Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 21.05.2012, Az.: 12 A 1136/11
Feststellung des Betreibens eines Pflegeheims bei Wohnungsvermietung durch einen ambulanten Pflegedienst
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 21.05.2012
- Aktenzeichen
- 12 A 1136/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 16518
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2012:0521.12A1136.11.0A
Rechtsgrundlagen
Fundstelle
- PflR 2012, 553-559
Redaktioneller Leitsatz
1.
Leben Bewohner, die schwer bzw. schwerstpflegebedürftig sind und entsprechende Betreuung durch ein Pflegeteam erfahren, in einem Haus zusammen, wobei Unterbringung und Betreuung entgeltlich erfolgen, unterfällt diese Einrichtung dem Niedersächsischen Heimgesetz.
2.
Selbstbestimmt sind Wohngemeinschaften, wenn sie maßgeblich die Regeln über das Zusammenleben sowie die Alltagsgestaltung und Tagesstruktur selbst festlegen, das Hausrecht uneingeschränkt bei ihnen liegt und die Mitarbeiter des ambulanten Pflegedienstes in der Wohnung lediglich über einen Gaststatus, nicht jedoch faktisch über die Rolle des Hausherren verfügen.
3.
Werden in einem Heim die maßgeblichen Leistungen der Wohnraumüberlassung einerseits und der Erbringung der Betreuungs- und Pflegeleistungen andererseits rechtlich von verschiedenen juristischen oder natürlichen Personen erbracht, so ist die Heimaufsicht befugt, an jeden der Leistungserbringer heimrechtliche Verwaltungsakte zu richten, wenn keine der erbrachten Leistungen hinweggedacht werden könnte, ohne dass die Qualifikation der Einrichtung als Heim entfiele.
In der Verwaltungsrechtssache
der Frau D.
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Richter, Lehmweg 17, 20251 Hamburg,
Klägerin,
gegen
den Landkreis Oldenburg, vertreten durch den Landrat,
Delmenhorster Straße 6, 27793 Wildeshausen,
Beklagter,
Streitgegenstand: Anzeige nach dem Heimgesetz,
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 12. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2012 durch ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung, sie betreibe ein Pflegeheim, und die Verpflichtung, die Einrichtung als solche bei der Beklagten anzuzeigen.
Sie betreibt unter der Firma "..., D." einen ambulanten Pflegedienst in W. Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass die Klägerin im Haus... Straße ... in G., welches seit April 2010 an die Eheleute R. vermietet ist, Pflegedienste erbringt. Das Ehepaar R. hatte einige Räume des Hauses an die pflegebedürftige Frau P. untervermietet. Frau R. ist bei der Klägerin als Mitarbeiterin tätig.
Bei einer unangekündigten Ortsbesichtigung am 26. November 2010, die der Beklagte mit Mitarbeitern der Heim- und Bauaufsicht, des Gesundheitsamtes und unter Einschaltung der Polizei durchführte, nahm die Beklagte die Örtlichkeit im Haus... Str. ... in G. in Augenschein. Er stellte fest, dass die untere Etage des Hauses u.a. über eine Küche, ein Bad und Zimmer verfüge, wobei eines der Zimmer ein Durchgangszimmer zwischen Küche und Wohnzimmer sei. Ein Zimmer werde als Lagerraum für umfängliche Pflegematerialien genutzt. In dem Durchgangszimmer habe ein weiteres Pflegebett gestanden. Das Obergeschoss bestehe aus fünf Räumen. Im Keller befänden sich u.a. eine Waschküche mit Waschmaschine und Trockner sowie ein Trockenraum. In der Küche hätten Dienst- und Pflegepläne sowie eine Einkaufsliste ausgehangen. Weiterhin seien Ordner mit den Aufschriften "Pflegehandbuch Wohngruppe S.", "Mustermappe S." und "Blankoformulare Herr F." vorgefunden worden. Ein Ordner hätte die Pflegedokumentation der derzeitigen Bewohnerin enthalten; in einem weiteren Ordner seien pflegerische Aufzeichnungen über einen früheren Bewohner enthalten gewesen. Die Ordner hätten auch Instruktionen an Mitarbeiter für den Fall des Besuches von Behördenvertretern, insbesondere die Pflicht zur Information der Klägerin enthalten.
