Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 11.05.2012, Az.: 6 A 1832/10

Arzneimittel; Beihilfe; Fachinformation; Kosmetikum; Medizinprodukt; Therapiestandard; unerwünschte Arzneimittelwirkung; verschreibungspflichtig

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
11.05.2012
Aktenzeichen
6 A 1832/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44416
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Frage der Beihilfefähigkeit bei unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW).

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von weiteren Beihilfeleistungen.

Der Kläger ist mit einem Bemessungssatz von 70 % grundsätzlich beihilfeberechtigt. Am 18. Juli 2009 beantragte er die Gewährung von Beihilfe. Mit Beihilfebescheid vom 14. August 2009 gewährte die Wehrbereichsverwaltung Süd dem Kläger Beihilfe in Höhe von insgesamt 1.463,26 €.

Gegen diesen Beihilfebescheid legte der Kläger am 15. September 2009 Widerspruch ein. Er erklärte, dass sich dieser Widerspruch auf die Nichtgewährung bzw. die nur teilweise Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die Präparate Isotonische Kochsalzlösung, Linola Fett N Ölbad, Nasencreme und Nozoil Nasenspray, Artelac Advanced EDO Augentropfen, Infektionsschutzmittel und Sonnenschutz Daylong actinica beziehe. Zur Begründung machte er im Wesentlichen geltend: In § 22 BBhV werde auf die entsprechende Gültigkeit der Regelungen in §§ 31 und 34 SGB V für das Beihilferecht verwiesen. Demnach seien gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBhV verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nach § 34 Abs. 1 Satz 6 bis 8 SGB V oder in der Rechtsverordnung nach § 34 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen seien, nicht beihilfefähig. Auch seien nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBhV nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht beihilfefähig, was inhaltsgleich mit der Regelung in § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V sei. Insgesamt werde deutlich, dass die in der gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel vorgenommenen Reformregelungen in das Beihilferecht übernommen worden seien. Das entspreche auch dem vor Inkrafttreten der neuen Beihilfevorschriften am 14. Februar 2009 in den Nachrichten dieser Zeit bekannt gegebenen Absichtserklärungen der Regierung. Der in § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBhV erwähnte § 34 Abs. 1 Satz 6 bis 8 SGB V wie auch die inhaltsgleiche Regelung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V in § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBhV seien in § 34 Abs. 1 Satz 9 SGB V und in § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V jeweils mit dem ausdrücklichen gesetzlichen Hinweis versehen, dass das Nähere die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V regelten. Diese Richtlinien, die Arzneimittelrichtlinie (im Folgenden: AMR), müssten deswegen inhaltsgleich auf das Beihilferecht übertragen werden und sie seien es auch, weil die BBhV auf die gesetzliche Norm ausdrücklich Bezug nehme und der Gesetzgeber durch seine Hinweise zum Ausdruck gebracht habe, dass ohne diese Richtlinien seine Norm nicht vollständig sei. Die AMR regele in der Neufassung u.a. unter welchen Voraussetzungen Ausnahmen vom Verordnungsverbot für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zugelassen seien. Diese Ausnahmen seien in Anlage I zum Abschnitt F und in § 12 Abs. 6, Abs. 7 und Abs. 8 AMR geregelt. Ebenso sei in § 12 Abs. 3 AMR geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine Erkrankung als schwerwiegend anzusehen sei. In § 12 Abs. 4 AMR sei geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Arzneimittel als Therapiestandard zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung gelte. Die Ausnahmeregelungen der AMR seien in § 22 Abs. 2 Nr. 2 Buchstaben a) bis d) BBhV übernommen und in der Verwaltungsvorschrift zu § 22 Abs. 2 BBhV aufgeführt, teils wörtlich, teils inhaltsgleich, teils deckungsgleich, mindestens in einem Punkt jedoch abweichend. Die Ausnahmeregelung nach § 12 Abs. 8 AMR, auf die er sich berufe, sei in § 22 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe d) BBhV i.V.m. der Verwaltungsvorschrift zu § 22 Abs. 2 BBhV, dortige Ziffer 22.2.7, berücksichtigt. An dieser Stelle werde auch klargestellt, dass im Fall der Behandlung unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht auf die im Anhang 4 der Verwaltungsvorschriften aufgeführten Indikationsgebiete abgestellt werde. Abweichend von § 12 Abs. 8 AMR fordere Ziffer 22.2.7 Satz 4 der Verwaltungsvorschriften jedoch zusätzlich, dass die UAW aus der Fachinformation des Arzneimittels ersichtlich sein müsse. Diese Forderung sei nicht praktikabel, da UAWs nicht einheitlich bei jedem Patienten vorhersehbar seien, entweder schwach, stark oder gar nicht aufträten oder auch nur im Wechselbezug mit anderen Medikamenten aufträten. Im Fall von Arzneimitteln zur Durchführung von Chemotherapien oder Transplantationen könnten schwere UAWs jahrelang andauern. Auch könne nicht mehr ohne weiteres festgestellt werden, welches konkrete Arzneimittel vor Einführung dieser Regelung für die UAW und in welchem Wechselbezug ursächlich gewesen sei. Es sei auch realitätsfremd, zu glauben, dass sich die behandelnden Ärzte neben ihrer großen beruflichen Belastung auch noch die Mühe machen könnten, zur Erfüllung von Beihilfeansprüchen kostenfrei in Fachinformationen nach Beschreibungen zu recherchieren und diese zu bescheinigen. § 12 Abs. 8 AMR bzw. der entsprechenden Übertragung ins Beihilferecht sei Genüge getan, wenn in der ärztlichen Verordnung angegeben sei, dass das nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel standardmäßig zur Therapie einer schwerwiegenden UAW notwendig sei. Das habe der Gemeinsame Bundesausschuss gewiss auch so gesehen, weil er anders als bei der Ausnahme nach § 12 Abs. 7 AMR im Falle des § 12 Abs. 8 AMR die Forderung nach Beschreibungen in einer Fachinformation nicht gestellt habe. Die AMR sei unmittelbar im gesetzlichen Auftrag erstellt und müsse im Beihilferecht inhaltlich auch so gelten, wenn die BBhV - wie aufgezeigt - auf die genannte gesetzliche Regelung des SGB V Bezug nehme. Eine Verschärfung wie in Ziffer 22.2.7 Satz 4 der Verwaltungsvorschriften, die eine im gesetzlichen Auftrag getroffene Regelung undurchführbar mache, sei nicht zulässig. Auch habe die Wehrbereichsverwaltung Süd selbst mit den Beihilfebescheiden Originalformulare aus der AMR verschickt, mit denen erforderliche ärztliche Bescheinigungen zu Ausnahmen nach Anlage I zum Abschnitt F (§ 12 Abs. 6 bis Abs. 8 AMR) eingeholt und vorgelegt werden könnten. Deshalb entstehe der Eindruck, dass die AMR im Beihilferecht direkte Anwendung finde. Die bei ihm seit 1999 bis heute zur Behandlung einer Form von Blutkrebs durchgeführten schweren Therapien und die Vielzahl der dabei eingesetzten zugelassenen und verordnungsfähigen Arzneimittel hätten zu schwerwiegenden UAWs geführt, wie auch die verschiedenen Medikamente, die bei lang dauernden starken