Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.05.2011, Az.: 13 K 243/09
Anspruch eines Insolvenzverwalters auf Änderung einer zur Insolvenztabelle angemeldeten und nicht bestrittenen Steuerforderung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 17.05.2011
- Aktenzeichen
- 13 K 243/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 35521
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2011:0517.13K243.09.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 06.12.2012 - AZ: V R 1/12
Rechtsgrundlagen
- § 130 AO
- § 172 AO
- § 178 Abs. 3 InsO
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter der GmbH & Co.KG (KG).
Über das Vermögen der KG eröffnete das Amtsgericht X am 1. März 2004 das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Das Finanzamt meldete u.a. nicht titulierte geschätzte Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2003 in Höhe von .... EUR im Insolvenzverfahren an. Im Prüfungstermin stellte der Kläger die geltend gemachten Forderungen des Beklagten fest. Die Umsatzsteuerforderung wurde in die Insolvenztabelle eingetragen.
Am 21. April 2008 reichte der Kläger für die KG die Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr 2003 ein. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26.09.2008 eine Änderung der festgesetzten Umsatzsteuer 2003 ab, wogegen sich die Klage richtet.
Der Kläger trägt vor, in einem Telefonat vom 21.02.2005 hätten er und die Sachbearbeiterin des Beklagten vereinbart, dass die Umsatzsteuerfestsetzung 2003 geändert werde, wenn die Auswertung der Buchführungsunterlagen zu anderen Ergebnissen führen werde.
Darüber hinaus gestalte die Feststellung zur Insolvenztabelle das materielle Recht nicht, sondern habe lediglich verfahrensrechtliche Wirkung. Es erfolge mit der Feststellung keine verbindliche Festlegung. Grundlage der Feststellung in der Tabelle sei eine Schätzung des Beklagten, die jederzeit, ohne Änderungsvorschrift, berichtigt werden könne.
Die rechtswidrige Feststellung in der Insolvenztabelle sei nach den §§ 130, 131 Abgabenordnung (AO) zu ändern. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften lägen vor. Denn ein rechtswidriger Verwaltungsakt könne jederzeit zurückgenommen bzw. geändert werden. Die Umsatzsteuerermittlung des Beklagten sei bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung falsch gewesen. Das Ermessen des Beklagten sei auf Null reduziert, insbesondere weil der Beklagte bei Anmeldung der Umsatzsteuer 2003 zur Tabelle gewusst habe, dass die Anmeldung zu hoch ausgefallen sei.
Im Übrigen sei eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vorzunehmen. Die tatsächlichen Umsätze seien eine neue Tatsache und ihn treffe keine Schuld am nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsache.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung vom 26. September 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Januar 2009 zu verpflichten, die Anmeldung der Umsatzsteuerforderung für 2003 zur Insolvenztabelle gemäß der Nacherklärung zu mindern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, die Feststellung zur Insolvenztabelle stehe einem bestandskräftigen Steuerbescheid gleich. Dieser könne nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden. Die Voraussetzungen dieser Änderungsvorschrift liegen nicht vor. Denn das Verschulden des Klägers liege darin, dass er im Prüfungstermin der Feststellung nicht widersprochen habe.
Wegen des weitergehenden Vorbringens wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Änderung der am 7. April 2004 erfolgten Anmeldung von Umsatzteuer 2003 in Höhe von .... EUR zur Insolvenztabelle.
Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus einer Zusage des Beklagten.
Der Senat konnte es dahin gestellt sein lassen, ob für die Wirksamkeit einer solchen Zusage eine besondere Formvorschrift erforderlich ist. Denn der Beklagte hat eine solche Zusage auf Änderung der zur Insolvenztabelle angemeldeten Umsatzsteuer 2003 weder im Telefonat vom 22.02.2005 noch im Telefonat vom 21.05.2005 abgegeben.
Die Zeugin, die zuständige Sachbearbeiterin des Beklagten, die nach dem Vortrag des Klägers die behauptete Änderungszusage abgegeben haben soll, hat hierzu in ihrer Vernehmung vom 17. Mai 2011 eindeutig erklärt, dass sie eine solche Zusage dem Kläger gegenüber nicht abgegeben habe. Vielmehr habe sie immer wieder den Kläger aufgefordert, sich zu den vom Beklagten angemeldeten Forderungen zu äußern, damit sie im Falle eines Bestreitens der angemeldeten Forderung das Feststellungsverfahren einleiten könne. Die im Schreiben des Klägers vom 22. Februar 2005 behauptete Vereinbarung einer Korrektur der Steueranmeldung bei Vorlage von Steuererklärungen bzw. Bilanzen sei nicht getroffen und so weit von dem Inhalt der Telefongespräche entfernt, dass sie es nicht für erforderlich gehalten habe, sich dazu überhaupt zu äußern. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Korrektur der angemeldeten Forderung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben. Hiernach kann sich ein Steuerpflichtiger ohne konkrete Zusage der Finanzbehörde auf eine Zusage berufen, wenn sich aus dem ihm bekannten Verhalten der Finanzbehörde der Schluss aufdrängt, dass die Finanzbehörde sich gebunden sieht.
