Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.11.2009, Az.: 12 L 4505/99
Beweiskraft eines Messprotokolls für das Vorliegen eines Verkehrsverstoßes; Messprotokoll als öffentliche Urkunde
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 29.11.2009
- Aktenzeichen
- 12 L 4505/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 34138
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2009:1129.12L4505.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - AZ. 2 A 157/97
Rechtsgrundlagen
- § 98 VwGO
- § 418 Abs. 1 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Beweiskraft eines Messprotokolls
Gründe
Soweit dem Vortrag des Zulassungsantrages (auch) entnommen werden könnte, es bestünden an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (auch) deshalb ernstliche Zweifel, weil das Verwaltungsgericht fehlerhaft das Vorliegen eines (schwerwiegenden) Verkehrsverstoßes am .. Mai 1997 angenommen habe, es aber nicht bewiesen sei, ob das zur Geschwindigkeitsmessung eingesetzte Messgerät VRG Multanova 6 F , bei dem die Durchführung des sog. Segmenttestes nicht nachgewiesen sei, einwandfrei funktioniert habe, ist die Darlegung ebenfalls unzulänglich. Das Verwaltungsgericht hat ausweislich des angefochtenen Urteils die Überzeugung gewonnen, dass mit dem Fahrzeug des Klägers am .. Mai 1997 gegen 15.33 Uhr auf der Bundesstraße bei Kilometer 12,3 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 29 km/h überschritten worden ist. Hierzu hat es ausgeführt, dass sich nach seiner Überzeugung keine Zweifel daran ergeben hätten, dass das amtlich zugelassene und geeichte Messgeräte am .. Mai 1997 zur Tatzeit nicht ordnungsgemäß funktioniert habe. Aus dem von dem Beamten des Beklagten, dem Kreissekretär G., verfassten Messprotokoll vom .. Mai 1997 ergebe sich auch, dass der sog. Segmenttest, der die Richtigkeit des Messvorganges belege, tatsächlich durchgeführt worden sei; denn es sei davon auszugehen, dass der Beamte, der das Messprotokoll geführt habe, eine Falschbeurkundung nicht begangen habe, weil er sich andernfalls strafrechtlich und disziplinarrechtlich verantwortlich gemacht hätte. Dem hält die Darlegung nur entgegen, bei Durchführung eines sog. Segmenttest hätten hierüber Fotos existieren müssen, die nicht vorgelegt worden seien, obwohl die Vorlage dieser Fotos vom Kläger verlangt worden sei, auch ersetze das "Meßprotokoll keinesfalls den Nachweis von Beweisen tatsächlicher Art". Mit diesem Vorbringen verkennt der Kläger die Bedeutung des Messprotokolls als öffentliche Urkunde i. S. des § 98 VwGO i.V.m. § 418 ZPO. Die Eintragung des Bediensteten G. des Beklagten im Messprotokoll, er habe vor und nach den Geschwindigkeitsmessungen vom .. Mai 1997 mit dem Messgerät den sog. Segmenttest durchgeführt, begründen nach § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis darüber, dass dieser Test (zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Messgerätes auch während der am .. Mai 1997 durchgeführten Messvorgänge) auch tatsächlich stattgefunden hat. Um diese gesetzliche Beweisregel zu erschüttern, hätte der Kläger nach § 418 Abs. 2 ZPO substantiiert durch einen Beweisantritt, der den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufes hätte beinhalten müssen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.5.1986 -BVerwG 4 CB 8.86 -, NJW 1986, 2127(2128) u. Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., RdNr. 209 zu § 98), dem Verwaltungsgericht zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen darlegen müssen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.5.1986, a.a.O.). Dies ist nicht geschehen. Vielmehr hat sich der Kläger darauf beschränkt, lediglich aus der Nicht-Vorlage der von ihm eingeforderten Fotos auf die nicht durchgeführten Tests zu schließen, und allgemein auf die von einem seiner Prozessbevollmächtigten, der früher Polizeibeamter - die umstrittenen Messungen sind aber nicht von Polizeibeamten, sondern von einem Bediensteten des Beklagten durchgeführt worden - gewesen sei, zum Unterlassen von sog. Segmenttests gemachten Erfahrungen zu verweisen. Dieses Vorbringen, das sich im Wesentlichen in der Aufstellung von Gegenbehauptungen erschöpfte, genügte aber schon nicht den an einen substantiierten Beweisantritt nach § 418 Abs. 2 ZPO (s. o.) zu stellenden Anforderungen (vgl. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albes/Hartmann, ZPO, 57. Aufl. 1999, RdNr. 10 zu § 418). Hiervon abgesehen berücksichtigt das Vorbringen des Klägers nicht hinreichend, dass der Bedienstete G. in einer zusätzlichen (dienstlichen) Erklärung vom .. September 1997 ausdrücklich bekräftigt hat, die sog. Segmenttests am .. Mai 1997 durchgeführt und hierüber auch Fotos angefertigt zu haben. Hierzu schweigt die Darlegung, die sich auch von daher nicht damit begnügen durfte, die Eintragungen im Messprotokoll mit allgemein gehaltenen, nicht auf die konkreten Messvorgänge vom .. Mai 1997 bezogenen Erwägungen in Zweifel zu ziehen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass von dem eingesetzten Geschwindigkeitsmessgerät während der laufenden Messungen eine geräteinterne Selbstüberprüfung, der sog. Quarztest vorgenommen wird, die dazu führt, dass sich bei Störungen eine Alarm-Anzeige einschaltet. Da das Messprotokoll vom .. Mai 1997 das Ansprechen dieser Alarmanzeige ebenfalls nicht ausweist, spricht auch dies für einen ordnungsgemäßen, d.h. störungsfreien Betrieb des Messgerätes zur Tatzeit (vgl. Urt. des Senats v. 12.12.1996 - 12 L 1116/96 - ), und damit gegen das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.