Antibiosen zur Behandlung mehrerer hochfiebriger lebensgefährlicher Infektionen hätten eingesetzt werden müssen. Die Erkrankung sei lebensgefährlich und gelte trotz gegenwärtiger Remission wissenschaftlich als nicht heilbar. Die UAW wie auch die körpereigenen Reaktionen auf die Transplantation (Graft-versus-host-desease) und ein durch die Therapie verursachtes ausgeprägtes Fatique - Syndrom beeinträchtigen die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig und könnten durch die ärztlich verordneten und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel gemildert werden. Dabei handele es sich um Dauermedikationen. Auch die mit dem Beihilfeantrag vorgelegten Arzneimittelverordnungen beinhalteten die jeweilige Diagnose und einen Hinweis darauf, dass es sich um eine Verordnung nach § 12 Abs. 8 AMR handele. Das sei die ärztliche Bestätigung dafür, dass es sich um die standardmäßige Behandlung einer UAW im Sinne einer zugelassenen Ausnahme vom Erstattungsverbot handele.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2010 änderte die Wehrbereichsverwaltung Süd den Festsetzungsbescheid vom 14. August 2009 und gewährte dem Kläger weitere Beihilfe in Höhe von 44,84 € (Festsetzungsbescheid vom 26. April 2010); im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Bei dem am 10. Februar 2009 beschafften Arzneimittel „Linola Fett N Ölbad Badezusatz“ handele es sich nicht um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Es handele sich auch nicht um ein Arzneimittel der Ausnahmeliste. Folglich liege auch keine zugelassene Ausnahme nach Abschnitt F der AMR vor. Bei dem am 29. April 2009 und am 13. Juli 2009 beschafften Arzneimittel „Linola Fett N Ölbad Badezusatz“ handele es sich nicht um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Es handele sich auch nicht um ein Arzneimittel der Ausnahmeliste. Folglich liege auch keine zugelassene Ausnahme nach der AMR vor. Das Vorliegen einer schwerwiegenden UAW zur Behandlung mit dem Arzneimittel habe der Kläger nicht nachgewiesen. Die Aufwendungen könnten demzufolge nicht als beihilfefähig anerkannt werden. Das Gleiche gelte für die am 8. Juli 2009 beschaffte Mischung „Adeps Lanae anhydr. 25,0 mit Paraffin subliquid ad. 50,0“. Bei dem am 8. Juli 2009 und am 13. Juli 2009 beschafften Präparat „Nozoil Nasenspray“ handele es sich nicht um ein verschreibungspflichtiges, nicht apothekenpflichtiges Medizinprodukt. Dieses Präparat stelle somit kein Arzneimittel im Sinne des § 22 BBhV dar. Dieses Präparat sei auch nicht im Anhang 10 der Verwaltungsvorschriften zu § 22 Abs. 1 BBhV aufgeführt. Bei dem am 15. Juli 2009 beschafften Präparat „Artelac Advanced EDO“ handele es sich um ein nicht verschreibungspflichtiges, nicht apothekenpflichtiges Medizinprodukt. Dieses Präparat stelle somit kein Arzneimittel im Sinne des § 22 BBhV dar. Dieses Präparat sei auch nicht im Anhang 10 der Verwaltungsvorschriften zu § 22 Abs. 1 BBhV aufgeführt. Bei dem Präparat „Daylong actinica Faktor 50“ handele es sich um ein nicht verschreibungspflichtiges, nicht apothekenpflichtiges Kosmetikum. Dieses Präparat stelle somit kein Arzneimittel im Sinne des § 22 BBhV dar. Die Ausführungen des Klägers sowie die vorliegenden ärztliche Atteste und Bescheinigungen seien nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Die Regelungen des SGB V bezüglich der UAW könnten für die Gewährung von Beihilfen nach der BBhV keine Anwendung finden. Diesbezüglich seien die Regelungen in der BBhV und der dazugehörigen Verwaltungsvorschriften eindeutig und abschließend.

