Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 12.01.2010, Az.: 7 A 6015/07
Bedürftigkeitsprüfung; Rundfunkgebührenbefreiung; Studienförderung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 12.01.2010
- Aktenzeichen
- 7 A 6015/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 41085
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2010:0112.7A6015.07.0A
Rechtsgrundlage
- 6 III RGebStV
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die unter der Teilnehmernummer D. bei dem Beklagten als Rundfunkteilnehmerin geführte Klägerin war als Empfängerin von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) während ihres - erfolgreich abgeschlossenen - Studiums der E. an der Evangelischen Fachhochschule Hannover (EFH) bis einschließlich März 2007 von der Rundfunkgebührenpflicht befreit. Sie begann zum 01. April 2007 an der EFH das Zusatzstudium der F. und G.. Weil die Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz mit dem Abschluss des E. -Studiums endete, gewährte die EFH der Klägerin mit Schreiben vom 03. Mai 2007 eine monatliche Studienförderung in Höhe des zuletzt bewilligten BAföG-Satzes auf der Grundlage des letzten BAföG-Bescheides vom 30. April 2007 - der den Zeitraum vom 01. April 2006 bis zum 31. März 2007 zum Gegenstand hatte - für die Dauer des Zusatzstudiums, längstens für 18 Monate. Die Klägerin schloss das Zusatzstudium zum 31. Juli 2008 erfolgreich ab.
Den Antrag der Klägerin auf erneute Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 09. Mai 2007 lehnte der Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 28. Juni 2007 mit der Begründung ab, die Klägerin habe die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV) mangels Vorlage eines Bescheides über den Bezug einer der dort aufgezählten Sozialleistungen nicht nachgewiesen; ihre Situation begründe auch keinen besonderen Härtefall i.S.d. § 6 Abs. 3 RGebStV, weil sonst die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 RGebStV, wonach Studierende nur bei BAföG-Bewilligung zu befreien seien, umgangen würde.
Die Klägerin legte unter dem 05. Juli 2007 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie darauf verwies, dass sie weiterhin studiere und die ihr seitens der EFH geleisteten Studienförderung genau den Leistungen entspreche, die sie nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten habe.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2007 aus den Gründen des Erstbescheides zurück.
Die Klägerin hat am 07. Dezember 2007 Klage erhoben, mit der sie geltend macht, die Unterscheidung zwischen der Förderung aufgrund des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und derjenigen durch ihre Hochschule stelle eine unbillige Härte dar, denn letztgenannte sei eine öffentliche, durch Steuergelder unterhaltene Institution. Das Zusatzstudium sei unabdingbar gewesen, um das Diplom als H. zu erreichen. Die Förderung durch die EFH sei daher nicht anders zu bewerten als diejenige nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 21. November 2007 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, sie für den Zeitraum vom 01. April 2007 bis 31. Juli 2008 von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er tritt der Klage entgegen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des vorgelegten Verwaltungsvorganges verwiesen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2007 ist rechtlich nicht zu beanstanden ( § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO ). Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht weder aus § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zum Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 26. Januar 2007 (Nds. GVBl. S. 54,60) - RGebStV - (1.) noch aus § 6 Abs. 3 RGebStV (2.).
1.) Die Klägerin erfüllt unstreitig nicht die in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV genannten Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, weil sie in dem streitigen Zeitraum weder die dort genannten Sozialleistungen bezogen noch einen der übrigen Tatbestände erfüllt hat. Die Klägerin hat insbesondere keine Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ( § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 RGebStV ) erhalten. Auch das Vorbringen der Klägerin, die ihr seitens der EFH in dem streitigen Zeitraum geleistete Studienförderung entspreche in der Höhe genau der Förderung, die sie zuvor nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten habe, verschafft ihr keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 RGebStV; denn die in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 11 RGebStV aufgeführten Befreiungstatbestände sind nach Sinn und Zweck des Regelungswerks abschließend und die Rundfunkanstalten sind bei ihrer Entscheidung über Befreiungsanträge an die Bescheide über die in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV aufgeführten Sozialleistungen, durch die nach § 6 Abs. 2 RGebStV die Befreiungsvoraussetzungen nachzuweisen sind, gebunden (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 12.05.2009 - 4 LB 188/08 -, NdsVBl 2009, 323, st. Rspr.). Dem hat sich die erkennende Kammer angeschlossen.
In der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass die bloße Einkommensschwäche als solche im Gegensatz zum früheren Recht nicht mehr zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV führt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.06.2008 - 6 B 1/08 -, NVwZ-RR 2008, 704).
2.) Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, nach § 6 Abs. 3 RGebStV von der Rundfunkgebührenpflicht befreit zu werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 18. Juni 2008 (a.a.O.) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die vertragsschließenden Länder mit dem nun geltenden Rundfunkgebührenstaatsvertragsrecht eine Erleichterung des Verfahrens angestrebt haben, um die bislang umfangreichen und schwierigen Berechnungen der Rundfunkanstalten bei der Befreiung wegen geringen Einkommens zu vermeiden. Durch § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV sollte für einkommensschwache Personen eine bescheidgebundene Befreiungsmöglichkeit eröffnet werden, wobei die Befreiungstatbestände abschließend und die Rundfunkanstalten bei ihrer Entscheidung an die entsprechenden Sozialleistungsbescheide gebunden sein sollten. Angesichts dieses Normzwecks, der in § 6 RGebStV klar zum Ausdruck komme, könne die gewollte Beschränkung der Befreiungstatbestände auf durch Leistungsbescheid nachweisbare Fälle der Bedürftigkeit nicht dadurch umgangen werden, dass einkommensschwache Personen, die keine Sozialleistungen erhalten, weil sie deren Voraussetzungen nicht erfüllten oder diese Leistungen nicht in Anspruch nehmen wollten, dem Härtefalltatbestand des § 6 Abs. 3 RGebStV zugeordnet würden. Dieses Auslegungsergebnis stehe mit höherrangigem Recht im Einklang. Dem Sozialstaatsgebot ( Art. 20 Abs. 1 GG ) trügen die Befreiungstatbestände des § 6 RGebStV offenkundig dadurch Rechnung, dass sie einkommensschwachen Personen die Möglichkeit einer bescheidgebundenen Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht einräumten (vgl. auch: Nds. OVG, Urt. v. 12.05.2009, a.a.O.).
Ausgehend von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung enthält § 6 Abs. 3 RGebStV keinen allgemeinen Auffangtatbestand, der jeweils eingreift, wenn die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 RGebStV nicht vorliegen; denn ansonsten würde die gewollte Beschränkung der Befreiungstatbestände auf durch Leistungsbescheid nachgewiesene Fälle der Bedürftigkeit in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV umgangen und der Zweck der Neuregelung, die befreiungsberechtigten Personengruppen durch einen einfach zu handhabenden Katalog festzulegen und die teilweise umfangreichen und schwierigen Berechnungen der Rundfunkanstalten bei der Befreiung wegen geringen Einkommens zu vermeiden, in Frage gestellt. Daher ist eine Gebührenbefreiung nach § 6 Abs. 3 RGebStV wegen eines besonderen Härtefalls von vornherein in den Fällen ausgeschlossen, in denen der Antragsteller zu einer der Personengruppen gehört, die von den Regelungen in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV erfasst werden, die dort genannten Voraussetzungen aber nicht erfüllt (Nds. OVG, Urt. v. 12.05.2009, a.a.O., m.w.N. aus der obergerichtl. Rspr.).
Demzufolge kann ein besonderer Härtefall hier nicht bejaht werden. Denn die Klägerin hat nicht durch Vorlage eines von einer zuständigen Fachbehörde erlassenen Bescheides nachgewiesen, während des streitigen Zeitraums ebenso bedürftig gewesen zu sein wie diejenigen Rundfunkteilnehmer, denen durch die Fallgruppen des § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht eingeräumt wird. Unabhängig von der Beantwortung der Frage, ob die EFH, die der Klägerin für den streitigen Zeitraum Studienförderung leistete, als Fachbehörde in diesem Sinn angesehen werden kann, fehlt es jedenfalls an einer Prüfung der Bedürftigkeit der Klägerin in dem streitigen Zeitraum. Vielmehr nahm die EFH vor/bei der Entscheidung, der Klägerin Studienförderung zu leisten, keine aktuelle Einkommens- und Vermögensprüfung, wie sie etwa die BAföG-Ämter durchführen, vor, sondern setzte allein auf der Grundlage des letzten BAföG-Bescheides, den die Klägerin erhalten hatte, die monatliche Förderung in der darin festgesetzten Höhe fort. So stellt es sich bereits nach dem Inhalt des Schreibens der EFH an die Klägerin vom 03. Mai 2007 dar. Darüber hinaus hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, sie habe der EFH vor deren Entscheidung über die Bewilligung der Studienförderung lediglich den BAföG-Bescheid vom 30. April 2007 - der den seinerzeit bereits vergangenen Zeitraum bis zum 31. März 2007 zum Gegenstand gehabt hatte -, vorlegen müssen, allerdings keine aktuellen, auf den Zeitraum des Zusatzstudiums bezogenen Einkommens- und Vermögensnachweise.
Dass die Klägerin in diesem Zeitraum keine Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhielt, obgleich sie sich nach wie vor in einer Hochschulausbildung befand, ist ebenso unerheblich wie der - zugunsten der Klägerin unterstellte - Umstand, dass diese während des streitigen Zeitraums - ohne die Studienförderung der EFH - bedürftig gewesen wäre; denn die vom Gesetzgeber gewollte Beschränkung der Befreiungstatbestände auf durch Leistungsbescheid nachweisbare Fälle der Bedürftigkeit in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV darf nicht dadurch umgangen werden, dass einkommensschwache Studierende, die keine Ausbildungsförderung erhalten, nach § 6 Abs. 3 RGebStV von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem bereits zitierten Urteil vom 12. Mai 2009 (a.a.O., unter Hinweis auf VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.01.2009 - 2 S 1949/08 -, juris) eine solche Auslegung der hier einschlägigen Normen als mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Sozialstaatsgebot ( Art. 20 GG ) und dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz ( Art. 3 Abs. 1 GG ), im Einklang stehend angesehen; angesichts der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 18. Juni 2008 (a.a.O.) sei dies nicht zu bezweifeln. Schon der 12. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts habe in seinem Urteil vom 18. Juli 2006 (- 12 LC 87/06 -, NdsVBl 2006, 337) ausdrücklich festgestellt, dass die hier vertretene Rechtsauffassung mit höherrangigem Recht und insbesondere Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei.
Die Klägerin ist damit im Ergebnis nicht anders gestellt als Studierende, die wegen Überschreitung der Förderungshöchstdauer (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.01.2009, a.a.O.) oder weil sie ein Zweitstudium betreiben ( Bay. VGH, Beschl. v. 08.06.2009 - 7 ZB 08.2969 -, juris) von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ausgeschlossen sind und demzufolge auch nicht (mehr) von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien sind; auch ein Studierender, der von seinen Eltern Unterhaltsleistungen erhält und dem nach Abzug der Unterkunftskosten Mittel in Höhe des Regelsatzes nach dem SGB II verbleiben, hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ( VG München, Urt. v. 10.10.2008 - M 6a K 07.4350 -, juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
Die Gerichtskostenfreiheit bei Verfahren mit dem Gegenstand der Rundfunkgebührenbefreiung aus sozialen Gründen folgt nach ständiger Rechtsprechung der niedersächsischen Verwaltungsgerichte aus § 188 VwGO.
Die Berufung wird gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, weil die Kammer der Frage, ob nach Auslaufen von BAföG-Leistungen von ihrer Hochschule für ein Zusatzstudium geförderten Studierenden Rundfunkgebührenbefreiung zu erteilen ist, grundsätzliche Bedeutung beimisst.