Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.11.2009, Az.: 4 LB 181/09

Beginn einer Rechtsmittelfrist nach Änderung der Rechtsbehelfsbelehrung für Niedersachsen; Rechtmäßigkeit einer Heranziehung zu Rundfunkgebühren

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.11.2009
Aktenzeichen
4 LB 181/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 33619
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2009:1103.4LB181.09.0A

Gründe

1

I.

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Rundfunkgebühren für den Zeitraum von August 2000 bis März 2004.

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Am 13. Dezember 2004 erfolgte durch die Mutter der Klägerin anlässlich des Besuches eines Beauftragten der GEZ die Anmeldung der Klägerin als Rundfunkteilnehmerin mit einem Rundfunkempfangsgerät, und zwar einem Radio, ab August 2000. Daraufhin zog der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 3. März 2005 für den Zeitraum von August 2000 bis Januar 2005 zu Rundfunkgebühren in Höhe von 284,81 EUR heran. Dieser Bescheid enthält auf seiner Vorderseite unmittelbar nach der Gebührenfestsetzung folgende "Rechtsbehelfsbelehrung für Niedersachsen (gemäß § 8 a Nds. AG VwGO):

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Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Klage beim Verwaltungsgericht Osnabrück, Hakenstr 15, 49074 Osnabrück schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts erhoben werden."

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Auf der Rückseite des Bescheides findet sich neben anderen Hinweisen und der Angabe von Rechtsgrundlagen des Bescheides eine weitere Rechtsbehelfsbelehrung, in der darauf hingewiesen wird, dass gegen diesen Bescheid innerhalb eines Monats Widerspruch bei der zuständigen Landesrundfunkanstalt oder der GEZ eingelegt werden könne.

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Mit Schreiben vom 15. März 2005 legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei der GEZ Widerspruch gegen den Bescheid vom 3. März 2005 ein und führte zur Begründung aus, dass die Anmeldung der Mutter der Klägerin unrichtig sei und für die Klägerin nicht verbindlich sein könne. Nachdem die Klägerin die GEZ mit Schreiben vom 11. Mai 2005 zu einer Beantwortung ihres Schreibens vom 3. März 2005 aufgefordert hatte, wies diese mit Schreiben vom 27. September 2005 die erhobenen Einwände gegen die Anmeldung zurück und darauf hin, dass "gemäß der geänderten Rechtsbehelfsbelehrung für Niedersachsen (§ 8a Nds. AG VwGO) gegen den Gebührenbescheid vom 03.03.2005 Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht" erhoben werden müsse. Hierauf erwiderte die Klägerin mit Schreiben vom 4. Oktober 2005, dass die im Bescheid vom 3. März 2005 erteilte Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig und widersprüchlich sei, sie daher davon ausgehe, dass eine Rechtsmittelfrist nicht laufe, und es der GEZ überlasse, einen neuen Bescheid mit richtiger Rechtsbehelfsbelehrung zu erlassen. Diese beschränkte sich darauf, in einem weiteren Schreiben vom 12. Oktober 2005 auf die Rechtslage für Niedersachsen gemäß § 8a Nds. AG VwGO und die danach binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Gebührenbescheides zu erhebende Klage hinzuweisen. Gleichzeitig gewährte sie der Klägerin die Möglichkeit der Klageerhebung innerhalb eines Monats nach Eingang dieses Schreibens.

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Daraufhin hat die Klägerin am 14. November 2005 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Klage entgegen der Auffassung des Beklagten zulässig sei. Die Klagefrist habe sie gewahrt, da die Rechtsmittelbelehrung auf dem angefochtenen Bescheid widersprüchlich sei. Darüber hinaus erweise sich die Berufung des Beklagten auf die Unzulässigkeit der Klage als rechtsmissbräuchlich, da die GEZ, deren Bemerkung sich der Beklagte zurechnen lassen müsse, mitgeteilt habe, dass sie die Klagfrist verlängert habe. Zumindest sei ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. In der Sache hat die Klägerin behauptet, bis zu ihrem 20. Geburtstag am 29. März 2004 in ihrem Kinder- bzw. Jugendzimmer keine gebührenpflichtigen Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten zu haben. Die Angaben der Mutter auf dem Anmeldeformular habe diese irrtümlich gemacht. Den dort angegebenen Radiowecker habe die Klägerin erst zu ihrem Geburtstag am 29. März 2004 geschenkt bekommen.