Zwar ergibt sich aus dem Schreiben des Klägers vom 22. Februar 2005, dass er aufgrund des Telefonats vom 21. Februar 2005 zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Beklagte bei späterer Vorlage von Steuererklärungen, die zu einer geringeren Steuer führen, die angemeldeten Steuerforderungen anpassen werde. Die Zeugin hat jedoch eindeutig und klar bekundet, dass sie in dem Telefonat vom 21. Februar 2005 vom Kläger nur eine Erklärung erhalten wollte, ob er die angemeldete Forderung bestreiten wolle oder anerkenne. Über die Frage, ob die Anmeldung geändert werden könne, wenn Steuererklärungen später abgegeben werden, sei überhaupt nicht gesprochen worden. Der Senat hat aufgrund des persönlichen Eindrucks, den die Zeugin bei ihrer Vernehmung hinterlassen hat, keine Zweifel an der Richtigkeit der Aussage der Zeugin. Wenn aber im Telefonat vom 21. Februar 2005 überhaupt nicht von einer späteren Änderung der angemeldeten Forderung die Rede war, so ist die im Bestätigungsschreiben vom 21.02.2005 behauptete Vereinbarung einer späteren Änderung ein Verstoß gegen Treu und Glauben von Seiten des Klägers. Dies schließt ein Anspruch auf Korrektur der angemeldeten Forderungen aus Treu und Glauben aus. Denn hierauf kann sich nur derjenige berufen, der sich selbst nicht treuwidrig verhält.
Auch aus den Vorschriften der §§ 130 ff. AO und §§ 172 f. AO ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf Änderung der Anmeldung zur Insolvenztabelle.
Denn eine Änderung einer in die Insolvenztabelle widerspruchslos eingetragenen Steuerforderung kann alleine im Wege der Nichtigkeits- und Restitutionsklage gemäß § 4 Insolvenzordnung (InsO) in Verbindung mit den §§ 587 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) erfolgen (Urteil des FG Düsseldorf vom 21.04.2010, 5 K 4305/07 U, EFG 2010, 1579 p, Beschluss des BGH vom 18.02.2010, IX R 113/09, NZI 2010, 345, [BGH 18.02.2010 - IX ZR 113/09] Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 17.06.2008, 34 U 261/07, Rz. 42 ff., [...]). Dies ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut des § 178 Abs. 3 InsO, der die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils vorschreibt. Der Gesetzeswortlaut lässt keinen Raum für eine Auslegung dahin, dem Tabelleneintrag lediglich die Wirkung eines bestandskräftigen Bescheides beizumessen.
Auch der allgemeine Grundsatz "Insolvenzrecht vor Steuerrecht" gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 AO schließt einen Rückgriff auf steuerrechtliche Änderungsvorschriften aus.
Die Anwendungen der §§ 130, 172 ff. AO widerspricht darüber hinaus der mit § 178 Abs. 3 InsO bezweckten Rechtskraftwirkung und der damit einhergehenden Rechtssicherheit. Der Insolvenzverwalter könnte bei Steuerforderungen gefahrlos die insolvenzrechtliche Widerspruchsobliegenheit verstreichen lassen und - ohne jegliche Fristprobleme - eine Änderung über die §§ 130 ff, 172 ff AO auf den Finanzrechtsweg durchzusetzen versuchen. Die insolvenzrechtlichen Vorschriften zur Widerspruchseinlegung im Prüftermin wären bei Steuerforderungen damit praktisch bedeutungslos (FG Düsseldorf a.a.O.). Eine solch weitgehende und systemverändernde andersartige Behandlung von Steuerforderungen im Verhältnis zu sonstigen Forderungen hätte einer besonderen Regelung im Gesetz bedurft. (Diese tragenden Gesichtspunkte finden in dem Urteil des sächsischen Finanzgerichts vom 9. Juni 2010, 8 K 1573/09 ([...]), wonach die Änderung in der Insolvenztabelle eingetragener Steuerforderungen nach den §§ 130 Abs. 1, 172 ff. AO erfolgen könne, keine Erwähnung).
Da die Voraussetzungen der §§ 578 ff. ZPO unstreitig nicht vorliegen und die Änderungsvorschriften der §§ 130 ff. AO und §§ 172 ff. AO nicht anwendbar sind, gibt es keine Grundlage für den geltend gemachten Anspruch.
Die Klage war folglich mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen.