiederholten Einweisungsverfügungen an die Beigeladenen rechtswidrig seien. Weder die Beklagte und die Beigeladenen hätten sich hinreichend um eine andere Unterkunft bemüht. Dies betreffe auch die Möglichkeiten der Anmietung von Hotelzimmern und Ferienwohnungen. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers teilten der Beklagten mit weiterem Schreiben vom 22. März 2012 mit, dass der Beigeladene zu 2 - nicht zum ersten Mal - die Mieterin S. bedroht und tätlich angegriffen habe. Auch auf diesem Hintergrund sei es unzumutbar, das die Beigeladenen weiter in dem Gebäude H. Straße 28 b verblieben.

17

Die Beklagte teilte den Prozessbevollmächtigten des Klägers unter dem 26. März 2012 mit, dass die Unterkunft Am B. 17 in M. für eine Unterbringung einer Familie mit einem Kleinkind nicht geeignet sei und andere Obdachlosenunterkünfte der Gemeinde gegenwärtig nicht zur Verfügung stünden. Da auch eine andere geeignete Unterkunft in M. für die Beigeladenen nicht habe angemietet werden können, hätte sie - die Beklagte - die Beigeladenen leider immer wieder in die bisher genutzte Unterkunft einweisen müssen. Sie werde sich auch weiterhin bemühen selbst eine geeignete Unterkunft anzumieten, was gegenwärtig angesichts des sehr angespannten Mietmarkts in M. wenig erfolgversprechend sei.

18

Die Beklagte verlängerte - jeweils unter Anordnung der sofortigen Vollziehung - durch Bescheide vom 30. März 2012 und 2. Mai 2012 an den Kläger die Beschlagnahme der Unterkunft der Beigeladenen bis zum 30. April 2012 bzw. 31. Mai 2012. Zur Begründung wiederholte sie die Erwägungen ihrer bisherigen Beschlagnahmeverfügungen. Die Beklagte wies den Beigeladenen gemeinsam mit deren Sohn J. zur Abwendung der Obdachlosigkeit die Unterkunft H. Straße 28 b durch Bescheid vom 30. März 2012 bzw. 2. Mai 2012 befristet bis zum 30. April 2012 bzw. 31. Mai 2012 erneut zu. Zugleich wiederholte sie die Hinweise zur Möglichkeit der jederzeitigen Aufhebung der Inanspruchnahme dieser Unterkunft und die Anweisungen zu den eigenen Bemühungen der Beigeladenen um die Anmietung einer anderen Wohnung aus den bisherigen Bescheiden.

19

Die Beigeladenen legten der Beklagten fünf Nachweise "Wohnungssuche G. und M." mit insgesamt 20 Angaben eines "Datum der Besichtung" für die Zeit vom 29. März bis zum 26. April 2012 vor (Bl. 94, 98, 100, 105 und 107 Beiakte A). Außerdem gab die Beklagte den Beigeladenen Kopien von einschlägigen Zeitungsanzeigen für Vermietungen (8., 14., 15. und 28. April 2012 - Bl. 97, 100, 101 und 106 Beiakte A). Für die Angebote in der O.- zeitung am 11. April 2012 und im Sonntagsreport vom 29. April 2012 stellte die Beklagte fest, dass keine für die Beigeladenen geeignete Wohnung angeboten werde (Bl. 99, 108 Beiakte A).

20

Der Kläger hat am 28. März/13. April/14. Mai 2012 Klage erhoben.

21

Er trägt vor: Er sei nicht der richtige Adressat der Bescheide, da er weder Eigentümer noch Vermieter des Hauses H. Straße 28 b in M. sei. Das Hausgrundstück "H. Straße 28, 2... M." sei ein einheitliches Grundstück mit einem Mehrfamilienhaus mit insgesamt vier Wohnungen und zwei getrennten Eingängen. Die beiden Eingänge seien postalisch aufgeteilt in H. Straße 28 a und 28 b. Die Verwalter-Vollmacht von J. H. beziehe sich mithin auf das gesamte Hausgrundstück und somit auch auf die Wohnungen H. Straße 28 b. Er habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der Bescheid der Beklagten vom 28. Februar, 30. März und 2. Mai 2012 rechtswidrig gewesen sei. Er habe mehrere inhaltsgleiche Bescheide der Beklagten erhalten, obwohl er nicht der richtige Adressat gewesen sei. Die Beklagte hätte die Bescheide an die Vermieterin, vertreten durch ihn, an seine Anschrift zustellen müssen. Sie seien rechtswidrig, da ein Vermieter es nicht dulden müsse, das ein rechtskräftiges Räumungsurteil mehr als ein 3/4 Jahr nicht durchgesetzt werden könne. Den Beigeladenen hätte auch keine unverschuldete Obdachlosigkeit gedroht. Ihnen sei seit mehr als einem 3/4 Jahr klar, dass sie die bisherige Unterkunft hätte verlassen müssten. Die Beigeladenen hätten insoweit keine hinreichenden Bemühungen unternommen. Zudem habe sich die Beklagte selbst nicht hinreichend um eine geeignete Ersatzunterkunft bemüht. Es sei nicht ausreichend, das sie sich auf eine Auskunft des örtlichen Hoteliers berufe, obwohl sie verpflichtet sei, in allen Hotels und Ferienwohnungen im Gemeindegebiet um eine Ersatzunterkunft zu suchen. Die Beigeladene zu 1 sei mit dem gemeinsamen Sohn bereits ausgezogen gewesen. Wenn jemand bereits nachweislich ausgezogen sei, so bestehe kein schutzwürdiges Interesse an einer erneuten Einweisung in die Wohnung. Zudem habe ab dem 1. Februar 2012 eine Ersatzunterkunft mit dem Objekt Am B. 17 in 2... M. für die Beigeladenen mit ihrem Sohn zur Verfügung gestanden. Es sei nicht nachvollziehbar und - gewiesen, dass diese Unterkunft für den Sohn der Beigeladenen nicht zumutbar gewesen sei. Ende April 2012 seien im Internet mindestens fünf geeignete Wohnungen für die Beigeladenen und ihr Kind zur Miete angeboten gewesen.

22

Der Kläger beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 2. Mai 2012 an ihn aufzuheben, und festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 30. März 2012 und 28. Februar 2012 an den Kläger rechtswidrig gewesen sind.

23

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

24

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

25

Die Beklagte erwidert: Die gemeindeeigene Unterkunft Am B. 17 sei für eine Unterbringung einer Familie mit einem Kleinkind aus gesundheitlichen Gründen nicht geeignet. Sie und auch die Beigeladenen hätten sich nach dem Scheitern der Umsetzung der Familie nach O. mehrfach und vergeblich darum bemüht, eine Ersatzunterkunft für die Beigeladenen anzumieten. Dies sei im Hinblick auf den derzeit sehr angespannten Mietmarkt in M. gescheitert. Sie werde sich aber auch weiterhin um geeigneten Ersatzwohnraum für die Beigeladenen bemühen und zugleich auch deren Verpflichtung sich selbst eine andere Wohnung zu beschaffen, notfalls wieder mit Geldbußen, durchsetzen. Sie habe kürzlich ein Hausgrundstück erworben, das wohl demnächst für die Beigeladenen genutzt werden könne. Gegenwärtig werde es zwar noch von dem bisherigen Eigentümer bewohnt, der auch ein befristetes Wohnrecht habe. Er bemühe sich aber, möglichst schnell eine andere Unterkunft zu finden, die auch für seine pflegebedürftige und vorübergehend in einer Einrichtung untergebrachten Ehefrau nutzbar sei.

26

Die Beigeladenen tragen vor, dass sie die Zusage des Maklers für die Anmietung einer Wohnung zum 15. Juni 2012 hätten. Bis zu diesem Zeitpunkt hätten sie indes keine anderweitige Unterkunft.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagte Bezug genommen; sie waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

28

Die Klage ist zulässig. Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht für den Fall, dass sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Erledigung tritt ein durch den Wegfall der beabsichtigten Regelungswirkung des Bescheides. Fälle der Erledigung eines Verwaltungsaktes sind in § 43 Abs. 2 VwVfG genannt. Danach bleibt ein Verwaltungsakt u.a. wirksam, solange und soweit er sich nicht durch Zeitablauf erledigt hat. Letzteres ist hier überwiegend der Fall, da die angefochtenen Regelungen der Beklagten vom 28. Februar 2012 bzw. 30. März 2012 mit Ablauf des 31. März 2012 bzw. 30. April 2012 durch die Beschlagnahmeverfügung des Beklagten vom 30. März 2012 bzw. 2. Mai 2012 "abgelöst" worden ist.

29

Zwar dürfte die Klage am 28. März/13. April 2012 jeweils noch nicht als Fortsetzungsfeststellungsklage i.S.v.§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig gewesen sein. Seinerzeit hatte sich die Beschlagnahmeverfügungen der Beklagten vom 28. Februar 2012 und 30. März 2012 noch nicht durch Zeitablauf erledigt. Im Hinblick darauf, dass diese Erledigung aber alsbald nach Klageerhebung eintreten würde, ist es aus Sicht des Gerichts jedenfalls für die maßgebliche gegenwärtige Zulässigkeit der Klage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht zu beanstanden, dass der Kläger nicht erst Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2012 erhoben und diese drei Tage später auf ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren umgestellt hat. Es stand jedenfalls bereits bei Klageerhebung fest, dass das Gericht nicht rechtzeitig über eine "echte" Anfechtungsklage des Klägers gegen die Beschlagnahmeverfügung der Beklagten vom 28. Februar 2012 entscheiden würde. Das gleiche galt im Prinzip auch für die Klageerweiterung vom 13. April 2012 (bezogen auf den Bescheid der Beklagten vom 30. März 2012).

30

Dieser Klage gegen die Bescheide vom 28. Februar 2012 und vom 30. März 2012 steht auch das besondere Feststellungsinteresse nach dieser Vorschrift zur Seite. Dafür genügt jedes nach vernünftigen Erwägungen und nach Lage des Einzelfalles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art. Die typischen Fälle eines solchen "Fortsetzungsfeststellungsinteresses" sind die Präjudiziarität der Klage für Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche, hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr und Aspekte der Rehabilitierung bei einem Verwaltungsakt diskriminierenden Charakters. Zu Recht beruft sich der Kläger hier auf ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr. Diese wird dadurch belegt, dass die Beklagte die von den Beigeladenen gegenwärtig noch bewohnte Wohnung im Hause H. Straße 28 b in M. durch Verfügungen vom 30. März 2012 und vom 2. Mai 2012 "erneut" jeweils für die Monate April und Mai 2012 beschlagnahmt und die Beigeladenen mit ihrem Sohn J. zur Abwendung ihrer Obdachlosigkeit wieder in diese Wohnung eingewiesen hat.

31

Der Zulässigkeit der Klage vom 28. März/14. April 2012 steht auch nicht entgegen, dass sie sich nur gegen die Beschlagnahme der Wohnung, nicht aber gegen die Wiedereinweisung der Beigeladenen in die Unterkunft (Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2012) wendet. Zwar wäre dies erforderlich, wenn der Eigentümer der Wohnung rechtlich einwandfrei und uneingeschränkt wieder die Verfügungsgewalt über sie erlangen wollte. Da dies aber für die Vergangenheit ohnehin nicht mehr möglich ist, hat der Kläger auch ein verfahrensrechtlich anzuerkennendes Interesse an der Feststellung, dass die Beschlagnahme seinerzeit rechtswidrig gewesen ist.

32

Die Kammer hat erwogen, ob die Klage hier deshalb mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, weil der Kläger möglicherweise auf andere und effektivere Weise Rechtsschutz gegen die Beschlagnahme der vorbezeichneten Wohnung hätte erlangen können. Für diese Erwägungen war maßgeblich, dass es dem Kläger erkennbar darauf ankommt, eine erneute Beschlagnahme der Wohnung zugunsten der Beigeladenen zu verhindern. Es hätte sich daher möglicherweise angeboten, gegen die aktuelle Beschlagnahme vom 2. Mai 2012 durch Begehren vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative VwGO vorzugehen. Diese Möglichkeit berührt indes nach Überzeugung der Kammer nicht die besondere Rechtsschutzmöglichkeit von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für einen durch Zeitablauf erledigten Verwaltungsakt, der dann tatsächlich für einen späteren Zeitraum "wiederholt" wird. Es ist für die Ausnutzung eines stattgebenden Urteils nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO unerheblich, dass die Behörde den gleichen Lebenssachverhalt für einen späteren Zeitabschnitt durch eine inhaltsgleiche Verfügung erneut und bestandskräftig regelt. Ein stattgebender Beschluss gemäߧ 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative VwGO würde immer nur unter dem Vorbehalt der Entscheidung in der Hauptsache die maßgebliche Rechtsfrage "vorläufig" klären. Es ist mithin nicht zulässig, als gleichsam ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage nach§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zu verlangen, dass nicht in anderer Weise effektiver Rechtsschutz erreicht werden kann.

33

Die Klage ist auch begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 28. Februar 2012 und 30. März 2012 an den Kläger sind rechtswidrig gewesen und haben den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Der Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2012 an den Kläger ist rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

34

Die Bescheide sind wohl schon aus formellen Gründen rechtswidrig. Die Beklagte hat den Kläger vor deren Erlass entgegen§ 28 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG nicht angehört. Gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG ist den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte des Beteiligten eingreift. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte den Kläger zu ihrer Absicht, die Wohnung H. Straße 28 b, Obergeschoss jeweils auch für die Monate März, April und Mai 2012 zu beschlagnahmen und die Beigeladenen erneut mit ihrem Sohn zur Abwendung von deren Obdachlosigkeit in die Wohnung wieder einzuweisen, angehört hat. Das Gericht hat erwogen, ob die Anhörung des Klägers wegen der erneuten Beschlagnahme der Wohnung darin zu sehen ist, dass er sich gegen die früheren Beschlagnahmeverfügungen nicht gewandt hat. Diesem Gedanken ist indes nicht näherzutreten. Zum einen ist der Kläger auch vor den vorangegangenen wiederholenden Beschlagnahmeverfügungen vom 29. Dezember 2011 und 15. Februar 2012 nicht angehört worden. Zum anderen wird durch die erneute Beschlagnahme der Wohnung durch die angefochtene Verfügung der Beklagten vom 28. Februar 2012 die "kritische" Zeit von sechs Monaten (s. u.) überschritten. Auch durch den Schriftwechsel zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Beklagten ist nicht im Sinne von § 45 Abs. 1 Nr. 3 VvVfG die Anhörung nachgeholt worden. Bei diesem Schriftwechsel handelt es sich nicht um ein formelles Verfahren neben dem bereits laufenden Verfahren (dessen Bescheid bereits vollzogen wird), das "ergebnisoffen" ist, in dem also die Behörde dem Betroffenen die Änderung des fraglichen Verwaltungsaktes eröffnet. Die Beklagte hat ihre Verfügung vom 28. Februar 2012 und mit dem Schreiben vom 26. März 2012 ihres Bürgermeisters lediglich verteidigt.

35

Die Voraussetzung für ein ausnahmsweises Absehen von der Anhörung des Klägers sind hier nicht erfüllt. Ernsthaft kommt hier lediglich die Anwendung von § 28 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG in Betracht. Danach kann von einer Anhörung insbesondere abgesehen werden, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheint. Gefahr im Verzug im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn durch eine vorherige Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass die durch den Verwaltungsakt zu treffende Regelung zu spät käme, um ihren Zweck zu erreichen, was in jedem Einzelfall "ex ante" zu beurteilen ist (BVerwGE, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 3 C 27/82 -, [...] zu der gleichlautenden bayerischen Vorschrift). Es ist weder vorgetragen noch ansatzweise ersichtlich, dass die Voraussetzungen hier erfüllt sein könnten.

36

Das Fehlen der Anhörung des Klägers ist auch nicht gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG unbeachtlich, weil diese im Hinblick auf die Beschlagnahme der vorbezeichneten Wohnung für den Monat März 2012 nachgeholt worden wäre. Zwar kann eine fehlende Anhörung gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG bis zum Abschluss der ersten Instanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Diese Möglichkeit ist hier indes nicht in Betracht zu ziehen, da eine solche Heilung wohl nur in einem Verwaltungsverfahren möglich ist, das zu einer Änderung des betroffenen Verwaltungsaktes führen könnte. Dies ist bei einer "Fortsetzungsfeststellungs-Klage" nicht der Fall, da sich der angefochtene Verwaltungsakt erledigt hat (VG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2010 - 20 K 620/10 - und VG Meinungen, Urteil vom 8. Februar 2011 - 2 K 453/09 Me -, beide zitiert nach [...], jeweils m.w.N.).

37

Die Beklagte hat den Kläger auch nicht vor der erneuten Beschlagnahme der Wohnung H. Str. 28 b Obergeschoss durch den Bescheid vom 2. Mai 2012 angehört. Die Anhörung gemäߧ 28 VwVfG kann ihren verfahrensrechtlichen Zweck regelmäßig nur dann vollständig erfüllen, wenn sie vor dem Erlass der Entscheidung stattfindet. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie in Niedersachsen gemäß § 8a Abs. 1 Nds. AGVwGO - ein Widerspruchsverfahren, in dessen Rahmen die unterbliebene Anhörung regelmäßig nachgeholt werden kann, nicht mehr stattfindet. Wenn es das Gesetz dennoch zulässt, die Anhörung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz nachzuholen, so sind an diese Heilung erhebliche Anforderungen gemäß Sinn und Zweck der Anhörung zu stellen.

38

Es reicht somit nicht aus, wenn im Gerichtsverfahren - wie hier - das Gericht den Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und sie auf diesem Wege ihre Auffassungen zur streitigen Maßnahme austauschen (so hier zu den Beschlagnahmeverfügungen der Beklagten vor dem 1. Mai 2012). Insoweit setzt eine Nachholung der Anhörung im Gerichtsverfahren ein formelles Verfahren neben dem bzw. außerhalb des gerichtlichen Verfahrens voraus, das ggf. vorübergehend ausgesetzt werden kann. Eine Heilung des Verfahrensmangels kann jedenfalls nur dann angenommen werden, wenn die Behörde dem Bürger im Klageverfahren eine vollwertige Gelegenheit zur Stellungnahme zum Erlass des Verwaltungsakts einräumt und danach klar zu erkennen gibt, ob und in welcher inhaltlichen Reichweite sie nach erneuter Prüfung weiter an dem Verwaltungsakt festhält. Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf den Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2012 an den Kläger in der Kommunikation der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren nicht erfüllt (s. zu alledem Urteil der Kammer vom 14. Januar 2011 - 7 A 1212/09 -, [...]).

39

Schließlich dürfte die fehlende Anhörung auch nicht gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich sein. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er u.a. unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dabei lässt das Gericht offen, ob diese Vorschrift bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage überhaupt anwendbar ist (s. hierzu VG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2010 - 20 K 620/10 -, a.a.O., m.w.N.). Es scheint bereits sehr fraglich, ob die Voraussetzungen von§ 46 VwVfG hier erfüllt sind. Zum einen ist es erforderlich, dass jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass bei einer Anhörung des Klägers vor dem Bescheid vom 28. Februar 2012 die Entscheidung (Beschlagnahme der Wohnung für den März 2012) aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hätte anders ausfallen können. Zum anderen muss es auch offensichtlich sein, dass eine Anhörung des Klägers die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hätte. Es muss mithin jeder vernünftige Zweifel ausgeschlossen sein, dass es bei Vermeidung des Fehlers zur selben Entscheidung in der Sache gekommen wäre (s. Urteil der Kammer vom 14. Januar 2011 - 7 A 1212/09 - [...], sowie VG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2010 - 20 K 620/10 -, jeweils [...] und m.w.N.). Das scheint vorliegend zweifelhaft. Zwar mag im Hinblick auf die ständige wiederholte Beschlagnahme der Wohnung und das Schreiben des Bürgermeisters der Beklagten vom 26. März 2012 vieles dafür sprechen, dass auch eine Anhörung des Klägers, in der dieser die nunmehr im gerichtlichen Verfahren gegen die Beschlagnahme angeführten Gründe hätte vortragen können, die Beklagte nicht zu einer anderen Entscheidung veranlasst hätte. Gleichwohl ist die Möglichkeit einer anderen Entscheidung im Rechtssinne hier nicht auszuschließen. Bei den streitigen Verfügungen handelt es sich um Ermessensentscheidungen, bei denen die Anhörung sicherstellen soll, dass der von der beabsichtigten Maßnahme Belastete seine Belange in die Entscheidung einbringen soll (s. Urteil der Kammer vom 14. Januar 2011, a.a.O.). Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, weil die angefochtenen Verfügungen der Beklagten vom 28. Februar 2012, 30. März 2012 und 2. Mai 2012 auch materiell rechtswidrig sind.

40

Dies ergibt sich aus Folgendem: Die Inanspruchnahme des Eigentümers durch die Beschlagnahme seiner Wohnung, für die Wiedereinweisung der bisherigen Mieter zur Vermeidung von deren Obdachlosigkeit in diese Wohnung kommt nur unter den Voraussetzungen in Betracht, unter denen eine nicht verantwortliche Person gemäß § 8 Nds. SOG in Anspruch genommen werden kann. Dies setzt voraus, dass

41

1. eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren ist

42

2. Maßnahmen gegen die nach § 6 oder 7 Nds. SOG verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen

43

3. die Verwaltungsbehörde oder die Polizei die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch Beauftragte abwehren kann und

44

4. die Personen ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung höherwertiger Pflichten in Anspruch genommen werden können (Abs. 1).

45

Gemäß § 8 Abs. 2 Nds. SOG darf die nicht verantwortliche Person nur solange in Anspruch genommen werden, solange die Abwehr der Gefahr nicht auf andere Weise möglich ist.

46

Zwar ist allgemein anerkannt, dass eine drohende unfreiwillige Obdachlosigkeit insbesondere für eine Familie mit einem kleinen Kind eine Störung der öffentlichen Sicherheit und daher eine gegenwärtige erhebliche Gefahr i.S.v. § 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 Nr. 1 Nds. SOG ist. Als Grundlage dafür, dass Mieter zur Abwendung ihrer Obdachlosigkeit wieder in ihre bisherige Wohnung eingewiesen werden, kommt die polizeiliche Generalklausel von § 11 i.V.m. § 2 Nr. 1 Nds. SOG in Betracht. An die Zulässigkeit der Wiedereinweisung und der für sie vorausgesetzten Beschlagnahme der Wohnung sind aber wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Eigentumsrecht des Hauseigentümers hohe Anforderungen zu stellen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. Dezember 2009 - 11 ME 316/09 -, zitiert nach [...], m.w.N.). Ihm dürfen keine Pflichten auferlegt werden, die aufgrund des Sozialstaatsprinzips dem Staat und damit der Allgemeinheit obliegen. Grundsätzlich muss die Ortspolizeibehörde bei der Inanspruchnahme privaten Eigentums zur Wiedereinweisung von Personen zur Abwendung von deren Obdachlosigkeit darlegen, dass sie im fraglichen Zeitpunkt keine freien gemeindeeigenen Unterkünfte zur Unterbringung Obdachloser hat und ihr auch die Beschaffung solcher Unterkünfte bei Dritten nicht rechtzeitig möglich ist (VGH Baden Württemberg, Urteil vom 14. März 1983 - 1 S 133/82 -, zitiert nach [...]). Sofern - wie hier - die Obdachlosigkeit letztlich wegen eines rechtskräftigen zivilrechtlichen Urteils zugunsten des Vermieters droht, ist der Vermieter nicht im polizei- und ordnungsrechtlichen Sinne für die Obdachlosigkeit verantwortlich. Unmittelbare Ursache der Obdachlosigkeit kann in solchen Fällen etwa der Mangel einer geeigneten Unterkunft oder die subjektive Unfähigkeit des Mieters sein, eine solche zu finden. Die Wiedereinweisung in die bisherige Wohnung ist letztlich nur unter den engen Voraussetzungen des sog. polizeilichen Notstandes (s.§ 8 Nds. SOG) zulässig. Die Einweisung eines Räumungsschuldners in seine bisherige Wohnung zur Vermeidung seiner Obdachlosigkeit ist auch nach der älteren Rechtsprechung nur als eine vorübergehende und kurzfristige Maßnahme des polizeilichen Notstands gerechtfertigt (BGH, Urteil vom 12. Januar 1959 - III ZR 597/57 - zitiert nach [...]). Die Behörde muss grundsätzlich in einem solchen Fall nachweisen, dass anderweitiger zumutbarer Wohnraum nicht zur Verfügung steht (VG Darmstadt, Beschluss vom 20. Juli 2009 - 3 L 946/09 DA - zitiert nach [...]).

47

Zwar steht der zuständigen Behörde insoweit ein Ermessen zu. Eine Reduzierung des Ermessens auf Null ist im Falle der Inanspruchnahme eines sog. Nichtstörers gemäß § 8 Nds. SOG nur ausnahmsweise möglich. Gründe für eine derartige Reduzierung des Ermessens können sich aus der Bedeutung der bedrohten Rechtsgüter (der potenziell Obdachlosen), der Intensität der Gefahr, ihrer zeitlichen Nähe und aus den besonderen persönlichen Verhältnissen der Betroffenen ergeben. Mit der vorzitierten Entscheidung des OVG Lüneburg sind in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Wertentscheidungen des Grundgesetzes, vor allem das Grundrecht von Obdachlosen auf Leben und körperliche Unversehrtheit in den Blick zu nehmen. Da die Beschlagnahme der Wohnung des bisherigen Vermieters verbunden mit der Einweisung derjenigen Personen, die obdachlos zu werden drohen, dem Vermieter ein Sonderopfer auferlegt, gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich die zeitlich und sachliche Beschränkung dieser Maßnahmen. Dabei hängt insbesondere die Dauer der Wiedereinweisung von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Die Praxis der verwaltungsgerichtlichen Rechtssprechung ist insoweit uneinheitlich und schwankt zwischen zwei und sechs Monaten (s. zu alledem OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. Dezember 2009, a.a.O., m.w.N.). Die Beschlagnahme einer Wohnung, um die Obdachlosigkeit der bisherigen Mieter abzuwenden, kann demgemäß nur in Betracht kommen, wenn die zuständige Behörde diese nicht anderweitig unterbringen kann. Dabei hat die Ordnungsbehörde nicht für eine wohnungsmäßige Voll- und Dauerversorgung, sondern lediglich für eine obdachmäßige Unterbringung zu sorgen. Es reicht aus, wenn eine Unterkunft bereit gestellt wird, die vorübergehend Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lässt (VG Köln, Beschluss vom 8. Oktober 2007 - 20 L 1334/07 - zitiert nach [...], m.w.N.). Die Beurteilung dieser Anforderungen ist dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen, so dass es hierfür keine festen Größen, also auch keine starren Festlegungen für die Obdachlosenunterkunft einer dreiköpfigen Familie gibt; abzustellen ist auf die besonderen Umstände des Einzelfalles.