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Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 3. März 2005 insoweit aufzuheben, als sie darin zu Rundfunkgebühren auch für den Zeitraum von August 2000 bis März 2004 her-angezogen wird.

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Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

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und zur Begründung darauf hingewiesen, dass die Klage verspätet erhoben worden und daher unzulässig sei.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 27. August 2008 als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Nach § 74 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO müsse eine Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides oder, sofern ein Widerspruchsverfahren - wie im vorliegenden Fall für das hier interessierende Jahr 2005 gemäß § 8 a Nds. AG VwGO - nicht vorgesehen sei, innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden. Da der angefochtene Gebührenbescheid nach der gesetzlichen Fiktion des § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG der Klägerin spätestens am 7. März 2005 als bekannt gegeben gelte, sei die Klagefrist am 7. April 2005 abgelaufen. Diese Frist habe die Klägerin hier versäumt, weil sie ihre Klage erst am 14. November 2005 erhoben habe. Zu Unrecht berufe sich die Klägerin darauf, dass der angefochtene Bescheid eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung bzw. zwei sich widersprechende Rechtsbehelfsbelehrungen enthalte und die GEZ auf ihren Widerspruch hin die Klagefrist verlängert habe. Zum einen sei die Rechtsbehelfslehrung im angefochtenen Bescheid weder unrichtig noch widersprüchlich. Sie entspreche vielmehr den Anforderungen der §§ 58 Abs. 1 VwGO, 8 a Nds. AG VwGO, wonach im Land Niedersachsen seit dem 1. Januar 2005 in Rundfunkgebührenstreitigkeiten kein Widerspruchsverfahren mehr durchzuführen, sondern unmittelbar Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben sei. Diese Rechtsbehelfsbelehrung stehe auch nicht im Widerspruch zu der auf der Rückseite des angefochtenen Bescheides abgedruckten - und bis Ende des Jahres 2004 auch für Niedersachsen geltenden - Rechtsbehelfsbelehrung, in der darauf hingewiesen wird, dass gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt werden könne. Denn nach dem Gesamtzusammenhang, in dem diese beiden Hinweise stünden, könne sowohl bei objektiver Betrachtung als auch vom durchschnittlichen Empfängerhorizont her kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die letztgenannte, in den entsprechenden "Formularbescheiden" beibehaltene Rechtsbehelfsbelehrung lediglich für diejenigen (der Zahl nach allerdings ganz überwiegenden) Bundesländer gelte, in denen auch in Streitigkeiten der vorliegenden Art - nach wie vor - vor Klagerhebung zunächst ein Widerspruchsverfahren durchzuführen sei, während es sich bei der zuerst genannten Rechtbehelfsbelehrung um eine - dem insoweit geänderten Verfahrensrecht Rechnung tragende - Sonderregelung für den Bereich des Landes Niedersachsen handele. Letzteres werde nicht zuletzt auch durch deren räumliche Anordnung im "Gesamtgefüge" des Bescheides - nämlich in unmittelbarem Anschluss an die eigentliche Gebührenfestsetzung - sowie dadurch deutlich, dass sie ausdrücklich als "Rechtsbehelfsbelehrung für Niedersachsen" bezeichnet worden sei. Angesichts dessen könnten bei der Klägerin als Empfängerin eines mit einer derartigen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Gebührenbescheides keine begründeten, die Rechtsverfolgung in nennenswerter Weise erschwerenden Zweifel hervorgerufen worden sein, welchen Rechtsbehelf sie gegen diesen Bescheid einlegen konnte. Soweit die Klägerin zum anderen darauf verweise, die GEZ habe ihr im Schreiben vom 12. Oktober 2005 die Möglichkeit der Klageerhebung innerhalb eines Monats nach Eingang dieses Schreibens gegeben, führe auch dies nicht zur Zulässigkeit der Klage. Denn es bedürfe keiner vertiefenden Ausführungen, dass eine gesetzliche Frist, die - wie die Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO - Sachurteilsvoraussetzung für eine entsprechende Klage sei, nicht durch eine einseitige (und der Sache nach unzutreffende) Erklärung eines Behördenmitarbeiters verlängert oder sonst in irgendeiner Weise abgeändert werden könne. Aufgrund dieser Erwägungen könne auch der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin keinen Erfolg haben, weil sie nicht ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die Klage rechtzeitig zu erheben.

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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die der Senat durch Beschluss vom 3. Juli 2009 - 4 LA 305/08 - wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides zugelassen hat.

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Zur Begründung ihrer Berufung vertieft die Klägerin ihr Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungszulassungsverfahren. Die im angefochtenen Bescheid erteilten zwei Rechtsbehelfsbelehrungen seien mehrdeutig und daher unrichtig. Daher laufe allenfalls die Klagefrist des§ 58 Abs. 2 VwGO, die sie gewahrt habe, so dass die Klage zulässig sei. Die Klage sei auch begründet, da sie erst seit dem 29. März 2004 ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithalte.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Osnabrück - Einzelrichter der 2. Kammer - vom 27. August 2008 aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen,

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hilfsweise,

den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Osnabrück - Einzelrichter der 2. Kammer - vom 27. August 2008 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 3. März 2005 insoweit aufzuheben, als sie darin zu Rundfunkgebühren auch für den Zeitraum von August 2000 bis März 2004 herangezogen wird.

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Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

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Auch er vertieft sein Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungszulassungsverfahren und weist darauf hin, dass die Rechtsbehelfsbelehrung im angefochtenen Bescheid nicht geeignet gewesen sei, einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des einzig zulässigen Rechtsbehelfs hervorzurufen und den Adressaten dadurch davon abzuhalten, diesen Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen. Zwar ergäben sich aus den Angaben auf der Rückseite des Bescheides Hinweise, die allgemein und grundsätzlich gelten sollen. Durch die Angabe der Rechtsbehelfsbelehrung für Niedersachsen auf der Vorderseite des Bescheides unmittelbar nach der Gebührenfestsetzung werde aber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass hier nur diese Rechtsbehelfsbelehrung gelten solle. Darüber hinaus sei die Klage unbegründet. Die Angaben der Mutter der Klägerin in der von dieser zulässigerweise unterschriebenen Anmeldung sprächen dafür, dass die Klägerin seit Beginn ihrer Ausbildung im August 2000 einen Radiowecker zum Empfang bereit halte.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen.

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II.

Die zulässige Berufung führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides und auf den Antrag der Klägerin zur Zurückverweisung der Streitsache an das Verwaltungsgericht, das die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen und noch keine Entscheidung in der Sache getroffen hat (§ 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

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Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130a Satz 1 VwGO), weil er die - mit dem Hauptantrag auf Aufhebung des Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 27. August 2008 und Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht gerichtete - Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung hierüber nicht für erforderlich hält. Der Anwendbarkeit des§ 130a VwGO steht nicht entgegen, dass das Verwaltungsgericht durch Gerichtsbescheid entschieden hat. Denn das Beschlussverfahren nach§ 130a VwGO findet allenfalls dann keine Anwendung, wenn einer Klage in erster Instanz durch Gerichtsbescheid stattgegeben wurde, dieser Prozesserfolg dem Kläger in der Berufungsinstanz aber wieder genommen werden soll (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.3.2002 - 1 C 15/01 -, NVwZ 2002, 993, 994).