Mit Schreiben vom 2. Dezember 2010 teilte der Beklagte der Klägerin mit, er habe Grund zu der Annahme, dass im Haus... Straße ... in G. keine Wohngruppe, sondern ein Heim betrieben werde. Die dort vorgefundene räumliche und pflegerische Situation stelle eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung dar. Eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung der Bewohner und eine Wahlfreiheit hinsichtlich des Pflege- und Versorgungsdienstes seien nicht erkennbar gewesen. Die Klägerin ließ daraufhin durch ihre Prozessbevollmächtigte erwidern, im Haus... Weg ... in G. sei eine Wohngruppe weder geplant noch initiiert worden. In dem Haus wohne lediglich eine pflegebedürftige Person, die dort von ihrem Pflegedienst ambulant versorgt werde. Es sei nicht beabsichtigt, dass jemand zu ihr ziehe. Die bei dem Ortstermin vorgefundenen Ordner sowie das Pflegematerial gehörten der Bewohnerin. Das angebotene Leistungsspektrum entspreche dem, welches ambulante Pflegedienste bundesweit im Rahmen der Intensivpflege anböten. Entsprechend bestehe auch ein "ganz normaler Pflegevertrag" zwischen Frau P. und ihr, der sowohl behandlungspflegerische wie hauswirtschaftliche Leistungen enthalte.
Nach weiterem Schriftverkehr der Beteiligten über die Einzelheiten der Pflegeumstände im Haus... Weg ... teilte der medizinische Dienst der AOK ... nach einem Ortstermin im März 2011 der Beklagten mit, das Haus werde (inzwischen) von drei schwerstpflegebedürftigen Personen bewohnt.
Mit Bescheid vom 26. April 2011 stellte der Beklagte fest, dass es sich bei der Einrichtung im ... Weg ... in G. um ein Heim handele (I.1.) und forderte die Klägerin auf, die Einrichtung unter Vorlage von Nachweisen als Heim anzuzeigen (I.2.). Für den Fall der Nichtbefolgung seiner Verfügung zu I.2. drohte er die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,-- EUR an. Bezüglich der Anordnungen zu I.1. und I.2. verfügte er die sofortige Vollziehung. Zur Begründung wiederholte er die wesentlichen Feststellungen bei dem Ortstermin am 26. November 2010. Ergänzend führte er aus, nach seinen Informationen seien weitere Bewohner in die Einrichtung aufgenommen worden. Das Leistungsspektrum der Pflege und Versorgung im ... Weg ... entspreche dem eines Heims. Es erfasse pflegerische und hauswirtschaftliche sowie soziale Betreuungselemente. Die Einrichtung sei auch - wie sich gezeigt habe - von Zahl und Wechsel der Bewohner unabhängig. Die Pflegeverträge zeigten die Entgeltlichkeit der Unterbringung. Mit dem Untermietvertrag mit der Bewohnerin sei die Absicht verfolgt worden, die Vorschriften des Heimgesetzes zu umgehen.
Im Mai 2011 wurde dem Beklagten mitgeteilt, dass inzwischen vier Personen in die Einrichtung ... Weg verlegt worden seien. Für drei Bewohnerinnen legte die Klägerin eine "Gründungsvereinbarung" vom 1. Mai 2011 zwischen drei (Unter)Mieterinnen für eine Wohngruppe vor, die von den Betreuern zwei der Bewohnerinnen unterschrieben ist. Die Vereinbarung enthält u.a. Regelungen zur Beauftragung des ambulanten Pflegedienstes, zur Bestimmung neuer WG-Partner, zur Besuchregelung, zur Information des Pflegedienstes über Besuch, zu den Kosten der Haushaltsführung und zur Bestimmung der Tagesstruktur.
Am 16. Mai 2011 hat die Klägerin Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Das Eilverfahren (12 B 1137/11) wurde mit Beschluss vom 8. Juli 2011 eingestellt, nachdem der Beklagte die sofortige Vollziehung der Verfügungen im Bescheid vom 26. April 2011 aufgehoben hatte und die Beteiligten dieses Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt hatten.
Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, bei der Einrichtung im ... Weg ... in G. handele es sich nicht um ein Heim, sondern um eine Wohngruppe pflegebedürftiger Menschen. Die Bewohner hätten jeweils einen individuellen Untermietvertrag mit der Hauptmieterin geschlossen. Sie habe mit der Vermietung der Räumlichkeiten nichts zu tun. Allein die Bewohner würden darüber entscheiden, wer WG-Partner werde. Die Einrichtung bestünde daher nicht unabhängig von der Zahl und dem Wechsel der Bewohner. Diese würden darüber hinaus mittels ihrer Betreuer ihre Lebensführung, die Tagesstruktur, den Einkauf, die Reinigung und die Ausgestaltung des Hauses etc. selbst bestimmen. Der Kontakt zu ihr sei erst nach dem jeweiligen Einzug entstanden. Ebenso seien die Bewohner in der Wahl des beauftragten Pflegedienstes frei, wie ihre Gründungsvereinbarungen vom 6. Mai, 29. Juni, und 13. Dezember 2011, sowie vom 23. März 2012 zeigten. Auch die baulichen Gegebenheiten, d.h. die Gemeinschaftseinrichtungen wie Küche und Bad, sprächen nicht gegen das Vorliegen einer WG. Die Rund-um-die-Uhr-Versorgung sei durch den Gesundheitszustand der Bewohner - sie seien alle intensivpflegebedürftig - bedingt. Die Pflegeverträge enthielten auch die Erbringung von hauswirtschaftlichen Leistungen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 26. April 2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und verweist zur Begründung zunächst auf seine Feststellungen bei dem Ortstermin am 26. November 2010 und den Inhalt des Verwaltungsvorganges. Ergänzend trägt er im Wesentlichen vor, die Indizien für das Vorliegen eines Heimes hätten sich erhärtet. In der Einrichtung im ... Weg ... seien inzwischen weitere Bewohnerinnen aufgenommen worden. Alle seien schwerstpflegebedürftig und nicht in der Lage, ein selbstbestimmtes Leben sowie Entscheidungen hinsichtlich ihrer Pflege und Versorgung zu führen. Dies wäre aber Voraussetzung für eine selbstbestimmte WG. Dieses Recht könne und werde nicht von den Betreuern der Bewohnerinnen wahrgenommen. Diese seien nicht ständig vor Ort. Die erst nach dem Erlass des Bescheides geschlossene Gründungsvereinbarung ergebe nichts anderes. Sie lasse insbesondere für die einzelne Bewohnerin gerade keine freie Wahl bezüglich des Pflegedienstes zu. Die Rund-um-die-Uhr-Versorgung schließe die hauswirtschaftliche Versorgung ein und spreche für eine heimmäßige Versorgung. Auch die baulichen Gegebenheiten mit gemeinsamer Küche, gemeinsamen Bad, Durchgangszimmern und Waschküche im Keller spreche gegen eine Aufteilung der Räumlichkeiten, die typisch für eine selbstbestimmte WG sei. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Vermieterin bei der Klägerin beschäftigt sei und die Klägerin zu Gunsten des Hauseigentümers für die Miete, die Mietkaution und die Maklerprovision eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
Bei den Verfügungen in dem angegriffenen Bescheid handelt es sich um Dauerverwaltungsakte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist daher die letzte mündliche Verhandlung.
Rechtsgrundlage für die Feststellung der Verfügung zu I. 1 in dem angegriffenen Bescheid, die Klägerin betreibe im... Weg ... in G. ein Heim, ist daher § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 und 3 des Niedersächsischen Heimgesetzes - NHeimG - vom 29. Juni 2011 (Nds. GVBl. 2011, S. 196). Das Niedersächsische Heimgesetz ersetzt das Heimgesetz in der Fassung vom 5. November 2001 (BGBl. I, S. 2970), zuletzt geändert durch Art. 3 S. 2 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I, S. 2319), mit Ausnahme der §§ 14, 21 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 3 des HeimG, § 1 S. 3 NHeimG.
Nach den genannten Bestimmungen des NHeimG hat, wer den Betrieb eines Heims aufnehmen will, seine Absicht spätestens drei Monate vor der vorgesehenen Inbetriebnahme der Heimaufsicht anzuzeigen. Gemäß § 1 Abs. 2 NHeimG sind Heime Einrichtungen für Volljährige, die in ihrem Bestand unabhängig von Wechsel und Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner dem Zweck dienen, gegen Entgelt ältere, pflegebedürftige oder behinderte Menschen aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen und für sie Betreuung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten. Heime sind gem. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Abs. 3 NHeimG auch nicht selbstbestimmte Wohngemeinschaften, die dem Zweck dienen, pflegebedürftigen volljährigen oder behinderten volljährigen Menschen das Leben in Haushaltsgemeinschaften zu ermöglichen, in denen entgeltliche Betreuungsleistungen ambulanter Dienste in Anspruch genommen werden. Eine Wohngemeinschaft ist nicht selbstbestimmt, wenn sie von einem Dritten betrieben wird, der dort zugleich Wohnraum überlässt und Leistungen der ambulanten Betreuung erbringt; das gilt auch, wenn andere Personen oder Unternehmen für den Betreiber handeln (§ 1 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 NHeimG), die Überlassung des Wohnraums und die Erbringung der ambulanten Betreuungsleistungen durch Personen oder Unternehmen erfolgt, die miteinander rechtlich oder tatsächlich verbunden sind (§ 1 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 NHeimG), die Gemeinschaft der Bewohnerinnen und Bewohner, die ambulanten Betreuungsdienste sowie Art und Umfang der Leistungen nicht frei wählen kann (§ 1 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 NHeimG) oder die Bewohnerinnen oder Bewohner durch ambulante Betreuungsdienste in ihrem Selbstbestimmungsrecht eingeschränkt werden (§ 1 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 NHeimG).
Vorliegend sind bereits die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 S. 2 Nr. 2 NHeimG erfüllt. Die Einrichtung ist als nicht selbstbestimmte Wohngemeinschaft zu qualifizieren.
In der streitbefangenen Örtlichkeit leben zurzeit 4 Bewohnerinnen und Bewohner zusammen, die schwer bzw. schwerstpflegebedürftig sind und entsprechende Betreuung, d.h. Pflege und Versorgung durch das Team der Klägerin erfahren. Unterbringung und Betreuung erfolgen entgeltlich. Diese Wohngemeinschaft ist nicht selbstbestimmt, weil zwischen der (Unter-)Vermieterin und der Klägerin rechtliche wie tatsächliche Verbindungen im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 2 NHeimG bestehen.
Da die (Unter-)Vermieterin Mitarbeiterin im Betrieb der Klägerin in leitender Position ist, ist hier davon auszugehen, dass Vermietung und Erbringung der Betreuungsleistungen nicht unabhängig voneinander erfolgen, sondern in der streitbefangenen Örtlichkeit in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken und daher aus Sicht der Bewohner wie aus einer Hand. Die (arbeits-)rechtliche Verbindung zwischen Klägerin und Vermieterin besteht gerade im Bereich der umfassenden Versorgung der Bewohner. Zwar besteht formal rechtlich im Verhältnis zu den Bewohnern des Hauses keine Abhängigkeit zwischen beiden Leistungserbringern, da sie jeweils eigene Verträge mit diesen geschlossen haben. Die arbeitsrechtliche Verbindung und damit die wirtschaftliche Abhängigkeit der (Unter-Vermieterin von der Klägerin, welche die Betreuungsleistungen erbringt, bedingt jedoch eine erhebliche Einflussmöglichkeit der Klägerin auf diese. Davon, dass diese Möglichkeit nicht nur eine "Nebenfolge" des Arbeitsverhältnisses der (Unter-)Vermieterin mit der Klägerin ohne Zusammenhang mit der Leistungserbringung in der Örtlichkeit ist, sondern tatsächlich ein Zusammenwirken gewollt ist, spricht auch ganz entscheidend der Umstand, dass eine weitere Verflechtung der Leistungserbringer besteht. Die Klägerin hat zu Gunsten des Eigentümers des Hauses ... Weg ... eine selbstschuldnerische Bürgschaft für die Miete, die Mietkaution und die Maklerprovision und damit die wirtschaftliche Absicherung der Einrichtung in Bezug auf die Zurverfügungstellung des Wohnraums, d.h. bezüglich der vertraglichen Pflichten der (Haupt-)Mieterin und (Unter-)Vermieterin dem Eigentümer und (Haupt-)Vermieter gegenüber übernommen.