Der Kläger hat am 19. Juli 2010 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor: Im Zeitraum nach der allogenen Knochenmarktransplantation bis heute habe er unter einer Immunsuprimierung, mehreren schweren Infektionen, die bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem einen lebensgefährlichen Verlauf nehmen könnten, und wiederholten starken Antibiosen gelitten. Er habe außerdem unter chronischer Graft-versus-host-desease an Augen, Haut, Schleimhäuten und Lunge sowie ständig extremer Müdigkeit und Schwindel zu leiden. Die unvermeidbaren Folgen der hochspezialisierten Therapie seien schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die in vielen Fällen standardmäßig nur mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln therapiert werden könnten. In seinem Fall habe es sich als medizinisch notwendig erwiesen, als Standardtherapie die regelmäßige Anwendung von synthetischer Tränenflüssigkeit wegen trockener Augen infolge der Schädigung der Tränendrüsen, Hautpflegemittel wegen trockener Haut, Pflegemittel für Mund- und Nasenschleimhäute wegen sehr trockener Schleimhäute der Atmungswege und zur Vorbeugung des nach allogener Knochenmarktransplantation erhöhten Hautkrebsrisikos medizinischen Sonnenschutz zu nehmen. Zur Begründung ihrer Ablehnung berufe sich die Beklagte auf die Verwaltungsvorschriften zur BBhV, beachte die zugelassenen Ausnahmen nach § 12 Abs. 8 AMR jedoch nicht. Sie übersehe, dass die BBhV neu gefasst worden sei, um die Änderungen im SGB V in das Beihilferecht zu übernehmen. Daher seien die Regelungen der AMR im Beihilferecht uneingeschränkt zu berücksichtigen. Das sei auch richtig so, andernfalls würden Beamte, Soldaten und Versorgungsempfänger des Bundes bei der Regelung zu den UAWs schlechter gestellt als Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies widerspräche der Grundidee, dass die Regierung seinerzeit den Auftrag erteilt habe, die Regelungen zu den Arzneimitteln in der gesetzlichen Krankenkasse auf das Beihilferecht zu übertragen. Etwas anderes stellte zudem einen Verstoß gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn dar. Im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen des § 12 Abs. 8 AMR erfüllt. Es sei nicht zulässig, in Ziffer 22.2.7 Satz 4 der Verwaltungsvorschriften zu fordern, dass die UAWs aus der Fachinformation des Arzneimittels ersichtlich sein müssten. Es sei zu vermuten, dass die Forderung in Ziffer 22.2.7 Satz 4 der Verwaltungsvorschriften auf einem Versehen bei der Übertragung der Regelungen aus der AMR beruhe. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass es sich beim Präparat „Daylong actinica Faktor 50“ nach Auskunft des Herstellers um ein Medizinprodukt handele, das zur Prävention der verschiedenen Formen des hellen Hautkrebses eingesetzt werde. Die therapeutische Wirkung sei in klinischen Studien nachgewiesen worden. Ferner sei nicht nachvollziehbar, warum die synthetische Tränenflüssigkeit „Artelac Advanced EDO“ nicht beihilfefähig sein solle, obwohl die Voraussetzungen nach Ziffern 22.2.3 und 22.2.4 i.V.m. Anlage 4 der Verwaltungsvorschriften gegeben seien (hier: Schädigung der Tränendrüse als Therapiefolge). In Anlage 4 (dortige Nr. 36) sei bei der vorliegenden Indikation allein von synthetischer Tränenflüssigkeit ohne weitere Einschränkungen die Rede. Dies könne also auch ein Medizinprodukt sein.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihm weitere Beihilfeleistungen in Höhe von 86,11 € (70 % von 123,02 €) zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz zu zahlen und den Beihilfebescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 14. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2010 aufzuheben, soweit er dem Begehren entgegensteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt den Ausführungen des Klägers im Einzelnen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat nicht Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten, ihm weitere Beihilfeleistungen in Höhe von 86,11 € (70 % von 123,02 €) zu gewähren. Der Beihilfebescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 14. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2010 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Zu Recht ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit, dass für das am 10. Februar 2009 beschaffte Arzneimittel „Linola Fett N Ölbad Badezusatz“ die Allgemeine Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (- BhV -) vom 1. November 2001, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verwaltungsvorschrift vom 30. Januar 2004 (vgl. § 58 Abs. 1 BBhV) und dass für die übrigen Aufwendungen die BBhV Anwendung findet. In Anwendung dieser Beihilfevorschriften hat der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Beihilfeleistungen. Der Einzelrichter verweist zur Begründung im Einzelnen und zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen der Wehrbereichsverwaltung Süd im Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2010.