48

Andererseits ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtssprechung anerkannt, dass ein vollstreckbarer Räumungstitel des ehemaligen Vermieters gegen den nun obdachlosen Mietern grundsätzlich dessen Wiedereinweisung in die Wohnung zur Abwendung seiner Obdachlosigkeit nicht hindert. Eine strikte "Bindung" der Ordnungsbehörde an das entsprechende zivilrechtliche Urteil besteht nicht (OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. Dezember 2009, a.a.O.). Indes spricht viel dafür, dass § 8 Abs. 1 Nr. 4 Nds. SOG es im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung verbietet, für einen längeren Zeitraum oder gar dauerhaft die Wirksamkeit eines zivilgerichtlichen Räumungstitels zu unterlaufen (VG Frankfurt, Beschluss vom 6. Juni 2011 - 8 L 1441/11.F -, zitiert nach [...]).

49

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war es rechtswidrig, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger die Wohnung im Obergeschoss des Hauses 28 b in M. zugunsten der Beigeladenen durch den Bescheid vom 28. Februar 2012 erneut für den Monat März bzw. vom 30. März 2012 erneut für den Monat April bzw. vom 2. Mai 2012 erneut für den Monat Mai 2012 beschlagnahmt hat.

50

Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagten zum ersten hier maßgeblichen Zeitpunkt (Erlass des Bescheides vom 28. Februar 2012) nicht eine andere obdachlosengerechte Unterbringung der Beigeladenen möglich gewesen wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mittlerweile seinerzeit die Beigeladenen für eine Dauer von bereits mehr als sechs Monaten immer wieder erneut in die Wohnung H. Straße 28 b eingewiesen worden sind. Irgendwelche besonderen Umstände des Einzelfalls, die dies völlig unabdingbar gemacht hätten, damit die Beigeladenen nicht an ihren Rechten auf körperliche Unversehrtheit und Gesundheit nachhaltig gefährdet werden, hat die Beklagte nicht dargetan. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die "Höchstgrenze", die in der Rechtssprechung für eine Wiedereinweisung in eine Wohnung des Räumungsschuldners gezogen hat (sechs Monate), am 28. Februar 2012 überschritten war und die dann erforderlichen ganz gravierenden Gründe für diese Maßnahme im Einzelfall seitens der Beklagten nicht ansatzweise dargetan sind. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, warum die Beigeladenen und ihr Kind nicht vorübergehend ab dem 15. Februar 2012 in die gemeindeeigene Unterkunft Am B. 17 hätten untergebracht werden können. Der pauschale Hinweis der Beklagten, diese Unterkunft sei einer Familie mit einem kleinen Kind nicht zumutbar, ist unzureichend. Es müsste vielmehr feststehen, dass aufgrund der konkreten Umstände dieser Unterkunft das Kind sofort und erheblich in seiner Gesundheit gefährdet gewesen wäre. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Lichtbildern von der Unterkunft Am B. 17, die die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 22. Mai 2012 vorgelegt hat. Zwar lässt sich darauf eindeutig erkennen, dass diese Wohnung vor ihrem erneuten Bezug dringend hätte renoviert werden müssen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass nach entsprechenden Arbeiten die Unterkunft nicht eine geeignete Obdachlosenunterkunft für die Beigeladenen und ihren Sohn gewesen wäre. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass die Unterbringung der Beigeladenen und ihres Kindes zur Abwendung ihrer Obdachlosigkeit von vornherein Anforderungen weit unter der Ausstattung der Wohnung H. Straße 28 b Obergeschoss gestellt hätte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass diese einen Abstellplatz für ein Fahrzeug und einen Fahrradschuppen erfordert hätte. Höchstwahrscheinlich hätte die Unterbringung in einem großen Zimmer mit getrennter Nasszelle zur Abwendung der Obdachlosigkeit der Beigeladenen und ihres Kindes genügt.

51

Zulasten der Beklagten geht insbesondere, dass sie erkennbar keine Bemühungen unternommen hat, die Beigeladenen und ihr Kind in Hotels oder vergleichbaren gewerblichen Unterkünften unterzubringen. Die Aussage eines Hoteliers, dass dies dem Geschäft abträglich sei, genügt insoweit keinesfalls als Rechtfertigung. Des Weiteren hat sich die Beklagte offensichtlich in keinem Stadium das Verfahrens vor dem 28. Februar 2012 bemüht, in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich eine (auch kleinere) angemessene Obdachlosenunterkunft für die Beigeladenen und ihr Kind zu besorgen. Nach Aktenlage hat die Beklagte in den ersten fünf Monaten der Beschlagnahme der Wohnung im Obergeschoss des Hauses H. Straße 28 b in M. damit begnügt, gelegentlich die Beigeladenen dazu anzuhalten, sich um Ersatzwohnraum zu bemühen. Irgendwelche eigenen Anstrengungen der Beklagten, die Beigeladenen und ihr Kind nicht über eine längere Zeit in ihrer bisherigen Mietwohnung als Obdachlosenunterkunft unterzubringen, sind nicht erkennbar. Bezeichnend ist, dass sie nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 22. Mai 2012 zu keinem Zeitpunkt erwogen hat, einen anderen Dritten als den Kläger bzw. den Eigentümer der Wohnung H. Str. 28 b Obergeschoss durch Beschlagnahme (beispielsweise einer leerstehenden Ferienwohnung in ihrem Gebiet) als Nichtstörer für die Beseitigung der drohenden Obdachlosigkeit der Beigeladenen und ihres Sohnes in Anspruch zu nehmen. Es scheint vielmehr, als ob die Beklagte den fortdauernden Verbleib der Beigeladenen in der Wohnung, zu deren Räumung sie rechtskräftig durch das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Leer vom 16. Juni 2011 verurteilt sind, als die bequemste Lösung zur Abwendung der Obdachlosigkeit der Beigeladenen und ihres Kindes angesehen hätte. Allein deshalb ist die fortdauernde Beschlagnahme der Wohnung im Obergeschoss des Hauses H. Straße 28 b in M. zur mindestens mittelfristigen Unterbringung der räumungspflichtigen bisherigen Mieter jedenfalls seit dem 1. März 2012 rechtswidrig.