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Die von der Klägerin am 14. November 2005 gegen den Gebührenbescheid des Beklagten vom 3. März 2005 erhobene Klage ist zulässig; sie wahrt insbesondere die gesetzliche Klagefrist.

21

Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO muss die Klage, soweit wie hier gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 8a Abs. 1 Niedersächsisches Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung - Nds. AG VwGO - in der hier maßgeblichen, zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 5. November 2004 (Nds. GVBl. S. 394) geänderten und bis zum 14. Dezember 2006 geltenden Fassung ein Vorverfahren nicht erforderlich ist, innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden. Diese Klagefrist beginnt nach § 58 Abs. 1 VwGO indes nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist diese Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 VwGO grundsätzlich innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung des Verwaltungsakts zulässig.

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Hier liegen die Voraussetzungen des § 58 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 VwGO vor. Denn die vom Beklagten im Gebührenbescheid vom 3. März 2005 erteilte Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig. Unrichtig ist eine Rechtsbehelfsbelehrung dann, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Mindestangaben nicht enthält oder wenn diesen Angaben ein unzutreffender oder irreführender Zusatz beigefügt ist, der sich generell eignet, die Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.1990 - 8 C 70/88 -, NJW 1991, 508 m.w.N.). Die hier zu beurteilende Rechtsbehelfsbelehrung ist unzutreffend und irreführend.

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Die Rechtsbehelfsbelehrung ist unzutreffend, soweit auf der Rückseite des Bescheides auf die Möglichkeit hingewiesen wird, binnen eines Monats nach Zugang des Gebührenbescheides einen Widerspruch bei "der umseitig genannten Rundfunkanstalt oder bei der Gebühreneinzugszentrale" einzulegen. Dieser Rechtsbehelf ist - wie bereits ausgeführt - gegen den angefochtenen Gebührenbescheid vom 3. März 2005 nicht gegeben. Soweit der Beklagte dem entgegen hält, aus der textlichen Gestaltung des Bescheides ergebe sich hinreichend klar, dass für Niedersachsen ausschließlich die auf der Vorderseite des Bescheides abgedruckte Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen den Bescheid binnen eines Monats nach seiner Bekanntgabe Klage beim Verwaltungsgericht Osnabrück erhoben werden könne, gelten solle, überzeugt dies nicht. Diese auf der Vorderseite befindliche Belehrung ist zwar mit "Rechtsbehelfsbelehrung für Niedersachsen (gemäß § 8 a Nds. AG VwGO)" überschrieben, wobei sich hieraus aber bereits nicht ergibt, ob es darauf ankommen soll, ob der im Adressfeld genannte Wohnort/Geschäftssitz oder der Standort des Rundfunkempfangsgerätes, für das Rundfunkgebühren erhoben werden, im Land Niedersachsen belegen ist. Jedenfalls ergibt sich aus der textlichen Gestaltung des Bescheides nicht, dass ausschließlich die Möglichkeit der Klage eröffnet ist, nicht aber die des Widerspruchs. Der Text der Rechtsbehelfsbelehrung enthält keine Anhaltspunkte dafür, ob die Rechtsbehelfsmöglichkeiten kumulativ oder alternativ eröffnet sind. Weder ist in der auf der Vorderseite des Bescheides abgedruckten "Rechtsbehelfsbelehrung für Niedersachsen" angegeben, dass diese ausschließlich gelte, noch wird in der auf der Rückseite des Bescheides angegebenen allgemeinen "Rechtsbehelfsbelehrung" darauf hingewiesen, dass diese vorbehaltlich einer spezielleren, auf der Vorderseite des Bescheides dargestellten Belehrung gelten soll. Ein solches Rangverhältnis ist auch aus der übrigen Gestaltung des Bescheides nicht zu erkennen. So wird unten rechts auf der Vorderseite des Bescheides deutlich darauf hingewiesen, dass sich Rechtsbehelfsbelehrung und Rechtsgrundlagen des Bescheides auf dessen Rückseite befänden. Hieraus wird für den Adressaten - nach dem durchschnittlichen Empfängerhorizont - gerade nicht deutlich, dass nur die auf der Vorderseite dargestellte Belehrung gelten soll, zumal eine solche Klarstellung textlich ohne Weiteres möglich gewesen wäre.