Die Einwände des Klägers rechtfertigen eine abweichende Entscheidung nicht.

Das vom Kläger am 10. Februar 2009 beschaffte Präparat „Linola Fett N Ölbad Badezusatz“ ist nicht beihilfefähig. Maßgebend für die Beurteilung der Beihilfefähigkeit dieses Präparats ist die Rechtslage bis zum Inkrafttreten der BBhV (vgl. § 58 Abs. 1 BBhV). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b) Satz 1 BhV sind nicht beihilfefähig Aufwendungen für Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig sind. Dies ist bei dem Präparat „Linola Fett N Ölbad Badezusatz“ unstreitig der Fall. Ausgenommen sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b) Satz 2 BhV solche Arzneimittel, die nach den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V aufgrund von § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V ausnahmsweise verordnet werden dürfen. Auch danach besteht keine Beihilfefähigkeit. Denn in § 12 Abs. 5 AMR und der Anlage I ist dieses Präparat nicht aufgeführt.

Soweit das Präparat „Linola Fett N Ölbad Badezusatz“ am 29. April 2009 und am 13. Juli 2009 beschafft wurde, findet die BBhV Anwendung. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die entsprechenden Aufwendungen nicht beihilfefähig sind. Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBhV sind Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht beihilfefähig. Das gilt nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe d) Satz 1 BBhV nicht, wenn diese Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten und mit dieser Begründung von der Ärztin oder dem Arzt ausnahmsweise verordnet werden. Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe d) Satz 2 BBhV hat das Bundesministerium des Innern in Verwaltungsvorschriften die entsprechenden Arzneimittel zu bestimmen.

Nach Ziffer 22.2.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Rechtsverordnung über die Gewährung von Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen vom 14. Februar 2009 (im Folgenden: Verwaltungsvorschriften) sind Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel grundsätzlich nicht beihilfefähig. Ausnahmsweise sind diese Arzneimittel beihilfefähig, wenn sie bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten. Die Ausnahmen lehnen sich an Abschnitt F der Arzneimittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses an und sind abschließend im Anhang 4 aufgeführt. Weitere Möglichkeiten von Ausnahmen sind nicht zugelassen.

Das hier streitige Präparat ist im Anhang 4 unstreitig nicht genannt und damit nicht beihilfefähig.

Dasselbe gilt für das Produkt „Adeps Lanae anhyd. 25,0 mit Paraffin subliquid ad 50,0“. Auch dabei handelt es sich um ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel, das nach den genannten Regelungen nicht beihilfefähig ist, da es in Anhang 4 nicht genannt ist.

Auch die Aufwendungen für das Präparat „Nozoil Nasenspray“ sind nicht beihilfefähig. Es handelt sich um ein nicht verschreibungspflichtiges und nicht apothekenpflichtiges Medizinprodukt. Handelt es sich also bereits nicht um ein Arzneimittel, kann § 22 BBhV nicht Anwendung finden. Zwar sind Aufwendungen für Medizinprodukte nicht ausnahmslos von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Ziffer 22.1.4 der Verwaltungsvorschriften sieht eine Beihilfefähigkeit jedoch nur dann vor, wenn das entsprechende Medizinprodukt in Anhang 10 aufgeführt ist. Daran fehlt es.

Dasselbe gilt grundsätzlich für das Präparat „Artelac Advanced EDO Tränenflüssigkeit“. Auch insoweit handelt es sich um ein Medizinprodukt, das nach den genannten Vorschriften nicht beihilfefähig ist.

Ohne Erfolg verweist der Kläger in diesem Zusammenhang auf Anhang 4 Nr. 36 der Verwaltungsvorschriften. Danach sind schwerwiegende Erkrankungen und Standardtherapeutika zu deren Behandlung auch synthetische Tränenflüssigkeit bei Autoimmun-Erkrankungen (Sjögren-Syndrom mit deutlichen Funktionsstörungen (trockenes Auge Grad 2), Epidermolysis bullosa, okuläres Pemphigoid), Fehlen oder Schädigung der Tränendrüse, Fazialisparese oder bei Lagophthalmus. Auf diese Ausnahmevorschrift kann sich der Kläger bereits deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil es sich bei „Artelac Advanced EDO Tränenflüssigkeit“ um ein Medizinprodukt handelt; Ziffer 22.2.3 der Verwaltungsvorschriften und Anhang 4 sich aber ausschließlich auf Arzneimittel beziehen.

Schließlich sind auch die Aufwendungen für das Präparat „Daylong actinica Faktor 50“ nicht beihilfefähig. Dabei handelt es sich auch nach Auffassung des Gerichts um ein nicht verschreibungspflichtiges, nicht apothekenpflichtiges Kosmetikum. Damit ist es nicht und zwar auch nicht ausnahmsweise beihilfefähig.

