Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 03.07.2012, Az.: 7 B 3696/12

Behinderung; Notunterkunft; Obdachlosenrecht; Wiedereinweisung; Zumutbarkeit

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
03.07.2012
Aktenzeichen
7 B 3696/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 44430
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

An die Zulässigkeit der Einweisung (zur Abwendung drohender Obdachlosigkeit) und der Beschlagnahme der trotz bereits eingeleiteter Zwangsvollstreckung weiter noch innegehaltenen Wohnung sind sehr hohe Anforderungen zu stellen.
Eine obdachlosenrechtliche Notunterkunft stellt keinen Ersatzwohnraum, sondern lediglich ein notdürftiges Obdach dar.

Fortführung der Kammerrechtsprechung - Urteil vom 22.05.12 - 7 A 3069/12 - und Beschluss vom 05.06.12 - 7 B 3428/12 -

Tenor:

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

1.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, über den nach Übertragungsbeschluss der Kammer vom 29. Juni 2012 der Einzelrichter entscheidet und der nach § 123 Abs. 1 VwGO zu beurteilen ist, bleibt ohne Erfolg, da es an einem Anordnungsanspruch fehlt.

Die Antragsteller bewohnen mit einer ca. 15-jährigen Tochter und einem ca. 20-jährigen Sohn ein Wohnhaus auf dem Grundstück „.... 39“ am Rande des Dorfes H. im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin. Früher stand dieses Haus im Eigentum der Antragsteller oder eines der Antragsteller. Ende August 2010 kam es zu Zwangsversteigerung, später zur im Ergebnis für den neuen Eigentümer, den Beigeladenen, erfolgreichen Räumungsklage.

Die Antragsteller hielten mit der Antragsgegnerin Kontakt, die sie bei ihrer Suche nach Ausweichwohnraum unterstützte. Die Bemühungen scheiterten. Der Beigeladene leitete die Zwangsvollstreckung ein.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2012 unterrichtete der Gerichtsvollzieher die Antragsgegnerin über den für eine Zwangsräumung vorgesehenen Termin, der auf den 26. Juni 2012 festgesetzt war.

Mit ihrem Schreiben vom 5. Juni 2012 wandten sich die Antragsteller an die Antragsgegnerin und baten „sie um Unterstützung in Form der Wiedereinweisung in unseren bisherigen Wohnraum“. Zur Begründung machten sie geltend, dass eine Einweisung in das - von der Antragsgegnerin unterhaltene und für eine Unterbringung vorgeschlagene - „Obdachlosenasyl“ nicht zumutbar sei. Insbesondere müssten vier Zimmer vorhanden, die Türen breit genug sein, damit der Antragsteller zu 2) mit dem Rollstuhl passieren könne, außerdem Schlafzimmer, Küche und Bad sowie das Wohnzimmer aus demselben Grund auf einer Ebene liegen, weil er keine Treppen steigen könne. In der Obdachlosenunterkunft gebe es auch nur Einzelzimmer, die ausschließlich von Männern bewohnt würden, die zudem auch noch mit Alkoholproblemen behaftet seien, so dass insbesondere Übergriffe auf die Tochter befürchtet werden müssten. Die Kinder hätten auch schon allein aufgrund dieser Unterkunft damit zu rechnen, ihre Ausbildungsstellen zu verlieren - die Tochter habe ab August 2012 einen Ausbildungsplatz in demselben Betrieb, in dem der Sohn bereits ausgebildet werde (eine Bäckerei in S.). Bei Wohnungsnahme im „Obdachlosenasyl“ könnten beide dort nicht vernünftig lernen und das Erreichen des Ausbildungsziels wäre gefährdet. Zudem würde die Familie der Antragsteller von sozialen Kontakten abgeschnitten, weil Besuche dort nicht möglich wären. Die diskriminierenden Folgen, als Anschrift diejenige des „Obdachlosenasyls“ angeben zu müssen, würden sich sodann auch bei der weiteren Wohnungssuche negativ auswirken.

Mit Bescheid vom 8. Juni 2012 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Wiedereinweisung in das bisherige Wohnhaus „.... 39“ ab. Eine ordnungsrechtliche Inanspruchnahme des derzeitigen Eigentümers käme nicht in Betracht, weil die Antragsgegnerin selber entsprechenden Wohnraum zur Verfügung halte und anbiete.