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Damit ist die Rechtsbehelfsbelehrung zugleich irreführend, denn sie erweckt beim Adressaten den Eindruck, eine - nicht bestehende - Wahlmöglichkeit zwischen den Rechtsbehelfen "Klage" und "Widerspruch" zu haben.

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Die danach unzutreffende und irreführende Rechtsbehelfsbelehrung ist auch geeignet, die Einlegung des richtigen Rechtsbehelfs zu erschweren. Denn die dem Bescheid zu entnehmende Wahlmöglichkeit zwischen zwei verschiedenen Rechtsbehelfen besteht nicht, so dass generell die Gefahr besteht, dass ein unzulässiger Rechtsbehelf, hier der an die jeweilige Landesrundfunkanstalt oder die Gebühreneinzugszentrale gerichtete Widerspruch, eingelegt und zugleich die Frist zur Erhebung der zulässigen Klage versäumt wird. Darauf, ob die Klägerin hier durch die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung konkret beeinflusst worden ist, kommt es nicht an. Es reicht vielmehr, dass die Unrichtigkeit abstrakt geeignet ist, den Irrtum hervorzurufen, gegen den Gebührenbescheid könne ein Widerspruch erhoben werden (vgl. Senatsbeschl. v. 21.5.1997 - 4 M 1987/97 -).

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Der Beklagte hat eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung, die klar und deutlich auf die Möglichkeit der Klage bei dem Verwaltungsgericht Osnabrück und die einzuhaltende Klagefrist hinweist, auch nicht in seinen Schreiben oder den ihm zuzurechnenden Schreiben der GEZ vom 27. September 2005, 28. September 2005 und 12. Oktober 2005 nachgeholt (vgl. zur Möglichkeit der Nachholung einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 58 Rn. 8 m.w.N.). Im Schreiben vom 27. September 2005 sind sowohl der Sitz des Verwaltungsgerichts, bei dem die Klage zu erheben ist, nicht, als auch die Klagefrist nicht (richtig) bezeichnet. Im Schreiben vom 28. September 2005 ist die Klagefrist nicht genannt. Im Schreiben vom 12. Oktober 2005 ist wiederum der Sitz des Verwaltungsgerichts, bei dem die Klage zu erheben ist, nicht genannt.

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Daher ist im vorliegenden Fall die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 VwGO maßgeblich. Da die am 14. November 2005 gegen den Gebührenbescheid vom 3. März 2005 erhobene Klage, diese Frist wahrt, ist die Klage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zulässig, ohne dass es noch darauf ankommt, ob eine Verlängerung der Klagefrist mit Zustimmung des Beklagten möglich oder der Klägerin Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren ist.

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Der erstinstanzliche Gerichtsbescheid ist danach aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung (§ 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen vor. Das Verwaltungsgericht hat nicht in der Sache selbst entschieden, sondern die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin hat auch einen Antrag auf Zurückverweisung gestellt. Unter Berücksichtigung des Interesses der Klägerin daran, gegebenenfalls in zwei Instanzen ihre Rechtsansicht überprüfen zu lassen, vom Beklagten nicht erhobener Bedenken gegen die Zurückverweisung und der voraussichtlich noch durchzuführenden Beweiserhebung zur Frage, ob die Klägerin seit August 2000 ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereit gehalten hat, hält es der Senat nach Ausübung des ihm zustehenden pflichtgemäßen Ermessens für sachgerecht, die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.