Selbst wenn es - wie der Kläger meint - ein Medizinprodukt wäre, wäre es nicht beihilfefähig. Denn es ist nicht in Anhang 10 der Verwaltungsvorschriften aufgeführt.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf § 12 Abs. 8 AMR. Denn diese Regelung findet vorliegend nicht Anwendung. Soweit es um unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) geht, sind deren Beihilfefähigkeit abschließend in Ziffer 22.2.7 der Verwaltungsvorschriften geregelt. Danach sind nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die zur Behandlung der beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines beihilfefähigen Arzneimittels auftretenden schädlichen unbeabsichtigten Reaktionen (unerwünschte Arzneimittelwirkungen - UAW) eingesetzt werden, beihilfefähig, wenn die UAW schwerwiegend sind. Das heißt, wenn die UAW lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt. Dabei wird nicht auf die genannten Indikationsgebiete im Anhang 4 abgestellt. Die UAW muss aus der Fachinformation des Arzneimittels ersichtlich sein.

Diese Voraussetzungen liegen - wie die Beklagte zutreffend feststellt und der Kläger nicht in Abrede stellt - nicht vor. Der Kläger konnte jeweils nicht den Nachweis führen, dass die UAW aus der Fachinformation des Arzneimittels ersichtlich ist. Damit ist die Voraussetzung von Ziffer 22.2.7 Satz 4 der Verwaltungsvorschriften nicht erfüllt. Diese Einschränkung ist wirksamer Bestandteil der Verwaltungsvorschriften und daher uneingeschränkt anzuwenden. Dass dieser Zusatz rechtswidrig sein könnte, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Der Kläger mag diese Regelung für rechtspolitisch verfehlt halten und es mag in praktischer Hinsicht schwierig sein, diese Voraussetzung zu erfüllen. Das ändert jedoch nichts daran, dass Ziffer 22.2.7 Satz 4 der Verwaltungsvorschriften wirksamer Bestandteil der Beihilferegelungen ist.

Es spricht auch nichts dafür, dass es sich insoweit um ein Versehen handelt. Für diese Behauptung des Klägers fehlt es an jedem Anhaltspunkt. Richtig ist insoweit lediglich die Auffassung des Klägers, dass die Verwaltungsvorschriften über § 12 Abs. 8 AMR hinausgehen und die Beihilfefähigkeit bei UAWs erschwert. Gleichwohl ist nichts dafür ersichtlich, dass es sich insoweit um ein Versehen handelt. Dagegen spricht zudem, dass dem Verordnungsgeber die praktischen Schwierigkeiten im Umgang mit Ziffer 22.2.7 Satz 4 der Verwaltungsvorschriften mittlerweile bekannt sein dürften, ohne dass er korrigierend oder berichtigend eingegriffen hat.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf vermeintliche Äußerungen der Bundesregierung bzw. einzelner (ehemaliger) Mitglieder der Bundesregierung. Entscheidend sind nicht politische Absichtserklärungen, sondern ausschließlich die tatsächlich ergangenen Regelungen.

Es bestand auch keine Verpflichtung des Dienstherrn, die Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung im SGB V und in der Arzneimittelrichtlinie „1:1“ in das Beihilferecht zu übertragen. Beide Regelungsbereiche - das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung einerseits und die Beihilferegelungen andererseits - stellen verschiedene Rechtsbereiche dar. Daher ist es dem Dienstherrn ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) unbenommen, im Rahmen der Beihilfevorschriften die Regelungen des SGB V, einschließlich der AMR, zu übernehmen, vollständig neue Regelungen zu schaffen oder aber - wie geschehen - in Teilbereichen auf die Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweisen. Macht er aber von dieser zuletzt genannten Möglichkeit Gebrauch, können die Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung, einschließlich der AMR, auch nur in dem Umfang Berücksichtigung finden, in dem auf sie ausdrücklich verwiesen wird.

Aus der Verwendung missverständlicher oder irreführender Formulare durch die Beihilfestelle erwachsen keine Ansprüche auf die Gewährung von Beihilfeleistungen, die die BBhV nicht vorsehen.

Für eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in ihrem Wesenskern ist bereits angesichts der Höhe der hier streitigen Aufwendungen nichts ersichtlich. Das gilt auch in Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei den hier streitigen Präparaten jeweils um - so die Behauptung des Klägers - Dauermedikationen handelt. Im Übrigen hat der Verordnungsgeber in der BBhV Härteregelungen (§§ 47, 50 BBhV) geschaffen, die eine Verletzung der Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verhindern soll.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.