Unter dem 13. Juni 2012 vermerkte die Antragsgegnerin, dass der Gerichtsvollzieher mitgeteilt habe, der Beigeladene habe die Räumung ausgesetzt.

Am 18. Juni 2012 haben die Antragsteller Klage erhoben und den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen das außergerichtliche Vorbringen wiederholen, vertiefen und ergänzen.

Die Antragsgegner tritt Klage und Eilantrag bezugnehmend auf die Gründe des Ablehnungsbescheides, diese wiederholend, vertiefend und ergänzend entgegen.

Inzwischen hat der Gerichtsvollzieher einen neuen Räumungstermin auf den 2. August 2012 bestimmt.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.

Das Gericht geht nach § 88 VwGO davon aus, dass nach dem wohlverstandenen Interesse der Antragsteller ihr Eilantrag auf die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners gerichtet ist, sie für jedenfalls einen begrenzten Zeitraum vorübergehend in die bisher innegehaltene Wohnung „.... 39“ in H. ordnungsrechtlich einzuweisen. Sie begehren damit den Erlass einer Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO.

Nach dieser Vorschrift kann das Gericht eine einstweilige Anordnung (u. a.) zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauerndem Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint, § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Anordnungsanspruch (d. h. der materiell-rechtliche Anspruch auf die begehrte Leistung) und der Anordnungsgrund (d. h. die Dringlichkeit der begehrten gerichtlichen Entscheidung) müssen glaubhaft gemacht sein (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch mit der Zielrichtung, eine jedenfalls vorübergehende Wiedereinweisung in die bisherige Wohnung zu erlangen, nicht glaubhaft gemacht.

Die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen eine Wiedereinweisung in die bisherige Wohnung in Betracht käme, liegen nicht vor. Ein solches Begehren ist an §§ 11, 8 Nds. SOG zu messen.

Eine Inanspruchnahme des Beigeladenen als nicht verantwortliche Person i. S. d. § 8 Nds. SOG scheitert daran, dass eine Abwehr der Gefahr bereits auf andere Art und Weise möglich ist, § 8 Abs. 1 Nr. 3 Nds. SOG. Die den Antragstellern mit der bevorstehenden Räumung am 2. August 2012 drohende Obdachlosigkeit stellt zwar eine erhebliche Gefahr im polizeirechtlichen Sinne dar. In der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass die Obdachlosigkeit einer Person, die nicht auf einer verantwortlichen und rechtlich anerkennenden freien Willensentscheidung beruht, wegen der wesentlichen Nachteile insbesondere auch für die Gesundheit des Obdachlosen eine Gefahr i. S. v. § 2 Nr. 1 a und b Nds. SOG ist. Allerdings sind unfreiwillig Obdachlose als Störer i. S. v. § 6 Abs. 1 Nds. SOG in erster Linie selbst verpflichtet, sich um eine Unterkunft zu kümmern. Erst wenn sie dazu nicht in der Lage sind, muss die für die Gefahrenabwehr zuständige Gemeinde im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit in pflichtgemäßer Ausübung ihres Ermessens die erforderlichen Maßnahmen treffen (Nds. OVG, Beschluss vom 27. März 1991 - 12 M 23/91 -, NVwZ 1992, S. 502 sowie vom 14. Dezember 2009 - 11 ME 316/09 -, juris). Das Gericht prüft nicht, ob Unfreiwilligkeit im voranstehenden Sinne bei den Antragstellern überhaupt vorliegt, da es darauf im Ergebnis nicht ankommen wird. Die Inanspruchnahme des Eigentümers durch die Beschlagnahme seiner Wohnung für die Wiedereinweisung der bisherigen Nutzer zur Vermeidung von deren Obdachlosigkeit in diese Wohnung kommt allerdings nur unter den Voraussetzungen in Betracht, unter denen eine nichtverantwortliche Person gemäß § 8 Nds. SOG in Anspruch genommen werden kann. Dies setzt nach Absatz 1 voraus, dass

1. eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren ist,

2. Maßnahmen gegen die nach §§ 6 und 7 Nds. SOG Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen,

3. die Verwaltungsbehörde oder die Polizei die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch Beauftragte abwehren kann und

4. die Personen ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung höherwertiger Pflichten in Anspruch genommen werden können.

Gemäß § 8 Abs. 2 Nds. SOG darf die nichtverantwortliche Person nur so lange in Anspruch genommen werden, solange die Abwehr der Gefahr nicht auf andere Weise möglich ist. Insoweit ist anerkannt, dass eine drohende unfreiwillige Obdachlosigkeit eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und daher eine gegenwärtige erhebliche Gefahr i. S. v. § 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1 Nds. SOG ist. Als Grundlage dafür, zur Abwendung der Obdachlosigkeit wieder in die bisher innegehaltene Wohnung eingewiesen zu werden, kommt sodann die polizeiliche Generalklausel von § 11 i. V. m. § 2 Nds. SOG in Betracht. An die Zulässigkeit der Einweisung und der für sie vorausgesetzten Beschlagnahme der Wohnung sind aber wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Recht des Hauseigentümers (hier: des Beigeladenen) - das Eigentum - hohe Anforderungen zu stellen (Nds. OVG, Beschluss vom 14. Dezember 2009, a. a. O.). Ihm (hier: dem Beigeladenen) dürfen keine Pflichten auferlegt werden, die aufgrund des Sozialstaatsprinzips dem Staat und damit der Allgemeinheit obliegen. Grundsätzlich muss daher die Ortspolizeibehörde bei der Inanspruchnahme privaten Eigentums zur Wiedereinweisung von Personen zur Abwendung von deren Obdachlosigkeit darlegen, dass sie im fraglichen Zeitpunkt keine freien gemeindeeigenen Unterkünfte zur Unterbringung Obdachloser hat und ihr auch die Beschaffung solcher Unterkünfte bei Dritten (z. B. Hotelzimmer, Ferienwohnung) nicht rechtzeitig möglich ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14. März 1983 - 1 S 133/82 -, juris, Urteil der Kammer vom 22. Mai 2012 - 7 A 3069/12 -, V. n. b.). Sofern - wie hier - die Obdachlosigkeit letztlich wegen eines rechtskräftigen zivilrechtlichen Urteils zugunsten des Eigentümers (hier: des Beigeladenen) droht, ist der Eigentümer (hier: der Beigeladene) nicht im polizei- und ordnungsrechtlichen Sinne für die Obdachlosigkeit verantwortlich. Unmittelbare Ursache der Obdachlosigkeit kann in solchen Fällen etwa der Mangel einer geeigneten Unterkunft oder die subjektive Unfähigkeit des Bewohners sein, eine solche zu finden. Die Wiedereinweisung in die bisherige Wohnung ist letztlich nur unter den engen Voraussetzungen des sog. polizeilichen Notstandes (s. § 8 Nds. SOG) zulässig und daher ultima ratio. Die Einweisung eines Räumungsschuldners (hier: die Antragsteller) in ihre bisherige Wohnung zur Vermeidung ihrer Obdachlosigkeit ist auch nach der älteren Rechtsprechung nur als eine vorübergehende und kurzfristige Maßnahme des polizeilichen Notstandes gerechtfertigt (BGH, Urteil vom 12. Januar 1959 - III ZR 597/57 -, juris). Die Behörde muss grundsätzlich in einem solchen Fall nachweisen, dass anderweitiger zumutbarer Wohnraum nicht zur Verfügung steht (VG Darmstadt, Beschluss vom 20. Juli 2009 - 3 L 946/09 DA -, juris).

Zwar steht der zuständigen Behörde im Anschluss sodann insoweit ein Ermessen zu. Eine Reduzierung des Ermessens auf Null ist im Falle der Inanspruchnahme des sog. Nichtstörers (hier: des Beigeladenen) gemäß § 8 Nds. SOG aber nur ausnahmsweise möglich. Gründe für eine derartige Reduzierung des Ermessens könnten sich aus der Bedeutung der bedrohten Rechtsgüter der potenziell Obdachlosen, der Intensität ihrer Gefahr, ihrer zeitlichen Nähe und aus den besonderen persönlichen Verhältnissen des Betroffenen ergeben. Mit der vorzitierten Entscheidung des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2009, - a. a. O. -, sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Wertentscheidungen des Grundgesetzes, vor allem das Grundrecht von Obdachlosen auf Leben und körperliche Unversehrtheit in den Blick zu nehmen. Da die Beschlagnahme der Wohnung des Eigentümers verbunden mit der Einweisung derjenigen Personen, die obdachlos zu werden drohen, dem Eigentümer ein Sonderopfer auferlegt, gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich die zeitliche und sachliche Beschränkung der Maßnahmen. Dabei hängt insbesondere die Dauer der Wiedereinweisung von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Die Praxis der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist insoweit uneinheitlich und schwankt zwischen zwei und sechs Monaten (Nds. OVG, ebenda). Die Beschlagnahme einer Wohnung, um die Obdachlosigkeit der bisherigen Nutzer abzuwenden, kann demgemäß nur in Betracht kommen, wenn die zuständige Behörde diese nicht anderweitig unterbringen kann. Dabei hat die Ordnungsbehörde nicht für eine wohnungsmäßige Voll- und Dauerversorgung, sondern lediglich für eine obdachmäßige Unterbringung zu sorgen. Es reicht aus, wenn eine Unterbringung bereit gestellt wird, die vorübergehend Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lässt (VG Köln, Beschluss vom 8. Oktober 2007 - 20 L 134/07 -, juris, m. w. N.). Es geht nicht um Ersatzwohnraum, sondern um eine Notunterkunft. Die Beurteilung dieser Anforderungen ist dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen, so dass es hierfür keine festen Größen, also auch keine starren Festlegungen für die Obdachlosenunterkunft einer drei- bis vierköpfigen Familie gibt - abzustellen ist auf die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles -. Andererseits ist zugleich anerkannt, dass ein vollstreckbarer Räumungstitel - wie hier - gegen den obdachlos zu werdenden bisherigen Nutzer der Wohnung grundsätzlich dessen Wiedereinweisung in dieselbe Wohnung zur Abwendung seiner Obdachlosigkeit nicht hindert. Eine strikte „Bindung“ der Ordnungsbehörde an das entsprechende zivilrechtliche Urteil besteht nicht (Nds. OVG, ebenda). Vieles spricht allerdings dafür, es die Einheitlichkeit der Rechtsordnung verbietet, für einen längeren Zeitraum oder gar dauerhaft die Wirksamkeit eines zivilgerichtlichen Räumungstitels zu unterlaufen (VG Frankfurt, Beschluss vom 6. Juni 2011 - 8 L 1441/11.F - juris).

Gemessen daran erweist sich die ablehnende Haltung der Antragsgegnerin und zugleich ihr Ablehnungsbescheid gegenüber einer „Wiedereinweisung“, d. h. eine ordnungsrechtliche Einweisung der Antragsteller (ggf. mit ihren beiden Kindern) in die bisher noch innegehaltene Wohnung auf dem Wohngrundstück „.... 39“ in H. als rechtmäßig. Der geltend gemachte Anspruch der Antragsteller besteht demgegenüber nicht. Eine Wiedereinweisung der Antragsteller wäre nämlich, wie die Antragsgegnerin zu Recht in ihrem angegriffenen Bescheid vom 8. Juni 2012 einleitend ausführt, rechtswidrig. Die Antragsteller haben keinen Anspruch gegenüber der Antragsgegnerin auf diese begehrte „Wiedereinweisung“. Die Gründe, die die Antragsgegnerin in ihrem angegriffenen Bescheid vom 8. Juni 2012 niederlegt, sind durch das Gericht unter den rechtlichen Voraussetzungen von § 113 Abs. 5 i. V. m. § 114 VwGO nicht zu beanstanden. Auch die weiterhin sodann im gerichtlichen Verfahren abgegebenen Erklärungen und der weitere Sachvortrag der Antragsgegnerin sind insoweit nicht zu kritisieren. Insbesondere weist die Antragsgegnerin zu Recht darauf hin, dass es nur darum gehen könne, dem von Obdachlosigkeit Bedrohten ein Dach über dem Kopf, also ein Obdach zu verschaffen, um ihn vor der Obdachlosigkeit zu schützen. Dabei sei weiter zu beachten, dass, da derartige Unterkünfte lediglich einer polizeilichen Zweckerfüllung dienten, nur die Pflicht bestehe, dem Obdachlosen notdürftiges Wohnen vorübergehender Art zu ermöglichen. Insoweit sei es möglich, dass die zur Verfügung stehende Unterkunft nur zeitweiligen Schutz vor den Unbilden des Wetters und Raum für die notwendigen Lebensbedürfnisse lasse. Gewisse Mängel und Nachteile hätten die Eingewiesenen dabei zu akzeptieren. Demzufolge gehe es in diesem Zusammenhang also nicht um die zur Verfügungstellung von Ersatzwohnraum. Dies deckt sich mit der Rechtsprechung der Kammer zur Frage der Angemessenheit von Notunterkünften, die im Wege des Obdachlosenrechts ordnungsrechtlich vorübergehend zur Beseitigung von Obdachlosigkeit zur Verfügung gestellt werden, vgl. dazu z. B. zuletzt Beschluss der Kammer vom 5. Juni 2012 - 7 B 3428/12 -, juris. Mit ihren Ausführungen hält sich die Antragsgegnerin damit im Rahmen der zulässigen Ermessenserwägungen und berücksichtigt aber zugleich auch die Belange der von Obdachlosigkeit Bedrohten, hier: der Antragsteller. Das Gericht hält deshalb auch fest, dass die Gemeinden zwar zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Beseitigung bzw. zur Verhinderung von Obdachlosigkeit im Rahmen der Gefahrenabwehr gehalten sind, geeignete Räumlichkeiten zur Unterbringung von Obdachlosen zu unterhalten, wie die Antragsgegnerin dies hier auch tut. Wer zur Vermeidung der Obdachlosigkeit in eine gemeindliche Unterkunft eingewiesen wird, hat kein Rechtsanspruch darauf, in dieser Unterkunft zu bleiben, weil die Notunterkunft lediglich der vorübergehenden Unterkunft dient und um drohende oder bereits eingetretene Obdachlosigkeit abzuwenden, ohne dass der so geschaffene Zustand als Dauerlösung betrachtet werden darf (Beschluss der Kammer, a. a. O.). Wichtig ist insoweit (und wiederholend), dass es ausreichend ist, wenn eine Unterkunft bereit gestellt wird, die vorübergehend Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lässt (Beschluss der Kammer vom 5. Juni 2012, a. a. O.). Dem genügt die Antragsgegnerin. Sie stellt selber hinreichend Obdach als Schutz vor Obdachlosigkeit zur Verfügung. Daher hat sie zu Recht ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, den Beigeladenen nicht in Anspruch zu nehmen, § 8 Abs. 1 Nr. 3 Nds. SOG, weil sie selbst die Gefahr abwenden kann (und offensichtlich auch will). Die angebotene Notunterkunft ist auch gesundheitlich in Ordnung, insbesondere schimmelfrei, wie die Antragsgegnerin überzeugend dargetan hat.

Diese Entscheidung dürfte voraussichtlich auch im Hauptsacheverfahren 7 A 3695/12 Bestand gemäß §§ 113 Abs. 5, 114 VwGO haben.

Demgegenüber vermögen die Antragsteller mit ihrem Vorbringen nicht durchzudringen, auch soweit sie auf die Besonderheit des Einzelfalles aufmerksam machen, dass der Antragsteller zu 2) offenbar, ohne dies näher zu spezifizieren und insbesondere durch Unterlagen (z. B. Schwerbehindertenausweis, Feststellungsbescheid) glaubhaft zu machen, auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen sein dürfte. Dieser Umstand zu seinen Gunsten hier rechtlich unterstellt, führt nicht dazu, dass der Ablehnungsbescheid rechtswidrig würde und dass (zudem) die Antragsteller einen Anspruch auf die Einweisung in die bisher innegehaltene Wohnung hätten. Dabei kann dahinstehen, ob überhaupt angesichts dieses Umstandes ein materiell-rechtlicher Anspruch auf eine bestimmte Obdachlosenunterkunft bestünde. Insoweit bezieht sich das beschließende Gericht erneut auf den Beschluss der Kammer vom 5. Juni 2012, wo die Kammer darauf abgehoben hat, dass auch dort die Schwerbehinderung des dortigen Antragstellers nichts daran ändere, da er es selber „in der Hand hätte, sich um anderen Wohnraum zu bemühen“, und dass die - dortige - Antragsgegnerin nicht nach dem Obdachlosenrecht verpflichtet sei, die Bewältigung von speziellen „Unterbringungs- und Sorgeerfordernissen, die über die bloße Zurverfügungstellung einer den Mindestanforderungen genügenden vorübergehenden Notunterkunft hinausgehen, sicherzustellen“ (Beschluss der Kammer vom 5. Juni 2012, a. a. O.). Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Juni 2012 ist aber rechtlich insbesondere nicht angreifbar, weil die Antragsgegnerin tatsächlich in der Lage ist, behindertengerechten Wohnraum anzubieten. Denn sie bietet den Antragstellern eine Unterbringung in der von ihr unterhaltenen Obdachlosenunterkunft an, einer Notunterkunft, die behindertengerecht, jedenfalls für Rollstuhlfahrer, ausgestattet ist und daher sogar den gesteigerten, vom Antragsteller zu 2) geltend gemachten Bedürfnissen Rechnung tragen würde (vgl. dazu die vorgelegte und anschauliche Fotodokumentation). Dabei kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die Antragsteller dieses Angebot in der Obdachlosenunterkunft auch tatsächlich annehmen und nutzen. Entscheidend ist vielmehr für die Auswahlentscheidung im Ermessenswege, dass schon allein aufgrund dessen, dass die Antragsgegnerin diese besonders gut ausgestattete Notunterkunft anbieten kann, die Entscheidung ermessensfehlerfrei ist, den Beigeladenen nicht in Anspruch zu nehmen.

Schließlich verweist das Gericht an dieser Stelle darauf, dass es hier nicht um einen rechtlichen Abwehranspruch geht, der etwa gegen eine Einweisungsverfügung in eine spezielle Wohnung, etwa die vorgehaltene Obdachlosenunterkunft, gerichtet wäre. Vielmehr liegt ein Bescheid vor, der ein Leistungsbegehren, nämlich die begehrte Einweisung in die bisher innegehaltene Wohnung, zum Gegenstand hat und dieses Begehren ablehnt. Das Begehren in der Hauptsache (7 A 3695/12) bemisst sich demnach an § 113 Abs. 5 VwGO und nicht an § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Daher kommt es nicht so sehr im Einzelnen auf die verschiedenen Wohnmöglichkeiten an, die den Antragstellern aktuell zur Verfügung stünden, insbesondere auch noch nicht auf deren konkrete Nutzung, sondern lediglich um die abstrakt-generelle Vergleichbarkeit und Zumutbarkeit sowie auf das Angebot solcher Unterkünfte, die derzeit frei sind und auch tatsächlich angeboten werden können.

Falls die Antragsgegnerin indessen zur Vermeidung unmittelbar bevorstehender Obdachlosigkeit - nach Anhörung im Sinne von § 28 VwVfG - einen Einweisungsbescheid erlassen sollte, wäre darauf zum dann gegebenen Zeitpunkt noch konkreter abzustellen. Rein vorsorglich allerdings und zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten macht das Gericht die Antragsteller ausdrücklich darauf aufmerksam, dass es nach den von dem Gericht herangezogenen Zumutbarkeitskriterien, die oben dargetan sind, aller Voraussicht nach zumutbar ist, die von der Antragsgegnerin aktuell angebotene Wohnmöglichkeit in ihrer Obdachlosenunterkunft wahrzunehmen, auch wenn diese möglicherweise nicht alle jenen besonderen Merkmale erfüllt, „die ansonsten inzwischen Standard für jedermann sein mögen“ (Beschluss der Kammer vom 5. Juni 2012 - 7 B 3428/12 -, juris).

Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

2.

Damit zugleich war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß §§ 166 VwGO, 114 Abs. 1 ZPO wegen Fehlens der erforderlichen Erfolgsaussichten des Rechtsbehehelfs abzulehnen.

3.

Die Streitwertfestsetzung orientiert sich an dem Wert der Hauptsache. Dieser ist mit 5.000,00 Euro zu bemessen, Nr. 35.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Für das vorliegende Eilverfahren wäre dieser Wert mit seiner Hälfte (2.500,00 Euro) festzusetzen, da - wie oben dargetan - eine nur vorläufige Regelung erstrebt war. Da aber im Eilverfahren die Vorwegnahme der Hauptsache in Rede stand, verbleibt es bei 5.000,- Euro.