Die Einrichtung unterfällt daher dem Niedersächsischen Heimgesetz, so dass die noch auf der Grundlage der alten Gesetzeslage getroffene Feststellung in Ziffer I.1 der angegriffenen Verfügung des Beklagten, bei der Einrichtung handele es sich um ein Heim im Sinne desHeimgesetzes, zu Recht erfolgt ist.
Darüber hinaus sind auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 2 Nr. 4 NHeimG erfüllt.
Selbstbestimmt sind Wohngemeinschaften, wenn sie maßgeblich die Regeln über das Zusammenleben sowie die Alltagsgestaltung und Tagesstruktur selbst festlegen, das Hausrecht uneingeschränkt bei ihnen liegt und die Mitarbeiter des ambulanten Pflegedienstes in der Wohnung lediglich über einen Gaststatus, nicht jedoch faktisch über die Rolle des Hausherren verfügen, der beispielsweise darüber entscheidet, wann und durch wen die Bewohnerinnen und Bewohner Besuch erhalten können. Selbstbestimmtheit drückt sich auch darin aus, dass die Entscheidung über die Anschaffung gemeinschaftlich genutzter Einrichtungsgegenstände sowie gemeinschaftlich genutzter oder konsumierter Verbrauchsgüter, gemeinschaftlich oder durch Dritte zu erledigende Tätigkeiten oder Dienstleistungen wie Reinigungsarbeiten, Wäschepflege oder handwerkliche Tätigkeiten maßgeblich von der Gemeinschaft beschlossen und geregelt werden. Dies schließt zwar nicht aus, dass die Umsetzung einzelner Beschlüsse auf eines oder mehrere Mitglieder der Wohngemeinschaft oder auf Dritte übertragen werden kann. Das Selbstbestimmungsrecht darf dadurch jedoch nicht beeinträchtig werden (vgl. Nds. LT-Drs.16/2493, Begründung des Entwurfs des Niedersächsischen Gesetzes zum Schutz von Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern (NHeimG), S. 28, Besonderer Teil, zu § 1 Abs. 3, Ziffer III.). Soweit Bewohnerinnen und Bewohner nicht (mehr) in der Lage sind, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, setzt eine funktionierende, selbstbestimmte und von Dritten unabhängige Wohngemeinschaft ein besonderes Engagement der Angehörigen oder der Betreuerinnen und Betreuer der Bewohnerinnen und Bewohner voraus. Bei Personen, die aufgrund ihrer gesundheitlichen Lage unter rechtlicher Betreuung stehen und/oder nicht (mehr) kommunikationsfähig sind, ist dies nur möglich, wenn die für sie handelnden und entscheidenden Personen rund um die Uhr erreichbar und zu entsprechenden Entscheidungen oder zu entsprechendem Eingreifen auch fähig sind. Eine solche Verfügbarkeit ist grundsätzlich nur leistbar, wenn die Personen mit den Pflege- bzw. Betreuungsbedürftigen zusammen wohnen. Es reicht jedenfalls nicht aus, wenn Angehörige und Betreuer - wenn auch in regelmäßigen Abständen - bei entsprechenden Treffen aufgelaufene Fragen zu grundsätzlichen oder speziellen Problemen "abarbeiten". Das Modell der Bewohnerversammlung ist für Betroffene, die ihr Selbstbestimmungsrecht selbst überhaupt nicht mehr ausüben können, daher nicht ausreichend (dahingehend auch LT-Drs., a.a.O., S. 28, Besonderer Teil, zu § 1 Abs. 3 Ziffer III; Nds. OVG, Beschluss vom 25. Mai 2011 - 4 LA 306/08 -, [...]). Dies entspricht auch dem maßgeblichen Gesetzeszweck:
Maßgeblicher Grund der Heimgesetzgebung ist die allgemein anerkannte Tatsache, dass sich Menschen aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse und Lebensumstände freiwillig oder gezwungenermaßen in Wohnformen begeben, in denen sie unter teilweiser Aufgabe ihres Rechts auf Selbstbestimmung einen umfassenden Versorgungsanspruch erhalten. Dies trifft sowohl auf Menschen zu, die in "klassischen" Heimen leben wie auf jene, die als Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngemeinschaften leben und sich in einer strukturellen Abhängigkeit gegenüber Dritten befinden, weil sie ihre Angelegenheiten nicht autonom und unbeeinflusst durch Dritte regeln können. Auch in derartigen Betreuungssettings ist der Schutzzweck des Gesetzes unverzichtbar (Nds. LT-Drs. 16/2493, Begründung des Entwurfs des Niedersächsischen Gesetzes zum Schutz von Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern (NHeimG), S. 19 f, Allgemeiner Teil, Ziffer 9). Ziel des Niedersächsischen Heimgesetzes ist es u.a. hinsichtlich der im Zuge der Nachfrage nach selbstbestimmten Formen des gemeinschaftlichen Lebens zunehmend entstehenden alternativen Wohngemeinschaften Rechtssicherheit bei der Abgrenzung von Heimen und ambulant betreuten Wohnformen, die nicht dem Heimrecht unterliegen, zu schaffen und den Bewohnerinnen und Bewohnern von stationären Einrichtungen und nicht selbstbestimmten ambulant betreuten Formen des gemeinschaftlichen Wohnens den Schutz zu gewähren, dessen sie aufgrund ihres Abhängigkeitsverhältnisses gegenüber Dritten bedürfen (LT-Drs. 16/2493, a.a.O., S. 14, Allgemeiner Teil, Ziffer 1.2). Die gesetzliche Definition des Heims orientiert sich sowohl an dem Inhalt der Betreuung (§ 1 Abs. 2 NHeimG) wie an der Intensität der Abhängigkeit der Bewohnerinnen und Bewohner von Dritten, § 1 Abs. 3 NHeimG. In allen Fällen ist eine strukturelle Abhängigkeit der Bewohnerinnen oder Bewohner aufgrund ihrer persönlichen Situation gegeben, der sie sich rechtlich nicht entziehen können oder wollen. Der Unterschied zu ambulant betreuten selbstbestimmten Wohngemeinschaften, die nicht als Heim im Sinne des Niedersächsischen Heimgesetzes zu qualifizieren sind, liegt im Recht der Bewohnerinnen und Bewohner oder deren gesetzlicher Betreuerinnen und Betreuer auf umfassende Selbstbestimmung. Dieser Schutzbedürftigkeit und dem umfassenden Recht auf Selbstbestimmung kann nur Rechnung getragen werden, wenn Betroffene, die aufgrund des Grades ihrer Pflegebedürftigkeit nicht mehr in der Lage sind, ein eigenständiges selbstverantwortetes Wirtschaften und Leben zu gestalten, mithin ihr Selbstbestimmungsrecht selbst überhaupt nicht mehr ausüben können, in der dargstellten Form von Angehörigen und/oder Betreuern vertreten werden. Anders ist die für eine selbstbestimmte Wohngemeinschaft konstitutive Autonomie und Selbstbestimmung der Lebensgestaltung nicht realisierbar.
Vor diesem Hintergrund stellt sich das Leben der Bewohner nach den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen nicht als das einer selbstbestimmten Wohngemeinschaft im genannten Sinn dar. Die schwer- und schwerstpflegebedürftigen Bewohner sind unstreitig nicht in der Lage, ein selbstbestimmtes Wirtschaften und Leben zu führen. Dies wird faktisch auch nicht stellvertretend durch ihre Betreuer und Bevollmächtigten geleistet. Die Bewohner erhalten durch das Team der Klägerin vollständige und umfängliche Betreuung, Pflege und Versorgung, die angesichts des benötigten und in den Pflegeverträgen niedergelegten Umfanges und der ständigen Anwesenheit des Personals auch nicht als ambulant bezeichnet werden kann. Der Beitrag, der von den nicht in dem Haus lebenden Betreuern bzw. Bevollmächtigten ihren eigenen Berichten zufolge geleistet wird, trägt zwar wesentlich zur familiären Atmosphäre im Haus und sicherlich zum seelischen Ausgleich der Bewohner bei, macht aber nur einen geringen Teil der übrigen Betreuung, Pflege und Versorgungsleistung aus, wie dies bei Schwerstpflegebedürftigen auch kaum anders vorstellbar ist.