52

Zulasten der Beklagten dürfte insoweit auch gehen - auch wenn dies nicht entscheidungserheblich ist -, dass die Beigeladenen wohl Ende Januar 2012 ihre Obdachlosigkeit selbst beseitigt und wohl eine andere Unterkunft gefunden hatten. Jedenfalls hätte die Beklagte den Rücklauf ihres "Bescheides" vom 29. Dezember 2012 und die Nichtanwesenheit der Beigeladenen bei dem Räumungsversuch am 31. Januar 2012 zum Anlass für diesbezügliche Ermittlungen nehmen müssen. Sie hätte nicht ohne weiteres akzeptieren dürfen, dass die Beigeladenen unter dem Schutz der Bescheide vom 26. August 2011 bzw. vom 5. Januar 2012/29. Dezember 2011 wieder Unterkunft in der Wohnung H. Straße 28 b Obergeschoss nehmen. Auch dieses Ermittlungsdefizit der Beklagten führt dazu, dass jedenfalls die weitere Beschlagnahme der Wohnung zugunsten der Beigeladenen und ihres Kindes ab dem 1. März 2012 rechtlich nicht haltbar ist.

53

Nach alledem ist daher der Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben, ohne dass es einer Erörterung der Frage bedarf, ob die Beklagte die Beschlagnahmen der Wohnung H. Straße 28 b an den Kläger als deren Verwalter hätte richten dürfen. Hierfür spricht indes - entgegen dem Vorbringen des Klägers - Überwiegendes, da die umfassende Vertretungsbefugnis aus der Vollmacht der Eigentümerin (J. H.) vom 27. April 2011 auch diese Inpflichtnahme abdeckt. Hinzu kommt, dass der Kläger im Verwaltungsverfahren ohne jede Einschränkung als Verfügungsberechtigter für die hier in Rede stehende Wohnung aufgetreten ist und sich daher auch im gerichtlichen Verfahren nach Treu und Glauben hieran festhalten lassen muss. Zwar teilt das Gericht die Auffassung des Klägers, dass die Beklagte die Beschlagnahmebescheide sinnvollerweise an J. H., vertreten durch ihn, an seine Adresse hätte richten sollen. Materiell sind die Beschlagnahmebescheide für J. H. bestimmt, da sie als Eigentümerin der Wohnung letztlich die Rechtswirkungen der Beschlagnahme i.S.v. § 35 VwVfG treffen sollen. Gegen die Eigentümerin der Wohnung im Obergeschoss H. Straße 28 b betreibt die Beklagte materiell das Verwaltungsverfahren. Dadurch ist sie indes nicht gehindert, den Kläger als Beteiligten des verfahrensrechtlichen Verwaltungsrechtsverhältnisses anzusehen, da der Kläger ihr gegenüber niemals zur Wahrung eigener Rechte, sondern immer als Verwalter dieser Wohnung aufgetreten ist. Eine Auslegung der gesamten Umstände des Einzelfalles macht daher deutlich, dass durch die Beschlagnahmen letztlich immer der Eigentümer dieser Wohnung in Anspruch genommen werden sollte. Dies folgt sowohl aus einer verständigen Auslegung der Beschlagnahmebescheide als auch aus dem diesbezüglichen Verhalten der Beteiligten. Gleichsam spiegelbildlich folgt aus diesen Erwägungen die Aktivlegitimation des Klägers für die streitigen Ansprüche (aus seiner Vertretungsmacht für das Eigentum an der Wohnung H. Straße 28 b Obergeschoss).

54

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.