Auch die Tagesstrukturierung erfolgt im Wesentlichen nicht selbstbestimmt und individuell, wie die Klägerin vorträgt. Die Berichte der Betreuer weisen zwar z.T. unterschiedliche Weck- und Schlafenszeiten der Bewohner auf. Im Übrigen findet aber eine für alle Bewohner im Wesentlichen gleiche Tagesstruktur in Gestalt morgendlicher Kontrollen, relativ gleicher Essens- und Schlafenszeiten statt, einige individuelle Pflegebedürfnisse ausgenommen. Dies dürfte ebenfalls angesichts der hohen Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit der Bewohner in der Natur der Sache liegen und kaum anders machbar sein. Die Angehörigen bzw. Betreuer stehen zwar häufig, aber nicht jederzeit für die Klärung von auftretenden Fragen oder Problemen zur Verfügung. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Betreuer und/oder Angehörigen überhaupt über die Fragen des Zusammenlebens, insbesondere der Alltagsgestaltung, der Tagesstruktur, des Hausrechts etc. in einer eine Selbstbestimmung ausmachenden Art und Weise bzw. einem entsprechenden Umfang entscheiden bzw. diese organisieren und/oder entsprechend deligieren. Ihren Berichten ist vielmehr zu entnehmen, dass sie für ihre jeweiligen Angehörigen einzelne Sonderbedürfnisse kleineren Umfangs erfüllen oder regeln. Lediglich gelegentlich kommt es danach zu Treffen der Betreuer und Angehörigen, die geselligen, jedoch nicht das Leben in der Örtlichkeit umfänglich regelnden Charakter haben. Auch aus den vorgelegten "Gründungsvereinbarungen" ergibt sich nichts anderes. Schon der äußeren Form nach ist fraglich, ob die getroffenen Regelungen so wie vereinbar durchgeführt und gelebt werden sollen und können. Die anlässlich des letzten Neueinzuges von Bewohnern vorgelegten Exemplare weisen noch Unterschriften von Betreuern bereits verstorbener ehemaliger Bewohner auf. Es wird nicht deutlich, ob diese weiterhin die Lebensführung in der Einrichtung mitbestimmen. Im Übrigen enthalten die Vereinbarungen nur "Themenbereiche" ähnlich einer Rahmenbestimmung, jedoch keine umsetzbaren Regelungen von Einzelbereichen.
Schließlich sprechen auch die räumlichen Gegebenheiten im Haus gegen eine eigenverantwortliche variable Gestaltung einzelner Lebensbereiche der Bewohner. Das von ihnen bewohnte Untergeschoß des Hauses verfügt nur über eine Durchgangsküche, ein kleines Bad; das "Wohnzimmer" und ein weiteres Durchgangszimmer sind offensichtlich auch von Bewohnern bewohnte Zimmer.
Offen bleiben kann daher, ob auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 S. 2 Nr. 3 NHeimG erfüllt sind. Sowohl die genannten räumlichen Gegebenheiten wie die dargestellte Verbindung zwischen der Klägerin und der (Unter-)Vermieterin sprechen jedoch dafür, dass die Gemeinschaft der Bewohnerinnen und Bewohner die ambulanten Betreuungsdienste sowie Art und Umfang der Leistungen nicht frei wählen können. Im allein bewohnten Untergeschoss des Hauses ist wegen der oben beschriebenen beengten Wohnverhältnisse für das Personal verschiedener Pflegedienste kein ausreichender Platz vorhanden.
Eine solche Wahlfreiheit besteht auch aufgrund der faktisch beherrschenden Stellung der Klägerin und ihres Pflegedienstes nicht.
Die Wahlfreiheit hinsichtlich eines ambulanten Pflegedienstes besteht dort nicht, wo die Vermietung des Wohnraums und die Erbringung von Betreuungsleistungen rechtlich oder tatsächlich miteinander verbunden sind, wenn also die Leistungen durch rechtlich oder tatsächlich miteinander verbundene Personen - und damit aus einer Hand - gewährt werden. Rechtlich miteinander verbunden sind natürlich oder juristische Personen, die in gewolltem Zusammenwirken aufgrund ausdrücklich oder stillschweigender Übereinkunft derselben Wohngemeinschaft Leistungen des Wohnens und der Pflege und Betreuung anbieten. Natürliche oder juristische Personen sind auch dann miteinander verbunden, wenn sie derselben Wohngemeinschaft derartige Leistungen anbieten und am wirtschaftlichen Erfolg des Betriebs des jeweils anderen Anbieters beteiligt sind. Es sollen insbesondere Fälle erfasst werden, in denen eine Umgehung der Anwendung des Gesetzes durch Organisationsakt oder dadurch versucht wird, dass die Existenz eines Betriebes schlichtweg geleugnet oder eine tatsächlich bestehende Kooperation bestritten wird (vgl. LT-Drs., a.a.O., S. 27, Besonderer Teil, zu § 1 Abs. 3, Ziffer III.).
Aufgrund der oben genannten Umstände ist vorliegend von einem gewollten Zusammenwirken im dargelegten Sinn aufgrund eines entsprechenden Übereinkommens zwischen der Klägerin und der (Unter-)Vermieterin auszugehen.
Auch die vorgelegten "Gründungsvereinbarungen" überzeugen das Gericht schon formal nicht vom Gegenteil. Der Text hinsichtlich der Möglichkeit des Wechsels des Pflegedienstes ist nicht einheitlich. Zum einen soll die Möglichkeit "einzeln und abhängig" (gemeint ist wohl "unabhängig"), zum anderen "gemeinsam" bestehen. Des weiteren ist schwer nachvollziehbar, dass die Bewohner bzw. ihre Betreuer - so sie denn tatsächlich und wie in den Gründungsvereinbarungen niedergelegt und von der Klägerin vorgetragen und beschrieben - neue Bewohner selbstbestimmt aussuchen, jeweils nur schwerstpflegebedürftige Personen aufnehmen. Für eine selbstbestimmt sich organisierende Wohngemeinschaft ist dieser Umstand äußerst erschwerend. Ob die Berechtigung hierzu in der Gründungsvereinbarung ausreichend ist und nicht vielmehr insoweit auch eine mietvertragliche Berechtigung bestehen müsste, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung. Angesichts der oben dargestellten baulichen Wohnverhältnisse und der Verflechtung zwischen der Vermieterin und der Klägerin bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die Bewohner bzw. Betreuer faktisch - wie in die Vereinbarung aufgenommen - frei in der Wahl des Betreuungs- und Pflegedienstes sind.
Der Beklagte hat auch die Feststellung, es liege ein Heim vor, zu Recht gegenüber der Klägerin getroffen. Werden in einem Heim die maßgeblichen Leistungen der Wohnraumüberlassung einerseits und der Erbringung der Betreuungs- und Pflegeleistungen andererseits - wie hier - (formal-)rechtlich von verschiedenen juristischen oder natürlichen Personen erbracht, so ist die Heimaufsicht befugt, an jeden der Leistungserbringer heimrechtliche Verwaltungsakte zu richten, wenn keine der erbrachten Leistungen hinweggedacht werden könnte, ohne dass die Qualifikation der Einrichtung als Heim entfiele (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 - 10 B 655/10 -, V.n.b.; VG Göttingen, Urteil vom28. August 2008 - 2 A 2/08 -, [...]; VG Kassel, Beschluss vom 10. Mai 2010 - 5 L 372/11.KS -, [...]). Dies gilt umso mehr, wenn sich die Verfügung - wie vorliegend - gegen die Person richtet, die durch maßgebliche Organisation und Leistungserbringung sowie wirtschaftliche Absicherung der Einrichtung (auch) als Heimbetreiberin anzusehen ist.
Aus den gleichen Gründen folgt die Rechtmäßigkeit auch des Verfügungspunktes I.2, der seine Rechtsgrundlage in § 7 Abs. 1 S. 1 und 3 NHeimG findet. Die Klägerin ist daher verpflichtet, die Einrichtung im ... Weg ... in G. als Heim anzuzeigen und entsprechende Nachweise bzw. Unterlagen beizubringen.
Schließlich ist die auf die Vornahme der Anzeige und die Vorlage der Nachweise bezogene Zwangsgeldandrohung rechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht auf §§ 64, 65 Abs. 1 Nr. 2, 67, 70 Nds. SOG. Die Höhe des Zwangsgeldes hält sich im unteren Bereich des gem. § 67 Abs. 1 Nds. SOG vorgegebenen Rahmens und ist gemäß den rechtlichen Vorgaben am wirtschaftlichen Interesse der Klägerin, die Einrichtung ohne die Auflagen des Niedersächsischen Heimgesetzes führen zu können, ausgerichtet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.